De Dietrich
De Dietrich (ursprünglich: von Dietrich) ist eine Industriellen-Dynastie im Nord-Elsass (Unterelsass). Die Familie stammte ursprünglich aus Straßburg und war (wie viele spätere Industriellen-Familien des Elsass) evangelischer Konfession.
Geschichte
16. bis 18. Jahrhundert
Die Familie De Dietrich hieß ursprünglich Didier und stammt aus Saint-Nicolas-de-Port in der Nähe von Nancy. Demange Didier wurde im Alter von 12 Jahren nach Straßburg in die Lehre zu einem Handelshaus geschickt, 1578 beantragte er das Straßburger Bürgerrecht um zu heiraten. Gleichzeitig änderte er seinen Namen in Dietrich, Straßburg war zu der Zeit deutschsprachig.[1] 1684 erwarb Johann (Jean) Dietrich den von Adam Jäger gegründeten Eisenhammer in Jägertal bei Reichshofen bei Hagenau. 1719 wurde er zum Freiherrn des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation geadelt. Im Jahre 1761 wurde Jean Dietrich, der Enkel des Firmengründers, für seine militärischen Verdienste von König Ludwig XV. in den Adelsstand erhoben. Jetzt kaufte Jean de Dietrich die Gutsherrschaft von Reichshofen und die zugehörigen Wasserrechte Franz von Lothringen ab und begann, im Elsass eine Eisenindustrie aufzubauen.
Zwischen 1767 und 1771 übernahm oder gründete er die Schmiede (La Schmelz) in Reichshofen sowie die Eisenhämmer am Rauschendwasser bei Reichshofen, in Bad Niederbronn, Zinsweiler, Rothau, Mutterhausen und Merzweiler. Der hohe Bedarf an Holzkohle wurde durch Köhler in der Umgebung gedeckt, z. B. in Lembach.[2] Auch Johann Wolfgang von Goethe erwähnt in den Notizen aus seiner Straßburger Studienzeit die Schmieden von Niederbronn, geleitet von Frédéric de Dietrich. Dort interessierte der junge Goethe sich für Mineralogie, Chemie und Alchemie (evtl. spätere Aufarbeitung in der „Hexenküche“ seines Faust).
Französische Revolution
Friedrich von Dietrich war zu Beginn der Französischen Revolution Bürgermeister von Straßburg und starb 1793 während der Jakobiner-Schreckensherrschaft auf der Guillotine. Im Zuge der Französischen Revolution wurden die Fabriken defizitär und häuften Verluste an. Nach 1800 verkaufte Jean Albert Frédéric De Dietrich privaten Besitz wie das Haus in Straßburg und das Schloss in Reichshoffen und gab Aktien aus um Liquidität zu beschaffen. Als er 1806 im Alter von 33 Jahren starb, setzte seine Witwe Amélie de Berckheim die Entschuldung fort und es gelang ihr, bis 1827 die Firma wieder vollständig in Familienbesitz zu überführen. Sie beendete auch die Eisenerzeugung und setzte auf die Eisenverarbeitung, insbesondere Eisenbahnausrüstung.[3] Ab 1848 engagierte sich die Familie de Dietrich verstärkt im Eisenbahnbau, bekannt als De Dietrich Ferroviaire. Später wurden auch gusseiserne Öfen in Bad Niederbronn produziert.
20. Jahrhundert
1896 erwarb Eugène de Dietrich eine Lizenz von Amédée Bollée fils zur Herstellung von Automobilen. 1897 begann in den beiden Werken De Dietrich in Niederbronn und De Dietrich in Lunéville die Produktion. Von 1902 bis 1904 arbeitete Ettore Bugatti bei De Dietrich. Ab 1934 gründete De Dietrich Filialen in Lyon und in Algerien, so konnten sie die Beschlagnahmungen während der deutschen Besatzung 1940–1944 überstehen.[4]
1994 brachte die Familie ihre Firma an die Börse, um Kapital für die weitere Expansion zu erhalten.[5] Neben seriösen Investoren fanden sich aber bald auch Spekulanten ein, die die Firma zerschlagen und in Einzelteilen verkaufen wollten. Die Familie zog sich 2001 von der Börse zurück, um dies zu finanzieren, verkaufte sie Teile ihrer Gruppe.[6]
1996 übernahm De Dietrich die Firma OERTLI, einen Hersteller von Brennern, und 1999 die Interdomo GmbH Emsdetten für die Entwicklung und Produktion von Brennwert- und Stahlheizkesseln. 2000 wurde die De-Dietrich-Gruppe mit Zustimmung des Managements durch die Société Industrielle du Hanau (SIH) übernommen. 2004 fusionierte die Gruppe De Dietrich Thermique mit dem niederländischen Brennwertkesselhersteller Remeha; die Gruppe De-Dietrich-Remeha schloss sich 2009 mit der englischen Baxi-Gruppe zur BDR Thermea BV mit Hauptsitz in Apeldoorn in den Niederlanden zusammen. Die Haushaltsgeräte-Sparte von De Dietrich wurde in den spanischen Fagor-Konzern eingegliedert, der durch die Wirtschaftskrise in Südeuropa 2013 Insolvenz anmelden musste.[7] Nach der Ausgliederung des Eisenbahnbaus und der Haushaltsgerätesparte wurde 2000 die verbliebene Herstellung von Anlagen für die chemische und pharmazeutische Industrie in De Dietrich Process Systems zusammengefasst. Die Firma wird von angestellten Managern geleitet, der Aufsichtsrat ist aber in den Händen der Familie De Dietrich.[8]
De Dietrich in den Nordvogesen
In Reichshoffen steht das Schloss, welches Jean De Dietrich 1770 erbaute. Es beherbergt heute die Association De Dietrich, eine gemeinnützige Vereinigung, die das kulturelle Erbe der Familie bewahrt. Außerdem hat die Firma De Dietrich Process Systems hier ihren Hauptsitz.[9]
In Jaegerthal steht das Schloss De Dietrich, erbaut 1780. Gilbert de Dietrich (1928–2006) war der letzte feste Bewohner. Fast das gesamte Gebiet von Jaegerthal ist im Besitz der Familie De Dietrich, die heute in Paris lebt, aber immer noch von Zeit zu Zeit das Schloss besucht.[10]
1912 beauftragte die Familie die Architekten Julius Berninger und Gustave Krafft, die Villa Riesack oberhalb von Niederbronn-Les-Bains an der Straße nach Jaegerthal zu bauen, der Stil ist Historismus.[11]
Teil des ehemaligen Eisenwerks in Jaegerthal war ein Elektrizitätswerk am Schwarzbach. Es versorgte die Gemeinde bis in die 1960er Jahre mit Strom, für die Bewohner war der Strom kostenlos. Ab 1996 renovierte der Landschaftsarchitekt Michael Veith das Gebäude und den Park und verwandelte es in ein luxuriöses Gästehaus.[12]
De Dietrich Fabriken im Nord-Elsass
Ab dem 17. Jahrhundert prägte die Familie De Dietrich jahrhundertelang die industrielle Landschaft im Nord-Elsass. Auch wenn heute (2021) viele Fabriken zu anderen Firmen gehören, arbeiten die Einheimischen weiterhin „Bei De Dietrich“. Wichtige Standorte sind:
- Jaegerthal: Ursprung, Eisenhütte, nur noch Ruinen vorhanden
- Niederbronn: Eisengießerei, verkauft, Fonderie De Niederbronn
- Reichshoffen: Eisenbahntechnik, zum Teil verkauft, Alstom Transport, Vossloh Cogifer, De Dietrich Process Systems
- Merzwiller: Heizungen und Wärmetechnik, Mehrheit verkauft, BDR Thermea Group
- Zinswiller: Ausrüstung für die chemische Industrie, De Dietrich Process Systems
Sonstiges
Die Familie De Dietrich ist das Vorbild für die Familie Kempf in der französischen Fernsehserie Die Elsässer.[13]
In Reichshoffen gibt es die Suzanne de Dietrich Behindertenwerkstatt, Teil der protestantischen Sonnenhof Stiftung.[14]
Familienmitglieder
- Dominikus Dietrich (1620–1692), Jurist und Bürgermeister von Straßburg
- Friedrich von Dietrich (1748–1793), Naturwissenschaftler und Bürgermeister von Straßburg
- Eugène de Dietrich (1844–1918), Industrieller und Mitglied des Deutschen Reichstags
- Baron Albert de Dietrich (1861–1956), Schöpfer der Léonardsau
- Suzanne de Dietrich (1891–1981), protestantische Theologin
Literatur
- Michel Hau: La Maison De Dietrich de 1685 à nos jours. Reichshoffen 2005
- Fabien Sabatès: Bugatti. (Übers. a. d. Englischen von Christina Zöllner). Wien [u. a.]: Lechner, 1993. ISBN 3-85049-033-5
Weblinks
Einzelnachweise
- Zeitschrift Les Saisons d'Alsace, Nr. 56, DNA Strasbourg, 2013, ISSN 0048-9018, S. 104ff
- Charles Schlosser: LE CHARBONNIER, UNE LONGUE HISTOIRE. I.D. L'Édition, Bernardswiller 2021, ISBN 978-2-36701-232-2.
- Michel Hau: L'execption De Dietrich. In: Les saison d'Alsace. Nr. 56. DNA, Strasbourg Mai 2013, S. 106 f.
- Michel Hau: L'execption De Dietrich. In: Les saisons d'Alsace. 2013-05 Auflage. Nr. 56. DNA, Strasbourg, S. 110.
- DE DIETRICH. In: Les Echos - Französische Wirtschaftszeitung. 14. Oktober 1994, abgerufen am 6. Januar 2022 (französisch).
- De Dietrich : résultat de l’OPR-RE. In: Boursier.Com - Französisches Online Börsenjournal. 4. Juli 2001, abgerufen am 6. Januar 2022 (französisch).
- Hausgeräte. Abgerufen am 23. Dezember 2013.
- De Dietrich Process Systems. In: Website der Firma. De Dietrich Process Systems, 2021, abgerufen am 2. Januar 2022.
- Das Erbe von De Dietrich. In: Website der Firma De Dietrich Process Systems. De Dietrich Process Systems, 2010, abgerufen am 4. Januar 2022.
- Webseite des Canton von Niederbronn-Les-Bains. Abgerufen am 4. Oktober 2021
- Maison, villa Reisack. In: POP : la plateforme ouverte du patrimoine. Ministère de la Culture, 1994, abgerufen am 5. Januar 2022 (französisch).
- Homepage der Domaine Jaegerthal. Abgerufen am 4. Oktober 2021
- Stefan Woltersdorff: Nordelsass für Leser. Morstadt, Kehl 2007, ISBN 978-3-88571-326-5, S. 230.
- Homepage der Sonnenhof Stiftung. Abgerufen am 4. Oktober 2021