Markt
Der Begriff Markt (von lateinisch mercatus ‚Handel‘, zu lateinisch merx ‚Ware‘) bezeichnet allgemeinsprachlich einen Ort, an dem Waren regelmäßig auf einem meist zentralen Platz gehandelt werden.
Allgemeines
Auf dem klassischen Markt findet Präsenzhandel statt, bei dem die Marktteilnehmer persönlich anwesend sind und dabei die vorhandenen Waren gegen Geld oder gegen andere Waren (Realtausch) tauschen. Das hat den Vorteil, dass die Tauschobjekte sofort übergeben werden können. Bei Warenbörsen sind dagegen die Marktteilnehmer und das Handelsobjekt Ware nicht präsent, was zu Erfüllungsrisiken bei den Kontrahenten führen kann. Bei modernen Märkten entfällt sogar noch der geografische Ort, sie finden als virtueller Marktplatz wie im E-Business oder bei organisierten Handelssystemen statt.
Geschichte
Warenmärkte gab es bereits in der Antike, sie entstanden als so genannte Präsenzmärkte, auf denen die persönlich anwesenden Anbieter den ebenfalls anwesenden Nachfragern ihre physisch vorhandenen Handelswaren feilboten. Der freie Marktzutritt war üblich, ein Marktverbot erhielten meist Feinde. So wird beispielsweise der Ausschluss der Megarer von den Märkten Athens 432 vor Christus als Ursache für den Ausbruch des Peloponnesischen Kriegs angesehen.[1] Dort gab es neben der Agora (altgriechisch ἀγορά, „Marktplatz“) als einem der ersten städtischen Märkte auch die Römische Agora. Rom selbst besaß neben dem Forum Boarium (lateinisch forum, „Markt“ und lateinisch bos, „Rind“) für Fleisch das Forum Holitorum für Gemüse und das Forum Suarium für Schweine.[2] Eine weitere Form war das Emporion (altgriechisch ἐμπόριον, „Handels- und Marktplatz“) als eigenständiger Markt- und Handelsplatz einer Stadt, der als Umschlagplatz für fremde Waren fungierte oder als Handelsniederlassung außerhalb des Mutterlandes angelegt wurde. Die uralte Form des Realtauschs auf Märkten verbreitete sich über Pompeji und Ostia bis zum römischen Timgad (Algerien).[3] Das deutsche Wort „Markt“ geht auf das im Jahre 765 erstmals aufgetauchte althochdeutsche „markāt“ zurück.[4]
Im Mittelalter handelten die Marktteilnehmer gegenseitig die Marktpreise aus. Spätestens seit 629 lag das Marktrecht beim König, als der Merowinger Dagobert I. der Kirche von St. Denis gestattete, einmal pro Jahr einen vierwöchigen Markt in der Nähe von Paris abzuhalten.[5] Im Jahre 862 mussten Märkte auch zu Zeiten der Karolinger unter König Karl dem Kahlen durch Stiftung des Marktrechts genehmigt werden.[6] Ab dem 12. Jahrhundert entstand in Paris ein öffentlicher Markt, der wegen seiner Nähe zur Seine den Namen „Place de Grève“ (deutsch „Strandplatz“) erhielt.
Der Lokoabschluss bestand aus vorrätiger, sofort lieferbarer, „greifbarer“ Ware.[7] Die Märkte mussten öffentlich sein, um einen gerechten Handel zu ermöglichen. Eigens dafür ernannte Marktaufseher sollten die Aktivitäten im Auge behalten, abweichendes Verhalten mahnen und Ansprechpartner für Betroffene sein.[8] Es handelte sich um städtische Bedienstete, die die Einhaltung der Marktordnung überwachten und das Marktgefälle einnahmen.[9] Marktgefälle waren die Abgaben der Händler und Bürger an den Marktherrn. Der Markt bildete das Handelszentrum einer Stadt.[10] Marktgemeinden besaßen in einigen Regionen Marktrechte.
Mit der Hanse bildeten sich ab 1143 Handelsplätze wie Hansestädte mit regem Marktbetrieb. Eine der ersten deutschsprachigen Marktordnungen ist 1190 für die österreichische Stadt Enns belegt. Im 13. Jahrhundert gab es in Nürnberg mindestens 4 überwachte Jahrmärkte (Walpurgismarkt am 1. Mai, Johannismesse am 24. Juni, Egidimesse am 1. September und die Michaelsmesse am 29. September). Um 1253 gab es eine Berliner Markt- und Gewerbeaufsicht, die beispielsweise falsche Maße und Gewichte mit Geldstrafe ahndete und andere Marktvergehen unter Strafe stellte (Schupfstuhl, Schimpfsteine).[11] Allein im Deutschen Reich gab es bis zum Jahre 1500 mindestens 5.000 periodisch stattfindende Märkte in etwa 500 Orten.[12]
Im Hinblick auf den zunehmenden Handel mit vertretbaren Waren (englisch Commodities) entwickelten sich die Warenbörsen als Sonderform des Marktes.[13] Die ersten Warenbörsen fungierten bereits teilweise nicht mehr als Präsenzbörsen. In Brügge entstand 1409 weltweit die erste dieser Art, sie fand vor dem Haus der reichen Kaufmannsfamilie van der Beurse (niederländisch beurs, „Geldbeutel“) statt, die Güter waren nicht präsent. Die ältesten deutschen Warenbörsen entstanden 1540 in Augsburg und Nürnberg;[14] Für die Nürnberger Börse wurden 1560 vom Rat Handelsregeln erlassen und als Marktordnung für alle sichtbar auf einer Tafel am Herrenmarkt angebracht.
Basare (persisch بازار, DMG Bāzār, „Markt“) entstanden wohl in ihrer heutigen Form erstmals im 16. Jahrhundert im persischen Täbris,[15] von wo aus sie sich über ganz Arabien (arabisch سوق sūq) verbreiteten.[16] Ähnliche Marktplätze errichtete bereits zuvor der Statthalter Yazid ibn Hatim al-Muhallabi während seiner Regierungszeit (771–787) in Tripolis. Anders als die europäischen Märkte waren aus klimatischen Gründen die Basare meist in Gebäuden mit Gewölben oder in überdachten Ladenstraßen untergebracht. Die Überwachung der Preisbildung, der Waren und der Akteure übernahm im Islam der Sittenwächter (muhtasib). Adam Olearius berichtete 1656 in seinen Reisebeschreibungen über die persischen Basare.[17]
Während Märkte typischerweise lokale Märkte waren, an denen sich die Menschen mit den unmittelbar benötigten Gütern versorgten, tauchten sehr früh auch zwischenstaatliche Märkte auf. Dieser Handel über lange Distanzen war zwar mit größeren Schwierigkeiten verbunden als der lokale Handel, er konnte aber auch sehr profitabel sein. Eine ursprüngliche Form des Austausches von Gütern zwischen Händlern waren die Messen (englisch fair, italienisch feria).[18] Diese fanden periodisch statt. Die meisten europäischen Händlermärkte gab es im Raum zwischen Italien und Flandern. Auf diesen Messen wurden wesentlich Güter des Südens, inklusive Gewürze aus Asien, mit Gütern aus dem Norden, vor allem Wolle aus England und Flandern ausgetauscht. Diese Messen hatten ihre Hochblüten zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert.[19][20] Die Messen waren nicht nur Ort des Handels. Auf ihnen fanden eine Reihe von festlichen und anderen Aktivitäten statt, welche den eigentlichen Austausch von Gütern einrahmten.
Vitten (Singular: Vitte; „Heringsanlandeplatz“) entwickelten sich im 13. Jahrhundert im Ostseeraum. Der Heringshandel war im Mittelalter ein bedeutender Handelszweig, war doch der Hering für alle Bevölkerungsschichten eine für die Ernährung wichtige und erschwingliche Eiweißquelle. Große Heringsvorkommen im Bereich der dänisch-schwedischen Ostseeküste führten zu saisonal bestehenden Handelsorten, den Vitten, die jeweils im Besitz einzelner Hansestädte waren. In der jeweiligen Fangsaison siedelten sich vorübergehend bis zu zwanzigtausend Menschen (Kaufleute, Handwerker, Fischer, Böttcher usw.) an. Gegenstand der Tätigkeit in diesen Orten waren der Heringsfang, das Ausnehmen und Einpökeln der Fische in Eichenfässern und der Handel und das Handwerk rund um diese Tätigkeiten. Die Größe der Fässer war weitgehend vorgeschrieben, so dass jedes Fass 900 bis 1000 Heringe enthielt (wobei das Salz ein Fünftel des Fassinhaltes ausmachte). Der Preis richtete sich nach der Zahl der Heringe, nicht nach dem Fassgewicht. Der weitere Vertrieb der eingepökelten und damit sehr haltbaren Heringe erfolgte auf dem gesamten Festland.[21]
Durch das Aufkommen der Wertpapierbörsen verschwand die Präsenz völlig. Anbieter und Nachfrager ließen sich durch Börsenhändler vertreten, die standardisierten Handelsobjekte (Aktien, Anleihen) lagerten woanders, die Börsenkurse handelten nicht die Anbieter und Nachfrager untereinander aus, sondern überließen dies den Börsenmaklern. Diese Abwesenheit von Marktteilnehmern und Handelsobjekten erforderte strengere Regeln. Die erste Börsenordnung in Preußen stammte vom 25. Februar 1739, galt inhaltlich jedoch noch nicht als Börsenordnung im heutigen Sinne. Erst deren Neufassung vom Juli 1805 mit einem vollkommeneren und ausführlicheren „Börsen-Reglement“ erfüllte diese Voraussetzungen. Für Karl Marx galt 1848 der Markt mit seiner „gnadenlose[n], Grenzen überschreitende[n] Konkurrenz“ als zentraler Bestandteil des Kapitalismus.[22]
Mit dem weltweiten Vordringen des Internet ab April 1993 gründeten sich Netzwerke (englisch Marketplaces), die den Austausch von Waren oder Dienstleistungen mittels Online-Handel oder Internet-Tauschbörsen (Ware gegen Ware) ermöglichten. Zu den ersten und heute größten gehören die Online-Händler Amazon (gegründet im Juli 1995) und eBay (September 1995). Beide nennen ihre Plattform für Kleinanzeigen „Marketplace“.
Marktrecht und Marktplatz
Ein Marktplatz ist ein städtischer Platz (z. B. Gendarmenmarkt in Berlin), auf dem regelmäßig Verkaufsveranstaltungen (Märkte) abgehalten werden oder wurden. Dieser sogenannte Marktplatz ist in der Regel der zentrale Platz in einer Stadt, an dem auch das Rathaus errichtet wurde. In größeren Städten existierten oft mehrere Marktplätze, auf denen früher spezifische Waren angeboten wurden. Um Märkte nicht unter freiem Himmel abhalten zu müssen, wurden in vielen Städten Markthallen errichtet. Das Recht, einen Markt abzuhalten (Marktrecht) war im Mittelalter für die städtische Entwicklung entscheidend, und galt als erste Stufe zum Stadtrecht. Der Roland als traditionelles Symbol der Markthoheit findet sich heute noch als Standbild in etlichen deutschen Städten, z. B. in Brandenburg an der Havel, Halberstadt, Stendal, Wedel und Zerbst.
„Markt“ ist auch in einigen Bundesländern wie zum Beispiel Bayern, Sachsen die offizielle Bezeichnung für eine Gemeinde, die einen Status zwischen Dorf und Stadt einnimmt. Dieser Status war früher mit der Verleihung des Marktrechts verbunden. In anderen Bundesländern gibt es dafür andere Bezeichnungen. In Bayern und Österreich ist der Begriff Markt bis heute teilweise offizieller Bestandteil des Ortsnamens. So weisen Ortsnamen wie Sobótka, Szombathely oder Samstagsberg auf das samstägliche Marktrecht hin.
Marktarten
Nationale Märkte
Unter einem nationalen Markt versteht man einen einheitlichen und nicht beschränkten Handelsraum innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates. Während im Mittelalter Märkte regional stark beschränkt und durch Zölle geschützt waren, wurden während des Merkantilismus Handelsbarrieren gelockert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts innerhalb von Nationalstaaten vollständig aufgelöst. Treiber dieser Entwicklung war nicht die ökonomische Macht, sondern politische Entscheidungen wie z. B. die Niederlassungsfreiheit und die technologische Entwicklung von Kommunikationsmöglichkeiten.
Internationale Märkte
Ab 200 v. Chr. gab es die ersten Handelsrouten zwischen dem Mittelmeerraum und China, hierauf wurden sowohl auf Landweg als auch auf Seeweg vor allem Luxusgüter transportiert. Durch Entwicklungen in der Seefahrt konnten ab dem 13. Jahrhundert auch Güter des täglichen Gebrauchs gewinnbringend transportiert werden. Die industrielle Revolution in Europa führte zu einer Explosion des internationalen Handelsvolumens. Auf Grund seiner Vormachtstellung nahm Europa hierbei eine führende Position ein.[23]
Sowohl die beiden Weltkriege als auch die Depression der 1920er Jahre verlangsamten den Entwicklungsprozess des Welthandels. Danach bauten die USA den internationalen Handel wieder auf und unterstützt durch einen europäischen Aufschwung entwickelt sich eine Global Economy.[24]
Geld- und Kapitalmärkte
Ursprünglich wurden Geld und Kapital weitgehend als neutrales Gut betrachtet. Die Entwicklung des eigentlichen Bankwesens in Europa setzte mit der Lockerung des kirchlichen Zinsverbotes in der Renaissance ein. Damals waren die Marktteilnehmer für diese Güter eher eine vermögende, politische und unternehmerisch einflussreiche Elite. Mit der Industrialisierung wuchs die Anzahl der Lohnarbeiter sprunghaft an, welche die Möglichkeit und das Bedürfnis hatten, Geld zu sparen. Zu dieser Zeit nahm die Bedeutung der Zentralbanken und organisierten Börsen zu, auch wegen der Internationalisierung. Einen ersten Höhepunkt gab es vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Diese Zeit – auch die Zeit der milliardenschweren Geschäftsleute (englisch robber Barrons, beispielsweise Rockefeller, Morgan, Vanderbilt, Andrew Carnegie, Edward Henry Harriman in den Vereinigten Staaten) – zeichnete sich durch eine kaum existente Marktregulierung des Kapitalmarktes aus. Nach einer Regulierungswelle der 1930er Jahre und nach dem Zweiten Weltkrieg sind diese Märkte heute sehr dynamisch und liberal organisiert. Das richtige Ausmaß der Regulierung ist heute Teil der Diskussion, zumal diese Märkte nicht selten Ausgangspunkt von Finanzkrisen wie der Finanzkrise ab 2007 waren. Heute werden die Geld- und Kapitalmärkte neben dem Devisenmarkt als Finanzmärkte zusammengefasst.
Nichtökonomische Märkte
Im Gefolge der Theorie sozialer Systeme nach Niklas Luhmann lässt sich der Markt auch als „innere Umwelt“ der Wirtschaft denken. Als Horizont aller „möglichen“ Investitionsentscheidungen erscheint der Markt demnach als Umwelt der tatsächlich „realisierten“ wirtschaftlichen Investitionen. Derartige „innere Umwelten“ lassen sich, Dirk Baecker zufolge, allerdings auch mit Blick auf weitere Funktionssysteme der Gesellschaft beobachten. Auch Autoren wie Pierre Bourdieu, James Samuel Coleman und Gary Becker gehen von der Existenz nichtökonomischer Märkte aus. Entsprechend stellt sich in den Arbeiten von Steffen Roth die Frage, wie ein allgemeiner Marktbegriff bestellt sein muss, auf dessen Grundlage sich Märkte in Zeitaltern und Weltregionen beobachten lassen, in denen funktionale Differenzierung nicht die Hauptrolle spielt(e).[25]
Betriebsformen des Einzelhandels
Aus dem ortsbezogenen Marktbegriff hat sich im Laufe der Zeit ein auf die Betriebsform des Einzelhandels bezogener Marktbegriff abgeleitet. Heute unterscheidet man eine ganze Reihe unterschiedlicher Märkte.
Märkte als offene Verkaufsveranstaltung
Markt ist ebenfalls die Bezeichnung der Verkaufsveranstaltung an sich, zu der in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen an einem bestimmten Ort – meist dem Marktplatz in der Stadtmitte – Händler zusammenkommen, um Waren des täglichen Bedarfs an Ständen zu verkaufen, Krämer- oder Krammärkte, oft in Form eines Wochen- oder Jahrmarktes. Werden auf einem Markt gebrauchte Waren wie beispielsweise benutzte Haushaltsgegenstände oder Kleidung aus zweiter Hand angeboten, spricht man von Flohmarkt oder Trödelmarkt.
Neben solchen allgemeinen Marktveranstaltungen hat sich im Lauf der Geschichte eine ganze Reihe spezieller Veranstaltungen in Marktform entwickelt; hierzu zählen beispielsweise spezielle Obstmärkte, Fischmärkte und ähnliche Produktgruppenmärkte, wie auch Viehmärkte (zu denen es historisch in Städten auch jeweils spezielle Plätze gab), neuer auch Bauernmärkte (Märkte der Direktvermarktung), aber auch Handwerksmärkte, Kunstmärkte, Weihnachtsmärkte und Fach- und Spezialmessen.
Traditionelle lokale Märkte
Hervorgegangen aus den auf Tauschhandel basierenden Märkten der frühen Geschichte oder indigener Kulturen existieren heute vor allem in den Entwicklungsländern lokale Märkte für die Produkte traditionellen Wirtschaftens, bei denen die Erzeuger „direkt“ ihre Waren verkaufen oder gegen andere Güter eintauschen. Das entscheidende Merkmal solcher Märkte ist die reine Versorgungsorientierung; Gewinnerwirtschaftung und Profit spielen hier keine Rolle.
Großmärkte, Supermärkte
Ein Großmarkt ist ein Ort (oft eine Großmarkthalle), an dem zum Beispiel Lebensmittel und Blumen an Wiederverkäufer (z. B. Einzelhandelsgeschäfte, Gastronomie) verkauft werden (Großhandel). Einzelhandelsgeschäfte tragen ab einer bestimmten Verkaufsfläche oft den Zusatz „Markt“. Dazu gehören der SB-Markt mit mindestens 2000 m² Verkaufsfläche, im Ausland als Hypermarkt (englisch hypermarket) bezeichnet, der Verbrauchermarkt mit 1500–4999 m² Verkaufsfläche und der Supermarkt mit einer Verkaufsfläche von mindestens 400 m² und weniger als 1500 m².[26]
Marktbegriff in der Wirtschaft
Der Begriff Markt bezeichnet in der Wirtschaft ganz allgemein den (realen oder virtuellen) Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage von und nach einem Gut. Ist das Angebot größer als die Nachfrage, spricht man von einem Käufermarkt. Wenn das Angebot kleiner ist als die Nachfrage, handelt es sich um einen Verkäufermarkt. Stimmen Angebot und Nachfrage bei einem Gut überein, so spricht man vom Marktgleichgewicht. Es ist gekennzeichnet durch den Gleichgewichtspreis (auch Marktpreis) und die durch ihn bestimmte gleichgewichtige Menge. Unter bestimmten Bedingungen erreicht eine Ökonomie, in der alle Güter auf Märkten frei getauscht werden, eine Pareto-effiziente Ressourcenallokation (Erster Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomik). Diese Aussage bildet das theoretische Fundament für das in vielen Ländern vorherrschende Wirtschaftssystem der Marktwirtschaft. Sind die Annahmen des Ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtsökonomik verletzt, so ist die Güterallokation über Märkte im Allgemeinen ineffizient (sog. Marktversagen).
Paul Samuelson und William Nordhaus definieren den Markt wie folgt: „Ein Markt ist ein Mechanismus, mit dessen Hilfe Käufer und Verkäufer miteinander in Beziehung treten, um Preis und Menge einer Ware oder Dienstleistung zu ermitteln.“[27] Andreas Scharf und Bernd Schubert definieren den Markt folgendermaßen: „Ein Markt besteht aus allen tatsächlichen und potenziellen Abnehmern mit einem spezifischen Bedürfnis, welches die Unternehmung mit ihrem Produkt zu befriedigen versucht.“[28]
Marktstrukturen
Sämtliche klassischen volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren werden auf Faktormärkten gehandelt, und zwar die Arbeit auf dem Arbeitsmarkt, der Boden auf dem Immobilienmarkt, Güter und Dienstleistungen auf dem Gütermarkt, Geld auf dem Geldmarkt und Kapital auf dem Kapitalmarkt.
Während Arbeits- und Bodenangebot stark von Natureinflüssen abhängen (Witterung, Bodenbeschaffenheit), wird das Güterangebot in hohem Maße von wirtschaftlichen Erwägungen beeinflusst.[29]
Marktart | Merkmale |
---|---|
Konsumgütermärkte | Handel mit Konsumgütern und Dienstleistungen.
Beispiele: Gebrauchtwagenmarkt, Telekommunikationsmarkt, Versicherungsmarkt |
Investitionsgütermärkte | Handel mit Investitionsgütern.
Beispiele: Maschinenbaumarkt, Werkzeugmarkt |
Dabei erfüllt ein Markt folgende Funktionen:
Aus unternehmerischer Sicht bezeichnet man als Markt ein Absatzgebiet. Der Terminus neue Märkte erschließen bezeichnet heute eine Grundanforderung für jedes wachstumsorientierte Unternehmen. Der relevante Gesamtmarkt lässt sich dabei in Marktsegmente unterteilen. Aus der großen Bedeutung des Absatzgebietes für ein Unternehmen hat sich in der Betriebswirtschaftslehre das Fachgebiet Marketing entwickelt.
„Markt“ im Sinne des Marketings bezeichnet Zielgruppen, die einem spezifischen Bedürfnis bzw. Bedürfniscluster zugeordnet werden können und kombiniert dieses mit Produkten und Serviceleistungen der Anbieter. Auf dem Markt treffen also Bedürfnisse und Lösungen zusammen. Bedürfnisse/Kundengruppen oder Lösungen jeweils allein bilden keinen Markt. Erst wenn Bedürfnisse und Lösungen kombiniert werden, ergibt sich ein Markt (vgl. auch Begriff relevanter Markt).
Märkte haben im Zusammenhang mit Marketing allgemein eine doppelte Funktion, denn sie sind Bezugsobjekte und Zielobjekte des Marketing zugleich. In der Tat stellen Märkte als Bezugsobjekte des Marketings die Rahmenbedingungen für das Marketing eines Unternehmens, da das Marketing auf den Märkten stattfindet und dementsprechend stark von den Marktakteuren geprägt wird. Gleichzeitig streben Unternehmen mit ihren Marketingaktivitäten jedoch auch eine Gestaltung bzw. Beeinflussung der Märkte und Marktakteure an, wodurch die Märkte zu Zielobjekten des Marketings werden. Dabei sollte die Marktgestaltung bzw. -beeinflussung sich so darstellen, als dass das (potenzielle) Kundenverhalten möglichst zum Vorteil des Unternehmens ist.
Die Betriebswirtschaftslehre des Handels hat ein eigenständiges „Märktegenerierungskonzept“ entwickelt. Danach generieren und organisieren Handelsunternehmen, und zwar schon jedes einzelne Unternehmen, komplette Märkte als spezifische (tertiäre) Güter: „Absatzmärkte“ für Lieferanten und gleichzeitig „Beschaffungsmärkte“ für Kunden.[30] Nicht nur in dieser permanenten und gleichzeitigen Organisation von Warenmärkten für verschiedene Marktteilnehmer liegt die fundamentale Bedeutung des Handels für die Marktwirtschaft. Hinzu kommt die Tatsache, dass Handelsunternehmen durch ihre freie Sortiments- und Preisbildung originären „Wettbewerb“ (Produktwettbewerb) schaffen. „Allein dadurch, dass Waren verschiedener Hersteller als Alternativen im Regal, Schaufenster, Versandhauskatalog usw. unmittelbar nebeneinander gestellt sind und zur freien Marktentnahme, zur freien Konsumwahl dargeboten werden, entstehen Wettbewerbssituationen. Jeder Handelsbetrieb unterläuft damit (wohl weitgehend unbewusst) den Hang eines jeden Herstellers zur Monopolisierung (englisch propensity to monopolize) nach Joan Robinson.“[31]
Nach der Zahl der Anbieter und Nachfrager werden Märkte in Marktformen eingeteilt. Diese Einteilung wird vor allem zur Erklärung der Marktpreisbildung genutzt. Man unterscheidet seit Heinrich von Stackelberg folgende Marktformen:[32]
Nachfrager | ||||
---|---|---|---|---|
viele | wenige | ein | ||
Anbieter | viele | Polypol | Oligopson | Monopson |
wenige | Oligopol | bilaterales Oligopol | beschränktes Monopson | |
ein | Monopol | beschränktes Monopol | bilaterales Monopol |
Marktbegriff in der Soziologie
In der Soziologie wird der Markt seit Ferdinand Tönnies (für „Gesellschaft“ gegenüber „Gemeinschaft“) und Max Weber als „allgemeines Muster gesellschaftlichen Handelns“ genutzt; er umfasst in seiner weitest greifenden Ausprägung „jeden Tausch“ sozialer Sanktionen (also auch negativer Sanktionen bis hin zum Krieg). Der Ethnosoziologe Georg Elwert hat diesen Ansatz benutzt, um die „Gewaltmärkte“ von Warlords zu analysieren.[33]
Siehe auch
Weblinks
- Lisa Herzog: Markets. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Ralf Ahrens, Marcus Böick, Marcel vom Lehn (Hrsg.): Vermarktlichung. In: Zeithistorische Forschungen 12 (2015), Heft 3 (Themenheft zu verschiedenen Aspekten).
Einzelnachweise
- Sitta von Reden, Antike Wirtschaft, 2015, S. 32
- Sitta von Reden, Antike Wirtschaft, 2015, S. 32
- Fernand Braudel, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, Band 2: Der Handel, 1986, S. 19 f.
- Gerhard Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995, S. 262
- Claudia Beckers-Dohlen/Simone Baße, Markt, Turnier und Alltagsleben im Mittelalter, 2000, S. 64
- Claudia Beckers-Dohlen/Simone Baße, Markt, Turnier und Alltagsleben im Mittelalter, 2000, S. 66
- Julius Kähler, Welthandel und deutsche Einfuhr: Eine Schilderung der Produktionsgebiete, der Welthandelswaren und der Technik des Importgeschäftes, 1926, S. 351
- Bettina Emmerich, Geiz und Gerechtigkeit: ökonomisches Denken im frühen Mittelalter, 2004, S. 97
- Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch, Band 9, 1992–1996, 1998, S. 253
- Jan A. van Houtte (Hrsg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter, Band 2, 1980, S. 351
- Dagmar Klose, Freiheit im Mittelalter am Beispiel der Stadt, 2009, S. 226
- Michael Rothmann, Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998, S. 30
- Tilman Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, 2000, S. 23
- Herbert Rosendorfer, Deutsche Geschichte – Ein Versuch. Band 4: Der Dreißigjährige Krieg, 2007, S. 41
- Bita Schafi-Neya, Gebrauchsanweisung für Iran, 2018, o. S.
- Michael Gorges, Kleines Iran-Lexikon, 2019, S. 51 f.
- Adam Olearius, Newe Beschreibung Der Muscowitischen und Persischen Reyse, 1656, S. 600 f.
- Max Weber, Wirtschaftsgeschichte. Abriss der universalen Sozial- und Wirtschafts-Geschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen, Herausgegeben von S. Hellmann u. Melchior Palyi. Duncker & Humblot, München u. a. 1923, S. 220 (4., unveränderte Auflage. Duncker & Humblot, Berlin 1981, ISBN 3-428-01650-5)
- Paul Huvelin: Essai historique sur le droit des marchés & des foires. Rousseau, Paris, 1897; Charles Verlinden: Markets and Fairs. In: Michael M. Postan u. a. (Hrsg.): The Cambridge economic history of Europe. Band 3: Economic Organization and Policies in the Middle Ages. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1963, S. 119–153
- Robert S. Lopez: The commercial revolution of the Middle Ages. 950–1350. Reprinted edition. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1976, ISBN 0-521-21111-5.
- Ernst Schubert: Essen und Trinken im Mittelalter. 2. Auflage, Sonderausgabe. Primus, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-702-6, S. 136f.
- Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, 2013, S. 10
- Simon Kuznets: Modern economic Growth. Rate, Structure and Spread (= Studies in comparative Economics. Vol. 7). Yale University Press, New Haven CT u. a., 1966, S. 306–307.
- Laurence H. Shoup/William Minter: Imperial Brain Trust. The Council on Foreign Relations and United States Foreign Policy. Monthly Review Press, New York NY u. a. 1977, ISBN 0-85345-393-4
- Steffen Roth, Leaving commonplaces on the commonplace. Cornerstones of a polyphonic market theory. In: Journal for Critical Organization Inquiry. Vol. 10, no. 3, 2012, pp. 43–52. online
- Oliver Everling/Olaf Jahn/Elisabeth Kammermeier, Rating von Einzelhandelsimmobilien: Qualität, Potenziale und Risiken sicher bewerten, 2009, S. 40
- Paul Samuelson/William Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, 1998, S. 51
- Andreas Scharf/Bernd Schubert, Marketing: Einführung in Theorie und Praxis, 2015, S. 6
- Wolfgang Heller, Theoretische Volkswirtschaftslehre, 1927, S. 144
- Hans-Otto Schenk: Marktwirtschaftslehre des Handels. Gabler, Wiesbaden 1991, ISBN 3-409-13379-8, S. 550f.
- Hans-Otto Schenk: Marktwirtschaftslehre des Handels. Gabler, Wiesbaden 1991, ISBN 3-409-13379-8, S. 65.
- Heinrich von Stackelberg, Marktform und Gleichgewicht, 1934, S. 195
- Vgl.: Julia M. Eckert (Hrsg.): Anthropologie der Konflikte. Georg Elwerts konflikttheoretische Thesen in der Diskussion. Transcript Verlag, Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-271-6.