Kraftwerk Voerde
Das Kraftwerk Voerde ist ein seit Ende März 2017 stillgelegtes Steinkohlekraftwerk in Voerde (Niederrhein) im Kreis Wesel. Es liegt unmittelbar am Rhein.
Kraftwerk Voerde | |||
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Lage | |||
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Koordinaten | 51° 34′ 40″ N, 6° 40′ 57″ O | ||
Land | Deutschland | ||
Gewässer | Rhein | ||
Daten | |||
Typ | Kohlekraftwerk | ||
Primärenergie | Fossile Energie | ||
Brennstoff | Steinkohle | ||
Leistung | 2234 MW[1] Installierte Leistung Brutto 2030 MW Netto | ||
Eigentümer | 75% STEAG GmbH, 25% RWE Generation SE | ||
Betreiber | STEAG | ||
Betriebsaufnahme | 1971 | ||
Stilllegung | 31. März 2017 | ||
Kessel | 2 Kohlestaub-gefeuerte Benson-Kessel – flüssige Entaschung (2× 980 t/h) &
2 Kohlestaub-gefeuerte Benson-Kessel – Trockenentaschung (2× 2.160 t/h) | ||
Schornsteinhöhe | 250 m (1982; außer Betrieb seit 2005) 230 m (Neubau 2005) 218 (1970) m | ||
Eingespeiste Energie 2011 | 7.521[1] GWh | ||
Website | www.steag.com |
Geschichte
1970/71 wurde am Standort Voerde das Kraftwerk West mit zwei Blöcken (West I und West II) mit 322 und 318 MW elektrische Leistung ohne Rauchgasreinigungsanlagen errichtet, die zu diesem Zeitpunkt zwar technisch realisierbar, aber noch nicht gesetzlich vorgeschrieben waren.
1982 und 1985 kam es am Standort Voerde zu einer Erweiterung um die Blöcke Voerde A und Voerde B mit je 695 MW elektrische Leistung, die mit einer nun gesetzlich vorgeschriebenen Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) ausgestattet wurden.
2005 wurde im Dezember eine neue REA mit einem neu errichteten Schornstein in Betrieb genommen um die strengeren gesetzlichen Grenzwerte trotz veralteter Kraftwerksblöcke noch einhalten zu können. Da der Bau eines dritten Schornsteins billiger war, wurde die zusätzliche Nutzung des 165 m hohen Naturzug-Kühlturms zur Reingaseinleitung (Nutzung des Kühlturms als Schornstein) im Jahr 2005 aus Kostengründen nicht realisiert. Bei Umbau des Kühlturms (Einleitung Rauchgasrohr in Kühlturmmitte) wäre für die Blöcke Voerde A und B kein Schornstein mehr nötig gewesen. Zusätzlich wurde durch den Umbau im Jahr 2005 auch die Gesamtleistung des Kraftwerks um 114 Megawatt erhöht (West I und II je 6 MW, Voerde A und B je 51 MW).[1]
Im Herbst 2015 forderte die RWE, als 25% Anteilseigner, die STEAG dazu auf, die zwei Kraftwerksblöcke (Voerde A und B) bis Ende September 2016 vom Netz zu nehmen. Die RWE begründete ihre Forderung mit den niedrigen Großhandelspreisen.[2] Als Stilllegungstermin wurde der 31. März 2017 festgelegt.[3] Im Januar 2017 teilte STEAG mit, zeitgleich auch die Blöcke West I und II abzuschalten.[4] Das Kraftwerk wurde am 31. März 2017 stillgelegt.[5]
Rückbau und Zukunft des Kraftwerkgeländes
Für den Rückbau des Kraftwerks wird aktuell mit fünf bis sieben Jahren gerechnet. Es gibt Überlegungen seitens der Stadt die gewonnene Fläche als Wohngebiet direkt am Rhein zu vermarkten.[6]
Technische Daten
Die vier Kraftwerksblöcke (West I und II, Voerde A und B) hatten zusammen eine installierte Leistung (Bruttoleistung) von 2234 Megawatt (siehe Tabelle).[7][1] Es war damit das größte Kraftwerk des Betreibers Steag.
Bei einer Stromproduktion in Höhe von 11.000 GWh verbrauchte die Gesamtanlage ca. 4 Millionen Tonnen Steinkohle.[8] Ein Kohlelager neben dem Kraftwerk mit einem Fassungsvermögen von 350.000 Tonnen glich Liefer- und Verbrauchsschwankungen aus.
Die nutzbare Stromabgabe lag im Jahr 2007 bei 10.991 GWh.[7] Im Jahr 2010 wurden aufgrund der veränderten Bedingungen auf dem Strommarkt nur noch 8.414 GWh.[9] produziert. Im Jahr 2011 reduzierte sich die Stromproduktion erneut auf insgesamt 7.521 GWh.[1]
Das Kraftwerk Voerde verfügt über einen 250 Meter hohen Schornstein (außer Betrieb seit 2005), einen 230 Meter hohen Schornstein (Neubau 2005) und einen 218 Meter hohen Schornstein. Der 230 Meter hohe Schornstein wurde im Zeitraum 2004/2005 im Rahmen der Teilerneuerung der Rauchgasreinigungsanlage neu gebaut um die Anforderungen der vom Gesetzgeber novellierten 13. Bundes-Immissionsschutzverordnung zu erfüllen. Der 218 Meter hohe Schornstein gehörte zu den Blöcken West I und West II, der 230 Meter hohe Schornstein (Neubau 2005) wurde von den Blöcken Voerde A und B genutzt und ersetzte den alten 250 Meter hohen Schornstein. Der nun nicht mehr benötigte 250 Meter hohe Schornstein wurde lediglich oben verschlossen, die alten Rauchgasleitungen der Blöcke A und B wurden zum neuen Schornstein umgeleitet. Ein Rückbau des inaktiven Schornsteins wurde aus Kostengründen nicht geplant.
Block | West I | West II | Voerde A | Voerde B |
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Inbetriebnahme | 1971 | 1971 | 1982 | 1985 |
Stilllegung | 2017 | 2017 | 2017 | 2017 |
Feuerungswärmeleistung[10] | 900,15 MW | 900,15 MW | 1869,44 MW | 1869,44 MW |
Bruttoleistung (Nominalleistung Dampfturbine) |
356,00 MW | 356,00 MW | 761,00 MW | 761,00 MW |
Eigenstromverbrauch zum Betrieb des Kraftwerks (pro Block) | 38,00 MW | 34,00 MW | 66,00 MW | 66,00 MW |
Eigenstromverbrauch zum Betrieb des Kraftwerks (Gesamt) | 9,2 % der Gesamtleistung (206,00 MW) | |||
Netto-Nennleistung[11] (elektrisch) | 322 MW | 318 MW | 695 MW | 695 MW |
Kraft-Wärme-Kopplung | Keine Nutzung der Energie zur Erzeugung von Fernwärme oder Prozessdampf für externe Nutzer[11] | |||
aktive Kamine (Höhe) | 1 × 218 m | 1 × 230 m (Neubau 2005) | ||
inaktive Kamine (Höhe) | 0 | 1 × 250 m (seit 2005 außer Betrieb) | ||
Kühlturm (Höhe) | 1 × 165 m Naturzug-Nasskühlturm | |||
Wirkungsgrad Gesamtanlage | 38,7 %[12] |
Der Netzanschluss erfolgte über das Umspannwerk Möllen in das Stromnetz des Übertragungsnetzbetreibers Amprion. Die Blöcke West I und II speisten dabei in die 220-kV-Höchstspannungsebene und die Blöcke Voerde A und B auf der 380-kV-Höchstspannungsebene ein.[11]
Durch das Kraftwerksgelände führt die Landesstraße 396, die Voerde mit Dinslaken und Duisburg-Walsum verbindet.
Im Kraftwerk arbeiteten im Jahr 2016 180 Mitarbeiter, die sich auf die Blöcke Voerde A & B (110 Mitarbeiter) und West I & 2 (70 Mitarbeiter) verteilten.[13]
Das Kraftwerk ist außerdem ein Standort der Themenroute „Großchemie und Energie“ der Route der Industriekultur.
Emissionen
Luftschadstoffe und Wasserschadstoffe
Kohlekraftwerke stehen aufgrund ihres Schadstoffausstoßes in der Kritik. Auch nach dem Einbau von Filteranlagen in den 1980er Jahren, die den Großteil des Schwefels aus den Abgasen entfernen, stoßen Kohlekraftwerke weiterhin relevante Mengen Schwefeldioxid aus. Neben Schwefeldioxid gelangen umwelt- und gesundheitsschädliche Stickstoffoxide sowie gesundheitsschädliche Feinstäube, darin enthaltene Schwermetalle und PAK in die Umwelt. In Deutschland trug die Energiewirtschaft 2010 mit 71 % (6,571 Tonnen) zur Gesamt-Quecksilberemission bei.[14]
Die Schadstoffemissionen aller großen Industriebetriebe sind im Europäischen Schadstoffemissionsregister (PRTR) über das deutsche Portal www.thru.de veröffentlicht.
Emissionen unterhalb der berichtspflichtigen Mengenschwelle sind in der Tabelle mit „<“ neben dem Grenzwert aufgeführt.
Jahr | Kraftwerks-blöcke | Produzierte Strommenge | Kohle-verbrauch | Kohlendioxid (CO2) | Chloride -Abwasser- | Stickoxide (NOx/NO2) | Fluoride (als Gesamt-F) -Abwasser- | Schwefeloxide (SOx/SO2) | Feinstaub | Anorganische Fluor-verbindungen als HF | Distickoxid (N2O) | Ammoniak (NH3) | Benzol (C6H6) | Kupfer (Cu) -Abwasser- | Zink (Zn) -Abwasser- | Blei (Pb) | Nickel (Ni) | Chrom (Cr) | Quecksilber (Hg) | Arsen (As) | Cadmium (Cd) |
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2011 | Voerde A & B | keine Daten | keine Daten | 5.680.000 t | 2.580 t | 4.430 t | 3.150 kg | 2.800 t | <100 t | 38.500 kg | 30.500 kg | <10.000 kg | <1.000 kg | 1.130 kg | 275 kg | <200 kg | <50 kg | <100 kg | 73,3 kg | <20 kg | <10 kg |
2011 | West I & II | keine Daten | keine Daten | 1.240.000 t | <2.000 t | 963 t | 2.140 kg | 1.040 t | <100 t | 19.400 kg | <10.000 kg | <10.000 kg | <1000 kg | <50 kg | <100 kg | <200 kg | <50 kg | <100 kg | 21,6 kg | <20 kg | <10 kg |
2011 | Gesamtmenge | 7.521 GWh | keine Daten | 6.920.000 t | >2.580 t – keine genauen Daten | 5.393 t | 5.290 kg | 3.480 t | keine genauen Daten | 57.900 kg | >30.500 kg – keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | >1130 kg – keine genauen Daten | >275 kg – keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | 94,9 kg | keine genauen Daten | keine genauen Daten |
2011 | Menge pro GWh | 1 GWh | keine Daten | 920,090 t | keine genauen Daten | 0,717 t | 0,703 kg | 0,463 t | keine genauen Daten | 7,698 kg | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | 0,0126 kg | keine genauen Daten | keine genauen Daten |
2007 | Voerde A & B | keine Daten | keine Daten | 6.930.000 t | 3.720 t | 4.390 t | 3.450 kg | 3.380 t | <100 t | 44.300 kg | 37.000 kg | 13.000 kg | 1.840 kg | 738 kg | <100 kg | <200 kg | 72,8 kg | <100 kg | 40,8 kg | <20 kg | <10 kg |
2007 | West I & II | keine Daten | keine Daten | 3.250.000 t | 2.780 t | 2.220 t | 2.830 kg | 2.860 t | 195 t | 49.000 kg | 17.300 kg | 12.200 kg | <1000 kg | <50 kg | <100 kg | <200 kg | 153 kg | <100 kg | 21,8 kg | 35,2 kg | <10 kg |
2007 | Gesamtmenge | 10.991 GWh | 4.000.000 t | 10.180.000 t | 6.500 t | 6.610 t | 6.280 kg | 6.240 t | >195 kg – keine genauen Daten | 93.300 kg | 54.300 kg | 25.200 kg | >1840 kg – keine genauen Daten | >738 kg – keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | 225,8 kg | keine genauen Daten | 62,6 kg | >35,2 kg – keine genauen Daten | keine genauen Daten |
2007 | Menge pro GWh | 1 GWh | 363,63 t | 926,212 t | 0,591 t | 0,601 t | 0,571 kg | 0,568 t | keine genauen Daten | 8,489 kg | 4,940 kg | 2,293 kg | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | keine genauen Daten | 0,021 kg | keine genauen Daten | 0,0057 kg | keine genauen Daten | keine genauen Daten |
Volkswirtschaftliche Kosten durch Umwelt- und Gesundheitsschäden
Die Europäische Umweltagentur hat die volkswirtschaftlichen Kosten durch Umwelt- und Gesundheitsschäden der ungefähr 28.000 größten Industrieanlagen in Europa anhand der im PRTR gemeldeten Emissionsdaten (Berichtsjahr 2009) im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie berechnet.
Grundlage für die Berechnungen lieferten neben den Emissionsdaten aus dem Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister weitere epidemiologische Studien zu den Gesundheitsfolgen von Feinstaub. Zusätzlich wurden Kosten für die Behandlung von Erkrankungen durch die freigesetzten Schadstoffe und den Arbeitsausfall durch diese Erkrankungen berechnet.[16] Diese Studie wurde von der EU-Kommission beauftragt, die Schadenskosten für die Kraftwerksblöcke West I & II sowie Voerde A & B wurden separat berechnet.[17]
Berichtsjahr | Verursacher | Schadenskosten pro Jahr | Einheit |
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2009 | Kraftwerk Voerde (Blöcke West I & II) | 84–137 | Millionen Euro |
2009 | Kraftwerk Voerde (Blöcke Voerde A & B) | 183–272 | Millionen Euro |
2009 | Kraftwerk Voerde (Gesamtsumme Kraftwerk Voerde) | 267–410 | Millionen Euro |
2009 | Kraftwerk Voerde (Anteil Kraftwerk Voerde an Gesamtsumme) | 0,26–0,24 | Prozentsatz |
2009 | Gesamtsumme ca. 28.000 Industrieanlagen in Europa | 102.000–169.000 | Millionen Euro |
Siehe auch
- Liste stillgelegter Kraftwerke in Deutschland
- EU-Emissionshandel
- Energiewende
- Rheinkreuzung der verlängerten Nord-Süd-Leitung bei Voerde; Tragmaste der 220/110-kV-Leitung über den Rhein (Höhe: 138 Meter, Gewicht: 172 Tonnen, Baujahr 1926)
Weblinks
- Informationen des Betreibers Steag zum Kraftwerk
- Infoblatt des WWF Deutschland zum CO2-Ausstoß der 30 klimaschädlichsten Kohlekraftwerke des Landes (PDF; 670 kB)
- Informationen & Bilder zum Bau des dritten Schornsteins
- Bildergalerie (Kohlekraftwerke.de)
- Fotogalerie Kraftwerk Voerde bei Nacht
- Beschreibung dieser Sehenswürdigkeit auf der Route der Industriekultur (archivierte Version)
Einzelnachweise
- Kraftwerk Voerde auf steag.com (Memento vom 6. Juni 2012 im Internet Archive)
- RWE fordert Stilllegung von Kraftwerksblöcken. In: rp-online.de. RP Digital GmbH, 13. November 2015, abgerufen am 3. November 2016.
- Kraftwerk: Teilstilllegung besiegelt. In: derwesten.de. FUNKE MEDIEN NRW GmbH, 2. Juni 2016, abgerufen am 11. Juli 2016.
- Steag-Kraftwerk in Voerde wird komplett stillgelegt. In: derwesten.de. FUNKE MEDIEN NRW GmbH, 20. Januar 2017, abgerufen am 22. Januar 2017.
- Kraftwerk der Steag in Voerde ist Geschichte. wp.de, 1. April 2017, abgerufen am 2. April 2017.
- Das Steag-Aus in Voerde sieht die Stadt auch als Chance. In: radiokw.de. Veranstaltergemeinschaft für lokalen Rundfunk im Kreis Wesel e.V., 3. November 2016, abgerufen am 3. November 2016.
- Kraftwerk Voerde auf kohlekraftwerke.de
- Kraftwerk Voerde auf metropoleruhr.de.de
- Kraftwerk Voerde auf derwesten.de
- Wolfgang Konrad: Kraftwerksstandort Voerde. (PDF-Datei, 1,6 MiB) Stadt Voerde. Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses am 15.09.2009. Abgerufen am 4. Dezember 2014.
- Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur, Stand: 7.3.2019
- Archivierte Kopie (Memento vom 28. November 2015 im Internet Archive)
- Kraftwerk: Teilstilllegung besiegelt. In: derwesten.de. 2. Juni 2016, abgerufen am 11. Juli 2016.
- Emissionsentwicklung 1990 - 2010, Schwermetalle Nationale Trendtabellen für die deutsche Berichterstattung atmosphärischer Emissionen seit 1990, Umweltbundesamt (Excel-Tabelle), 2012
- www.Thru.de - Emissionsdaten zum Kraftwerk Voerde
- Kosten-Nutzen-Analyse zur Luftreinhaltepolitik, Clean Air for Europe (CAFE) Programm, Europäische Kommission
- Revealing the costs of air pollution from industrial facilities in Europe (Offenlegung der Kosten der Luftverschmutzung aus Industrieanlagen in Europa), Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, 2011