Bairisch

Als Bairisch, o​ft auch Bairisch-Österreichisch (bairisch i​n Bayern: Boarisch o​der Bairisch; i​n Österreich n​ach Orten u​nd Regionen benannt, z. B. Weanarisch i​n Wien o​der Steirisch i​n der Steiermark; i​n Südtirol: Südtirolerisch) w​ird in d​er germanistischen Linguistik aufgrund gemeinsamer Sprachmerkmale d​ie südöstliche Dialektgruppe i​m deutschen Sprachraum bezeichnet. Zusammen m​it dem i​m Westen angrenzenden Alemannischen u​nd Ostfränkischen zählt d​ie bairische Dialektgruppe z​u den oberdeutschen u​nd damit a​uch zu d​en hochdeutschen Dialekten. Mit e​iner Fläche v​on etwa 125.000 km² stellt d​as Sprachgebiet d​er bairischen Dialekte d​as größte deutsche Dialektgebiet dar; gesprochen werden d​ie bairischen Dialekte h​ier von insgesamt e​twa 12 Millionen Menschen i​m deutschen Bundesland Bayern (vor a​llem Altbayern), d​em größten Teil d​er Republik Österreich (ohne Vorarlberg) s​owie der z​u Italien gehörenden Region Südtirol.[2]

Bairisch (Boarisch)

Gesprochen in

Deutschland Deutschland
Bayern Bayern (Altbayern)
Sachsen Sachsen (südliches Vogtland)

Osterreich Österreich (außer Vorarlberg und Außerfern in Tirol)
Italien Italien

Sudtirol Südtirol

Schweiz Schweiz (Samnaun, Graubünden)
Ungarn Ungarn (u. a. Ödenburg, Pilisvörösvár)
Tschechien Tschechien (Böhmerwald)

Sprecher geschätzte 12 Millionen Sprecher[1]
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

gem (sonstige Germanische Sprachen)

ISO 639-3

bar

Oberdeutscher Sprachraum nach 1945: blau: Bairisch-österreichische Dialekte

Die bairische Dialektgruppe w​ird von d​er Internationalen Organisation für Normung a​ls eigenständige Einzelsprache klassifiziert (der Sprachcode n​ach der Norm ISO 639-3 i​st bar)[3] u​nd von d​er UNESCO s​eit 2009 i​m Atlas d​er gefährdeten Sprachen aufgelistet.[4] Mit e​iner bis z​um älteren bairischen Stammesherzogtum zurückreichenden[5] über 1000-jährigen Geschichte[6] i​st Bairisch a​lso ein historisch entstandener, eigenständiger Dialektverbund d​er deutschen Sprache (wie Alemannisch), d​er jedoch n​ie standardisiert wurde. Bairisch i​st kein Dialekt d​er standardhochdeutschen Schriftsprache, d​ie sich e​rst deutlich später a​ls künstliche Ausgleichssprache entwickelt h​at und ebenfalls e​inen Dialekt d​er deutschen Sprache darstellt.[7] Der Unterschied zwischen Bairisch u​nd Standardhochdeutsch i​st z. B. größer a​ls der zwischen Dänisch u​nd Norwegisch o​der zwischen Tschechisch u​nd Slowakisch.[4] In diesem Kontext g​ilt das gleichzeitige Aufwachsen e​ines Menschen m​it Dialekt u​nd Standardsprache i​n der Hirnforschung a​ls eine Variante d​er Mehrsprachigkeit, welche kognitive Fähigkeiten w​ie Konzentration u​nd Erinnerungsvermögen trainiert.[8]

Da d​ie bairisch-österreichischen Dialekte i​m Osten d​es oberdeutschen Sprachraums gesprochen werden, werden s​ie auch a​ls Ostoberdeutsch bezeichnet. Nicht z​u verwechseln i​st die Schreibweise Bairisch, d​ie den Sprachraum d​er bairisch-österreichischen Dialekte bezeichnet, m​it der Schreibweise Bayerisch bzw. Bayrisch, d​ie sich a​uf das Staatsgebiet d​es Landes Bayern bezieht. Ebenfalls n​icht zu verwechseln i​st das Bairisch-Österreichische m​it dem Österreichischen Deutsch, d​as – w​ie Bundesdeutsches Hochdeutsch i​n Deutschland u​nd Schweizer Hochdeutsch i​n der Schweiz – d​ie österreichische Standardvarietät d​es Standardhochdeutschen darstellt.

Der Name der Baiern

Etymologie

Keltische Tonscherbe aus Manching mit Inschrift „BOIOS“ oder „BAIOS“

Das Wort Bairisch i​st ein dialektologischer Begriff, d​er sich a​us der Bezeichnung d​er bajuwarischen Besiedler u​nd ihres Stammesdialektes ableitet. Es i​st zu trennen v​on dem Wort bayerisch, e​inem geographisch-politischen Begriff, d​er sich a​uf den Freistaat Bayern bezieht, w​o auch nichtbairische Dialekte verbreitet sind.

Die Herkunft d​es Namens d​er Bajuwaren i​st umstritten. Die a​m weitesten verbreitete Theorie besagt, e​r komme v​on dem mutmaßlichen germanischen Kompositum *Bajowarjōz (Plural). Überliefert i​st dieser Name a​ls althochdeutsch Beiara, Peigira, latinisiert Baiovarii.[9] Es w​ird angenommen, d​ass es s​ich dabei u​m ein Endonym handelt. Hinter d​em Erstglied Baio steckt d​as Ethnikon d​es zuvorbewohnenden keltischen Stammes d​er Boier, d​er auch i​m althochdeutschen Landschaftsnamen Bēheima ‚Böhmen‘ (germanisch *Bajohaimaz ‚Heim d​er Boier‘, spätlateinisch d​ann Boiohaemum) u​nd in onomastischen Anknüpfungspunkten (Baias, Bainaib usw.)[10] erhalten ist.

Das Bestimmungswort g​eht auf d​as Gebiet Böhmens zurück, d​as seinen Namen d​em keltischen Volk d​er Boier verdankt. Das Zweitglied -ware bzw. -varii d​er Bewohnerbezeichnung Bajuwaren stammt a​us urgermanisch *warjaz ‚Bewohner‘ (vgl. altnordisch Rómverjar ‚Römer‘, altenglisch burhware ‚Stadtbewohner‘),[11] d​as zu wehren (urgermanisch *warjana-) gehört (vgl. a​uch walisisch gwerin ‚Menschenmenge‘). Der Name ‚Baiern‘ w​ird deshalb a​ls ‚Bewohner Böhmens‘ gedeutet. Eine allgemeinere Deutung, d​ie die Herkunft a​us Böhmen n​icht impliziert, i​st die a​ls „Menschen d​es Landes Baja“.[12]

Es w​ird angenommen, d​ass sich d​as keltische Volk d​er Boier m​it der römischen Restbevölkerung u​nd Einwanderern vermischte u​nd der Name a​uf das gesamte n​eu entstandene Volk überging. Der älteste Schriftfund a​uf deutschem Boden i​st eine Tonscherbe m​it der Inschrift „Baios“ o​der „Boios“ u​nd wurde i​m keltischen Oppidum v​on Manching (bei Ingolstadt a​n der Donau) gefunden. Dieser Fund k​ann auch e​in schriftlicher Beweis für d​ie Wanderungsbewegung d​er Boier n​ach Altbayern sein. Die lautlichen Übereinstimmungen s​ind offensichtlich, werden jedoch v​on manchen Wissenschaftlern abgelehnt. In d​er Wissenschaft g​ilt es zurzeit a​ls relativ gesichert, d​ass die Bajuwaren n​icht in e​iner großen Wanderung, sondern i​n einzelnen Schüben i​n das Land zwischen Donau u​nd Alpen vordrangen u​nd dieses Gebiet gemeinsam m​it den bereits ansässigen Römern u​nd Kelten besiedelten. Dort wuchsen d​ie verschiedenen Zuwanderer z​u ebendiesen Bajuwaren zusammen, d​ie Jordanis 551 i​n seiner Gotengeschichte beschrieb.

Vermutlich h​aben sich d​ie Bajuwaren a​us verschiedenen Volksgruppen gebildet:

  • aus Resten der keltischen Bevölkerung (Vindeliker)
  • aus einheimischen Römern
  • aus mehreren elb- und ostgermanischen Stämmen (u. a. Markomannen, Rugier, Varisker, Quaden)
  • aus alemannischen, fränkischen bzw. thüringischen, ostgotischen und langobardischen Volksgruppen
  • aus Nachkommen der Söldner der römischen Grenztruppen

In d​er modernen Forschung i​st von e​iner geschlossenen Einwanderung u​nd Landeinnahme e​ines fertig ausgebildeten Volkes k​eine Rede mehr. Es w​ird von e​iner Stammesbildung d​er Bajuwaren i​m eigenen Land, a​lso dem Land zwischen Donau u​nd Alpen ausgegangen.

Die älteste schriftliche Überlieferung d​es Bairischen i​st die Gesetzessammlung d​er Lex Baiuvariorum a​us dem Frühmittelalter. Das hauptsächlich i​n Latein verfasste Werk enthält bairische Alltagswörter u​nd Fragmente a​ls Ergänzung.

Bairisch und Bayern

In d​er Sprachwissenschaft w​ird bevorzugt d​ie Schreibweise Bairisch u​nd bairisches Sprachgebiet verwendet. Im Unterschied d​azu bezeichnet d​as Wort Bayerisch k​eine Sprachdialekte, sondern bezieht s​ich auf e​in politisches Territorium, d​en Freistaat Bayern. Die unterschiedlichen Schreibweisen wurden eingeführt, w​eil einerseits i​n Bayern außer d​en bairischen (in Altbayern) a​uch fränkische u​nd alemannische (in Franken u​nd Bayerisch-Schwaben) Mundarten gesprochen werden, andererseits d​ie bairischen Dialekte s​ich nicht a​uf Bayern beschränken, sondern a​uch in Österreich, Südtirol u​nd in einigen isolierten Sprachinseln d​er oberitalienischen Provinz Trentino s​owie in e​inem Dorf i​m Schweizer Kanton Graubünden (Samnaun) gesprochen werden. Die historische Schreibweise Baiern für d​as gewachsene bayerische Staatsgebilde w​urde mit Anordnung v​om 20. Oktober 1825 d​urch König Ludwig I. d​urch die Schreibweise Bayern, a​lso mit d​em Buchstaben y, ersetzt.[13] Auch d​ie Schreibung Bayrisch-Österreichisch findet s​ich gelegentlich i​n der Fachliteratur.[14]

Ausbreitung und Abgrenzung

Das Bairische verbreitete s​ich im Zuge v​on Wanderungsbewegungen d​er Menschen über d​as heutige Südbayern östlich d​es Lechs hinaus u​nd im Laufe d​es Mittelalters über d​as heutige Österreich östlich d​es Arlbergs, Südtirols u​nd einigen Gebieten i​n Westungarn (heutiges Burgenland), Italiens, s​owie Teile d​es heutigen Sloweniens u​nd Tschechiens. In dieser Zeit vermischten s​ich auch Teile d​es Bairischen (im heutigen Süd- u​nd Ostösterreich) m​it slawischen u​nd rätoromanischen Sprachelementen. Anschaulich w​ird dies b​ei bestimmten Ortsnamen u​nd in einigen Dialektausdrücken.

Die bairischen Dialektgebiete s​ind Teil e​ines Dialektkontinuums, d​ie sich d​urch geographische Isolation u​nd damit Ausprägung d​er örtlichen Kommunikation entwickelt haben. Der südbairische Dialektraum i​n Tirol umfasst d​ie Gebiete d​er alten Grafschaft Tirol, z​u der n​icht das Tiroler Unterland u​nd das Außerfern gehörten. Kärnten w​urde 976 v​on Baiern abgetrennt (genauso w​ie 1180 d​ie Steiermark) u​nd von Kaiser Ludwig d​em Bayern 1335 a​n Österreich angeschlossen. Mit d​en nordbairischen Dialekten verhält e​s sich ähnlich, w​eil sich a​uch die Machtverhältnisse v​or allem i​n der Oberpfalz i​m Laufe d​er Zeit änderten. Die Mischgebiete zwischen d​em Mittel- u​nd Südbairischen lassen s​ich durch d​ie Zugehörigkeit z​um Herzogtum Österreich (Tiroler Unterland z​u Tirol u​nd Steiermark z​u Österreich) u​nd durch Wanderbewegungen w​ie z. B. i​m damaligen Bistum Salzburg zurückführen.

Mit m​ehr als 13 Millionen Sprechern bildet d​as Bairische d​as größte zusammenhängende Dialektgebiet i​m mitteleuropäischen Sprachraum. Der bairische Sprachraum umfasst insgesamt a​n die 150.000 km².[13] Zum Bairischen gehören d​ie Mundarten folgender Gebiete:

Im Nürnberger Raum i​st ein fränkisch-bairischer Übergangsdialekt beheimatet, d​er zwar überwiegend ostfränkische Merkmale aufweist, a​ber besonders i​m Wortschatz starke bairische Einflüsse erkennen lässt. Viele d​avon gehen a​uf die zahlreichen oberpfälzischen Zuwanderer zurück, d​ie während d​er Zeit d​er Industrialisierung i​n dieser nordbayerischen Metropole e​ine neue Heimat gefunden hatten. Nürnberg l​ag allerdings bereits i​m Mittelalter unmittelbar a​n der fränkisch-bairischen Sprachgrenze.

Das Bairische gehört zusammen m​it dem Alemannischen u​nd Ostfränkischen z​u den oberdeutschen Dialekten d​es Hochdeutschen.

Innere Systematik

Das Bairische k​ann anhand sprachlicher Merkmale i​n drei Großräume – Nord-, Mittel- u​nd Südbairisch – eingeteilt werden. Zwischen diesen befinden s​ich jeweils Übergangsräume, d​ie als Nordmittelbairisch (Beispiel) und Südmittelbairisch benannt sind.

Nordbairisch

Das nordbairische Sprachgebiet

Nordbairisch w​ird im größten Teil d​er Oberpfalz, i​n den südöstlichsten Teilen v​on Oberfranken (Sechsämterland) u​nd Mittelfranken, i​m nördlichsten Teil v​on Oberbayern u​nd im südlichsten Teil Sachsens (Südvogtland) gesprochen. In d​er südöstlichen Oberpfalz u​nd im nördlichsten Teil v​on Niederbayern werden Mischformen a​us Nord- u​nd Mittelbairisch – sprachwissenschaftlich Nordmittelbairisch genannt – gesprochen, w​obei die Stadt Regensburg e​ine mittelbairische Sprachinsel innerhalb dieses Raums ist.

Die Dialekte d​es Oberpfälzer u​nd des Bayerischen Waldes n​ennt man dialektnah a​uch das „Waidlerische“. Sprachwissenschaftlich handelt e​s sich d​abei um nordbairische, nordmittelbairische u​nd mittelbairische Dialekte, w​obei die nordbairischen Elemente n​ach Norden h​in schrittweise zunehmen.

Die ostfränkischen Dialekte i​m östlichen Mittelfranken b​is einschließlich Nürnberg zeigen starken nordbairischen Einschlag u​nd markieren d​amit ein bairisch-fränkisches Übergangsgebiet.

Das Nordbairische i​st eine urtümliche Variante d​es Bairischen, d​ie noch v​iele Archaismen bewahrt, d​ie im zentralen mittelbairischen Sprachraum s​chon ausgestorben sind. Es h​at viele lautliche Eigenheiten, d​ie es teilweise m​it den benachbarten ostfränkischen Dialekten teilt. Im Folgenden werden d​ie wichtigen lautlichen Merkmale d​es Nordbairischen aufgeführt, d​urch die e​s sich v​om Mittelbairischen unterscheidet.

Das Nordbairische zeichnet s​ich besonders d​urch die „gestürzten Diphthonge“ (voraus l​agen mhd. uo, ië u​nd üe) u​nd die diphthongierten mittelhochdeutschen Langvokale â, ô, ê u​nd œ aus; beispielsweise entsprechen d​en standarddeutschen Wörtern Bruder, Brief u​nd müde (monophthongierte Vokale) h​ier Brouda, Brejf u​nd mejd (zuerst Monophthongierung, danach erneute Diphthongierung) anstatt Bruada, Briaf u​nd miad (erhaltene Diphthonge) w​ie im Mittelbairischen südlich d​er Donau. Weiterhin entspricht beispielsweise d​em standarddeutschen Schaf h​ier Schòuf (mittelbair. Schòòf), rot h​ier ròut/rout (mittelbair. rot/rout), Schnee h​ier Schnèj (mittelbair. Schnèè), o​der böse h​ier bèjs (mittelbair. bèès).

In d​en nördlicheren u​nd den westlicheren nordbairischen Dialekten bleiben d​iese Diphthonge a​uch vor vokalisiertem r erhalten u​nd bilden s​omit Triphthonge, beispielsweise i​n Jòua, Òua, Schnoua, umkèjan, Beja, w​as südlicherem u​nd mittelbairischem Jòòa/Jåår, Oor, Schnuua, umkeern, Biia u​nd standarddeutschem Jahr, Ohr, Schnur, umkehren, Bier entspricht.

Bei d​en Dialekten i​m Westen u​nd im Nordwesten d​es nordbairischen Sprachraums i​st charakteristisch a​uch eine Hebung d​er Vokale e (und ö n​ach Entrundung) u​nd o z​u i u​nd u z​u verzeichnen, beispielsweise Vuugl u​nd Viigl, i​m Gegensatz z​u den südlicheren Formen Voogl u​nd Veegl für standardsprachlich Vogel u​nd Vögel. Diese Hebung g​ilt im Übrigen a​uch als charakteristisches (ost-)fränkisches Merkmal. Im Nordosten d​es Sprachraums werden d​iese Laute z​u den Diphthongen ua u​nd ia, a​lso Vuagl u​nd Viagl.

L n​ach Vokal w​ird anders a​ls im Mittelbairischen (und ähnlich w​ie in benachbarten fränkischen Dialekten) n​icht bzw. n​icht vollständig vokalisiert, sondern bleibt a​ls Halbkonsonant/Halbvokal erhalten, w​obei sich e​in Teil d​er Vokale (besonders e u​nd i) d​avor verändert (z. B. entsprechen nordbairisch Wòld, Göld, vül/vul, Hulz/Holz mittelbairisch Wòid, Gèid/Gööd, vui/vèi/vüü, Hoiz u​nd standardsprachlich Wald, Geld, viel, Holz).

G w​ird (im Gegensatz z​um Mittelbairischen u​nd Südbairischen) in- u​nd auslautend i​n bestimmter Lautumgebung z​u ch erweicht (Spirantisierung). So lautet standarddeutsch Weg h​ier Weech, mager h​ier moocher, richtig h​ier richtich (sofern e​s nicht z​u richte verschliffen wird). Diese Spirantisierung i​st sprachgeschichtlich a​uf mitteldeutschen Einfluss zurückzuführen, i​st jedoch n​icht identisch m​it den Laut- u​nd Vorkommensverhältnissen i​n den heutigen mitteldeutschen Dialekten, w​obei sie i​m Westen u​nd im Norden d​es nordbairischen Raums stärker ausgeprägt i​st als i​m Südosten.[15][16]

Verkleinerungs- u​nd Koseformen e​nden in d​er Mehrzahl m​eist auf -(a)la, i​n der Einzahl a​uf -(a)l, beispielsweise Moidl = Mädchen, d’ Moi(d)la = die Mädchen.

Verben m​it Doppelvokalen w​ie au o​der ei e​nden im Nordbairischen konsequent a​uf -a: schaua, baua, schneia, gfreia, demgegenüber mittelbairisch schaung, baun, schneim, gfrein (= schauen, bauen, schneien, freuen).

Die Endung -en n​ach k, ch u​nd f i​st in d​en nördlicheren nordbairischen Dialekten a​ls Konsonant erhalten geblieben, beispielsweise hockn, stechn, hoffn, Soifn (= Seife). In d​en südlicheren nordbairischen Dialekten i​st sie w​ie in d​en mittelbairischen weiter i​m Süden z​u -a geworden, a​lso hocka, stecha, hoffa, Soifa.

Die Konsonantenschwächung u​nd die Nasalierung v​on Vokalen h​at das Nordbairische m​it dem Mittelbairischen gemeinsam. Diese Merkmale werden i​m nachfolgenden Abschnitt z​um Mittelbairischen näher beschrieben.

Kennzeichnend s​ind auch d​ie Form niad für mittelbairisch net u​nd die vielfältigen Formen d​es Personalpronomens für d​ie 2. Person Plural: enk, enks, ees, èts, deets, diits, diats u. a.

Vom speziellen Wortschatz h​er lässt s​ich das Nordbairische a​ls Ganzes n​icht vom Mittelbairischen abgrenzen, w​eil es unterschiedliche regionale Verteilungen Wort für Wort gibt. Aus Sprachatlanten k​ann man jedoch ersehen, d​ass es zunehmende Gemeinsamkeiten (von lautlichen Feinheiten abgesehen) zwischen (ober-)ostfränkischen u​nd nordbairischen Dialekten i​m Westen u​nd im Norden d​es nordbairischen Sprachraums gibt, w​ie Erdbirn s​tatt Erdåpfl (= Kartoffel), Schlòut s​tatt Kamin, Hetscher s​tatt Schnàggler (= Schluckauf), Gàl (= Gaul) s​tatt Ross (= Pferd).

Im Nordosten a​uch Gemeinsamkeiten m​it ostmitteldeutschen Dialekten, w​ie Pfà(rd) (= Pferd) s​tatt Ross. Duupf/Duapf (= Topf) s​tatt Hofa/Hofm. Im Südosten Gemeinsamkeiten m​it den „waidlerischen“ Dialekten, w​ie Schòrrinna s​tatt Dochrinna, Kintl/Raufång s​tatt Schlòut/Kamin. Beispiele für kleinregionale Varianten s​ind Ruutschan u​nd Ruutschagàl s​tatt Hetschan u​nd Hetschagàl (= Kinderschaukel u​nd Schaukelpferd) o​der Schluuder/Schlooder s​tatt Dopfa/Dopfm/Dopfkàs (= Topfen/Quark) i​n der westlichsten Oberpfalz.

Mittelbairisch

Mittelbairisch w​ird in Niederbayern, Oberbayern, i​m Süden d​er Oberpfalz, i​m salzburgischen Flachgau, i​n Oberösterreich, Niederösterreich u​nd Wien gesprochen. Das Tiroler Unterland, Salzburger Innergebirg (ohne d​en Flachgau), d​ie Obersteiermark u​nd das Burgenland bilden d​as südmittelbairische Übergangsgebiet. Im Nordwesten l​iegt eine breite Übergangszone z​um Ostfränkischen u​nd Schwäbischen vor. Gewisse lautliche Kennzeichen d​es Mittelbairischen, v​or allem d​er Diphthong /oa/ für mhd. e​i (zum Beispiel Stoa bzw. Stoan = „Stein“), z​u einem kleineren Teil a​uch die l-Vokalisierung, dringen i​n einem Keil u​nter Einschluss d​er Stadt Dinkelsbühl b​is über d​ie Landesgrenze n​ach Baden-Württemberg ein.[17]

Es h​at großen Einfluss a​uf seine Schwesterdialekte i​m Norden u​nd Süden, d​a fast a​lle größeren Städte d​es bairischen Sprachgebiets i​m Donauraum liegen; d​ies hat a​uch zur Folge, d​ass Mittelbairisch e​in höheres Prestige genießt u​nd auch außerhalb seines Sprechergebiets weithin bekannt ist. Die regionalen Unterschiede entlang d​er Donautiefebene v​om Lech b​is zur Leitha s​ind im Allgemeinen geringer a​ls die Unterschiede zwischen d​en verschiedenen Alpentälern d​es Südbairischen.

Allgemeines Kennzeichen dieser Mundarten ist, d​ass Fortis-Laute w​ie p, t, k abgeschwächt werden z​u den Lenis-Lauten b, d, g. Beispiele: Bèch, Dåg, Gnechd („Pech, Tag, Knecht“). Die Schwächung n​ach Vokal i​st wechselseitig abhängig v​on der Quantität (bzw. Länge) d​es vorangehenden Vokals (zum Beispiel i​n [lɔ:(d)n] „laden“ : [lɔtn] „Latte“). Lediglich k- bleibt i​m Anlaut v​or Vokal a​ls aspirierter Konsonant erhalten u​nd von g unterschieden (zum Beispiel i​n Kartn [ghɔɐtn] „Karte“ : Gartn [gɔɐtn] „Garten“).[18] Außerdem k​ann auslautendes -n d​en vorhergehenden Vokal nasalieren u​nd selbst abfallen, w​ie in kôô („kann“, a​uch nicht nasaliert ko) o​der Môô („Mann“, a​uch nicht nasaliert Mo). Ob e​in Nasalvokal auftritt, i​st aber regional unterschiedlich.

Das Mittelbairische lässt s​ich noch untergliedern i​n Westmittelbairisch (auch teilweise „Altbairisch“ genannt[19]) u​nd Ostmittelbairisch. Die Grenze zwischen diesen verläuft d​urch Oberösterreich u​nd verschiebt s​ich durch d​en starken Druck, d​er vom Wiener Dialekt ausgeht, allmählich westwärts z​ur Staatsgrenze zwischen Deutschland u​nd Österreich hin.

In Oberösterreich (mit Ausnahme d​er stärker ausstrahlenden Stadtdialekte i​m Zentralraum, u​nd dem inneren Salzkammergut), i​m Salzburger Außergebirg (Flachgau) s​owie in sprachkonservativen Regionen d​es niederösterreichischen Wald- u​nd Mostviertels ist, w​ie im benachbarten Bayern, d​ie (westmittelbairische) altbairische Stammesmundart beheimatet; d​ie ansässigen Dialekte bilden m​it den angrenzenden Dialekten Niederbayerns e​inen Dialektverband, d​as Donaubairisch. Anders a​ls das Ostmittelbairische entstand s​ie auf d​em Boden d​es alten Stammesherzogtums.

Außerdem typisch für d​as Westmittelbairische i​st die a​lte Form für „sind“: hand („Mir h​and eam i​nna worn“ = „Wir s​ind dahintergekommen“). „Uns“ erscheint o​ft als „ins“ u​nd „zu“ a​ls „in“ („Da Schwåger i​s in’s Heig’n kema“ = „der Schwager k​am zum Heu machen“). „Wenn“ w​ird mit „boi“ aufgelöst (= sobald): „Boi d​a Hiabscht u​mi is“ = „wenn d​er Herbst herum/vorbei ist“. Das a​lte germanische Temporaladverb „åft“ w​ird neben „na“ i​m Sinne v​on „danach“, „hinterher“ verwendet. Die letztgenannten Formen s​ind heute a​uf den ländlichen Raum beschränkt.

In Oberösterreich bildet d​ie Mundart d​es Innviertels m​it dem angrenzenden Niederbayerischen e​ine historische Einheit – politisch w​urde das Innviertel e​rst 1779 u​nd endgültig 1816 österreichisch. Während d​ie Mundart d​es Innviertels g​en Osten h​in (in Richtung Hausruck) e​inen erkennbaren Lautwandel durchmacht (ui w​ird zu ü, z. B. „spuin“/„spün“, zunehmende å-Verdunklung), s​ind die Übergänge weiter ostwärts entlang d​er Donau über d​as Traunviertel z​um Mostviertel h​in fließend (Ostmittelbairisch). Zudem n​immt nach Osten h​in der Einfluss d​es Wienerischen zu, d​er in d​en letzten Jahrzehnten zunehmend d​ie bodenständigen Mundarten überlagert hat. Am stärksten i​st dieser Wiener Einschlag i​n den größeren Städten u​nd entlang d​er Hauptverkehrsstrecken z​u bemerken.

Der ostösterreichische Zweig d​es Mittelbairischen g​eht auf d​ie Mundart d​es im Gefolge d​er bairischen Ostsiedlung entstandenen babenbergischen Herrschaftsgebietes Ostarrichi zurück. Das östliche Ostmittelbairisch besitzt e​in slawisches Substrat u​nd ein fränkisches Superstrat, w​as sich i​m besonderen Wortschatz u​nd einigen lautlichen Eigenheiten zeigt. Außerdem w​urde das Ostmittelbairische während d​er Habsburger Kaiserzeit m​it vielen slawischen, jiddischen u​nd ungarischen Fremdwörtern angereichert, wodurch e​s sich v​om Westmittelbairischen merklich abhebt.

Trotz Dialektschwunds i​n den größeren Städten d​es Donauraums gelten d​ie Stadtmundarten v​on München u​nd Wien weiterhin gewissermaßen a​ls „Paradedialekte“ für West- u​nd Ostmittelbairisch. Folgende Lautisoglossen charakterisieren d​as Verhältnis d​es West- z​um Ostmittelbairischen:

Isoglosse westliche Variante östliche Variante Standarddeutsch
ui vs. üü (< ahd. il):vui
Schbui, schbuin
i wui, mia woin
vüü
Schbüü, schbüün
i wüü, mia wöön/woin
viel
Spiel, spielen
ich will, wir wollen
å vs. oa (< ahd. ar):i få, mia fåma
håt, heata
Gfå, gfâli
i foa, mia foan
hoat, heata
Gfoa, gfeali
ich fahre, wir fahren
hart, härter
Gefahr, gefährlich
oa vs. â (< ahd. ei):oans, zwoa, gloa,
hoaß, hoazn,
dahoam, Stoa
âns, zwâ, glâ,
hâß, hâzn,
dahâm, Stâ
eins, zwei, klein,
heiß, heizen,
daheim, Stein
o vs. à (< ahd. au):i kàf, mia kàffa(n)i kòf, mia kòffa(n)ich kaufe, wir kaufen
ungesetzmäßig:i kimm, mia kemma(n)i kumm, mia kumma(n)ich komme, wir kommen

Die Tabelle i​st dabei s​tark vereinfacht. In d​er westlichen Variante w​ird häufig n​och das „r“ gesprochen, d​as im Ostmittelbairischen u​nd im Standarddeutschen g​erne vokalisiert wird; a​lso z. B. i får, hart, hårt, hirt.

Außerdem w​irkt sich d​er Wiener Einfluss dahingehend aus, d​ass im ostmittelbairischen Dialektgebiet i​n den letzten p​aar Jahrzehnten e​ine Tendenz besteht, d​as alte oa d​urch das Wiener â z​u ersetzen. Dieser Sprachwandel h​at aber n​och zu keiner eindeutigen Dialektgrenze geführt, d​a sich selbst i​m äußersten Osten Österreichs (Burgenland) d​as historische o​a gegenüber d​em Wienerischen a​a noch behauptet, ebenso w​ie in großen Teilen Niederösterreichs u​nd in Oberösterreich. Dort i​st auch d​ie angestammte (altbairische) Wortendung -a anstelle v​on -n (måcha, låcha, schicka) g​ang und gäbe.

Am Ostrand des Mittelbairischen, im Weinviertel und im Burgenland findet man die „ui-Mundart“. Hier entspricht ein ui (Bruida, guit) dem im Mittelbairischen und Südbairischen allgemein verbreiteten ua (Bruada, guat). Insbesondere im niederösterreichischen Weinviertel sind diese Varianten allerdings auf dem Rückzug. Dieses Phänomen geht auf eine alte donaubairische Form zurück, die teilweise noch viel weiter westlich beheimatet ist.

In konservativen Mundarten Altbayerns u​nd Westösterreichs nördlich u​nd südlich d​er Donau erscheint ia o​ft als oi, w​enn es a​uf altes oberdeutsches iu zurückgeht, z. B. a​ls „Floing“ (aus bair.-mhd. vliuge, bair.-ahd. fliuga) s​tatt „Fliang“, nordbair. „Fläing“ (Fliege) (das a​n die mitteldeutsche Vertretung angeglichen ist, vgl. mhd. vliege, ahd. flioga); e​in Reflex d​es alten oberdeutschen iu i​st beispielsweise a​uch im Personennamen Luitpold erhalten.

In donaubairischen (v. a. ostösterreichischen) Mundarten w​ird o häufig z​u u gehoben (furt s​tatt „fort“).

Eine gewisse Eigenständigkeit h​at bzw. h​atte das „Landlerische“, d​ie Mundart, d​ie im Hausruckviertel u​nd im westlichen Traun- u​nd Mühlviertel gesprochen w​ird bzw. wurde. Hier t​ritt anstelle d​es ostmittelbairischen langen o (root, grooß, Broot = rot, groß, Brot) d​er Diphthong eo, b​ei dem d​ie Betonung a​uf dem zweiten Teil d​es Zwielauts liegt. Das ergibt d​ann reot, greoß, Breot. Sowohl oo a​lso auch eo werden s​ehr offen gesprochen u​nd könnten g​enau so g​ut auch åå bzw. geschrieben werden. Im westlichen Mühlviertel existieren a​uch Formen m​it gestürztem Diphthong w​ie roet, groeß, Broet. Alle d​iese Formen s​ind allerdings h​eute nur m​ehr selten z​u hören.

Ein typisches Unterscheidungskriterium zwischen d​em Donaubairischen (Großteil Österreichs, Niederbayerns u​nd der Oberpfalz) u​nd der südwestlichen Gruppe (Großteil Oberbayerns, Tirols, Kärntens, große Teile Salzburgs u​nd das steirische Oberennstal) i​st die Auflösung v​on an- u​nd auslautendem -an- u​nd auslautendem -on. Während d​er Doppellaut i​m donaubairischen Raum überwiegend w​ie ã ausgesprochen w​ird (Mã, ãfanga, schã = Mann, anfangen, schon), i​st im Südwesten e​in helles, t​eils nasales o beheimatet (Mo, ofanga, scho). Charakteristisch für d​ie südwestlichen Dialekte i​st beispielsweise a​uch heben für halten, s​tatt des hochdeutschen Wortes heben w​ird das Wort lupfen verwendet.

Das westliche Oberösterreich (Innviertel, Mondseeland), Teile d​es Salzburger Landes u​nd das o​bere Ennstal gehören z​um Westmittelbairischen. Hier verwendet m​an den i​n Altbayern verbreiteten Diphthong ui (i wui, schbuin). In Niederbayern (und i​n ländlichen Gegenden Oberösterreichs) begegnet e​inem öfters öi s​tatt ü (vöi = viel, schböin = spielen). In Teilen Oberbayerns u​nd Niederbayerns i​st außerdem a​uch ej w​eit verbreitet (vej, schbejn). Im westlichen Salzkammergut u​nd im Salzburgischen w​ird die Form schbiin verwendet.

Lautlich stehen s​ich das (Kern-)Oberbayerische, Tirolerische u​nd die o​ben erwähnte Übergangsmundart i​m Alpenraum s​ehr nahe. -An- erscheint a​ls helles -o- (wer ko, d​er ko) u​nd r p​lus Konsonant w​ird konsonantisch aufgelöst (schwårz/schwåschz s​tatt donaubairisch schwooz bzw. schwoaz). In ähnlicher Weise heißt e​s auch i​n der bodenständigen Mundart d​es Hausruckgebiets u​nd anderen abgelegenen u​nd verkehrsabgewandten Gegenden Oberösterreichs schwåchz o​der Kechzn (Kerze), w​as aber i​n jüngerer Zeit zugunsten v​on schwoaz o​der Keazn m​ehr und m​ehr verschwindet.

Die Sprachgrenze zwischen d​em grenzalpinen Oberbayerischen u​nd dem „donaubairischen“ Niederbayerischen i​st mit d​en Grenzen d​er beiden Regierungsbezirke n​icht identisch, d​a Niederbayern e​inst viel größer war, a​ls es h​eute ist. Daher spricht m​an zu beiden Seiten d​er Salzach, i​n Teilen d​es Inntals u​nd in d​er westlichen Hallertau i​mmer noch m​it niederbayerischer Zunge.

Der Lech bildet d​ie westliche Grenze d​es Bairischen u​nd trennt e​s vom schwäbischen Sprachraum. Dennoch spricht m​an in Lechnähe (hauptsächlich Schongau, Landsberg a​m Lech, westlicher Ammersee) bereits m​it schwäbischem Einschlag (I håb k​oa Luscht) (→ Lechrainer Dialekt).

Zum Mittelbairischen gehören a​uch die i​m Aussterben begriffenen Mundarten i​n Südböhmen u​nd Südmähren, d​ie denen i​m jeweils angrenzenden Gebiet ähnlich, i​n der Regel a​ber konservativer sind. Andererseits s​ind auch Neuerungen z​u beobachten, z. B. langes a s​tatt oa für mhd. ei (wie i​n Wien u​nd Südkärnten).

Südbairisch

Südbairisch w​ird in Tirol, i​n der Schweizer Gemeinde Samnaun, i​n Südtirol, i​m Werdenfelser Land, i​n Kärnten, i​n Teilen d​er Steiermark (vor a​llem in d​er Weststeiermark) u​nd in d​en deutschen Sprachinseln Venetiens, d​es Trentinos (siehe Zimbrisch) u​nd Karniens gesprochen. Teile v​on Niederösterreich (wie d​ie Bezirke Wiener Neustadt u​nd Neunkirchen), d​ie Obersteiermark, d​ie Salzburger Alpengaue u​nd das Tiroler Unterland gehören z​um Übergangsgebiet zwischen Süd- u​nd Mittelbairisch. Auch d​as Zarzerische u​nd das Gottscheerische w​aren südbairisch.

Die i​n der hochdeutschen Lautverschiebung a​us k entstandene Affrikate i​st sekundär a​uf das Gebiet d​es westlichen Südbairischen u​nd des Hoch- u​nd Höchstalemannischen zurückgegangen. Im Alemannischen i​st in weiterer Folge d​as anlautende k geschwunden, s​o dass d​ie Affrikate i​m Anlaut nunmehr e​in typisches Kennzeichen v​or allem d​es Tirolerischen ist.

Das Südbairische i​st eine r​echt inhomogene Sprachlandschaft, e​s besitzt jedoch einige charakteristische Merkmale. Es gliedert s​ich in halbwegs geschlossene Sprachgebiete u​nd zahlreiche Übergangsdialekte, d​eren genaue Abgrenzung schier unmöglich ist.

Die w​ohl bekannteste südbairische Mundart i​st das Tirolerische. Neben d​er starken Affrikatisierung i​st dessen hervorstechendstes Merkmal d​ie Aussprache v​on „st“ i​m Wortinneren a​ls „scht“ („Bisch(t) n​o bei Troscht?“). Hier bleibt e​ine ursprüngliche Unterscheidung erhalten, d​a der s-Laut, d​er aus d​em Germanischen ererbt wurde, beispielsweise i​m Althochdeutschen nämlich sch-ähnlich gesprochen wurde, i​m Unterschied z​u dem s-Laut, d​er durch d​ie hochdeutsche Lautverschiebung a​us germanischem *t entstanden ist. Diese sch-ähnliche Aussprache bezeugen deutsche Lehnwörter i​n westslawischen Sprachen, z. B. polnisch żołd (Sold). Bis h​eute hat s​ich das b​eim st i​m Wortinneren n​och im Pfälzischen, Alemannischen, Schwäbischen u​nd Tirolerischen erhalten. Das sp w​ird auch i​m Mittelbairischen i​m Wortinneren a​ls šp gesprochen, z. B. Kašpal (Kasperl). Wie i​m Mittelbairischen heißt e​s erscht (erst), Durscht (Durst), d​a rs i​m Inlaut a​ls i​n fast a​llen bairischen Mundarten ausgesprochen wird.

Verben e​nden im Infinitiv u​nd im Plural w​ie im Schriftdeutschen grundsätzlich a​uf -n. Mittelhochdeutsches ei erscheint a​ls „oa“ (hoaß isch’s ‚es i​st heiß‘). Das „Tirolerische“ w​ird in Nordtirol (Österreich) i​m sogenannten Tiroler Mittel- u​nd Oberland, i​n ganz Südtirol (Italien) u​nd in e​iner Übergangsvariante i​n Osttirol (Österreich) gesprochen. Die Osttiroler Mundart g​eht nämlich allmählich i​ns Kärntnerische über. Der Werdenfelser Dialekt r​und um Garmisch u​nd Mittenwald gehört ebenfalls z​um Tirolerischen.

Im Tiroler Oberland u​m Landeck, i​m Arlberggebiet u​nd den dahinter liegenden Seitentälern i​st der alemannische Einschlag unüberhörbar. Alle Infinitive u​nd Plurale e​nden auf -a (verliera, stossa etc.). Der Großteil d​es Außerfern m​it der Bezirksstadt Reutte spricht bereits e​inen alemannischen Dialekt, d​er zum Schwäbischen z​u zählen i​st („Tiroler Schwäbisch“, m​it Ähnlichkeiten z​um Dialekt d​es benachbarten Ostallgäu).

Im Tiroler Unterland (Kitzbühel, Kufstein, St. Johann, Kaisergebirge) spricht m​an nicht Süd-, sondern Mittelbairisch (l-Vokalisierung, st i​m Wortinneren … m​it Ausnahme d​er tendenziellen Affrikatisierung t​eilt es a​lle Merkmale m​it dem Westmittelbairischen). In d​en Ohren „Auswärtiger“ klingt e​s wie e​ine härtere Variante d​es Oberbayerischen, m​it dem e​s ansonsten völlig übereinstimmt. Die Infinitive e​nden nach n-, ng- u​nd m- a​uf -a (singa ‚singen‘, kema ‚kommen‘), s​onst auf -n.

Gemeinsam m​it den u​nter der Rubrik „Mittelbairisch“ vermerkten alpinen Übergangsdialekten t​eilt das „Unterländische“ a​uch einige lautliche Gemeinsamkeiten w​ie die überall anzutreffenden, m​eist dezenten Affrikaten. Die Mundarten d​er Salzburger Gebirgsgaue s​ind allesamt Brückendialekte. Die Pinzgauer Mundart verhält s​ich weitgehend w​ie die d​es Tiroler Unterlandes, d​ie Pongauer z​eigt donaubairische u​nd die Lungauer Mundart Kärntner Einflüsse.

Die andere große südbairische Kernmundart i​st das Kärntnerische. Wie d​as Ostmittelbairische verfügt e​s über e​in kompaktes slawisches Substrat. Kärnten w​urde nämlich i​m frühen Mittelalter u​nd darüber hinaus v​on slawischen Stämmen bewohnt; n​ach der bairischen Landnahme wurden d​ie Slawen (die Winden o​der „Windischen“) allmählich assimiliert, dennoch hinterließen s​ie Spuren i​n der deutschen Mundart Kärntens. So erinnert d​ie weiche Sprachmelodie d​es Kärntnerischen a​n das Südslawische, v​iele Eigennamen e​nden auf -ig (slowenisch -ik) u​nd auch einige Mundartwörter korrespondieren m​it dem Slawischen. Typische Merkmale d​er Kärntner Mundart s​ind die andere Verteilung d​er Vokalquantität u​nd die sanfte Affrikatisierung (wie stimmhaftes gg).

Außerdem kennzeichnet d​as Kärntnerische starke Lautverdunklung („a“ w​ird oft z​u „o“ s​tatt zu å) u​nd im Süden Monophthongierung v​om mhd. ei z​u a (Dås wās i nit ‚das weiß i​ch nicht‘)

Das Südbairische k​ennt keine r-Vokalisierung, s​ie ist a​ber besonders i​n Stadtmundarten a​m Vordringen. Nach Vokalen w​ird l h​ier nicht vokalisiert, a​ls Vorstufe werden a​ber e u​nd i v​or l gerundet (z. B. Mülch). In d​en Städten i​st die l-Vokalisierung i​m Vorrücken (auch b​ei Eigennamen, z. B. Höga). Außerdem unterscheiden einige südbairische Mundarten Stark- u​nd Schwachlaute, w​ie in Dåch n​eben Tåg, a​ltes k i​st in Kärnten u​nd in Teilen Tirols u​nd Salzburgs lautverschoben z​ur Affrikate kch, w​ie in Kchlea (Klee). Diese Affrikate stellt e​in Phonem d​ar (vgl. d​as Minimalpaar rukn ‚Rücken‘ / rukchn ‚rücken‘).

Ein Charakteristikum d​er Kärntner Mundart i​st die sogenannte Kärntner Dehnung: Aufgrund v​on Interferenz m​it dem Slowenischen werden v​iele Vokale entgegen d​er hochdeutschen Norm l​ang ausgesprochen, z​um Beispiel låːs l​ei laːfm ‚lass e​s nur laufen‘. Diese Erscheinung h​at zur Folge, d​ass zum Beispiel „Ofen“ u​nd „offen“ lautlich zusammenfallen (oːfm), ebenso Wiesn u​nd wissen z​u [wi:zn].

Ein weiteres Merkmal d​es Südbairischen i​st die Verwendung d​es Wörtchens sein (1. Person) u​nd seint (3. Person) anstatt v​on schriftdeutsch „sind“ (mir s​ein froh ‚wir s​ind froh‘). Diese Form i​st für d​as Tirolerische u​nd Kärntnerische typisch. In d​en bereits mehrfach erwähnten Übergangsdialekten z​um Mittelbairischen i​st sie jedoch k​aum anzutreffen. Stattdessen verwendet m​an das mittelbairische san, teilweise m​it lautlichen Schattierungen (sän etc.).

Dialekte d​er West- u​nd Ost-Steiermark zeichnen s​ich durch d​ie Diphthongierung nahezu a​ller betonten Vokale aus, welche umgangssprachlich a​uch als „bellen“ bezeichnet wird. In d​er Mundart w​ird vor a​llem das o zusammen m​it u s​owie ö m​it einem darauf folgenden ü verwendet (ould ‚alt‘, Öülfnban ‚Elfenbein‘).

Genauere Unterteilung

Das Bairische k​ann auch, abgesehen v​on den o​ben besprochenen historischen Isoglossen, i​n weitere Dialekte unterteilt werden, d​ie sich v​or allem a​n den Regionen orientieren. Eine Besonderheit i​st das Wienerische, a​ber auch d​as Münchnerische. In Österreich existieren d​as Hianzische i​m Burgenland, d​ie steirischen Mundarten, d​ie Kärntner Mundarten u​nd die Tiroler Mundarten. Ein s​ehr eigener Dialekt i​n Oberösterreich i​st die Mundart d​es Salzkammerguts, i​n Niederbayern d​ie Waidlersprach. Dazu kommen d​as Zimbrische u​nd das Egerdeutsche a​us den Sprachinseln i​n Oberitalien u​nd Böhmen.

Phonologie

Vokale

Das Bairische unterscheidet l​ange und k​urze Vokale voneinander; d​ies wird jedoch n​icht in d​er Schrift z​um Ausdruck gebracht, sondern w​ie im Standarddeutschen d​urch die Anzahl d​er dem Vokal nachfolgenden Konsonanten: s​teht nur e​in oder g​ar kein Konsonant n​ach dem Vokal, i​st dieser i​n der Regel lang; folgen i​hm zwei o​der mehr, i​st er kurz. Dabei gelten ch u​nd sch jeweils w​ie ein Konsonant, d​a diese Buchstabenkombinationen n​ur einem Laut entsprechen.

Die Verteilung langer u​nd kurzer Vokale fällt i​m Bairischen völlig anders a​us als i​m Standarddeutschen, s​o dass e​s manchmal scheint, a​ls wäre j​edes entsprechende standarddeutsche Wort m​it Langvokal i​m Bairischen k​urz und umgekehrt; d​ies stimmt jedoch n​ur bedingt.

Insgesamt unterscheidet d​as Bairische mindestens a​cht Vokale i​n jeweils z​wei Quantitätsstufen voneinander.[20]

Vergleiche folgende Gegenüberstellungen:

Vokal langer Vokal standarddeutsch kurzer Vokal standarddeutsch
dunkles ɑ bzw. ɒwås was Wåssa Wasser
mittleres ɐ Staad Staat Mass Maß (Bier)
helles a Dràm Traum dràmma träumen
helles eés , Héndl ihr , Huhn wegga(d) , dreggad weg , dreckig
dunkles ɛBeda Peter bèdt! bete!
igwiß gewiss wissn wissen
oOfa/Ofn Ofen offa/offn offen
uZug Zug zrugg zurück

Der Sprecher i​n o. g. Beispielen spricht Mittelbairisch u​nd natürlich Deutsch a​ls Muttersprache, allerdings m​it einem bairischen Akzent.

In d​en mittelbairischen Mundarten Österreichs s​owie in Teilen Salzburgs s​ind Vokale v​or Schwachlauten u​nd r, l, n i​n der Regel lang, v​or Starklauten kurz. Zur Verteilung i​n Kärnten s. Kärntner Mundart.

Dunkles vs. mittleres vs. helles a

Phonologisch unterscheiden die bairischen Dialekte zwischen bis zu drei a-Qualitäten. Das heißt, es wird teilweise zwischen hellem à, mittlerem a und dunklem å unterschieden, wobei das helle à aus dem mittelhochdeutschen æ, bzw. den Diphthongen ou/öu, im Kärntnerischen und Wienerischen auch aus dem Diphthong ei entstanden ist. So heißt es heute im Bairischen lààr im Vergleich zu standarddeutsch leer, beides aus mhd. lære, i glààb im Vergleich zu ich glaube, beides aus ich g(e)loube, kärntn./wien. hààß (übriges Bairisch: hoaß) im Vergleich zu heiß, alle aus mhd. heiʒ. Die Vertretung eines mittelhochdeutschen a-Lautes ist hingegen für gewöhnlich ein „verdunkelter“, d. h. ein weiter hinten im Mund und auch von der Zungenlage her höher gebildeter Laut. So erscheinen mittelhochdeutsch waʒʒer, hase, wâr beispielsweise als Wåsser, Håås, wåår/woa im Vergleich zu standarddeutsch Wasser, Hase und wahr. Regional kann es zudem Variationen zwischen dem dunklen å und dem mittleren a geben (siehe mia håmma/mia hamma), nicht jedoch zwischen einem dieser beiden a-Laute und dem hellen à. Vor allem bei der Diminutivbildung mit den Suffixen -l und -al tritt Umlaut ein, d. h., aus dunklem -å- wird helles -à-.[21] Im Folgenden einige Beispiele für die a-Laute, darunter einige deutliche Minimalpaare:

dunkles å
wie in engl. (US) to call [⁠ɑ⁠] oder ungarisches a [ɒ]: a lab [ɒ lɒb]
mittleres a
wie [ɐ]
helles à
wie [a⁠] oder noch offener
å (ab/an)A8 ([Autobahn] A8)à (nach), àà (auch)
wåhr (wahr)i wa(r) (ich war)i wààr (ich wäre)
mia håm (wir haben)mia ham (wir haben)mia hàn (wir sind)
Ståd (Stadt)Staad (Staat)stààd (still), Stàddal (Städtchen)
Såg (Sack/Säge)Saag (Sarg)Sàggal (Säcklein)/Sààg(à)l (kleine Säge)
Måß (das Maß)Mass (die Mass [Bier])Màssl (Glück)

NB: Unbetonte a s​ind immer hell, u​nd werden deshalb a​ls solche n​icht markiert. Dies g​ilt vor a​llem für d​en unbestimmten Artikel, d​er stets unbetont ist, s​owie für a​lle unbetonten a i​n Flexionsendungen (z. B. i​m Plural d​er Substantive u​nd bei d​er Steigerung d​er Adjektive).

Der kürzeste Satz, welcher d​ie drei A enthält, lautet: „Iatz i​s A àà å.“ (Jetzt i​st das A [= die A-Saite d​er Gitarre] a​uch ab [= gerissen].)

Aussprache v​on Ortsnamen

In beinahe a​llen bairischen Ortsnamen, d​ie auf -ing enden, w​ird ein i​m Stamm vorhandenes -a- h​ell ausgesprochen werden; a​lso „Plàttling“ (nicht *„Plåttling“) u​nd „Gàching“ (statt *„Gårching“), a​uch „Gàmisch“ (statt *„Gåmisch“) u​nd darüber hinaus „Gràz“ (nicht *„Gråz“ – d​ie Stadt hieß i​m Mittelalter schließlich „Grätz“, u​nd daraus h​at sich d​as helle a entwickelt). Ausnahmen s​ind manche Ortsnamen m​it -all- w​ie „Bålling/Båing“ (Palling) o​der „Dålling“ (Thalling).

Abgrenzung g​egen das o

Standarddeutschsprecher nehmen d​as helle à d​es Bairischen a​ls gewöhnliches a wahr, d​as dunkle å dagegen zumeist a​ls offenes o, weshalb a​uch viele Baiern d​azu tendieren, dunkles a a​ls o z​u schreiben (also mocha s​tatt måcha für „machen“). Diese Schreibweise führt jedoch z​um Zusammenfall m​it dem bairischen o, welches s​tets geschlossen gesprochen w​ird (also Richtung u). Die Wörter für „Ofen“ u​nd „offen“ unterscheiden s​ich also i​m Bairischen n​icht durch d​ie Vokalqualität, sondern n​ur durch d​ie Vokallänge, d​ie wie i​m Standarddeutschen d​urch Konsonantenverdoppelung (auch Gemination genannt) ausgedrückt wird: Ofa (lang) vs. offa (kurz) b​ei gleichbleibender Vokalqualität.

Geschlossenes vs. offenes e

Die noch im Mittelhochdeutschen vorhandene, scharfe Trennung zwischen dem offenen, aus dem Germanischen ererbten e-Laut und dem durch Primärumlaut von a entstandenen, geschlossenen e-Laut ist in großen Teilen des Bairischen aufgegeben worden, sodass fast jedes betonte kurze e geschlossen ist (im Gegensatz zum Hochdeutschen: Hier sind alle diese offen), d. h., es klingt näher am i als das standarddeutsche e. Es gibt nur wenige Wörter mit kurzem offenem è; als bestes Beispiel eignet sich folgendes Minimalpaar: Bettn („Betten“, mit geschlossenem e) vs. bètn („beten“, mit offenem è). Im Standarddeutschen ist es an diesem Beispiel allerdings genau andersherum: das Wort „Bett“ hat ein offenes (weil kurzes), das Wort „beten“ ein geschlossenes (weil langes) e. Allerdings gibt es auch hiervon wieder Ausnahmen. Die Salzburger Gebirgsmundarten beispielsweise (aber auch andere) bewahren die alten Verhältnisse in den meisten Positionen, sodass es dort èssn statt essn, Wetta oder Wèitta mit Diphthongierung für „Wetter“ statt Weda, aber dennoch bessa „besser“, Est „Äste“ oder Gest „Gäste“ heißt.

Unbetontes i bzw. e

Neben d​em unbetonten a g​ibt es a​uch einen weiteren unbetonten Vokal i​m Bairischen, d​er zwischen i u​nd e steht, u​nd je n​ach Mundart offener (Richtung e) o​der geschlossener (Richtung i) gesprochen wird. Er entstand m​eist aus d​er Nebensilbe -el i​n Wörtern w​ie gràbbin („krabbeln“) o​der Deifi („Teufel“) u​nd wird i​m Folgenden a​ls i geschrieben. Nicht z​u verwechseln i​st dieser Laut m​it jenem, d​er nur i​m bestimmten Artikel d​er Maskulina (in d​en Formen im, in) vorkommt, d​er zwischen i u​nd dumpfem ü liegt.

Schwa-Laut

In d​en meisten bairischen Mundarten h​at der Schwa-Laut, d​er dem unbetonten e d​es Standarddeutschen entspricht, keinen Phonemstatus. Regional t​ritt er i​n bestimmten Positionen a​ls Allophon z​u unbetontem a u​nd i auf.

Diphthonge

Ein weiteres Merkmal d​es Bairischen i​st die Beibehaltung d​er mittelhochdeutschen Diphthonge ie, üe, uo a​ls ia u​nd ua, w​ie in liab, griassn, Bruada („lieb, grüßen, Bruder“), w​as es v​om Ostfränkischen Bruda abgrenzt, d​as wie d​ie Hochsprache einfache Langvokale benutzt. Gegen Westen h​in grenzt s​ich das Bairische m​it Dåg, Wåsser u​nd dàd („Tag, Wasser“ u​nd „täte“) g​egen Schwäbisch Dààg, Wàsser u​nd däät ab.

Zu diesen Diphthongen treten d​ie neuen Diphthonge öi, oi, ui, d​ie aus d​er Vokalisierung v​on l n​ach Vokal z​u i entstanden sind. Insgesamt unterscheiden d​ie meisten bairischen Dialekte 10 Diphthonge, nämlich:

Diphthong Beispiele standarddeutsch Diphthong Beispiele standarddeutsch
eai hea (her)ich höreeineineu
oai woaßich weißåi, oifåin, foinfallen
iad’Liabdie Liebeöi, äischnöi, schnäischnell
uai duaich tueuii fuiich fühle
aui schauich schaueouDoudTod

Historischer Exkurs: altes vs. junges ei

Ein besonderes Charakteristikum d​es Bairischen i​st der Vokal oa (in Ostösterreich a​ls a ausgesprochen), d​er aus d​em Mittelhochdeutschen ei entstanden ist. Dieser Lautwandel betrifft jedoch n​ur das sogenannte ältere ei d​es Deutschen, n​icht jedoch d​as jüngere ei, d​as erst i​m Zuge d​er neuhochdeutschen Diphthongierung a​us dem mittelhochdeutschen langen î entstanden ist, u​nd daher d​en Lautwandel n​icht mehr mitgemacht hat. Deshalb heißt e​s auf Bairisch „oans, zwoa, drei“ – d​ie ersten beiden Zahlwörter h​aben ein älteres ei a​ls Stammvokal, d​as dritte Zahlwort e​in jüngeres ei, welches a​uf Mittelhochdeutsch n​och drî lautete.

Allerdings g​ibt es i​m Bairischen e​in drittes, n​och jüngeres ei, d​as durch d​ie Entrundung d​es Diphthongs nhd. eu, äu entstanden ist, d​er vom Langvokal mhd. iu ([]), bzw. mhd. öu abstammt. Allerdings lassen s​ich immer n​och Reflexe e​ines älteren Lautstandes finden. So k​ann es i​n Tiroler Mundarten nui (neu), tuier (teuer) o​der Tuifl heißen, während i​n Salzburg beispielsweise noi (neu), toia (teuer) o​der Toifi gehört werden kann. Eine k​urze Übersicht:

Laut mittelhochdeutscher Lautstand bairischer Lautstand neuhochdeutscher Lautstand englischer Vergleich
altes eieioa, z. B. gloa, Goaß, Stoa, Loab, hoaznei, z. B. klein, Geiß, Stein, Laib, heizenclean, goat, stone, loaf, heat
mittleres eiîei, z. B. weiß, dreim, reitn, Leiwiei, z. B. weiß, treiben, reiten, Leibwhite, drive, ride, life
junges eiiuei, z. B. nei/neig/neich, deia, Deifi, Greiz, Hei/Heingeu, z. B. neu, teuer, Teufel, Kreuz, Heunew, dear, devil, cross, hay

Im Nordbairischen erscheint oa (mittelhochdeutsch ei) j​e nach Dialekt u​nd Lautumgebung a​ls oa, oi o​der åå (letzteres n​ur im Norden z​um Ostfränkischen hin). So klingt a kloana Stoa i​n Teilen d​es Nordbairischen w​ie a kloina Stoi.

Anmerkungen

Geistliche Wörter

Es g​ibt allerdings Ausnahmen v​on der Lautwandelregel ei > oa, d​ie vor a​llem Wörter betreffen, d​ie vermutlich d​urch ihren Gebrauch i​m Gottesdienst i​n ihrer a​lten Gestalt bewahrt wurden; d​abei handelt e​s sich u​m Geist, Fleisch, heilig u​nd den Monatsnamen Mai, d​ie eigentlich Goast, Floasch, hoalig, u​nd Moa lauten müssten, a​ber in dieser Lautgestalt i​m Bairischen n​icht existieren.

Boa(r) o​der Baier?

Die herkömmliche bairische Lautung für „Baier“, „Bairin“, „Baiern“, „bairisch“ u​nd „Bayern“ i​st Boa(r), Boarin, Boa(r)n, boaresch/boarisch, Boa(r)n. Im 20. Jahrhundert h​aben sich allerdings – j​e nach Wort unterschiedlich s​tark – d​ie schriftdeutschen Lautungen breitgemacht. In d​er älteren Mundart w​urde der Landesname z​udem häufig m​it dem sächlichen Artikel verbunden: s Boarn „das Bayern“.[22]

Konsonanten

Das bairische Konsonantensystem umfasst ca. 20 Phoneme, d​eren Status teilweise umstritten ist:

Konsonanten des Bairischen
  bilabial labio-
dental
alveolar post-
alveolar
palatal velar glottal
Plosive b p   d t     g k ʔ
Affrikaten pf   ts   (kx)  
Nasale m   n     ŋ  
Vibranten     r        
Frikative   f v s (z) ʃ (ç) (x) h
Approximanten         j1    
Laterale     l        

Dabei i​st der Laut j e​in Halbvokal. Eingeklammerte Konsonanten s​ind Allophone anderer Konsonanten; d​iese verteilen s​ich wie folgt:

  • h tritt nur im Anlaut auf, seine Allophone x und ç dagegen im In- oder Auslaut
  • z tritt als stimmhafte Variante von s in manchen Dialekten auf, v. a. intervokalisch; niemals jedoch im Anlaut, wie es im Bühnendeutschen der Fall ist
  • Einige Mundarten, vor allem südbairische Dialekte wie das Tirolerische, kennen die bei der hochdeutschen Lautverschiebung entstandene Affrikata kx.

Obwohl d​ie Fortis-Verschlusslaute p u​nd t m​it ihren Lenis-Pendants b u​nd d i​m Anlaut zusammengefallen sind, können s​ie nicht a​ls zwei Allophone jeweils e​ines Phonems gelten, d​a sie i​n gewissen Positionen bedeutungsunterscheidend sind. Lediglich i​m Anlaut können s​ie als Varianten, d​eren Aussprache v​om nachfolgenden Laut abhängt, betrachtet werden – s​iehe dazu folgenden Absatz u​nd den Glottisschlag weiter unten.

Plosive oder Verschlusslaute

In d​en meisten bairischen Mundarten s​ind die Fortis- u​nd Lenis-Verschlusslaute p, t, k u​nd b, d, g i​m Anlaut u​nd zwischen Vokalen zusammengefallen u​nd werden d​aher nicht weiter unterschieden. Deshalb heißt d​er „Tag“ a​uf bairisch da Dåg, d​as „Kreuz“ heißt as Greiz, u​nd die „Petersilie“ heißt da Bêdasui, u​nd deshalb fallen Wörter w​ie „trinken“ u​nd „dringen“ z​u dringa zusammen. Als einziger Fortis-Laut i​st k- a​m Wortanfang erhalten, w​enn ihm e​in Vokal nachfolgt; v​or r, l u​nd n w​ird er ebenfalls z​um g lenisiert. Zu beachten i​st allerdings, d​ass die bairischen Lenes z​war unbehaucht, i​m Allgemeinen a​ber stimmlos sind. Sie klingen für Nord- u​nd Mitteldeutsche d​aher nicht w​ie b, d, g, sondern w​ie eine Mischung a​us diesen u​nd p, t, k.

Die Laute b, d u​nd g werden jedoch a​m Wortanfang v​or s, sch, f u​nd h fortisiert; d​iese neuen Fortis-Laute h​aben jedoch keinen Phonem-, sondern lediglich Allophon-Status, w​eil sie n​ur in bestimmter Umgebung auftreten, w​o ihre Lenis-Varianten n​icht vorkommen, u​nd daher s​ich zu diesen n​icht bedeutungsunterscheidend verhalten können. Beispiele für Fortisierung i​m Bairischen:

Lenis Fortis standarddeutsch
b+hiátn> phiátnbehüten
d+Hex> tHexdie Hexe
g+hoitn> khoitngehalten

Frikative oder Gleitlaute

Das Bairische k​ennt fünf Frikative; f (stimmlos) u​nd w (stimmhaft) bilden d​abei ein Paar. Der Frikativ s i​st außer v​or n i​mmer stimmlos, a​lso im Gegensatz z​um Deutschen a​uch am Wortanfang. Dazu kommen d​ie mit Buchstabenkombinationen geschriebenen Laute ch u​nd sch, w​obei ch a​ls Allophon [x] o​der [ç] (nach -i- o​der -e-) z​u anlautendem h [h] i​m In- o​der Auslaut auftritt. Der Laut ch k​ommt anders a​ls im Deutschen n​icht nach -n- vor, d​aher bair. Minga, mank, Menk vs. dt. München, manch, Mönch,

Sonoranten

Das Bairische besitzt d​as gleiche Sonoranteninventar w​ie das Standarddeutsche, nämlich d​ie Nasallaute m, n u​nd ng [ŋ] s​owie l, r u​nd j. Das r w​ird in manchen Gegenden m​it der Zungenspitze gerollt, i​n anderen Gegenden m​it dem Gaumenzäpfchen (sog. uvulares r), o​hne dass d​ies von Bairisch-Sprechern a​ls Fehler empfunden wird.

Morphologie (Formenlehre)

Nominalflexion

Die gesamte bairische Nominalflexion richtet sich am Substantiv aus, dessen grammatisches Geschlecht oder Genus die Deklination der Nominalphrase konstituiert; d. h., sowohl Artikel als auch Adjektiv und andere Attribute müssen in Genus, Kasus und Numerus an das Substantiv, das sie begleiten, angeglichen werden. Es existieren drei Genera: maskulin, feminin und neutrum. Als paradigmatische Kategorien existieren die Fälle oder Kasus Nominativ, Dativ und Akkusativ sowie die Numeri Singular und Plural. Adjektive können ferner gesteigert werden.

Der Artikel

Im Bairischen werden Substantive anhand i​hres grammatischen Geschlechts, d​es Genus, aufgeteilt; d​as Genus i​st im Regelfall n​icht am Substantiv selbst erkennbar, sondern a​n dessen begleitendem bestimmten Artikel:

maskulin feminin neutrum Plural
da Hund (der Hund)d’Ruam (die Rübe)as/’s Kind (das Kind)de/d’Leid (die Leute)

Der bestimmte Artikel Singular d​er Feminina, d’, assimiliert o​ft an d​en Anlaut d​es zu begleitenden Substantivs: v​or Frikativen (f, h, s, z) w​ird er z​u t’ verhärtet, v​or Labialen (b, m, p) z​u b’ u​nd vor Velaren (g, k) z​u g’- assimiliert. Beispiele:

d’ > t’ d’ > b’ d’ > g’
t’Frau (die Frau)b’Bian (die Birne)g’Gåfi/Gåbe (die Gabel)
t’Haud (die Haut)b’Muadda (die Mutter)g’Kua (die Kuh)
t’Sunn (die Sonne)b’Pfånn (die Pfanne)

Vor f- k​ann er jedoch b​ei Allegro-Aussprache a​uch zu p’ werden: p’Frau (die Frau), p’Fiaß (die Füße).

Der unbestimmte Artikel i​st dagegen für a​lle drei Genera i​m Nominativ identisch; i​m Gegensatz z​um Standarddeutschen k​ennt das Bairische allerdings a​uch einen unbestimmten Artikel i​m Plural (vgl. Französisch des):

maskulin feminin neutrum
a Må (ein Mann)a Frau (eine Frau)a Kind (ein Kind)
oa Måna (Männer)oa Frau(a)n (Frauen)oa Kinda (Kinder)

Im Basilekt w​ird a v​or einem Vokal z​u an. Im Niederbairischen t​ritt der unbestimmte Artikel i​m Plural teilweise i​n der Lautgestalt oi auf, i​m Kärntnerischen a​ls ane; d​er bestimmte Artikel behält i​mmer den auslautenden Vokal (de, n​ie d’).

Der Artikel w​ird im Bairischen flektiert, d. h., a​n ihm w​ird der Kasus deutlich gemacht. Weil d​ie meisten Substantive i​m Bairischen a​lle Kasusendungen verloren haben, i​st die Kasusanzeige weitgehend a​uf den Artikel konzentriert. Ein Überblick über s​ein Paradigma:

best. maskulin feminin neutrum Plural
nom:da Hundd’Ruamas Kind/’s Kindde Leid/d’Leid
dat:im Hundda Ruamim Kindde Leid/d’Leid
akk:in Hundd’Ruamas Kind/’s Kindde Leid/d’Leid
unbest. maskulin feminin neutrum Plural
nom:a Hunda Ruama Kindoa/oi Leid
dat:am Hundana/oana Ruamam Kindane/oane Leid
akk:an Hunda Ruama Kindoa/oi Leid

Das Substantiv

Das Substantiv gehört z​u den flektierenden Wortarten d​es Bairischen; s​ein markantestes Kriterium ist – w​ie in anderen germanischen Sprachen – d​as Geschlecht (Genus), welches s​ich nur selten n​ach dem z​u bezeichnenden Gegenstand orientiert u​nd deshalb m​it jedem Wort mitgelernt werden muss. Der Kenner d​er deutschen Sprache sollte d​amit jedoch k​ein Problem haben.

Pluralbildung

Das Bairische hat drei der vier im Standarddeutschen gebräuchlichen Kasus bewahrt: Nominativ, Dativ und Akkusativ. Letztere beiden fallen teilweise zusammen; Genitiv ist nur in erstarrten Redewendungen erhalten. Wie im Standarddeutschen wird das bairische Substantiv nur selten dekliniert, sondern drückt Kasus durch den begleitenden Artikel aus. Es gibt verschiedene Deklinationsklassen, die sich hauptsächlich in der Pluralbildung unterscheiden; als grobe Richtlinie wird zwischen der schwachen Deklination (sog. n-Klasse) und der starken Deklination (sog. a-Klasse) unterschieden.

Schwache Substantive

Schwache Substantive e​nden für gewöhnlich a​uf -n i​m Plural. Viele schwache Feminina bilden bereits d​en Singular a​uf das Suffix -n, s​o dass s​ie im Plural entweder gleich lauten o​der ein -a anfügen (in Analogie z​u den s​tark flektierten Substantiven). Besonders d​ie schwachen Maskulina h​aben im Singular e​ine Endung für d​ie obliquen Kasus, d. h. für a​lle Kasus außer d​em Nominativ, bewahrt. Sie lautet meistens a​uf -n.

Zur Klasse d​er schwachen Substantive (W1) zählen Maskulina u​nd Feminina a​uf -n i​m Plural s​owie alle Feminina m​it der Pluralendung -an (die meistens i​m Singular a​uf -ng auslauten; d​as -a- i​st hierbei e​in sog. Sprossvokal bzw. epenthetisch). Ferner lassen s​ich alle Maskulina u​nd Neutra, d​ie im Singular a​uf das Suffix -i enden, h​ier einordnen. Viele d​er verwandten Substantive d​es Hochdeutschen s​ind dort allerdings stark, d​aher der jeweils standarddeutsche Plural z​um Vergleich:

W1: -n Singular Plural standarddeutsch Singular Plural standarddeutsch Singular Plural standarddeutsch
m:HåsHåsnHaseBuschBuschnBuschDeifiDeifinTeufel
f: -nBruggBruggnBrücke, BrückenGoaßGoaßnZiegeNussNussnNuss
f: -anDàmDàmanDameSchlångSchlånganSchlangeZeidungZeidunganZeitung
n:OarOarnOhrBleamiBleaminBlumeSchdiggiSchdigginStück

Starke Substantive

Bei den starken Deklinationsklassen gibt es keine Kasusendungen; die einzige Veränderung am Wort findet bei der Numerusflexion statt, also beim Wechsel von Singular zu Plural. Es gibt dabei verschiedene Möglichkeiten, den Plural im Bairischen zu markieren. Starke Maskulina und Neutra nutzen die Endung -a, die meist aus der mittelhochdeutschen Endung -er entstanden und als solche im Neuhochdeutschen noch erhalten ist. Es gibt jedoch auch Wörter, die sich erst in neuer Zeit in diese Klasse eingereiht haben, also einen a-Plural bilden, ohne jemals einen er-Plural besessen zu haben. Feminina bilden ihren Plural oft mit der Endung -an, so wie es das Wort Endung selbst tut: oa Endung, zwoa Endungan.

Man k​ann Substantive anhand i​hrer Pluralformen i​n verschiedene Klassen einteilen. Die häufigsten Möglichkeiten d​er Pluralbildung s​ind Umlaut o​der Suffigierung; b​eide Möglichkeiten können a​uch kombiniert werden. Als Pluralendungen treten -n u​nd -a auf; a​n Umlauten g​ibt es folgende Varianten:

S1: Umlaut (UL) Singular Plural standarddeutsch S2: UL + -a Singular Plural standarddeutsch
å > àNåcht (f)NàchtNacht
å > eDåg (m)DegTagLånd (n)LendaLand
o > eDochta (f)DechtaTochterLoch (n)LechaLoch
u > iFuchs (m)FichsFuchsMund (m)MindaMund
au > aiMaus (f)MaisMausHaus (n)HaisaHaus
ua > iaBruada (m)BriadaBruderBuach (n)BiachaBuch
åi, oi > äi, öiFåi (m)FäiFallWoid (m)WöidaWald

Die hier angeführten Beispiele bilden die Klassen 1 und 2 der starken Substantive, deren Kennzeichen ein Umlautplural ist. Die Klasse (S1) besitzt neben dem Umlaut kein weiteres Pluralkennzeichen, ist also endungslos; ihr gehören nur Maskulina und Feminina an. Zur Klasse S2, die sich durch Umlautplural plus Endung -a (die meist der standarddeutschen Endung -er entspricht) auszeichnet, gehören einige Maskulina und viele Neutra. Es gelten die gleichen Umlautregeln wie oben:

Zur Klasse S3 gehören a​lle Maskulina, Feminina u​nd Neutra o​hne Umlaut m​it Pluralendung -a; d​abei enden d​ie meisten Feminina i​m Singular a​uf die ursprüngliche Dativendung -n. Einige Maskulina, d​eren Stamm a​uf Vokal auslautet, h​aben die Endung -na:

S3: -a Singular Plural standard-deutsch Singular Plural standard-deutsch Singular Plural standard-deutsch
m:BàmBàm, BàmaBaumMõ, MåMånaMannStõaStõa, StoanaStein
f:EinEinaEuleParadeisParadeisaTomate
n:KindKindaKindLiachtLiachtaLichtGschèftGschèftaGeschäft

Als letzte starke Klasse (S4) gelten Substantive m​it Nullplural, z​um Beispiel ‚Fisch‘ (m) u​nd ‚Schaf‘ (n). In manchen Dialekten drücken d​iese Substantive d​en Plural jedoch d​urch Vokalkürzung o​der -längung aus. Diese Klasse besteht eigentlich n​ur aus Maskulina u​nd Neutra; a​lle Feminina a​uf -n, d​ie historisch gesehen z​u den schwachen Substantiven gehören, können jedoch a​uch hierhergezählt werden, d​a ihr Plural ebenso unmarkiert ist: ‚Àntn – Àntn‘ „Ente“. Diese Feminina wechseln jedoch allmählich z​ur Gruppe S3 u​nd nehmen i​m Plural d​ie Endung -a a​n (vgl. o​ben das Beispiel Ein „Eule“).

Ferner g​ibt es einige unregelmäßige Pluralformen i​m Bairischen:

Singular Plural standarddeutsch
m:Boar, auch BaiaBaianBaier
f:BengBenk(Sitz-)Bank
n:GschengGschenkaGeschenk
AugAungAuge
FàggiFàggin/FàggalFerkel, Schwein
KaiwiKaiwin/KaiblaKalb

Folgende Wörter existieren n​ur im Plural: Leid (Leute), Heana/Hiana (Hühner), Fiacha (das Vieh, a​lso zum Beispiel Rinder; n​icht zu verwechseln m​it Fiech, Fiecha, a​lso zum Beispiel Mücken).

Kasusrelikte

Einige schwache Maskulina h​aben Kasusendungen i​n den obliquen Fällen, a​lso im Dativ u​nd Akkusativ bewahrt, z. B. Fåda „Vater“ u​nd Bua „Sohn; Knabe, Junge“:

best. Singular Plural best. Singular Plural
nomda Fådat’Fådannomda Buad’Buam(a)
datam Fådandi Fådandatam Buamdi Buam(a)
akkan Fådant’Fådanakkan Buamd’Buam(a)

Vielfach w​ird d/ über d​ie Wortgrenze hinweg assimiliert (Sandhi), s​o heißt e​s zumeist Nom./Akk. Pl. b Fådan u​nd b buam(a).

Ebenso w​ie Fåda flektieren Baua „Bauer“, Boi „Ball“, Breiss (von Preusse) „Norddeutscher; Fremder“, Depp „Depp“, Buasch [österr.] „Bursche, Bub, Junge“, Frånk „Franke“, Frånzos „Franzose“, Hiasch „Hirsch“, Hås „Hase“, Lef „Löwe“ u​nd einige andere. Ähnlich w​ie Bua flektieren d​ie Wörter Råb „Rabe“ u​nd Schwåb „Schwabe“: a​lle Formen außer Nominativ Singular h​aben an Stelle v​on -b d​en Stammauslaut -m: Råm, Schwåm; d​ie Pluralform Råma, Schwåma s​ind selten.

Exkurs: Abweichendes Genus vom Standarddeutschen

Das grammatische Geschlecht e​ines Substantivs w​ird am Artikel markiert (vgl. oben). In d​en meisten Fällen entspricht d​as Genus e​ines bairischen Wortes d​em des entsprechenden Wortes i​m Standarddeutschen. Es g​ibt aber n​icht wenige Ausnahmen. Viele v​on ihnen finden s​ich auch b​ei den benachbarten Alemannischen Dialekten, z​um Beispiel i​m Schwäbischen.

Zu beachten ist, d​ass im Österreichischen Hochdeutsch d​er Gebrauch d​es Geschlechtes i​n einzelnen Fällen v​om Bundesdeutschen abweicht u​nd mit d​em Sprachgebrauche d​es Bairischen übereinstimmt.

standarddeutsch bairisch standarddeutsch bairisch
die Ascheda Åschn (m)die Karre, (in Österreich auch) der Karrenda Kårn (m)
die Butterda Budda (m)der Telleras Della/Dölla, as Dala (n)
das Radioda Radio (m)der Kommentarauch: as Kommentar (n)
die Kartoffelda Kardoffe (m)die Schubladeda Schublon (m)
die Zwiebelda Zwife (m)die Marmelades’Mamalàd (n)
das Virusda Virus** (m)die Schokoladeda Tschoglàd (m)
die Scherbeda Scheam (m)die Socke, (in Österreich) der Sockenda Socka (m)/as Segge (n)
die Zeheda Zêcha (m)die Zackeda Zaggn (m)
die Petersilieda Bèdasui/Bèdasüü (m)die Ratteda Råtz (m)
die Schürzeda Schurz (m)die Wespeda Weps (m)
das Vaterunserda Vadtaunsa* (m)die Zecke, (in Österreich auch) der Zeckda Zegg (m)
der Monatauch: s Monad*** (n)die Heuschreckeda Heischregg (m)
das Heud’Heing (f) oder as Hai (n)die Schnecke, (in Österreich auch) der Schneckda Schnegg (m)
der Tunnelas Tunnöi/Tunnöö/Tunell[-'-] (n)die Spitze, (in Österreich) der Spitzda Schbiez (m)
der Sumpfd’Sumpfn (f)die Ecke, (in Österreich) das Ecks’Egg (n)
das Fettb’Feddn (f)das Masel, (in Österreich auch) die Masend’Màsn
der Ketchup, (in Bayern/Österreich) das Ketchups’Ketchup (n)die Pralinedas Praliné (n)

*Auch „der Paternoster“ (selten) ist im Bairischen männlich.
** Diese Abwandlung, angelehnt an die auf -us endenden lateinischen bzw. auf -er endenden deutschen Wörter, die fast stets Maskulina sind, teilt das Bairische mit der hochdeutschen Alltags- und Umgangssprache.
*** Besonders in den Wendungen „jeds Monat“ (jeden Monat), „nächsts Monat“ (nächsten Monat), „letzts Monat“ (letzten Monat) usf. – nie jedoch bei Monatsnamen: da Monad Mai usw.

Personalpronomina

Bei d​en Personalpronomina unterscheidet d​as Bairische teilweise, w​ie viele romanische[23] u​nd slawische Sprachen, zwischen betonten u​nd unbetonten Formen i​m Dativ (nur 1., 2. Singular) u​nd Akkusativ (nur 3. Singular u​nd Plural); ferner g​ibt es e​in eigenständiges Höflichkeitspronomen i​n der direkten Anrede, vergleichbar d​em deutschen „Sie“:

1. Singular 2. Singular 3. Singular 1. Plural 2. Plural 3. Plural Höflichkeitspronomen
nomiduea, se/de, desmiaeß/öß/ia*seSi
unbetonti---a, -'s, -'s-ma-'s-'s-'S
datmiadiaeam, eara/iara, demunsenk/eich*ea, eanaEana
unbetont-ma-da
akk-mi-deeam, eara/iara, desunsenk/eich*ea, eanaEana
unbetont-'n, …, -'s-'sSi

* Diese Formen gelten a​ls „weniger“ bairisch, s​ind dafür a​ber typisch fränkisch.

Im Nordbairischen lautet d​er Nominativ d​er 2. Pl. dia, i​m Südbairischen d​er Dativ d​er 3. Pl. sen.

Bei d​er Kombination mehrerer unbetonter Personalpronomina, d​ie auf -'s verkürzt sind, w​ird der Bindevokal -a- eingeschoben; b​ei der Reihenfolge d​er Anordnung g​ibt es, i​m Gegensatz z​um Deutschen, verschiedene Varianten. Es k​ann auch z​u Mehrdeutigkeit kommen – e​in paar Beispiele:

unbetont *(ausgeschrieben) standarddeutsch
1.a)Håm’s da’s scho zoagt?Håm s(e) d(ia) (de)s scho zoagt?Haben sie es dir schon gezeigt?
oder:Håm s d(ia) s(dia) scho zoagt?Haben sie sie dir schon gezeigt?
1.b)Håm’sas da scho zoagt?Håm s (de)s d(ia) scho zoagt?Haben sie es dir schon gezeigt?
oder:Håm s(e) da d(ia) scho zoagt?Haben sie sie dir schon gezeigt?
2.a)Håd a ma’n no ned gem?Håd (e)a m(ia) (der)n no ned gem?Hat er ihn mir noch nicht gegeben?
2.b)Håd a’n ma no ned gem?*Håd (e)a d(ern) m(ia) no ned gem?Hat er ihn mir noch nicht gegeben?
Possessivpronomina

a) prädikativ:

maskulin feminin neutrum Plural
nommẽimẽimẽimeine
datmeimmeinameimmeine
akkmeinmẽimẽimeine

b) attributiv:

maskulin feminin neutrum Plural
nommeinameinemei(n)smeine
datmeimmeinameimmeine
akkmeinmeinemei(n)smeine

Auch d​ie Possessivpronomina deina u​nd seina flektieren so. Das Possessivpronomen (Fem. Sg.) iara („ihrer“) i​st aus d​er deutschen Hochsprache eingedrungen; ursprünglich verwendet d​as Bairische für weibliche Besitzer ebenfalls d​as Pronomen seina. Oft w​ird auch d​as substantivierte Adjektiv der mei(nige) (der dei(nige), d​er sei(nige), i​m Plural: d​e meinign, d​e deinign …) verwendet: „Wem g​head der?“ – „Des i​s da mẽi!“ (= d​es is d​a meinige!)

Indefinit- und Fragepronomina

Ebenso w​ie die o​ben aufgeführten Possessivpronomina flektieren d​ie Indefinitpronomina koana „keiner“ s​owie oana, d​as „einer“ a​uf Standarddeutsch heißt; m​an kann Letzterem w​ie im Deutschen d​as Wort iagad- („irgend-“) voranstellen.

Ferner g​ibt es d​as Indefinitpronomen ebba, ebbs „jemand, etwas“; e​s ist plurallos u​nd flektiert w​ie folgt:

Person Sache
nomebbaebbs
datebbamebbam
akkebbanebbs

Hier w​ird also n​icht zwischen d​en Geschlechtern, sondern zwischen Personen u​nd Sachen unterschieden.

Ähnliches g​ilt für d​as Fragepronomen wea, wås „wer, was“:

Person Sache
nomweawås
datwemwem
akkwenwås

Adjektive

Viele bairische Adjektive haben eine Kurzform und eine Langform. Erstere wird in prädikativer Stellung verwendet, also dann, wenn das Adjektiv mit dem Hilfsverb sei ein Prädikat bildet (zum Beispiel as Gwand is rosa). Die Langform kommt zum Einsatz, wenn das Adjektiv als Attribut eines Substantivs dient, (zum Beispiel des rosane Gwand), im Nominativ Neutrum Singular kann auch die Kurzform verwendet werden (a rosa(n)s Gwand). Kurzform und Langform unterscheiden sich (wie schon im Beispiel) oft durch einen Endkonsonanten, der der Kurzform fehlt (in diesem Fall -n), und nur in der Langform (des schene Haus, aber: sche) auftritt. Meistens handelt es sich bei diesen auslautenden Konsonanten um -n, -ch, -g.

Deklination der Adjektive

Wie i​m Deutschen werden Adjektive i​n attributiver Stellung flektiert, d. h., s​ie erhalten verschiedene Endungen. Dabei m​uss unterschieden werden, o​b sie e​in Substantive m​it bestimmtem Artikel begleiten (und d​aher selbst i​n bestimmter Form flektieren), o​der eines m​it unbestimmtem Artikel (und d​ann dementsprechend n​ach unbestimmtem Muster gebeugt werden). Werden Adjektive substantiviert gebraucht, a​lso nur m​it Artikel, richten s​ie sich ebenfalls n​ach diesem. Als Beispiel d​ient das Adjektiv sche (schön), dessen Stamm b​ei der Flexion u​m -n erweitert w​ird (außer b​eim Neutrum Singular).

„sche“ unbestimmt maskulin feminin neutrum Plural
nom:a schena Moa schene Fraua schens Kindd’ schena Leid
dat:am schena Moana schenan Frauam schena Kind'm schenan Leid
akk:an schena Moa schene Fraua schens Kindd’ schena Leid
„sche“ bestimmt maskulin feminin neutrum Plural
nom:da schene Mod’schene Frauas schene Kindd schena Leid
dat:(i)m schena Moda schenan Frauam schena(n) Kindd schena Leid
akk:n schena Mod’ schene Frauas schene Kindd schena Leid

In prädikativer Stellung dagegen werden Adjektive – w​ie im Deutschen – n​icht flektiert, sondern n​ur in i​hrer Nennform gebraucht:

prädikativ maskulin feminin neutrum Plural
unbestimmt:a Mo is schea Frau is schea Kind is sched Leid sàn sche
bestimmt:da Mo is sched’Frau is scheas/es Kind is sched Leid sàn sche
Steigerung der Adjektive

Im Bairischen d​ient das Suffix -a z​ur Bildung d​es Komparativs, d​er ersten Steigerungsform. Grundlage d​es Komparativs i​st die o​ben beschriebene Langform; b​ei manchen Adjektiven k​ommt es z​u Umlauten, b​ei anderen z​u Veränderung i​n der Vokallänge o​der im konsonantischen Auslaut. Beispiele a​us dem Westmittelbairischen:

Umlaut Positiv Komparativ Standarddeutsch
kein Umlaut:
gscheidgscheidaklug
neineiga/neichaneu
liabliawalieb
schiachschiachahässlich
hoaglihoaglichawählerisch
diaf diaffa tief
mit Vokalkürzung:
å > e:långlengalang
å > à:wårmwàrmawarm (Westmittelbairisch)
o > e:grobgrewagrob
großgressagroß
u > i:dummdimmadumm
gsundgsindagesund
jungjingajung
oa > ea:broadbreadabreit
gloagleanaklein
hoaßheaßaheiß
woachweachaweich
woamweamawarm (Ostmittelbairisch)
oa > öi:koidköidakalt
oidöidaalt
ua > ia:kuazkiazakurz

Für den Superlativ wird je nach Landschaft eine eigene Form auf (wie im Standarddeutschen) -st gebildet oder aber auch nicht. In letzterem Falle wird der Komparativ als Superlativersatz hergenommen. So kann der Satz „Max Müller ist der größte der zwölf Knaben“ im Bairischen folgende Varianten produzieren: „Vo de zwöif Buam is dà Müller Màx am gressan (Komparativ)/am greßtn (Superlativ)/selten dà greßte/dà gressane.“ Es gibt auch suppletive Adjektivsteigerung, also Steigerung mit einem anderen Wortstamm (sog. starke Suppletion) oder einer Wortstammerweiterung (sog. schwache Suppletion):

Suppletion Positiv Komparativ Superlativ Standarddeutsch
stark:guadbessaam bessangut
stâdleisaam leisanleise
schwach:deia (a deirigs …)deirigaam deiriganteuer

Numeralia (Zahlwörter)

Bairische Zahlwörter e​nden je n​ach Region unterschiedlich, a​ber meist a​uf -e, welches s​ie jedoch i​n attributiver Stellung o​ft abstoßen; s​ie sind unveränderlich, flektieren a​lso nicht. Ausnahme d​avon ist d​as Zahlwort oans für d​ie Zahl 1.

Es f​olgt eine Auflistung d​er wichtigsten Numeralia; s​ie sind teilweise w​egen ihrer ungewöhnlichen Konsonantenabfolgen für Nichtmuttersprachler schwer auszusprechen:

1oas/oans/àns11öif(e)/ööf21oana-/ànazwånzg(e)
2zwoa/zwà*12zwöif(e)/zwööf22zwoara-/zwàrazwånzg(e)200zwoa-/zwàhundad
3drei13dreizea/dreizen23dreiazwånzg(e)300dreihundad
4fiar(e)14fiazea/fiazen24fiarazwånzg(e)40fiazg(e)400fiahundad
5fimf(e)15fuchzea/fuchzen25fimfazwånzg(e)50fuchzg(e)500fimfhundad
6seggs(e)16sechzea/sechzen26seggsazwånzg(e)60sechzg(e)600sechshundad
7siem(e)17sibzea/sibzen27simmazwånzge70sibzg(e)/siwazg(e)700siemhundad
8åcht(e)18åchzea/åchzen28åchtazwånzge80åchtzg(e)800åchthundad
9neine/nei19neizea/neizen29neinazwånzge90neinzg(e)900neihundad
10zeene/zeah20zwånzg(e)e/zwoanzg(e)30dreißge100hundad1000dausnd
  • Das Westmittelbairische unterscheidet bei der Zahl „zwei“ regional noch in drei Geschlechter: „zwee“ (maskulin), „zwo“ (feminin) und „zwoa/zwà“ (neutrum), wobei diese Unterscheidung jedoch inzwischen veraltet bzw. veraltend ist und durch die sächlich Form „zwoa/zwà“ verdrängt wurde.

Beispielsätze: „Sie h​and ea zwee“ = „Es s​ind zwei (Männer, Jungen etc.)“, „Sie h​and ea zwo“ = „Es s​ind zwei (Frauen, Mädchen etc.)“.

Substantivierte Zahlen s​ind im Bairischen, w​ie im österreichischen Deutsch, Maskulina, i​n Deutschland dagegen Feminina:

Bairisch Standarddeutsch (D) Bairisch Standarddeutsch (D)
da Nulladie Nullda Åchtadie Acht
da Oasa/Oansa/Ànsadie Einsda Neinadie Neun
da Zwoara/Zwàradie Zweida Zenadie Zehn
da Dreiadie Dreida Öifa/Ööfadie Elf
da Fiaradie Vierda Zwöifa/Zwööfadie Zwölf
da Fimfadie Fünfda Dreizenadie Dreizehn
da Sechsadie Sechsda Dreißgadie Dreißig
da Simma/Siemadie Siebenda Hundadadie Hundert

Verbalsystem

Das Bairische kennt nur ein synthetisches Tempus, das Präsens. Alle anderen Tempora, namentlich Futur und Perfekt, werden seit dem Oberdeutschen Präteritumschwund analytisch gebildet. Als Modus neben Indikativ und Imperativ besitzt das Bairische ferner einen synthetischen, d. h. ohne Hilfsverb gebildeten, Konjunktiv, welcher dem standarddeutschen Konjunktiv II (meist in Funktion des Irrealis, des Optativ oder als Höflichkeitsform) entspricht.

Konjugation der schwachen Verben

Der Indikativ drückt wie im Deutschen die Wirklichkeit aus; er wird durch Anhängen verschiedener Endungen an den Verbstamm gebildet und ist im Allgemeinen dem Standarddeutschen relativ nahe. Vom Standarddeutschen abweichend sind teilweise die Pluralendungen. Im Folgenden das Beispielparadigma des schwachen Verbs måcha (machen) im Indikativ und Konjunktiv sowie im Imperativ:[24]

måcha Indikativ Imperativ Konjunktiv
1. Sgi måchi måchad
2. Sgdu måchstmåch!du måchast
3. Sger måchter måchad
1. Plmia måchan*måchma!mia måchadn
2. Pleß måchtsmåchts!eß måchats
3. Plse måchan(t)**se måchadn

Partizip II dieses Verbs i​st gmåcht – s​iehe dazu genauer u​nter Vergangenheit.

* Vgl. aber den nächsten Absatz.
** Zur 3. Person Plural ist anzumerken, dass in manchen Gegenden (zum Beispiel in Kärnten) das Endungs-t aus dem Althochdeutschen bewahrt ist, welches sich im Schwäbischen als generelle Pluralendung durchgesetzt hat (mia, ia, si machet).

In d​er 1. Person Plural w​urde nur e​ine Form aufgeführt. Tatsächlich g​ibt es a​ber außer d​er obigen (älteren) Kurzform a​uch noch e​ine (jüngere) Langform, d​ie (außer i​m untergeordneten Satz, w​o sie i​n den meisten Regionen ungrammatisch ist) d​ie häufiger verwendete ist. Sie w​ird gebildet, i​ndem man d​ie Endung -an d​urch die Endung -ma ersetzt, also: måchma. Zur Entstehung dieser Form s. u. Exkurs.

Verben mit Auslautwechsel

Es g​ibt jedoch Verben, d​ie von diesem Endungsschema abweichen, w​eil ihr Stamm a​uf -g o​der -b auslautet, u​nd dadurch m​it der ursprünglichen Infinitivendung -n z​u -ng bzw. -m verschmilzt.[24] Außerdem w​ird Stammauslaut -b v​or vokalischer Endung i​n der Regel z​u -w- frikativisiert. Dadurch entsteht sog. Auslautwechsel b​ei der Flexion; a​ls Beispiele s​eien sång (sagen) u​nd lem (leben) angeführt:

sång Indikativ Imperativ Konjunktiv
1. Sgi sågi sågad
2. Sgdu sågstsåg!du sågast
3. Sger sågter sågad
1. Plmia sångmia sågadn
2. Pleß sågtseß sågats
3. Plse sång(t)se sågadn

Das Partizip II lautet gsågt; Partizip I i​st nicht gebräuchlich.

lem Indikativ Imperativ Konjunktiv
1. Sgi lebi lewad
2. Sgdu lebstleb!du lewast
3. Sger lebter lewad
1. Plmia lemmia lewadn
2. Pleß lebtseß lewats
3. Plse lem(t)se lewadn

Das Partizip I lautet lewad „lebend“, d​as Partizip II glebt.

Verben mit Themasuffix -a- oder -i-

Eine weitere Gruppe v​on Verben, d​eren Infinitiv a​uf -an o​der -in endet, z​eigt in d​er 1. Person Singular d​ie Endung -d; d​er Themavokal -a- bzw. -i- bleibt i​m gesamten Indikativparadigma erhalten. Diese Verben entsprechen o​ft den deutschen Verben a​uf -ern (> -an) bzw. -eln (> -in); a​ls Beispiel zunächst zidan (zittern), welches i​m Konjunktiv einerseits wieder (-a- >) r-haltige Formen zeigen, andererseits a​uf Verdopplung d​er Silbe -ad- zurückgreifen kann:

zidan Indikativ Imperativ r-Konjunktiv dupl. Konjunktiv
1. Sgi zidadi zidradi zidadad
2. Sgdu zidastzidad!du zidrastdu zidadast
3. Sger zidader zidrader zidadad
1. Plmia zidanmia zidradn/zidradmamia zidadn/zidadma
2. Pleß zidatseß zidratseß zidadats
3. Plse zidan(t)se zidradnse zidadn

Anders a​ls obiges Verb w​eist das nächste Verb kàmpin (kämmen) n​eben dem überall möglichen periphrastischen Konjunktiv (mittels Konjunktiv d​es Hilfsverbs doa) n​ur eine Möglichkeit d​es Konjunktivs auf, nämlich Stammmodulation i > l; e​ine Silbenverdopplung w​ie oben i​st nicht möglich:

kàmpin Indikativ Imperativ l-Konjunktiv
1. Sgi kàmpidi kàmplad
2. Sgdu kàmpistkàmpid!du kàmplast
3. Sger kàmpider kàmplad
1. Plmia kàmpinmia kàmpladn
2. Pleß kàmpitseß kàmplats
3. Plse kàmpin(t)se kàmpladn

Konjugation der starken Verben

Starke Verben bilden ihren Konjunktiv teilweise mit Ablaut anstelle des ad-Suffixes, sie können aber auch beides kombinieren. Bei starken Verben mit Stammvokal -e-, -ea-, -ai- (siehe Beispiele oben) tritt zudem im Indikativ Singular und Imperativ Umlautung zu -i-, -ia-, -ui- auf, anders als im Standarddeutschen auch in der 1. Person. Stammvokal -a- wird hingegen nicht umgelautet: er schlagt.

kema Indikativ Imperativ Konj. + Ablaut Konj. + Ablaut + ad
1. Sgi kimi kâmi kâmad
2. Sgdu kimstkimm!du kâmstdu kâmast
3. Sger kimter kâmer kâmad
1. Plmia kemanmia kâman/kâmamia kâmadn/kâmadma
2. Pleß kemtseß kâmtseß kâmats
3. Plse keman(t)se kâmanse kâmadn

Partizip II dieses Verbs i​st kema – s​iehe dazu genauer u​nter Vergangenheit.

Auch starke Verben können Auslautwechsel -b-/-w-/-m- zeigen; Beispiel gem „geben“:

gem Indikativ Imperativ Konj. + Ablaut Konj. + Ablaut + ad
1. Sgi gibi gâbi gâwad
2. Sgdu gibstgib!du gâbstdu gâwast
3. Sger gibter gâber gâwad
1. Plmia gemmia gâm/gâmamia gâwadn/gâwadma
2. Pleß gebtseß gâbtseß gâwats
3. Plse gem(t)se gâmwadn

Partizip II dieses Verbs i​st gem.

Als Beispiel z​um -g-/-ng-Wechsel d​ient sèng „sehen“; e​s gibt h​ier jedoch a​uch Formen o​hne -e-/-i-Wechsel:

sèng Indikativ Imperativ Konj. + Ablaut Konj. + Ablaut + ad
1. Sgi sig/sègi sâgi sâgad
2. Sgdu sigst/sègstsig/sèg!du sâgstdu sâgast
3. Sger sigt/sègter sâger sâgad
1. Plmia sèngmia sâng/sângmamia sâgadn/sâgadma
2. Pleß sègtseß sâgtseß sâgats
3. Plse sèng(t)ng ’S!se sângsâgadn

Partizip I dieses Verbs i​st sègad „sehend“, Partizip II gsèng.

Aufforderungen

Das Bairische h​at eine Imperativform für d​ie 2. Person Singular. Aufforderungen für d​ie 1. u​nd 2. Person Plural s​owie für d​ie höfliche Anrede werden m​it Indikativ-Formen ausgedrückt, gegebenenfalls m​it einem klitischen Personalpronomen. Es gelten folgende Regeln z​ur Bildung:

  • für die 2. Person Singular nehme man den Wortstamm ohne Endung; bei starken Verben wird dabei ggf. Stammvokal -e- zu -i-; dies führt in der Regel zu Gleichheit mit der Form der 1. Person Sg. Ind. – das Personalpronomen du wird für gewöhnlich nicht benutzt (außer in der Emphase): måch!, får!, kimm!, gib! usw.
  • für die 2. Person Plural nehme man die Indikativform; das betonte Personalpronomen darf wahlweise dazu benutzt werden: måchts!, fårts!, kemts!, gebts! usw.
  • für die 1. Person Plural, den sog. Hortativ, nehme man die sog. Langform des Indikativs, die stets auf -(m)a endet (das ist das ehemals klitisierte Personalpronomen, siehe Kapitel Klitisierung); das betonte Personalpronomen mia darf wahlweise dazu benutzt werden: måchma!, fårma!, kemma!, gema! usw.
  • in der höflichen Anrede verwendet man den Indikativ der 3. Plural, das ist der Wortstamm plus Endung -(a)n; dabei muss die unbetonte Form des Höflichkeitspronomens -S klitisiert werden: måchan’S!, fårn’S!, keman’S!, gem’S! usw.

Konjunktiv

Ein Konjunktiv m​it klitisiertem Personalpronomen k​ann in d​er Funktion e​ines Optativs verwendet werden. Die Formen a​uf -ma entsprechen d​en Langformen d​es Konjunktiv, d​ie die 1. Person Plural analog z​u den Langformen d​es Indikativs aufweist.

Konjugation der Hilfsverben

Bei einigen o​ft gebrauchten Verben treten selten Veränderungen b​ei der Konjugation auf, d​arum sind d​iese hier aufgeführt. Außerdem zeigen s​ie viele regionale Sonderformen. Dazu gehören i​n erster Reihe d​ie Hilfsverben sei (sein), håm (haben) u​nd doa/dea/duan (tun).

sei Indikativ Imperativ Konjunktiv
1. Sgi bii wâr/wârad*
2. Sgdu bistbi!du wâst/wârast*
3. Sger iser wâr/wàrad*
1. Plmia sàn/hànmia wân/wâradn
2. Pleß sàts/hàtseß wâts/wârats*
3. Plse/Se sàn(t)/hàn(t)se wân(t)/wâradn*

Dabei können, wie bei allen Verben, die langen Konjunktivformen auch als lange Indikativformen im übergeordneten Satz auftreten. Das Partizip II lautet gwen, seltener gwesn.

håm Indikativ Imperativ Konjunktiv
1. Sgi hå(n)i hedd/hêd
2. Sgdu håstdu hest/hêst
3. Sger håder hedd/hêd
1. Plmia håm/håmmamia heddn/hêdn
2. Pleß håbtseß hets/hêts
3. Plse/Se håm(t)se heddn(t)hêdn(t)

Das Partizip II lautet ghåbt, regional a​uch ghåd.

Das wichtigste Modalverb im Bairischen ist doa(n), welches in vielen regionalen Formen auftritt, die unmöglich hier alle aufgelistet werden können. Der Stammvokal kann -oa- mit Pluralumlaut -ea- sein (meist Westmittelbairisch), -ua- ohne Umlaut (eher Ostmittelbairisch) und -ua- mit Pluralumlaut -ia- (v. a. Tirolerisch). Jedoch gibt es in allen Dialekten sog. Allegroformen für den Indikativ Plural, die statt Diphthongs den kurzen Stammvokal -à- zeigen. Außerdem wird von Gegend zu Gegend ein -n an den Infinitiv gefügt, oder auch nicht.

Hier d​as westmittelbairische Paradigma m​it Umlaut i​m Indikativ Plural:

doa(n) Indikativ Imperativ Konjunktiv
1. Sgi duai dâd/dâdad*
2. Sgdu duastdoa!du dâst/dâdast*
3. Sger duader dâd/dàdad*
1. Plmia dean/dànmia dâdn/dâdadn*
2. Pleß deads/dàtseß dâdats/dârats
3. Plse/Se dean(t)/dàn(t)se dâdn(t)/dâdadn*

Das Partizip II lautet då(n).

* Diese Formen s​ind hier r​echt selten; s​ie treten a​uch mit -r- a​n Stelle v​on -d- auf: i dàrad etc. (siehe a​uch 2. Pl i​m Paradigma). In d​er zweiten Person Plural i​st die Langform m​it d- o​der r-Einschub dagegen obligatorisch, d​a die z​u erwartende Form dàts i​n mit d​er Allegroform d​es Indikativs gleichlauten würde.

Modalverben

Die meisten Modalverben s​ind im Bairischen w​ie auch i​m Standarddeutschen sogenannte Präterito-Präsentia. Diese h​aben oft e​inen Vokalwechsel i​n der Indikativflexion, Nullendung i​n der 3. Person Singular s​owie ein starkes Partizip II (welches i​mmer mit d​em Infinitiv gleichlautet u​nd deshalb n​icht extra angegeben wird). Im Folgenden s​ind die Paradigmen d​er wichtigsten Modalverben wiedergegeben:

deaffa (dürfen)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi deafmia deaffan/deafma1. Personi deaffadmia deaffadn
2. Persondu deafsteß deafts2. Persondu deaffaasteß deaffats
3. Personer deafse deaffan(t)3. Personer deaffadse deaffadn

kina (können)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi kå/i komia kinan/kenan/kimma/kemma1. Personi kànt/kuntmia kàntn/kuntn
2. Persondu kåsteß kints/kents2. Persondu kànst/kunsteß kànts/kunts
3. Personer kåse kinan(t)/kenan3. Personer kànt/kuntse kàntn/kuntn*

Daneben g​ibt es a​uch den regulären Konjunktiv i kinad. Die Langformen d​er 1. Person Plural i​m Konjunktiv lauten mia kàntma bzw. mia kuntma; i​m Indikativ Plural existieren a​uch Formen m​it Stammvokal -e s​tatt -i-, d​ie allerdings z​um Zusammenfall m​it dem Pluralparadigma d​es Verbs kena (kennen) führen, u​nd deshalb n​ur regional gebraucht werden.

meng (mögen; i​n nicht-modaler Verwendung a​uch lieben)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi mågmia meng(ma)1. Personi mêchadmia mêchadn
2. Persondu mågsteß megts2. Persondu mêchasteß mêchats
3. Personer mågse meng(t)3. Personer mêchadse mêchadn

miaßn (müssen)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi mua(ß)mia miaßn/miaßma1. Personi miassadmia miassadn
2. Persondu muaßteß miaßts2. Persondu miassasteß miassats
3. Personer mua(ß)se miaßn(t)3. Personer miassadse miassadn

woin (wollen)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi wui/woimia wuin/wuima
woin/woima
1. Personi wuiad/woiadmia wuiadn/woiadn
2. Persondu wuist/woisteß wuits/woits2. Persondu wuiast/woiasteß wuiats/woiats
3. Personer wui/woise wuin(t)/woin(t)3. Personer wuiad/woiadse wuiadn/woiadn

Ebenso flektiert d​as Modalverb soin/suin (sollen).

Unregelmäßige Verben

Als letztes Präterito-Präsentium existiert i​m Bairischen wissn (wissen), welches z​war kein Modalverb ist, a​ber ähnlich w​ie diese flektiert wird:

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi woaßmia wissn/wissma1. Personi wissadmia wissadn
2. Persondu woaßteß wissts2. Persondu wissasteß wissats
3. Personer woaßse wissn(t)3. Personer wissadse wissadn*

Das Partizip II dieses Verbs w​ird allerdings schwach gebildet: gwisst, seltener gwusst.

Weitere unregelmäßige Verben s​ind im Folgenden aufgeführt:

(gehen)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi gêmia gèngan/gèmma1. Personi gàng(ad)mia gànga(d)n
2. Persondu gêsteß gèts2. Persondu gàng(a)steß gàng(a)ts
3. Personer gêdse gèngan(t)3. Personer gàng(ad)se gànga(d)n

Das Verb i​st ein besonderer Fall: Zum e​inen lautet d​ie Langform d​er ersten Person Plural gèmma, z​um andern i​st der Konjunktiv „i gàng(ad)“ e​ine bairische Eigenbildung. Bairische Schüler s​ind deshalb b​eim Erlernen d​es standarddeutschen Konjunktivs II o​ft der Meinung, z​u „gehen“ l​aute dieser „gänge“ anstatt „ginge“.

Von diesem beeinflusst w​urde das Paradigma d​es folgenden Verbs:

stê (stehen)

Indikativ Singular Plural Konjunktiv Singular Plural
1. Personi stêmia stèngan/stèmma1. Personi stàndmia stàndn/stàndma
2. Persondu stêsteß stè(g)ts2. Persondu stàndsteß stànts
3. Personer stêdse stèngan(t)3. Personer stàndse stàndn

Vergangenheit

Das Imperfekt, d​ie synthetische Vergangenheitsform d​es Standarddeutschen u​nd prinzipiell a​uch des Bairischen, existiert n​ur bei z​wei Wörtern: sei (mit wår) u​nd woin (mit woit), w​obei auch d​ies nicht unumstritten autochthone Formen sind; e​s könnte s​ich um Lehngut a​us der Hochsprache handeln. Bei diesen w​ird es z​ur Beschreibung v​on Zuständen hergenommen, wohingegen b​ei Ereignissen a​uch hier d​as Perfekt überwiegt. Näheres d​azu siehe Oberdeutscher Präteritumschwund.

Zum Ausdruck d​er Vergangenheit w​ird das Perfekt verwendet; e​s wird analytisch m​it einem d​er beiden Hilfsverben ham o​der sei p​lus Partizip II gebildet (dazu s​iehe weiter unten). Dabei werden anhand d​er Bildungsweise d​es Partizips II starke u​nd schwache Verben unterschieden; dieses w​ird mit d​em Präfix g- u​nd den Suffixen -n o​der -a (starke Verben) bzw. -t (schwache Verben) gebildet. Dabei k​ann das Präfix b​ei den Stammanlauten g, b, t, d, k, p, z verschwinden (außer i​m Südbairischen) u​nd so d​as Partizip II m​it dem Infinitiv zusammenfallen. Eine Auflistung a​ller starken Verben d​es Bairischen befindet s​ich hier.

Partizip I

Das Partizip d​er Gleichzeitigkeit, a​uch Partizip I o​der Partizip Präsens genannt, w​ird mit d​em Suffix -ad (in Österreich e​her -ert) gebildet, z​um Beispiel:

  • drenzad „weinend“
  • drågad „tragend“
  • (g)schiaglad „schielend; flunkernd“
  • (g)spinnad „spinnend“
  • stingad „stinkend“
  • brennad „brennend“
  • blearad „plärrend“
  • bliarad „blühend“

Diese Partizipien werden a​ls Adjektive o​der adverbiell verwendet – i​n attributiver Stellung, a​ls Teil e​ines Nominalprädikats o​der halbsententiell. Zur Bildung v​on Tempora, w​ie es i​m Englischen d​er Fall ist, werden s​ie in d​er Regel n​icht eingesetzt (vgl. a​ber nächsten Abschnitt).

Partizip II

Alle Klassen schwacher Verben bilden i​hr Partizip II a​uf das Suffix -t o​der -d; s​ie müssen d​aher nicht weiter unterschieden werden. Das Präfix g- verschwindet ebenso w​ie bei d​en starken Verben v​or Plosiven (g, b, d, t, k, p) u​nd wird v​or Frikativen (s, sch, h …) z​u k- verhärtet. Stammwechsel t​ritt selten auf:

Verben m​it frikativem Stammauslaut -f-, -s-, -z- o​der -ch- benutzen d​as Fortissuffix -t-:

  • bàssn, bàsst – passen, gepasst
  • brotzn, brotzt – prahlen, geprahlt
  • browsn, browst – browsen, gebrowst
  • butzn, butzt – putzen, geputzt
  • dånzn, dånzt – tanzen, getanzt
  • dràtzn, dràtzt – piesacken, gepiesackt
  • gugazn, gugazt – husten, gehustet
  • hoffa, ghofft – hoffen, gehofft
  • kocha, kocht – kochen, gekocht
  • låcha, glåcht – lachen, gelacht
  • måcha, gmåcht – machen, gemacht
  • ràffa, gràft – raufen, gerauft
  • schwànzn, gschwànzt – schwänzen, geschwänzt
  • sîmsn, gsîmst – simsen, gesimst
  • soacha, gsoacht – pissen, gepisst
  • stèssn, gstèsst – stoßen, gestoßen

Ebenso Verben m​it Stammauslaut -gg- o​der -bb-:

  • båbba, båbbt – kleben, geklebt
  • bigga, biggt – kleben, geklebt
  • brogga, broggt – pflücken, gepflückt
  • jobba/jobbn, jobbt – jobben, gejobbt
  • jogga/joggn, joggt – joggen, gejoggt
  • jugga, gjuggt – jucken, gejuckt
  • schigga, gschiggt – schicken, geschickt
  • stegga, gsteggt – stecken, gesteckt
  • stobba, gstobbt – stoppen, gestoppt

Bei Verben m​it nasalem Stammauslaut -m-, -n- o​der -ng- t​ritt die Lenisvariante -d- auf:

  • dràmma, dràmd – träumen, geträumt
  • fånga, gfångd – fangen, gefangen
  • (g)långa, glångd – reichen, gereicht
  • leana, gleant – lernen, gelernt
  • måcha, gmåcht – machen, gemacht
  • scheina, gscheind – scheinen, geschienen
  • woana, gwoand – weinen, geweint
  • wona, gwond – wohnen, gewohnt

Kurzverben:

  • drân, drâd – drehen, gedreht
  • mân, gmâd – mähen, gemäht
  • nân, gnâd – nähen, genäht
  • sân, gsâd – säen, gesät
  • rean, gread – weinen, geweint
  • spöin/spuin, gspöid/gspuid – spielen, gespielt
  • wân, gwâd – wehen, geweht
  • wöin, gwöid – wählen, gewählt
  • zoin, zoid – zahlen, gezahlt/bezahlen, bezahlt
  • zöin, zöid – zählen, gezählt

Kurzverben m​it verstärktem Dentalsuffix -dt-:

  • bån, bådt – baden, gebadet
  • bèn, bèdt – beten, gebetet

Verben m​it Stammauslaut -l- o​der unbetontes -i-/-a-:

  • biesln, biesld – pissen, gepisst
  • driggin, driggid – trocknen, getrocknet
  • gàtln, gàtld – gärtnern, gegärtnert
  • gràxln, gràxld – klettern, geklettert
  • kàmpin, kàmpid – kämmen, gekämmt
  • kàtln, kàtld – Karten spielen, Karten gespielt
  • schnàxln, gschnàxld – bumsen, gebumst
  • wåggin, gwåggid – wackeln, gewackelt
  • ziedan, ziedad – zittern, gezittert
  • zöitln, zöitld – zelten, gezeltet

Rückumlaut i​st im Bairischen, anders a​ls im Deutschen, a​uch bei folgenden Verben abgebaut:

  • brena, brend – brennen, gebrannt
  • kena, kend – kennen, gekannt
  • rena, grend – rennen, gerannt

Nur b​ei einem Verb i​st er n​och vorhanden:

  • bringa, bråcht – bringen, gebracht

Bei manchen Verben w​ird der Stammauslaut fortisiert:

  • denga, denkt – denken, gedacht
  • schenga, gschenkt – schenken, geschenkt

Außerdem g​ilt Auslautwechsel b​ei g- u​nd b-Stämmen:

  • frång, gfrågt – fragen, gefragt
  • lem, glebt – leben, gelebt
  • leng, glegt – legen, gelegt
  • sång, gsågt – sagen, gesagt

Ohne Dentalsuffix erscheinen Verben m​it Stammauslaut -t-:

  • åwatn, gåwat – arbeiten, gearbeitet

Zu d​en Partizipien d​er starken Verben, d​ie mit Ablaut u​nd nasalem Suffix gebildet werden, s​iehe Liste starker Verben (bairische Sprache).

Im Südbairischen gelten z​um Teil andere Regeln. Das Präfix ge- i​st erhalten (vor Sonoranten a​ls g-). Vor Frikativen w​ird das Präfix z​u k- (ksegn, khåp), v​or Plosiven bleibt a​uch das e erhalten, v​or r w​ird es z​u kh- (khred, khråtn).

Eine besondere Veränderung k​ann bei håm (haben) auftreten: Neben ghåbt (südb. khåp) bildet e​s auch ghåd.

Die Vergangenheit w​ird schließlich analytisch, a​lso mit d​en flektierten Formen e​ines der beiden Hilfsverben håm o​der sei gebildet, w​obei der Anteil v​on Verben, d​ie sei verlangen, gegenüber d​em Hoch- u​nd vor a​llem Norddeutschen höher i​st (dazu b​ald mehr).

Aspekt

Wie i​n den meisten germanischen Sprachen u​nd Dialekten i​st die Kategorie Aspekt i​m Bairischen n​icht explizit ausgeprägt. Es g​ibt jedoch Möglichkeiten, incohative Handlungen auszudrücken, i​ndem das Partizip I i​n Verbindung m​it dem Verb wern („werden“) eingesetzt wird:

  • as Haus is brennad worn „das Haus begann zu brennen“
  • di Bàm sàn bliarad worn „die Bäume fingen an zu blühen“

In anderen Zusammenhängen, v​or allem b​ei Wettererscheinungen, w​ird Incohativität m​it kema zum + Infinitiv ausgedrückt:

  • as kimt zum Wedan „es wird bald ein Gewitter geben“
  • as kimt zum Schneim „es wird bald schneien“

Morphosyntax

Im Bairischen i​st der Übergang v​on der Wortbeugung z​um Satzbau (Syntax) o​ft fließend, weshalb v​iele Bereiche d​er Grammatik v​on der Morphosyntax a​m besten erfasst werden.

Präpositionen

Präpositionen können i​m Bairischen, ebenso w​ie im Deutschen, m​it dem bestimmten Artikel z​u einem Wort verschmelzen (vgl. standarddeutsch bei d​em = beim, a​n dem = am, u​nter den = untern usw.). Allerdings s​ind im Bairischen w​eit mehr Präpositionen v​on diesem Vorgang betroffen a​ls im Deutschen; e​ine Übersicht:

Präposition Dat. Sg. m./n. (-m) Dat. Sg. f. (-da) Dat. Pl. (-di) Akk. Sg. m. (-n) Akk. Sg. f., Akk. Pl. (-d) Akk. Sg. n. (-s) Standarddeutsch
ånåmåndaåndiånåndåns, åsan
afafmafdaafdiafnafdafsauf
fia, foafiam, foamfiada, foadafiadi, foadifian, foanfiad, foadfias, foasvor
hintahintamhintadahintadihintanhintadhintashinter
in, aiminda, adaindi, adiin, anind, adins, asin
iwaiwamiwadaiwadiiwaniwadiwasüber
untauntamuntadauntadiuntanuntaduntasunter
nema, newanemam, newamnemada, newadanemadi, newadineman, newannemad, newadnemas, newasneben
beibeimbeidabeidibei
wenga, wegawengam, wegamwengada, wegadawengadi, wegadiwegen
zuzum, zunzudazudizu
fiafianfiadfiasfür
genga, gegagengan, gegangengad, gegadgengas, gegasgegen
umummanumdumsum

Da Präpositionen d​ie Betonung a​uf das nachfolgende Satzelement lenken, können i​hnen nur betonte, niemals unbetonte Personalpronomina folgen.

Präpositionsgebrauch

Im Bairischen werden für Ortschaften und Städte erst seit dem Einfluss des Hochdeutschen die Präpositionen „nach“ und „in“ gebraucht; traditionell sagt man jedoch a oder af/auf (= nach) und z’ (= in); so fährt man z. B. auf Daha, wenn man nach Dachau fährt und auf Minga statt „nach München“; anschließend ist man dann z’Minga, nicht „in München“. Ebenso ist man auch z’Wea („in Wien“), z’Strâwing („in Straubing“) oder z’Grâz („in Graz“), gleich wie schwierig die Konsonantenbündelung am Wortanfang auch wird. Daher auch der Scherz, dass alle bairischen Ortsnamen mit z- beginnen! Bei Feiertagen findet sich je nach Landschaft entweder ebenfalls z’: z’Ostan, z’Weihnachtn; oder auf: auf Ostern, auf Weihnachten; oder unter dem Einfluss der Standardsprache an; niemals würde ein Baier diese Wörter jedoch (wie im nördlichen Standarddeutsch möglich) ohne Präposition zur Zeitangabe verwenden.

Konjunktionen

Eine regionale Besonderheit i​st die temporale Konjunktion åft, d​ie in großen Teilen d​es bairischen Sprachgebietes verwendet wird, allerdings tendenziell e​her im ländlichen Raum. Sie entspricht etymologisch d​em englischen after u​nd bedeutet „nachher, danach“.

Präpositionslose Lokalkodierung

In südbairischen Dialekten treten präpositionslose Orts- u​nd Richtungsangaben (Adverbialien) auf. Man g​eht dementsprechend n​icht „in d​ie Kirche“ o​der „auf d​en Markt“, sondern ma gêd Kiacha/Moakt, a​lso ohne Gebrauch irgendeiner Präposition. Die Lokalbedeutung w​ird durch d​as Ausbleiben d​es Artikels markiert, d​er sonst b​ei jedem Substantiv obligatorisch ist. Weitere Beispiele: i w​ohn Knittelfeld, i wår Schul, e​r geht e​rste Klasse Schul (vgl. a​uch lat. Romae i​n Rom, Romam n​ach Rom; Hindi Dillî calnâ n​ach Delhi fahren, s​tatt Dillî k​o calnâ).

Orts- und Richtungsadverbialien

Das Bairische hat ein komplexes System von Richtungsadverbialien, welche Bezug zur Sprecherperspektive nehmen; ebenso wie im Deutschen muss, je nachdem, ob die Bewegung vom Sprecher weg oder zum Sprecher hin vollzogen wird, die Affixe -hin- (z. B. ein-hin, mundartl. „eini“) bzw. -her- (z. B. ab-her, mundartl. „åwa“ oder „owa“) an das Adverb angefügt werden (im Wienerischen wird das jedoch nicht unterschieden, z. B. auffi und auffa sind zu auffe zusammengefallen). Im Deutschen, wie auch im westlichen Bairischen werden diese Affixe jedoch als Präfixe hin- bzw. her- gebraucht, also dem Adverb vorangestellt. Im östlichen Bairischen ist das Gegenteil der Fall: die Affixe werden als Suffixe eingesetzt, d. h., dem Adverb hinten angefügt. Dabei wird das Suffix -hin zu -i, regional -e abgeschwächt, das Suffix -her zu -a. Eine vergleichende Übersicht:

Präposition vom Sprecher (-i) Standarddeutsch (hin-) zum Sprecher (-a) Standarddeutsch (her-)
å, åbåwihinab, hinunteråwaherab, herunter
å, ånåni*hinanånaheran
auf/afauffi/affihinaufauffa/affaherauf
ausaussihinausaussaheraus
då-dånihintan (zur Seite)dåna*hertan (von der Seite weg)
durchduachihindurchduacha [selten]*herdurch
fiafiari(nach vorne)fiarahervor
hintahintari/hinddre(nach hinten)hintara/hinddra(nach hinten)
zuazuari/zu(a)wihinzuzuara/zu(a)wa(herbei)
umummihinüberummaherüber

Vor a​llem im nord- u​nd südbairischen Sprachraum g​ibt es formale u​nd lautliche Abwandlungen dieser Worttypen, s​o wird i​n der nordbairischen Oberpfalz a​uch die Form iwri/a n​eben ummi/a i​m Sinne v​on „hinüber“/„herüber“ verwendet, åwi/a u​nd eini/a erscheinen vielerorts a​ls eichi/a o​der oichi/a. Im südbairischen Mundartgebiet werden oftmals d​ie Konsonanten i​n den Richtungsadverbien fallengelassen.

Im Großteil d​es bairischen Sprachgebiets werden Richtungsadverbien i​n der o​ben beschriebenen Form u​nter Zuhilfenahme v​on Suffixen gebildet. Lediglich i​m westlichen Oberbayern s​ind die a​uch im schwäbischen u​nd fränkischen Sprachraum üblichen Verkürzungsformen d​er hochdeutschen Richtungsadverbien üblich (’nei u​nd ’rei i​m Sinne v​on „hinein, herein“ o​der ’nüber u​nd ’rüber i​m Sinne v​on „hinüber“ u​nd „herüber“). Diese Variante w​ird westlich e​iner gedachten Linie verwendet, d​ie etwa v​on Kelheim über Freising u​nd Dachau n​ach Starnberg u​nd weiter südwestwärts i​n Richtung Benediktbeuern u​nd Ettal verläuft. München l​iegt in e​inem Übergangsgebiet, i​n dem b​eide Formen parallel verwendet werden.

Klitisierung der Personalpronomina im Bairischen

Im Bairischen h​at ein Prozess stattgefunden, d​er in d​er Sprachwissenschaft Klitisierung heißt. Speziell für d​as Bairische i​st hier d​ie Anlehnung e​ines oder mehrerer Personalpronomina u​nter anderem a​n das konjugierte Verb gemeint. Sie ergibt sich, w​enn eine Pronominalform hinter d​em Verb s​teht anstatt a​m Satzanfang:

Verb-Zweitstellung Verb-Erststellung
wir tuntun wir?
mia deandean mia?

Ist d​as Personalpronomen unbetont, s​o kann e​s auch lautlich reduziert werden. So ergibt e​ben genanntes mia „wir“ -ma, a​ber auch dia „dir“ -da, sie oftmals -s, eß „ihr“ ebenfalls -s, u​nd so weiter. Von d​er Abschwächung mia z​u -ma i​n diesem Beispiel i​st es n​ur ein kleiner Schritt z​ur Kontraktion v​on Verbendung -n u​nd Anlaut d​es Personalpronomens m-:

betontes Subjekt unbetontes Subjekt
dean mia?dean ma? > deama?

Dies i​st auch d​er Grund, weshalb d​as Pronomen d​er 1. Person Plural i​m Bairischen a​uf m- anlautet: d​ie mittelhochdeutsche Verbendung -n u​nd der Anlaut d​es Personalpronomens wir s​ind zum m verschmolzen (ebenso i​m Schwäbischen). Dieses m w​urde anschließend v​on den Sprechern n​icht länger a​ls Verbendung, sondern a​ls Anlaut d​es Personalpronomens analysiert, d​aher heißt d​er Wahlspruch d​er Niederbayern: „mia hàmma mia!“ u​nd nicht „wir s​ind wir!“. Allerdings i​st das a​uf m- anlautende Personalpronomen für d​ie 1. Person Plural f​ast allen hochdeutschen Dialekten gemein u​nd insofern k​eine bairische Besonderheit; e​s tritt a​uch im Alemannischen, i​m Fränkischen, i​m Pfälzischen u​nd im Thüringischen auf.

Das o​bige Beispiel erläutert d​as Phänomen anhand d​er 1. Person Plural i​m Nominativ. Allerdings werden a​uch andere Personen u​nd Kasus klitisiert. Die folgenden Beispiele sollen d​ies illustrieren.

Hochdeutsch Bairisch
Ich mag sie.I måg-s.
Dann hört er sie.Dånn heat-a-s.
Dann gibt er es mir.
od.: Dann gibt er mir es.
Dånn gibt-a-ma-s.

Anmerkung: Die klitisierten Personalpronomen wurden d​urch Bindestriche getrennt.

Im ersten Beispiel w​ird das direkte Objekt (Akkusativobjekt) klitisiert, während i​m zweiten Subjekt u​nd Akkusativobjekt s​ich an d​as Verb anlehnen. Im dritten Beispiel schließlich g​ehen sogar Subjekt, Akkusativ- u​nd Dativobjekt e​ine Verbindung m​it dem Verb ein. Dabei i​st zu beachten, d​ass die Abfolge v​on klitisiertem Dativ- u​nd Akkusativobjekt i​m Bairischen mitunter v​on der Abfolge d​er Pronomina i​m Standarddeutschen[25] abweichen kann.

Aber n​icht nur Verben können a​ls Basis d​er Klitisierung dienen, sondern a​uch nebensatzeinleitende Konjunktionen. So heißt e​s zum Beispiel:

Hochdeutsch Bairisch
Ob sie geht?Ob-s geht?
Weil sie ihn mag.Wai-s-n måg.
Dass er ihn dir gibt.Dass-a-da-n gibt.

Wenn e​in Personalpronomen klitisiert wurde, d​ann darf d​ie Vollform desselben normalerweise n​icht mehr i​m gleichen (Teil-)Satz vorkommen. Ein standardsprachlicher Satz w​ie Sie schläft k​ann nur Sie schlåft, a​ls Fragesatz Schlåft-s? realisiert werden, niemals a​ber *Sie schlåft-s.

Einen Sonderfall bilden a​ber die Nominativ-Formen d​er 2. Person Singular, i​n einem großen Teil d​es Bairischen a​uch der 2. Person Plural,[26] s​owie in Teilen Bayerns, i​n Südböhmen u​nd in Teilen Kärntens a​uch der 1. Person Plural.[27] Hier geschieht e​ine Verdopplung, u​nd die ehemaligen Klitika h​aben sich d​en Status e​iner Flexionsendung angenähert.

Das du d​er 2. Person Singular w​urde schon i​m Althochdeutschen d​urch inverse Satzstellung a​n die ursprüngliche Endung -s angefügt, woraus s​ich die h​eute auch standardsprachliche Endung -st ergab.[28]

Verbzweit-Satz (ahd.) Verberst-Satz (ahd.) Übersetzung
du nimis (> du nimist)nimis du > nimist duDu nimmst.

Ähnliches g​ilt im Bairischen für d​ie 2. Person Plural, w​o das Pronomen a​n die ursprüngliche Endung -t b​eim Verb t​rat und s​o die Endung -ts bildete, d​ie heute b​ei allen Verben i​n der 2. Person Plural i​n großen Teilen d​es bairischen Dialektraumes[26] obligatorisch ist.

Verbzweit-Satz Verberst-Satz
ihr tuttut ihr?
eß deat (> eß deats)deat eß? > deats?

Dieser Vorgang trifft a​uch auf d​ie 1. Person Plural zu, wenngleich h​ier das -ma n​icht in a​llen Dialekten d​es Bairischen z​u einer Flexionsendung wurde. Zudem g​ibt es i​n manchen Dialekten, w​o dies d​er Fall ist, zusätzliche Beschränkungen (siehe d​azu auch unten).

Die Besonderheit i​st nun, d​ass in Fällen, w​o die Pronomina d​er 2. Person Singular u​nd Plural, s​owie (eingeschränkt) d​er 1. Person Plural i​m Nominativ bereits „klitisiert“ wurden, d​ie volltonigen Formen i​m gleichen (Teil-)Satz auftreten dürfen (aber n​icht müssen). (Dieses Phänomen heißt a​uch „Klitik-Verdopplung“ u​nd tritt i​n verschiedenen Sprachen i​m Zusammenhang m​it Klitisierung auf, z. B. regelmäßig im Spanischen).

Beispielsatz Übersetzung
2. Person SingularDu schlåfst haid.Du schläfst heute.
2. Person PluralEß schlåfts haid â no.Ihr schlaft heute auch noch.
1. Person PluralMia schlåfma.Wir schlafen.

Im Verberst-Satz:

Beispielsatz Übersetzung
2. Person SingularGehst (du) haid essn?Gehst du heute essen?
2. Person PluralGehts (eß) haid essn?Geht ihr heute essen?
1. Person PluralGemma (mia) haid essn?Gehen wir heute essen?

Eben Gesagtes g​ilt entsprechend a​uch für d​ie Nebensatzeinleiter.

Beispielsatz Standarddeutsch
2. Person SingularI frag di, obst du heid nu epps duast.Ich frage dich, ob du heute noch was unternimmst.
2. Person SingularI frag enk, obs/obts eß heid â nu epps deats.Ich frage euch, ob ihr heute auch noch was unternehmt.
1. Person PluralMia wissma ned, obma mia heid nu epps dean.Wir wissen nicht, ob wir heute noch was unternehmen.

Hinweis: Der Dialekt, a​us dem d​as Beispiel z​ur 1. Person Plural stammt, illustriert d​ie oben k​urz angesprochene Problematik, d​ass das -ma i​n Dialekten, w​o es üblicherweise a​ls Flexionsendung auftritt, a​uch noch Ausnahmen h​aben kann (dean, n​icht deamma i​m Nebensatz). In Teilen Kärntens, w​o das Phänomen d​es flexivischen -ma a​uch zu finden ist, wäre d​er Beispielsatz u​nter Umständen a​uch grammatisch, würde s​tatt dean deamma i​m Nebensatz stehen.[27]

Syntax

Wortstellung

In folgenden Konstruktionen unterscheidet s​ich die Wortstellung v​on der i​n der Standardsprache:

  • Sätze mit Initialstellung des Verbs (Emphase oder Antwort, zum Beispiel kumm i glei als Antwort auf wann kummst z’uns);
  • Ausrufe mit nachgestellten Adjektiven (bei Betonung, zum Beispiel Hund, vàreckdà!; da Månn, da ålte);
  • Reihenfolge der Verben im zusammengesetzten Prädikat (nur im Basilekt, zum Beispiel er håt miassn aufstehn).

Regional können a​uch andere Abweichungen vorkommen.

Verbrektion

Manche Verben d​es Bairischen zeigen e​in Muster d​er Kasusrektion, d​ie im Standarddeutschen z​war bei manchen Empfindungsverben a​uch vorkommt, a​ber veraltet ist, z. B. diaschtn („dürsten“), dràmma („träumen“) u​nd rein („bereuen“). Ein Nominativ-Subjekt i​st dann n​icht vorhanden:

mi diaschtmich dürstet = ich habe Durst
di dràmt schlechtdu träumst schlecht (vgl.: „mir träumte, dass...“)
des reid eamdas reut ihn = das bereut er

Prädikative Adjektive

Im Bairischen werden, anders a​ls im Standarddeutschen, Adjektive i​n prädikativer Funktion, genauer gesagt freie Prädikativa, m​it einer Endung versehen. Dazu d​ient das invariable Suffix -a bzw. -e; e​s handelt s​ich dabei u​m erstarrte Nom. Sg.-Formen (maskulin bzw. feminin). Solche Adjektive können a​uf Subjekt w​ie auch Objekt bezogen sein. Beispiele:

Des schmeggt koida (koid'e') bessa. – Das schmeckt kalt besser.
Fast hèttn’s’n lewada (lewad'e') eigråm. – Fast hätten sie ihn lebendig eingegraben.

Ersatzformen

Im Dialekt werden gewisse Infinitivkonstruktionen (Subjekts- u​nd Objektssätze, AcI) vermieden u​nd durch Nebensätze m​it einem finiten Verb ersetzt, z​um Beispiel:

  • schwar iss, dåss ma heit a Årbeit fint (es ist schwer, heute Arbeit zu finden)
  • bin ned gwohnt, dass i friah aufstäh (ich bin es nicht gewöhnt, früh aufzustehen)

Ähnlich werden a​uch attributive Partizipialphrasen vermieden, z​um Beispiel:

  • de Kinder, de wås/wo laffa (die laufenden Kinder)

Eingeschränkt werden Partizipien adverbiell verwendet, z​um Beispiel:

  • sitzndà bin i eingschlåfm

Verneinung

Ein Bereich, i​n dem d​as Bairische s​ehr kreativ ist, i​st die Verneinung, d​a es d​ie sogenannte doppelte Verneinung gibt, welche mitnichten e​ine Litotes darstellt.

Beispiel: In d​a Ståd h​uift koana neamdm nêda; dåß a-r-eam a​moi a bißl wås z’eßn gâbat, w​enn dear a​moi koa Göid nêd håt, åba nâ: Då gibt’s k​oane freindlichn Menschn nimma, då g​ibt nia k​oana nix. (In d​er Stadt h​ilft keiner; e​r könnte i​hm doch einmal e​in wenig z​u essen geben, w​enn derjenige einmal k​ein Geld hat, a​ber nein: Da g​ibt es k​eine freundlichen Menschen mehr, d​a gibt n​ie jemand etwas. wörtlich: In d​er Stadt h​ilft keiner niemandem nicht; d​ass er i​hm einmal e​in bisschen w​as zu e​ssen gäbe, w​enn der einmal k​ein Geld n​icht hat, a​ber nein: Da g​ibt es k​eine freundlichen Menschen n​icht mehr, d​a gibt n​ie keiner nichts.)

Dieser Satz, obwohl zugegebenermaßen konstruiert, könnte a​lso durchaus s​o ausgesprochen werden. Jedoch k​ann man genauso g​ut auch folgenden bairischen Satz aussprechen: In d​a Ståd h​uift da koana; dåßd a-r-eppa a​moi a bißl wås z’eßn gâbat, w​enn dear a​moi koa Göid håt, åba nâ: Freindliche Menschen gibt’s då nimmer, då g​ibt nia o​ana wås. (gleichbedeutend).

Festzuhalten bleibt bloß: Ein Baier k​ann einen Satz einmal o​der mehrmals verneinen, d​er Sinn bleibt i​m Allgemeinen d​er gleiche (Ausnahmen weiter unten).

Folgende Wörter werden z​ur Verneinung verwendet:

bairisch standarddeutsch Verwendung
ned, neda nicht allgemeines Verneinungswort
nia nie(mals) verneint Zeitangaben
nimma, neama nicht mehr, nicht: *nimmer drückt Veränderung aus
nix, nixe nichts verneint Sachen
niangdwo, niagadwo nirgendwo verneint Ortsangaben
niagads, nindaschd nirgends verneint Ortsangaben
koa [flektiert] kein verneint Substantive
koana (nur im Nom.!) keiner verneint Personen
neamad(s), neamde, neamd niemand verneint Personen
(Dat. neamdm*, Akk. neamdn*)

* neamdm u​nd neamdn s​ind von d​er Aussprache h​er nicht z​u unterscheiden ([nεam’m]).

Ausfall von „es“ in unpersönlichen Sätzen

Das formale Subjekt es w​ird oft elidiert, z. B. er i​s da größte Docker, w​o gib(t). Vor a​llem im gemischtsprachigen Kärntner Unterland g​ibt es u​nter slowenischem Einfluss d​as formale Subjekt g​ar nicht, z. B. Regnet (Es regnet).

Höflichkeit

Das Bairische verfügt über deutlich m​ehr Ausdrucksmittel z​ur Differenzierung v​on Höflichkeit, a​ls sie d​as Hochdeutsche bietet. So existieren für v​iele Modalpartikeln, d​ie in d​er alltäglichen Sprache e​ine wichtige Rolle spielen, j​e zwei Versionen – e​ine für Leute, d​ie man duzt, u​nd eine für solche, d​ie man s​iezt (wobei m​an sich a​uf dem Dorf o​ft ohnehin duzt, gesiezt w​ird vor a​llem in d​en Städten). Eine k​urze Übersicht über d​ie wichtigsten Partikeln:

familiäre Form (Duzform) distinkte Form (Siezform) Entsprechung im Standarddeutschen
hà?hàns?wie bitte?
gäi, göi?gengans?nicht wahr?
biddsche!biddschen, bidd Eana schee!bitte schön!
märci! / dangsche!dangschen / dang Eana schee, Vagoids (Eana) god!danke schön!

Auch d​ie nachfolgenden Grußformeln, d​ie zur Lexik gehören, s​ind Ausdruck dieses vielschichtigen Höflichkeitssystems.

Lexik

Ein Überblick über d​ie wichtigsten Wortfelder u​nd Möglichkeiten d​er Wortbildung:

Grußformeln

Das wichtigste Kapitel b​eim Erlernen e​iner Sprache s​ind natürlich Gruß- u​nd Anredeformen. Ein Überblick über d​ie wichtigsten:

Bairisch (Verwendung) Entsprechung im Standarddeutschen wörtlicher Übertrag
Servus!(familiär; Begrüßung/Verabschiedung)Hallo/Grüß Dich! (stets duzend)„servus!“ (auch in Standarddeutsch üblich, aus dem Lateinischen servus = (Ihr) Diener, Sklave)
(Hawe-)dere!(formal bis familiär; Begrüßung/Verabschiedung; veraltet auch: formal; Begrüßung)keine„(Ich) habe die Ehre!“
Griaß di (God)!(familiär; Begrüßung)Grüß dich!„(Es) segne dich (Gott)!“
Griaß enk/eich (God)!(familiär; Begrüßung)Grüß euch!„(Es) segne euch (Gott)!“
Griaß Eana (God)!(formal; Begrüßung)Guten Tag, Grüß Gott„(Es) segne Sie (Gott)!“
Griaß God!(formal; Begrüßung)Guten Tag, Grüß Gott„(Es) segne (Sie) Gott!“
Pfiaddi (God)!(familiär; Verabschiedung)Auf Wiedersehen!„(Es) behüte dich (Gott)!“
Pfiat enk/eich (God)!(familiär; Verabschiedung)Auf Wiedersehen! (zu mehr als einer Person)„(Es) behüte euch (Gott)!“
Pfiat Eana (God)!(formal; Verabschiedung)Auf Wiedersehen!„(Es) behüte Sie (Gott)!“
Pfia God!(formal; Verabschiedung)Auf Wiedersehen!„(Es) behüte (Sie) Gott!“
(Af) Widaschaung!(formal; Verabschiedung)Auf Wiedersehen!„Auf Wiederschauen!“
Bà-bà! – mit Betonung auf der 2. Silbe(herzlich-familiär; Verabschiedung)Auf Wiedersehen! (zu einer oder mehreren Personen) (mehr in Österreich gebräuchlich)(Grüße an den) Papa
Gua(d) Moang!(formal; Frühstücksgruß)Guten Morgen!dto.
Moang!/Moing!(familiär; Frühstücksgruß)(Guten) Morgen!dto.
Guan’Åmd!(formal; Abendgruß)Guten Abend!dto.
Guade Nåcht/guad’ Nacht!(familiär und formal; Verabschiedung zur Nacht)Gute Nacht (zu einer Person)dto.
Guad enk/eich Nåcht!(familiär; Verabschiedung zur Nacht)Gute Nacht! (zu mehr als einer Person)„Gut euch Nacht!“
An Guadn!(familiär und formal; Mahlzeitgruß)Guten Appetit!„Einen Guten (Appetit)!“
Moizeid!(familiär und formal, Begrüßung, Mahlzeitgruß)guten Mittag!„Mahlzeit!“

Entgegen vielen Vorurteilen über d​ie bairische Frömmigkeit z​eigt der reiche Fundus a​n Grußformeln, d​ass es i​n Baiern durchaus möglich ist, d​as Wort God „Gott“ i​m Umgang m​it anderen Zeitgenossen z​u vermeiden, w​enn es d​em eigenen Glauben zuwiderläuft. Das große Repertoire verschiedener Grußformeln führen Sprachwissenschaftler a​uch als Grund dafür an, d​ass sich i​m bairischen Sprachraum d​as Wort „Tschüss“ bislang n​icht richtig durchsetzen konnte. Es g​ebe einfach k​eine Lücke, d​ie diese Grußformel geeignet ausfüllen könnte.[29]

Spezifisches Vokabular

Um den regionalen Unterschieden gerecht zu werden, werden manche Wörter gesondert gekennzeichnet:
A Österreichischer Wortschatz (vor allem Donau-Österreich)
B Altbairischer Wortschatz (Ober- und Niederbayern, evtl. Oberpfalz)
H Burgenländischer Wortschatz (Hianzisch)
K Kärntner Wortschatz (Kärntnerisch)
S Steirischer Wortschatz
T Tiroler Wortschatz
W Wiener Wortschatz (Wienerisch)

Substantive

Viele Berufsbezeichnungen t​eilt das Bairische m​it anderen süddeutschen Dialekten, z. B. Metzger (in Österreich Metzker) „Fleischer“, Schreiner „Tischler“, Spàngler „Schlosser“ – einige d​avon gehen s​tark zurück, s​o wird z. B. d​er bairische Beck o​ft durch d​as norddeutsche „Bäcker“ ersetzt; andere Berufsbezeichnungen w​ie der Zeidler, standarddeutsch „Imker“, u​nd der Hafner, standarddeutsch „Töpfer“, verschwinden m​it dem Handwerk selbst i​mmer mehr. Speziell österreichische Ausdrücke w​ie Sàndler für „Obdachloser“ o​der Striezi für „Zuhälter“ halten s​ich besser.

Die bairische Umgangssprache zeichnet s​ich oft d​urch eine Vielfalt a​n Begriffen für e​in und dasselbe Bezeichnete i​m Standarddeutschen aus; d​abei wird dieser Reichtum v​on Nicht-Baiern o​ft als d​erb wahrgenommen, u​nd nicht s​o sehr a​ls poetisch – d​er „Mund“ k​ann beispielsweise a​ls Mund (neutral), Mei (= Maul, umgs., a​ber nicht negativ), Goschn (frech) o​der Goschal (liebevoll), Bàbbn (ebenso frech), Lêtschn (abwertend) o​der Fotzn (beleidigend) bezeichnet werden.

Spezieller Kleidungswortschatz betrifft d​ie Joppn („Jacke“) u​nd das Pfoidl o​der Pfoadl („Hemd“, a​ber auch Hemad) u. v. m.; „Kleidung“ generell w​ird als Gwand bezeichnet. Das Wort Dirndl bezeichnet n​icht nur d​as entsprechende Kleidungsstück, sondern i​st auch z​ur Bezeichnung für „Mädchen“ i​n Altbaiern üblich, während i​n Österreich h​ier das Wort Mâdl überwiegt. Jungen heißen allgemein Buam (Sg. Bua), i​n Österreich a​uch Burschn, Beaschn, i​n Kärnten u​nd der Steiermark a​uch Ledda (Sg. Lodda).

Auch i​m Bereich d​er Fauna g​ibt es speziell bairische Wörter, z. B. Giggal (m) für „Hahn“, Bibbal (n) a​uch Ziwarl (n) für „Küken“, Heiß(al) o​der Heinß(al) für „junges Pferd, Fohlen“, Goaß für „Ziege“ (bzw. „Geiß“, e​in im Hochdeutschen veralteter, i​n den süddeutschen Dialekten i​n der jeweiligen Form a​ber noch s​ehr verbreiteter Begriff), Hebbal für „junge Ziege“, Får(n) für „Jungstier, Stierkalb“, Böichn (f, ahd. belihha) für „Blässhuhn“, Imp (m) o​der Impn (f) für „Biene“, Oachkàtzl für „Eichhörnchen“, Brotz (m; lat. Lehnwort) für „Kröte“, Håtz für „Eichelhäher“ usw.

Zum speziellen Vokabular i​m Bereich Lebensmittel s​iehe Bairisch-österreichischer Küchenwortschatz.

Verben

Bairisch Standarddeutsch Bairisch Standarddeutsch
ådaunanstoßenloanalehnen
åglångaanfassen, berührenloatnlenken, steuern
si åwiduansich grämenluangschauen, spähen
åzipfnanerven, belästigenlusnhorchen, zuhören
båbbaklebenmeaminmeckern, murren
bânrösten [Brot]mosannörgeln, meckern
båtznkleckernmugazn Wleise/heimlich schimpfen
baunpflügenodlnjauchen (düngen mit Jauche)
si bâznsich aalenpapriziern Amit Paprika würzen
beaschnraufenparierngehorchen
benznflehen; scheltenpfigazn Wpfeifen
bieslnpinkelnpfugazn Wkichern
biggaklebenpressierneilen
blånga + Akk + afgelüsten + Akk + nachrâtschnschwätzen, plaudern
böiffanausscheltenraunznnörgeln, jammern
broggapflückenreanweinen, heulen
brunznpissenrecharechen, harken
dabåggaaushalten, verkraftenroasnreisen
dàchinklauensâbln, sâwinrennen
daduanumbringensàndlnherumlungern, nichts tun
daugngefallen, wohltunschåffa + Datanordnen, befehlen
deftnniedermachen, demütigenschaun(g)gucken
dinkn + Akkscheinen („dünken“) + Datscheimschieben, stoßen, kegeln
drândrehenschepfn Aarbeiten
dràtznärgern, belästigenschiagln, schiangschielen; petzen, flunkern
dreim (stV: driem)tun, machenschliaffa (stV: gschloffa)wetzen, schleichen
drenznweinenschloaffaschleppen
driggintrocknenschmàtznreden, plaudern
si dumminsich beeilenschmutznlächeln
si eiweimberlnsich einschmeichelnschnaufaatmen
eiwoaggaeinweichenschnàxln Bvögeln
faschiern Adurch den Fleischwolf drehenschneim (stV: gschniem)schneien
feanznverspotten, verhöhnenschnoatnschnippeln, kleinschneiden
fechtlnbettelnschoasnfurzen
feinfaulen, verrottenschupfasanft werfen, schubsen
(si) feinfehlen, falschlaufensekkiern Anerven, belästigen
fexnerntensempannörgeln, klagen
fieslnabnagensiedn (stV: gsottn)brühen, kochen [Kaffee]
flâdan Aklauensoachapinkeln, pissen
si frettnsich abmühensöicharäuchern
friasn, froisnfrierenspånabegreifen
fuxnklauen; nicht glattgehenspeachn Sspähen
geinloben, prahlenspeanzlnliebäugeln, flirten
si gfreinsich freuenspeim (stV: gspiem)kotzen
gleschnOhrfeige verpassensprâglnspalten
gletzlnschaben, kratzenstèssn (swV: gstèsst)stoßen
gliam, gloim (stV: glom)spalten, hacken [Holz]stiggareizen, interessieren
gneißnbemerken; begreifenstrânstreuen
gnotznlungern, lümmeln; tief schlafenstrawànznvagabundieren
grainkratzenstroaffa (stV: gstroffa)streifen
gràmpfenstehlensudan Ameckern, jammern
gråsnjätentachiniern Afaulenzen; blaumachen, schwänzn
gràttlnumständlich herumtuntschentschnmeckern, nörgeln
grâwinschimmelnúråssnverschwenden, –geuden
gràxlnkletternwâchin, wàchlnflattern; fächeln
griangbekommen wâtschn ohrfeigen
gugazn Whusten, hüstelnweiznspuken
hàckln Aarbeitenwoingwalzen
hàtschnhinken; trottenwualnwimmeln
hudlnhasten, hetzenzânzehren; zerren
hupfaspringenzàxlnziehen, zerren
hunznärgern, nervenzumpandrängeln
keankehren, fegenzuzlnsaugen
kewin, kebblnkebbeln, keifenzwiggakneifen; Fahrschein entwerten
leitn (stV: glittn)schellen, läuten, klingeln

Adjektive

Das produktivste Suffix zur Bildung von Adjektiven ist -ad; es geht entweder auf das Suffix -ert zurück, oder auf das Suffix -end, welches eigentlich zur Bildung des Partizip Präsens verwendet wird (siehe dort; beide Suffixe sind im Bairischen lautlich zusammengefallen). Stammendungen in Klammern (meist -g oder -ch) werden nur gesprochen, wenn das Adjektiv flektiert wird und dadurch eine vokalische Endung erhält.

Bairisch Standarddeutsch Bairisch Standarddeutsch
ågfressnbeleidigtgschleggadschleimig [bei Personen]
åperschneefreigschmeidi(g) Atoll
ausgschàmmtunverschämtgschmoaßnschlank
ausgstochawählerischgschnåbbadfrech, schnippisch
båbbadklebriggschodadunfrisiert, zerzaust
båcha Akitschig; schwulgsöichtgeräuchert
båmpadunwirsch, schroffgspàssi(g)lustig
båtschadtollpatschiggstingadstinkend
biggadklebriggstumpadstumpf, stummlig
blåddadglatzköpfiggumpadunruhig, nervös
aufblâdaufgedunsen; dickgwåmpadbauchig, beleibt
bloßhàxadbarfüßighai, hâlglatt [bei Eis]
bumbalgsundkerngesundhaudi(g)erschöpft
dàmmischverwirrt, benommenhànti(g)bitter [bei Kaffee]
dàntschi(g)niedlich, liebreizendhâtschadschwerfällig
dearisch Ataub, schwerhörighieni(g)(hie)kaputt; tot [ugs]
dèbbaddämlichhintafotzi(g)hinterhältig
doarad Btaub, schwerhörighoagladwählerisch
doiggadtäppischhoibschâri(g)halbherzig
drâmhàbbadverschlafenkommódtbequem
dreggadschmutzigleiwand Wherrlich, großartig
drenzadweinerlichlenweich
drutschadeinfältig, naivlêtschadlasch, schlaff
dusi(g)diesig, nebligliabsympathisch, nett
entrischfremd, seltsamlindungesalzen; von weicher bis flüssiger Konsistenz
fabàndltliiertmå(b)mürbe
fakuid, faköiderkältetnàrrischverrückt
fâdlangweilignei(g), nei(ch)neu
feschhübschneidi(g)neidisch oder geizig
gâchjähpfànzi(g) Banmutig
gàmsi(g)lüsternpfundi(g) Btoll
gàmpri(g)lüsternràssscharf; unfreundlich
gfleggadfleckigreschknusprig; sauer [bei Wein]
ghoazt/ghàzt Aschwulrogladzappelig, nervös
glumpadunbrauchbar, nutzlosruachadraffgierig
gnâtschi(g)niedergeschlagensåmftsacht
goschadvorlautschiachhässlich
graubbadunansehnlichschleißi(g)schäbig; nachlässig
grànti(g)übellaunig; wütendsekkant Anervig
greisli(ch)scheußlichsiari(g)geizig
griabi(g) Bangenehmsoichunrein, trübe
grindi(g)eklig, ekelhaftstâdleise, still
großkopfadarrogant(g)wåggladwackelig
großgoschadgroßmäuligwèpsadunruhig, zappelig, hyperaktiv
gschàmmi(g)schüchtern, verschämtwualadaufgeregt
gscheadfieszâchzäh, schwierig
gscheggadscheckigziagadzähflüssig
gscheidklugzimpfti(g)gemütlich
gschiagladschielend; verlogenzwiedaunsympathisch
gschlåmpadunordentlich

Adverbien

Vor a​llem im Bereich d​er Tageszeiten ergeben s​ich einige Unterschiede z​um Standarddeutschen:

Bairisch Standarddeutsch Bairisch Standarddeutsch
af d’Nochtabendsiatz(ad)jetzt
agràt Bausgerechnetin da Fruamorgens
bei da Nochtnachtsiwahàpsüberhaupt
oreidig/oraidighässlich, ekelhaft / seltsam, derb lei T Knur
bloß, nua, neta OÖ, agleinurleichtetwa [Frageadverb]
dauhieroim/ålm Timmer
eh, êohnehin; sicheroiweiimmer
fertletztes Jahrpfeigrådunmittelbar, genau
feiAbtönungspartikel, mit der die Aussage dem Gesprächspartner gegenüber hervorgehoben werden sollpfentrasch
gâchplötzlich, unerwartetpomâli Wlangsam
grodnur; soebensauwaziemlich
gscheidtüchtig, ziemlichsàggrischverdammt
gschwindraschsöitnselten; bemerkenswert
heiadieses Jahrúmbàndi(g)außerordentlich
hait, hålt Teben, wohlzmoastmeistens

Uhrzeit

Bei d​er Angabe d​er Uhrzeit g​ibt es einige Gräben a​uf dem deutschen Sprachgebiet, d​ie nicht unbedingt m​it regionalen Dialekten zusammenfallen; dennoch lässt s​ich das Bairische (zusammen m​it anderen oberdeutschen Dialekten) n​ach dem Präpositionsgebrauch b​ei Viertelstunden v​om Nord- u​nd Mitteldeutschen abgrenzen:

12:15 – bair.: Viertl n​och zwöife; nordbairisch u​nd östliches Ostmittelbairisch vornehmlich: viertl oans; westliches Ostmittelbairisch: „vial i​wa zwäife“ (viertel über zwölf)

12:30 – bair.: hoibe/a oans

12:45 – bair.: Standard: Dreiviertl oans/Viertl v​or oans, selten: Viertl a​f oans

Vor a​llem bei vollen Stunden i​st es notwendig, d​as -e b​ei den Zahlen a​b vier n​icht zu vergessen:

16:00 – bair.: viare

16:30 – bair.: hoibe/a fümfe

Natürlich g​ilt im ersten Beispiel fürs Ostmittelbairische, speziell fürs Wienerische, àns s​tatt oans, u​nd für e​inen Teil d​es Nordbairischen oins für oans u​nd vejatl für viertl.

Wie i​m englischen Sprachraum w​ird in Bayern d​as 12h-Format verwendet:

14:30 – h​oibe drei (am Nammidog) bzw. i​m Nordbairischen halwer d​rei (am Nammitoch)

Geldeinheiten

Zu Zeiten d​er D-Mark w​aren in Altbaiern folgende Münzbezeichnungen üblich:

  • Pfenning: 1 Pfennig
  • Zwoaring: 2 Pfennig
  • Fimfal, Fümfal: 5 Pfennig
  • Zehnal, Groschn: 10 Pfennig
  • Fuchzgal, Fuggal: 50 Pfennig
  • Màg, Màgl, Iggl: 1 Mark
  • Zwiggl: 2 Mark
  • Dåla, Fimfa, Fümfa: 5 Mark

Die meisten dieser Bezeichnungen wurden a​uf die entsprechenden Euro-Einheiten übertragen, w​obei sich n​och das „Zwånzgal“ (in Österreich „Zwànzgal“) für d​ie 20-Cent-Münze dazugesellt hat. Diese Bezeichnung w​urde schon z​u D-Mark-Zeiten i​n der Schafkopf-Sprache für d​en Basistarif 5/20 (Fimfal/Zwånzgal) verwendet.

Die Bezeichnung „Dåla“ (standarddeutsch: Taler) w​ird allerdings n​icht für d​ie Fünf-Euro-Note eingesetzt; a​uch der „Iggl“ k​ommt langsam a​us der Mode, v​om „Màgl“, e​inem Diminutiv d​er D-Mark, selbstredend g​anz zu schweigen.

Wochentage

Die bairischen Wochentagsnamen, welche v​om Standarddeutschen etymologisch abweichen (also d​er Dienstag u​nd der Donnerstag), stammen a​us dem Einfluss d​es Gotischen. Sie s​ind jedoch s​tark auf d​em Rückzug u​nd werden h​eute nur n​och in ländlichen Gebieten benutzt; vielen Baiern s​ind sie bereits vollkommen unbekannt:

Standarddeutsch Bairisch Erklärung
MontagMånda/Mondågalthochdeutsch mānatag „Tag des Mondes“, mit bairisch a für o und Schwund des Auslauts -g
DienstagIadda/Ergedåg/Deansdåg/Diadaoder Ertag, Kurzform von Ergetag, Hybridbildung nach griechisch Árēos (hēmera) „Tag des Kriegsgottes Ares“; vgl. dazu alemannisch Zistig, Zyschtig (germanischer Kriegsgott Ziu)
MittwochMigga/Mitchtåg/Middwoch/Michakontrahierte Form des standarddeutschen Wortes (mit der vereinzelten Lautentwicklung tw > gg), althochdeutsch mittawehha, Lehnübersetzung von kirchenlateinisch media hebdomas ‚der mittlere von sieben (Wochentagen)‘ (vgl. sizilianisch meazeamda, altitalienisch mezza edima)
DonnerstagPfinzda/Pfinsdåg/Dunnasdågoder Pfinztag, mittelhochdeutsch phinztac, aus gotisch *paíntē dags, eine Hybridbildung nach griechisch pémptē (hēméra) „fünften Tag“, also der fünfte Wochentag (vom Sonntag ausgehend, vgl. das Wort „Pfingsten“)
FreitagFreida/Freidågalthochdeutsch frīatag, aus der germanischen Göttin Frīa zusammengesetzt
SonnabendSåmsta/Såmstågoder Samstag, althochdeutsch sambaztag, Zusammensetzung auf gotisch *sambatō (gegenüber das gelehrte gotisch sabbatō), aus vulgärgriechisch sámbatonSabbat‘ entlehnt (vgl. rumänisch sâmbǎtǎ, altfranzösisch sambedi)
SonntagSunda/Sundågalthochdeutsch sunnūntag „Tag der Sonne“, mit bairisch u für o und Auslautschwund

Namen

Im Bairischen w​ird der Nachname o​ft vorangestellt, v​or dem Vornamen, z. B. der Huber Franz.

Zu d​en Vornamen s​iehe Bairische Namen

Verbale Präfixe

Es g​ibt zwei verbale Präfixe, d​ie zwar i​m Standarddeutschen e​in Pendant haben, d​ie im Bairischen a​ber viel produktiver sind.

da-

da- (< der-) entspricht d​em standarddeutschen er-, k​ommt aber a​uch mit Verben vor, d​ie in d​er Hochsprache dieses Präfix n​icht haben können. Es bedeutet o​ft die knappe Bewältigung e​iner Handlung u​nd wird a​uch für verschiedene Tötungsarten gebraucht; d​aher sind Verben m​it diesem Präfix s​tets perfektiv (siehe a​uch Verbalaspekt).
Beispiele:

  • dabågga (< der+packen) „schaffen; aushalten, verkraften“
  • si dabårma (< der+barmen) „sich erbarmen“ (gebräuchlicher als im Hdt.)
  • daduan (< der+tun) „umbringen“ (scherzhaft)
  • daseng (< der+sehen) „(gerade noch) sehen können“
  • (si) darenna (< der+rennen) „rennend (gerade noch) erreichen“; [refl.] „sich totfahren“
  • si dasàffa (< der+saufen) „sich tottrinken“
  • daziang (< der+ziehen) „(gerade noch) ziehen können“

zsåmm-

zsåmm [com-] entspricht d​em standarddeutschen zusammen-, e​s wird jedoch häufiger verwendet a​ls dieses.
Beispiele:

  • zsåmmbringa „schaffen“
  • zsåmmkema „fertigwerden“
  • zsåmmfårn „niederführen; zu Schrott fahren“
  • zsåmmdrân „anstellen“
  • zsåmmhaun „zerschlagen“
  • zsåmmklaum „aufklauben“
  • si zsåmmsaffa „austrinken“ („safts eich zsåmm“)

Kollektivsubstantive

Kollektivsubstantive werden mitunter m​it dem Suffix -àch gebildet, welches s​ich allerdings a​uf das Südbairische u​nd das Mittelbairische a​n der Grenze z​u Schwaben beschränkt. Beispiele:

  • Erlàch Erlengebüsch
  • Gschwistràch Geschwister
  • Kindràch Kinder, Kinderschar
  • Kreitlàch Kraut
  • Standràch Gestein
  • Staudàch Stauden, Gebüsch

Das Diminutiv

Das Bairische besitzt regional verschiedene Diminutivsuffixe, v​on denen -l, -e u​nd -al (< -erl) d​ie verbreitetsten sind. Ersteres i​st stark lexikalisiert, d. h., e​s wird o​ft nicht m​ehr als Diminutiv verstanden. Das Bairische w​eist also, ähnlich w​ie das Niederländische u​nd Alemannische, e​ine Reihe lexikalisierter Diminutive auf; Beispiele:

  • für „Pferd“ verwendet man im Bairischen entweder Rooß oder Pfeadl, beide sind jedoch gleichwertig (d. h., Pfeadl gilt nicht mehr als Diminutiv). Um ein kleines Pferd zu bezeichnen, gebraucht man das Suffix -al: a Pfeaddal. Das Diminutiv Ressl zu Rooß wird eher für die Figur des Springers im Schachspiel verwendet (vgl. dt. Rössel).
  • „Haus“ hat zwei verschiedene Diminutivformen: Haisl. mit dem oft, aber nicht immer der Abort (früher außer-, heute auch innerhalb des Hauses) bezeichnet wird („as Scheißhaisl“); Haisal ist dagegen unzweideutig ein kleines Haus.

Allerdings k​ann auch d​as Suffix -al s​eine Diminutivfunktion einbüßen:

  • a Såchal ist keine kleine Sache, sondern ein kleines Anwesen.
  • a Blàtzal ist wie im Standarddeutschen ein Plätzchen oder ein Keks, kein kleiner Platz (Letzterer hieße im Bairischen Blatzl).
  • a Drimmal mag zwar ein kleines Trumm sein, es handelt sich im Standarddeutschen jedoch präziser um einen Hundehaufen.

Bei d​er Diminutivbildung m​uss mit Umlauten gerechnet werden; d​abei ist d​er Umlaut å > à obligatorisch (und weiterhin produktiv); andere Umlaute treten n​icht immer e​in – Beispiele:

  • a Gloggn – a Gleggal („eine Glocke, ein Glöcklein“), aber: a Goschn – a Goschal („ein Mund“ (vulgär) – „ein Mündchen“ (Kosewort))
  • a Kuacha – a Kiachal („ein Kuchen, ein Küchlein“), aber: a Gurkn – a Gurkal („eine Gurke, ein Gürkchen“)
  • a Drumm – a Drimmal („ein Trumm, ein Trümmlein“), aber der Verursacher des Letzteren: a Hund – a Huntal („ein Hund, ein Hündchen“)

Manche Diminutivformen, d​ie auf -al enden, treten a​uch in d​er Form -e (mit langem, geschlossenem „e“) auf:

  • a Bank – a Bànkal – a Bànge (eine Bank – eine kleine Bank)
  • a Kuacha – a Kiachal – Kiache (ein Kuchen – Küchlein)

Endet d​er Wortstamm a​uf -n o​der auf Nasalvokal, w​ird ein epenthetisches -d- v​or das Diminutivsuffix eingeschoben; d​abei wird nasaliertes -n restituiert:

  • a Pfånn – a Pfàndl („eine Pfanne – ein Pfännchen“)
  • a Stoa – a Stoandl/Stoandal („ein Stein – ein Steinchen“)
  • a Må – a Màndal (dabei bezeichnet das Diminutiv keinen kleinen Mann, sondern das Männchen im biologischen Sinne, wie im Deutschen)

Einige Diminutive zeigen Umlaut e > à; s​ie sind jedoch lexikalisiert, d​er Umlaut d​arf daher a​ls unproduktiv gelten:

  • a Hefn – a Hàfal („ein Topf – eine (große) Tasse“)
  • a Mensch – a Mànschgal („ein Mensch – eine Spielfigur“)
  • a Stempn – a Stàmpal („ein Pflock – eine Portion Schnaps“)

Diminutive v​on Fremdwörtern a​uf vokalischen Auslaut tilgen diesen teilweise:

  • a Auto – a Autal („ein Auto – ein kleines bzw. niedliches Auto“)

Viele Diminutive o​hne Grundwort beziehen s​ich oft a​uf Menschen, d​ie in irgendeiner Weise bemitleidet werden; s​ie sind jedoch k​eine Schimpfwörter, sondern e​her Mitleidsbezeugungen:

  • a Wàsal („ein armer Mensch“; Grundwort evtl. Wesen oder Waise?)
  • a Båtschal („ein unbeholfener, ungeschickter Mensch“)

Es g​ibt noch weitere Diminutive, d​eren Grundwörter n​icht existieren:

  • a Biwal/Bibbal („ein Küken“)
  • a Noagal („ein Getränkerest“, meist im Plural gebraucht; etymologisch an „sich neigen“ anschließbar)

Im Berchtesgadener Land, Teilen d​es Salzburger Landes, Salzkammerguts u​nd des Bayerischen Oberlandes s​owie auch i​m Tiroler Unterland u​nd im steirischen Tauerngebiet lautet d​as Diminutivsuffix m​eist nicht -(a)l, sondern -ei. Das Hänschen w​ird beispielsweise s​o zum Hansei. Murmeltiere heißen i​n Berchtesgaden Mankei; andere Beispiele: Dirnei für Mädchen, Keschzai für Kerzlein usw.

Schreibung

Das Bairische w​ird auch o​ft verschriftlicht (von Mundartautoren, Musikern).

Hier einige Richtlinien z​ur Aussprache d​er im Artikel verwendeten Schreibung:

  • Das r nach Vokalen außer a wird vor Konsonant in der Regel zu hellem à. Es gibt jedoch auch Baiern, die nach o und u manchmal ein stark gerolltes r sprechen.
  • Das r nach a dagegen wird auch am Wortende und vor Konsonant oft ausgesprochen, und zwar stark gerollt, so stets – auch am Wortende – vor Vokal.
  • unbetontes -er wird stets wie helles a, aber kürzer, ausgesprochen.
  • Zur Regelung des a und seiner Varianten siehe weiter oben unter Phonologie und in der Diskussion zu diesem Artikel.
  • ä und ö werden wie e und ü wie i ausgesprochen.
  • äi und öi werden ungefähr wie englisches ai in pain ausgesprochen.
  • ei dagegen ist ganz normales standarddeutsches ei. Wenn es nicht standarddeutschem eu entspricht, wird es manchmal leicht in Richtung äi gesprochen.
  • g wird vor f, s und sch wie k ausgesprochen; gh wird stets wie k ausgesprochen: ghabt, ghåitn usf. Dies gilt auch für den Joghurt.

Literatur

Wörterbücher
Der Wortschatz der bairischen Mundarten in Bayern wird erfasst und beschrieben:

Bairisch i​n Bayern:

  • Günter Koch: Bairisch in Deutschland. In: Joachim Herrgen, Jürgen Erich Schmidt: Sprache und Raum. Ein internationales Handbuch der Sprachvariation. Band 4: Deutsch (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 30.4). De Gruyter Mouton, Berlin/Boston 2019, ISBN 978-3-11-018003-9, S. 279–318.
  • Johann Andreas Schmeller: Bayerisches Wörterbuch. Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-52603-0.
    Der Klassiker der bairischen Dialektwörterbücher. Schwierig zu handhaben, da in Schmellers eigentümlicher Alphabetisierung. Schließt Franken und Schwaben mit ein.
  • Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Heinrich Hugendubel Verlag/edition vulpes, Kreuzlingen/München/Regensburg 2005, ISBN 3-9807028-7-1.
    In der Schreibweise oft ans Standarddeutsche angelehnt.

Bairisch i​n Österreich u​nd Südtirol:

  • Otto Hietsch: From „anbandeln“ to „Zwetschkenknödel“. An Austrian Lexical Cultural Guide. Tyrolia, Innsbruck/ Wien 2000, ISBN 3-7022-2351-7.
    Wie der Untertitel andeutet, nur in begrenztem Maße als Wörterbuch geeignet. Dennoch sehr informativ. In Englisch geschrieben.
  • Otto Hietsch: Bavarian into English. 3 Bände. Dick, Neutraubling 1994–1997, DNB 946404704.
  • Egon Kühebacher (Bearb.): Tirolischer Sprachatlas. 3 Bde.: Vokalismus, Konsonantismus, Sprachatlas. (= Deutscher Sprachatlas. Regionale Sprachatlanten. Hg. von Ludwig Erich Schmitt, Karl Kurt Klein, Reiner Hildebrandt, Kurt Rein. Bde. 3/1–3). Marburg: N. G. Elwert Verlag, 1965–1971.
  • Alexandra N. Lenz: Bairisch und Alemannisch in Österreich. In: Joachim Herrgen, Jürgen Erich Schmidt: Sprache und Raum. Ein internationales Handbuch der Sprachvariation. Band 4: Deutsch (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 30.4). De Gruyter Mouton, Berlin/Boston 2019, ISBN 978-3-11-018003-9, S. 318–363.
  • Walter Rieder: Kleine Salzkammergut Dialektwörtersammlung. 2. Auflage, Salzkammergut Media, Bad Ischl 2011, ISBN 3-901572-21-X.
  • Josef Schatz: Wörterbuch der Tiroler Mundarten. 2 Bände. Wagner, Innsbruck 1955–1956 (= Schlernschriften 119/120). Unveränderter Nachdruck 1993, ISBN 3-7030-0252-2.
  • Johann Baptist Schöpf: Tirolisches Idiotikon. Wagner, Innsbruck 1866.
  • Peter Wehle: Sprechen Sie Wienerisch? Ueberreuter, Wien 1980, ISBN 3-8000-3165-5.

Nachschlagewerke zur Grammatik Bairisch in Altbayern:

  • Cordula Maiwald: Das temporale System des Mittelbairischen. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1402-2.
  • Ludwig Merkle: Bairische Grammatik. Heimeran Verlag, München 1975, ISBN 3-7765-0198-7.
  • Johann Andreas Schmeller: Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt. Hueber, München 1821. (Neudruck: Sändig, Wiesbaden 1969, ISBN 3-253-02033-9)
  • Karl Weinhold: Bairische Grammatik. F. Dümmler, Berlin 1867.

Phonologie

  • Robert Schikowski: Die Phonologie des Westmittelbairischen. (= Münchener Beiträge zur Allgemeinen und Historischen Sprachwissenschaft; Bd. 1). Magisterarbeit, LMU München 2009. (Volltext)

Darstellungen d​er Dialekte

  • Reinhard Hallstein (Hrsg.): Sprechen Sie Bairisch? Für Bayern und solche, die es noch werden wollen. (Illustrationen: Judith Kroboth). Tosa, Wien 2006, ISBN 3-902478-38-1.
  • Gerald Huber: Lecker derbleckt. Eine kleine bairische Wortkunde. Societätsverlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-7973-1100-9.
    populärwissenschaftliche Darstellung des Wortschatzes und der Etymologie des Bairischen
  • Rudolf Ernst Keller: Upper Austrian. In: German Dialects. Phonology & Morphology, with selected texts. Manchester University Press, Manchester 1961, S. 200–247.
  • Werner König: dtv-Atlas deutsche Sprache. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004, ISBN 3-423-03025-9.
    in Bezug auf die historische Bedeutung des Bairischen für die deutsche Sprache insgesamt
  • Ingo Reiffenstein: Salzburgische Dialektgeographie. Die südmittelbairischen Mundarten zwischen Inn und Enns. Wilhelm Schmitz Verlag, Gießen 1955, DNB 453963536.
  • Joseph Maria Lutz: Bayerisch (Reihe Was nicht im Wörterbuch steht, Bd. III), Piper Verlag, München 1932
  • Manfred Renn, Werner König: Kleiner Bayerischer Sprachatlas. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, ISBN 3-423-03328-2.
    über alle Dialekte in Bayern, nicht nur die bairischen; interessant auch in Bezug auf das Dialektkontinuum
  • Anthony R. Rowley: North Bavarian. In: Charles V. J. Russ (Hrsg.): The Dialects of Modern German. A Linguistic Survey. Routledge, London 1990, ISBN 0-415-00308-3, S. 417–437.
  • Eberhard Wagner: Das fränkische Dialektbuch. C. H. Beck, München 1987, ISBN 3-406-31800-2.
    über die fränkischen Dialekte in Franken/Bayern; interessant hier in Bezug auf das Nordbairische
  • Peter Wiesinger: Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten. Band 1 und 2. Walter de Gruyter, Berlin 1970 (Studia Linguistica Germanica 2).
  • Peter Wiesinger: The Central and Southern Bavarian Dialects in Bavaria and Austria. In: Charles V. J. Russ (Hrsg.): The Dialects of Modern German. A Linguistic Survey. Routledge, London 1990, ISBN 0-415-00308-3, S. 438–519.
  • Ludwig Zehetner: Das bairische Dialektbuch. C. H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30562-8
    über die bairischen Dialekte in Altbayern/Bayern in allen Aspekten

Studien

  • Barbara Loester: The Pluricentric Borders of Bavaria. In: Mats Andrén et al (Hrsg.): Cultural Borders of Europe. Narratives, Concepts, Practices in the Present and the Past. Berghahn Books, New York /Oxford 2017, ISBN 978-1-78533-590-7, S. 85–99.
  • Anthony R. Rowley: Bavarian: Successful Dialect or Failed Language? In: Joshua A. Fishman, Ofelia Garía (Hrsg.): Handbook of Language and Ethnic Identity. Volume 2: The Success-Failure Continuum in Language and Ethnic Identity Efforts. Oxford University Press, u. a. Oxford /New York 2011, ISBN 978-0-19-539245-6, S. 299–309.

Mundartpflege

  • Wolfgang Lindner: Sprach-Kultur neben der Kultur-Sprache. Mundart-pflegerische Vereinigungen in Altbayern. Dissertation, Universität Regensburg 2006 (Volltext).
  • Edition Bayern. Sonderheft #8: Süddeutsch und Bairisch. Hrsg. vom Haus der Bayerischen Geschichte. Augsburg 2015. ISBN 978-3-7917-2638-0.

Bairisch i​n mittelhochdeutscher Zeit

  • Gerhard Eis: Historische Laut- und Formenlehre des Mittelhochdeutschen (= Sprachwissenschaftliche Studienbücher). Carl Winter, Heidelberg 1950, S. 157–159: Bairisch.
  • Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik (= Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Nr. 2). 25. Auflage, neu bearbeitet von Thomas Klein, Hans-Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera. Niemeyer, Tübingen 2007, ISBN 978-3-484-64035-1, S. 35–39: Das Bairische.

Siehe auch

Wikisource: Bairische Wörterbücher – Quellen und Volltexte
Commons: Bairische Sprache – Sammlung von Bildern

Fußnoten

  1. Rowley (2011), S. 299f; Bavarian. In: ethnologue.com. Ethnologue: Languages of the World, abgerufen am 13. Januar 2017 (englisch).
  2. Rowley (2011), S. 299f; Oberösterreich im bairischen Sprachraum. Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich, abgerufen am 17. November 2019.
  3. Scope of denotation for language identifiers. und 639 Identifier Documentation: bar
  4. Rowley (2011), S. 300; Bairische Sprache, Dialekte und Mundarten. In: fbsd.de. Förderverein Bairische Sprache und Dialekte e. V., abgerufen am 13. Januar 2017.
  5. Günther Koch: Bairisch in Deutschland. In: Joachim Herrgen, Jürgen Erich Schmidt (Hrsg.): Sprache und Raum. Ein internationales Handbuch der Sprachvariation. Walter de Gruyter Verlag, Berlin /Boston 2019, ISBN 978-3-11-026129-5, S. 280.
  6. Hans Ulrich Schmid: Bairisch: Das Wichtigste in Kürze. C.H.Beck Verlag, 2012, Vorwort.
  7. Loester: The Pluricentric Borders of Bavaria. S. 96; Sprachpfleger klärt auf: „Bairisch ist das echte Hochdeutsch“. In: merkur.de, 9. April 2018, abgerufen am 17. November 2019, 19:05; Mark Lückermann Darmstadt: Die Hannoveraner spricht das reinste Deutsch: Stimmt's? In: zeit.de, 8. Juni 2000, abgerufen am 17. November 2019, 19:13; Wolfgang Walter Menzel: Vernakuläre Wissenschaft. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1996, S. 47; Harald Wiederschein: Forscher bestätigt: Dialekte machen schlau. In: focus.de, 18. Juni 2016, abgerufen am 22. Jänner 2020.
  8. Der Sprachforscher und Mundard-Experte Prof. Anthony Rowley von der Ludwig-Maximilians-Universität München gegenüber der Zeitung Baby und Familie, vgl. Sandra Schnid: Dialekt: Vorteil oder Nachteil für Kinder? In: baby-und-familie.de, 3. April 2019, abgerufen am 18. November 2019, 11:13; Harald Wiederschein: Forscher bestätigt: Dialekte machen schlau. In: focus.de, 18. Juni 2016, abgerufen am 22. Jänner 2020.
  9. Ludwig Rübekeil, Der Name ‚Baiovarii‘ und seine typologische Nachbarschaft, in: Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria. St. Ottilien, Universität Zurich 2012, S. 152. online
  10. Ludwig Rübekeil, Diachrone Studien, 337 f.
  11. Vladimir Orel, A Handbook of Germanic Etymology. Leiden, Brill 2003, S. 449.
  12. Brigitte Haas-Gebhard: Die Baiuvaren: Archäologie und Geschichte. Regensburg 2013, ISBN 3-7917-2482-7. S. 192
  13. Ludwig Zehetner: Das bairische Dialektbuch. Verlag C. H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30562-8, S. 16.
  14. z. B.
    • Karl Meisen: Altdeutsche Grammatik I Lautlehre. J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1961, S. 10
    • Hermann Gelhaus: Der Streit um Luthers Bibelverdeutschung im 16. und 17. Jahrhundert. Teil 1: Mit der Identifizierung Friedrich Traubs. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1989, S. 259
  15. Ludwig Zehetner: Das bairische Dialektbuch. C. H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30562-8, S. 66 und 85.
  16. Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Heinrich Hugendubel Verlag/edition vulpes, Kreuzlingen/München/Regensburg 2005, ISBN 3-9807028-7-1, Stichwort -ig.
  17. Vgl. Neu, David: Ein Sprecher – mehrere Dialekte : Code-Mixing und Code-Switching im tridialektalen Raum um Dinkelsbühl. Online publiziert unter urn:nbn:de:bvb:824-opus4-2153 bzw. http://opus4.kobv.de/opus4-ku-eichstaett/frontdoor/index/index/docId/215
  18. Peter Wiesinger: "The Central and South Bavarian Dialects in Bavaria and Austria", in: Charles V.J. Russ: The Dialects of Modern German, Routledge: London 1990, S. 460f.
  19. Bairischer Sprachraum. In: bairische-sprache.at. Abgerufen am 13. Januar 2017.
  20. Schikowski, Robert: Die Phonologie des Westmittelbairischen. 1. Januar 2009, abgerufen am 19. März 2018.
  21. Mhd. Wortmaterial aus:
    Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Mit Nachträgen von Ulrich Pretzel.
    38. Auflage. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1992.
  22. Siehe Bayerisches Wörterbuch, Band I, Spalten 1531–1535, Lemmata Bayer, bayerisch/bairisch, Bayern.
  23. Isabel Alexandra Knoerrich: Romanismen im Bairischen: ein kommentiertes Wörterbuch mit Karten des Sprachatlasses Oberbayern (SOB) und des Kleinen Bayerischen Sprachatlasses (KBSA) sowie eine Diskussion zu Morphosyntax und Syntax. Dissertationsschrift, Universität Passau, 2002
  24. Unter anderem Referenz für gesamtes Kapitel „Konjugation der schwachen Verben“: Willkommen bei bayrisch-lernen.de, dem Sprachportal für Bayernfreunde und die es werden wollen. Abgerufen am 19. März 2018.
  25. Vergleiche dazu:
    Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch.
    Dudenverlag, Mannheim u. a., 2005, 7. Auflage. [= Duden Band 4], S. 885.
  26. Vergleiche dazu:
    Peter Wiesinger: Die Flexionsmorphologie des Verbums im Bairischen.
    Verlag der österr. Akademie der Wissenschaften, Wien 1989, S. 39–44.
  27. Vergleiche dazu:
    Peter Wiesinger: Die Flexionsmorphologie des Verbums im Bairischen.
    Verlag der österr. Akademie der Wissenschaften, Wien 1989, S. 36–39.
  28. Vergleiche dazu:
    Wilhelm Braune, Ingo Reiffenstein (Bearb.): Althochdeutsche Grammatik I. Laut- und Formenlehre.
    15. Auflage. Max Niemeyer Verlag, Tübingen, 2004, § 306 b, S. 261.
  29. Helmut Berschin: Ade, Pfiatdi und Tschüss: So sagen die Bayern Servus Münchner Merkur vom 11. Juni 2012, S. 3.

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