Arabische Welt
Der Begriff arabische Welt (arabisch العالم العربي, DMG al-ʿālam al-ʿarabī) bezeichnet eine Region in Nordafrika und in Vorderasien. Staaten mit einer mehrheitlich arabischen Kultur gelten als Teil der arabischen Welt.
Der Begriff ist trotz seiner vielfachen Verwendung nicht exakt definiert (deshalb meistens Kleinschreibung bei arabische). Es lassen sich mehrere Kriterien anwenden, um die Zugehörigkeit zur arabischen Welt zu definieren: die Dominanz der arabischen Sprache (sprachliches Kriterium), der Einfluss des Islam (religiöses Kriterium) und schließlich die Mitgliedschaft in der Arabischen Liga (politisches Kriterium).
Geografische Einteilung der arabischen Staaten
Afrika
Die nordafrikanischen Staaten an der Atlantik- und der Mittelmeerküste, die erst durch die Ausbreitung des Islam im 7. und 8. Jahrhundert arabisiert wurden und noch mehr oder weniger starke Traditionen autochthoner Völker (Berber, Tuareg) aufweisen:
- Mauretanien
- Marokko
- Algerien
- Tunesien
- Libyen
- Westsahara (politischer Status seit 1976 umstritten)
Die Nil-Staaten mit antiker Ackerbautradition:
Die Staaten am Horn von Afrika, die bereits seit frühester Zeit über intensive Verbindungen nach Südarabien verfügten:
- Somalia (seit 1991 ist Somaliland faktisch von Somalia abgespalten)
- Dschibuti
- Komoren
Asien
Die Staaten am Arabischen Meer bzw. Süd- und Zentralarabiens:
Die Staaten der Levante bzw. Nordarabiens:
- Der Nil mit seinen Anrainerstaaten
- Horn von Afrika
- Arabisches Meer
- Seepromenade Corniche Beirut
Sprachliches Kriterium
Nach dem sprachlichen Kriterium entspricht die arabische Welt einer Gruppe aus 24 Staaten von Mauretanien im Westen bis zum Sultanat von Oman im Osten und 2 nicht souveränen Gebieten. Die Ausbreitung des Arabischen ist weitgehend auf die Geschichte der Ausbreitung des Islam im 7. Jahrhundert zurückzuführen. Allerdings ist das sprachliche Kriterium nicht ausreichend, um die arabische Welt zu betrachten. Einige Länder, in denen Teile der Bevölkerung Arabisch sprechen, gelten weiterhin in der Regel nicht als Teil der „arabischen Welt“, darunter Israel, Somalia, Dschibuti, Eritrea und der Tschad.
Die folgende Liste führt 26 souveräne Staaten und nicht souveräne Gebiete auf, in denen die arabische Sprache gesprochen wird. Länder mit einer arabischen Mehrheit werden farblich hervorgehoben. Die Vereinigten Arabischen Emirate werden als Teil der arabischen Welt angesehen, obschon die Araber dort in der Gesamtbevölkerung die Minderheit stellen. In der Tabelle werden deshalb dort die ausländischen, zeitweisen Bewohner ausgenommen.
Land | Hauptstadt | Fläche (in km²) |
Einwohner (in Mio.) |
Anteil an arabischer Ethnie |
Anteil an arabischen Sprechern |
---|---|---|---|---|---|
Ägypten | Kairo | 1.001.449 | 94,04 | 97 % | k. A. |
Algerien | Algier | 2.381.741 | 31,84 | 98 % | 98 % |
Bahrain | Manama | 711 | 1,04 | ca. 51 % | ca. 51 % |
Dschibuti | Dschibuti | 23.200 | 0,51 | ca. 5 % | k. A. |
Eritrea | Asmara | 121.144 | 5,02 | k. A. | k. A. |
Irak | Bagdad | 434.128 | 28,94 | 75–80 % | 75–80 % |
Israel | Tel Aviv bzw. Jerusalem | 22.380 | 8,00 | 20,1 % | k. A. |
Jemen | Sana'a | 536.869 | 25,41 | 97 % | 97 % |
Jordanien | Amman | 89.342 | 6,34 | 99,2 % | 99,2 % |
Katar | Doha | 11.606 | 2,67 (davon ca. 0,3 Mio. Staatsbürger) | 45 % (100 % der Staatsbürger) | 45 % (100 % der Staatsbürger) |
Komoren | Moroni | 1.862 | 0,75 | k. A. | k. A. |
Kuwait | Kuwait | 17.818 | 2,75 | ca. 60 % | ca. 60 % |
Libanon | Beirut | 10.452 | 4,52 | 95 % | 95 % |
Libyen | Tripolis | 1.775.500 | 6,31 | 90 % | 90 % |
Marokko | Rabat | 446.550 | 32,60 | 90 % | 90 % |
Mauretanien | Nouakchott | 1.030.700 | 3,44 | ca. 70 % | ca. 70 % |
Oman | Maskat | 309.500 | 3,15 | k. A. | k. A. |
Palästina (Staat Palästina, nicht souveränes Gebiet) | Gaza / Ramallah | ca. 6.300, ohne Gebiete der Zone C | 4,33 | ca. 83 % | k. A. |
Saudi-Arabien | Riad | 2.240.000 | 27,01 | 90 % | 90 % |
Somalia | Mogadischu | 637.657 | 13,18 | ca. 1 % | ca. 13 %[1] |
Sudan | Khartum | 1.886.068 | 30,89 | ca. 70 % | ca. 70 % |
Syrien | Damaskus | 185.180 | 17,83 | k. A. | k. A. |
Tschad | N’Djamena | 1.284.000 | 10,32 | 9 % | 26 % |
Tunesien | Tunis | 163.610 | 10,78 | 98 % | 98 % |
Vereinigte Arabische Emirate | Abu Dhabi | 83.600 | 5,47 (davon weniger als 20 % Staatsbürger) |
70 % (von den Staatsbürgern) | k. A. |
Westsahara (nicht souveränes Gebiet) | El Aaiún | 266.000 | 0,54 | über 98 % Araber bzw. arabisierte Berber | k. A. |
Religiöses Kriterium
Verwandt ist der Begriff mit der islamischen Welt. Die Araber sind in der islamischen Welt in der Minderheit, obwohl der Islam aus Arabien stammt und auf Arabisch tradiert und gepredigt wird.
Arabertum definiert sich unabhängig von der Religionszugehörigkeit: Araber können jeder religiösen Weltanschauung angehören oder Atheisten sein. Im Libanon weisen ganze Regionen (etwa die drei Regierungsbezirke Kesrouan, Metn und Jabal Lubnan (Mont Liban)) eine geschlossene arabisch-christliche Bevölkerungsstruktur auf, bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts stellten sie dort sogar die Bevölkerungsmehrheit.
Der Panarabismus gilt als Rekrutierungsfeld des Islamismus, der aber ideologisch andere Ziele verfolgt als der nationalistische Panarabismus. Im Gegensatz zu religiös legitimierten arabischen Ideologien negiert der Islamismus das christliche Element in der arabischen Welt und dessen autochthonen Charakter. So waren in der panarabischen Bewegung überdurchschnittlich viele Araber aus christlichen Familien aktiv, neben Michel Aflaq (syrischer Gründer der Baath-Partei) und Elias Farah (syrisch-irakischer Baath-Ideologe) zum Beispiel der 1949 im Libanon hingerichtete SSNP-Gründer Antun Saada, der 2005 ermordete libanesische KP-Generalsekretär George Hawi und (marxistische) PLO-Führer wie George Habasch.
Politisches Kriterium
Der Begriff kann zum einen die Gesamtheit der Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga (und ihrer Bewohner), zum anderen das zusammenhängende Siedlungsgebiet der Araber beziehungsweise das al-watan al-arabi / الوطن العربي / al-waṭan al-ʿarabī /‚Arabisches Vaterland‘ bezeichnen.
Die beiden Begriffe sind nicht identisch, da es sowohl arabische Minderheiten in Ländern gibt, die nicht Mitglied der Arabischen Liga sind (wie der Türkei und dem Iran oder Israel), als auch Mitgliedsstaaten, die keine eindeutige arabische Bevölkerungsmehrheit besitzen, so etwa Somalia, Dschibuti oder die Komoren. Zum Arabischen Vaterland zählen Nationalisten aber meistens auch die iranische Provinz Chuzestan, den Sandschak Alexandrette (İskenderun), die Westsahara und Eritrea, obwohl diese Gebiete nicht zur Liga gehören.
Politisch gibt es in der arabischen Welt den gemeinsamen Traum einer in einem Staat vereinten arabischen Nation. Alle bisherigen Einigungsversuche des Panarabismus sind aber erfolglos geblieben. Bekannte panarabische Vordenker und Führer der Neuzeit sind Michel Aflaq, Gamal Abdel Nasser und Muammar al-Gaddafi, aber auch die PLO sieht sich als Speerspitze der arabischen Einigungsbewegung in dem Gedanken, dass die palästinensische Revolution der Auslöser der arabischen Revolution sein könnte. Nicht zuletzt wegen dieser Auffassung ist der Nahostkonflikt nicht nur für Israel prägend, sondern bewegt regelmäßig die arabischen Massen.
Die Arabische Liga ist ein Verbund arabischer Staaten, wurde am 22. März 1945 in Kairo gegründet und besteht aus 22 Mitgliedstaaten.
Wirtschaftliche und soziale Situation
Die meisten arabischen Staaten sind Schwellenländer oder Entwicklungsländer. Ausnahmen bilden Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate, die heute Industrieländer mit allerdings sehr wenig diversifizierter Branchenstruktur sind, weil sie stark auf Erdölexporte angewiesen bleiben. Die Erdölressourcen begründen auch die geopolitische Bedeutung der Region, in der sich früher England und seit der iranischen Revolution die USA immer mehr militärisch engagieren. Diese Abhängigkeit vom Öl ist mit für die Verzögerung bei der Entwicklung einer diversifizierten Branchenstruktur verantwortlich (sog. Ressourcenfluch). Es gibt zwar einen hohen Anteil von Klein- und Kleinstunternehmern, die jedoch zum großen Teil auf traditionellen Geschäftsfeldern tätig sind. Die Rate der Neugründungen liegt (außer in Qatar und Marokko) unter dem weltweiten Durchschnitt.[2] Frauen sind weit unterdurchschnittlich am Gründungsgeschehen beteiligt, was sich nur langsam ändert.[3] Eine überwiegend patriarchalische Gesellschaftsstruktur behindert die Beteiligung von Frauen am ökonomischen Leben.[4] Große Staatsfonds wie ADIA in Abu Dhabi dominieren große Bereiche der Wirtschaft und behindern private Initiativen.
In den Ländern des Nahen Ostens ist die Wirtschaft laut Weltbank zwischen 2000 und 2006 um durchschnittliche 5,31 Prozent pro Jahr gewachsen. Das Bruttonationaleinkommen aller 22 Länder der Arabischen Liga lag 1999 bei 631,2 Milliarden Dollar. Im Jahr 2006 stieg das Bruttosozialprodukt auf 1.585.14 Milliarden Dollar. Saudi-Arabien hat das größte Bruttoinlandsprodukt der arabischen Welt.
Literatur
- Alexander Flores: Die Arabische Welt. Ein kleines Sachlexikon. Reclam, Ditzingen, 2003. ISBN 978-3-15-018270-3.
- Ulrich Haarmann: Geschichte der arabischen Welt. C. H. Beck, München 2004. ISBN 978-3-406-47486-6.
- Khalid Al-Maaly: Die arabische Welt. Zwischen Tradition und Moderne. Palmyra, 2004. ISBN 978-3-930378-56-2.
- Alfred Schlicht: Geschichte der arabischen Welt. Reclam-Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-010916-8.
- Udo Steinbach: Die arabische Welt im 20. Aufbruch - Umbruch - Perspektiven. Kohlhammer, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-17-032541-8.
- Günter Barthel, Kristina Stock: Lexikon Arabische Welt. Kultur, Lebensweise, Wirtschaft, Politik und Natur im Nahen Osten und Nordafrika. Reichert, 1994. ISBN 978-3-88226-783-9.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Angaben zu den in Somalia verwendeten Sprachen. IN: Ethnologue.com. In: Ethnologue.
- Zu den Ursachen siehe z. B. GEM-Länderbericht 2008 für Ägypten (Memento vom 25. Juli 2014 im Internet Archive), S. IX.
- Women’s Empowerment (Memento vom 4. Juli 2010 im Internet Archive) Aktivitäten des UNDP, abgerufen am 4. Oktober 2012
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, abgerufen am 11. Januar 2016