MIM-104 Patriot
MIM-104 Patriot (als Apronym oftmals fälschlich übersetzt mit: Phased Array Tracking Radar to Intercept Of Target[3]) ist ein bodengestütztes Kurzstrecken-Flugabwehrraketen-System zur Abwehr von Flugzeugen, Marschflugkörpern und taktischen ballistischen Mittelstreckenraketen.
MIM-104 Patriot | |
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Allgemeine Angaben | |
Typ | bodengestützte Mittelstrecken-Flugabwehrrakete |
Hersteller | Raytheon |
Entwicklung | seit 1969 |
Indienststellung | erster militärischer Einsatz am 18. Januar 1991 |
Stückpreis | ~2 Millionen Euro (PAC-2-Rakete)[1] ~3 Millionen Euro (PAC-3-Rakete)[2] |
Technische Daten | |
Länge | 5,30 m (MIM-104A/B) 5,18 m (MIM-104 C) 5,20 m (PAC-3) |
Durchmesser | 0,41 m (MIM-104A/B/C) 0,25 m (PAC-3) |
Gefechtsgewicht | 914 kg (MIM-104 A/B) 900 kg (MIM-104 C) 312 kg (PAC-3) |
Antrieb | einstufige Feststoffrakete |
Geschwindigkeit | > Mach 3 (MIM-104A/B) > Mach 4,1 (MIM-104C/PAC-3) |
Reichweite | MIM-104A/B: 70 km MIM-104C: 160 km PAC-3: 15 bis 45 km (Luftziele), 15 bis 45 km (ballistische Ziele) |
Ausstattung | |
Gefechtskopf | MIM-104A/B: 90 kg hochexplosiv MIM-104C: 91 kg hochexplosiv/Splitter PAC-3: 73 kg hochexplosiv/Splitter |
Zünder | MIM-104A/B/C: Aufschlag-/Näherungszünder PAC-3: Näherungszünder |
Listen zum Thema |
Entwickelt wurde es bereits seit den 1960er-Jahren von den US-amerikanischen Unternehmen Raytheon und Lockheed, damals noch unter der Bezeichnung „SAM-D“. Das sowjetische Pendant zur Patriot war die SA-10 „Grumble“ aus den 1970er-Jahren.
Technik
Das Flugabwehrraketensystem Patriot besteht aus mehreren Einzelkomponenten, die entweder auf Sattelaufliegern/Lkw (US-Version) oder nur auf Lkw (deutsche Version) montiert sind, um eine hohe Mobilität zu gewährleisten. Die einzelnen Teilsysteme sind entweder über Kabelverbindungen (Lichtwellenleiter/Zwei- und Mehrdrahtleitung) und/oder VHF-Funk miteinander verbunden. Im folgenden Abschnitt werden die Komponenten des Systems aufgelistet und erläutert.
Multifunktionsradar (Radar Set (RS))
Das AN/MPQ-53-Multifunktionsradar dient zur Erfassung, Identifizierung und Bekämpfung von Luftzielen.[4] Anders als bei konventionellen Radargeräten verwendet das MPQ-53 Phased-Array-Antennen, was einige Vorteile mit sich bringt: höhere ECCM-Kapazitäten, genauere Entfernungs- und Winkelbestimmung sowie extrem schnelle Strahlausrichtung.
Nachteilig wirkt sich bei dieser Konstruktion der eingeschränkte Erfassungsbereich von 120° aus, so sind für eine 360°-Abdeckung drei Feuereinheiten notwendig. Das Radar besteht aus 5161 Phasenschiebern und arbeitet im Frequenzbereich von 4 bis 8 GHz. Es kann 90 bis 125 Flugziele verfolgen und dabei gleichzeitig bis zu neun Lenkflugkörper in der finalen Abfangphase mittels des TVM-Verfahrens steuern. Die Bekämpfungsreichweite beträgt maximal 170 km, minimal 3 km.
Das Radar sorgt ebenfalls für die Freund-Feind-Erkennung (IFF) durch elektronische Abfrage der Flugziele (Systembezeichnung: AN/TPX-46(V)7; im Frequenzbereich 1030 und 1090 MHz) sowie den Aufbau eines Datenlinks zu abgefeuerten Lenkflugkörpern (Frequenzbereich: 4 bis 8 GHz). Diese Funktionen übernehmen separate Antenneneinheiten am unteren Teil des Antennenträgers. Weiterhin sind noch einige Module zur Nebenkeulenunterdrückung vorhanden, um die Einflüsse durch gegnerische Störmaßnahmen zu verringern oder ganz auszublenden.
Das Radar wurde im Laufe der Zeit umfassend modernisiert und trägt seit dem PAC-3-Configuration-3-Upgrade die neue Bezeichnung AN/MPQ-65.
Zum Selbstschutz vor Anti-Radar-Lenkwaffen (z. B. AS-17 Krypton) kann eine Feuereinheit mit einem AN/TLQ-32-Radarköder ausgestattet werden.[5] Dieser kann die typischen Signaleigenschaften des MPQ-53/65 emulieren, um anfliegende Lenkflugkörper abzulenken.
Antennenmastanlage (Antenna Mast Group (AMG))
Die Antenna Mast Group (AMG) (deutsch: Antennenmastanlage (AMA)) verbindet mehrere Patriot-Einheiten über bis zu vier Richtfunkstrecken über weite Strecken mit hoher Redundanz und Störfestigkeit. Die maximale Ausfahrhöhe des Antennenmastes beträgt 34 Meter, die maximale Reichweite der Anlage 50 Kilometer.
Startgeräte (Launching Station (LS))
Die M-901-Startgeräte können bis zu vier Lenkflugkörper der Varianten PAC-1/-2 oder 16 des Typs PAC-3 aufnehmen. Sie sind je nach EMCON-Status mittels VHF-Datenfunk und/oder Lichtwellenleiter mit dem Feuerleitstand verbunden. Der bei der Bundeswehr gebräuchliche Systemrahmen, auf dem das Waffensystem montiert ist, ermöglicht mitsamt dem Trägerfahrzeug eine Nivellierung des Systems auf unebenem Untergrund von 5° in Fahrtrichtung („cross-roll“) und 4° im rechten Winkel dazu (Fahrzeug-Querachse; „roll“). Weitere 5° können vom System (WCC = Weapon Control Computer) des Feuerleitstands ausgeglichen werden. Zum Herstellen der Feuerbereitschaft wird die Startgeräte-Plattform mit den vier Kanistern, in denen sich die Lenkflugkörper (LFK) befinden, in einem Höhenwinkel von 38° aufgerichtet. Sie können um 110° nach rechts oder links zur Ausgangsstellung gedreht werden („clockwise“ und „counterclockwise“). Das Startgerät verfügt über eine eigene Stromversorgung mittels SEA (StromErzeugungsAnlage, 15 kW/400 Hz, max. 52A/Phase). Eine Feuereinheit verfügt üblicherweise über acht Startgeräte.
Feuerleitstand (Engagement Control Station (ECS))
Das AN/MSQ-104 ist der Feuerleitstand des Patriot-Systems und eine der wenigen bemannten Komponenten. Von hier aus führen drei Bediener den Feuerkampf, wobei sie Anweisungen von der zentralen Feuerleitkabine ICC erhalten können. Das ECS ist aufgrund einer Vollklimatisierung überall einsetzbar und verfügt über einen kompletten ABC-Schutz. Im Feuerleitstand (ECS) ist der Tactical Control Officer (TCO) (Feuerleitoffizier), der Tactical Control Assistant (TCA) (Feuerleitassistent) sowie ein weiterer Soldat für die Kommunikation tätig.
Kampfführungsgefechtsstand (Information Coordination Central (ICC))
Das ICC ist der zentrale übergeordnete Gefechtsstand, in dem taktische Entscheidungen auf Kampfführungsebene (Ebene Bataillon) getroffen werden und anschließend an bis zu sechs Feuerleitstände (Ebene Feuereinheit) weitergegeben werden. Er verfügt außerdem über umfangreiche Kommunikationseinrichtungen (darunter Link 11B, Link 16 und ATDL-1), die es dem Kampfführungspersonal erlauben, mit vielen modernen Waffen-, Aufklärungs- und Führungsplattformen zu kommunizieren. Hierdurch können die Zieldaten schnell und sicher ausgetauscht werden. Im ICC ist der Tactical Director (TD) und der Tactical Director Assistant (TDA) tätig.
Gefechtsstand (Command Post (CP))
Für den Einheitsführer steht eine weitere Kabine als Gefechtsstand zur Verfügung. Weitere Führungskabinen stehen für Wartungs- und Instandsetzungspersonal, Fernmelde- sowie Erkundungspersonal zur Verfügung.
Strom-Erzeuger-Aggregat (Electric Power Plant (EPP))
Zur Stromversorgung des Radars und des Feuerleitstands (ECS) stehen auf diesem Fahrzeug zwei Generatoren (deutsch: Strom-Erzeuger-Aggregat (SEA)) mit jeweils 150 kW Leistung zur Verfügung.
Stromversorgungseinheit (Electric Power Unit (EPU))
Diese kleine Komponente sichert die Stromversorgung der Kampfführungskabine (ICC). Hierfür sind zwei Generatoren mit jeweils 30 kW Leistung zuständig.
Entwicklung und Varianten
MIM-104A
Dies ist die 1984 eingeführte Basisversion mit Monopuls-Antenne.
MIM-104B
Diese Variante, auch bekannt als SOJC (engl. „Standoff Jammer Counter“) wurde in den späten 1980er-Jahren eingeführt und ist auf die Bekämpfung von fliegenden Störsystemen ausgelegt. Der Lenkflugkörper fliegt hierzu eine optimierte Flugbahn und verwendet seinen passiven Radarsuchkopf, um die Störquelle anzufliegen. Zu diesem Zweck wurde ein modifiziertes Navigationssystem installiert, wobei die Eigenschaften bei der Luftzielbekämpfung mit der A-Variante identisch sind.
PAC-1
Bei dem „Patriot Advanced Capability“-Upgrade handelt es sich hauptsächlich um eine softwarebasierte Kampfwertsteigerung, da lediglich das AN/MPQ-53-Radar modifiziert wurde. Die neue Software ermöglicht das Abfangen von ballistischen Kurzstreckenraketen. Da der Lenkflugkörper selbst nicht verändert wurde, erhielt er keine neue Bezeichnung gemäß dem MIM-104x-Schema.
MIM-104C (PAC-2)
Diese Version bezeichnet die erste umfassende Kampfwertsteigerung des Patriot-Systems. Neben weiteren Verbesserungen an der Software wurden sowohl der Näherungszünder als auch der Gefechtskopf maßgeblich überarbeitet, um die Bekämpfung von ballistischen Raketen zu verbessern. Hierbei wurde zusätzlich die Reichweite durch einen neuen Raketentreibstoff und eine optimierte Flugsteuerung erheblich vergrößert. Der erste Teststart (gegen eine andere Patriot-Rakete) fand im November 1987 statt; die ersten Systeme wurden Ende 1990 in Dienst gestellt.
MIM-104D (PAC-2 GEM)
Nachdem die PAC-2-Lenkflugkörper im Einsatz gegen ballistische Raketen deutliche Schwächen zeigten (Details siehe unten), wurde eine Kommission zur Analyse des Systems gebildet. Diese identifizierte den Näherungszünder als wesentliche Schwachstelle des Systems, da dieser oft zu träge war und so die Zündung des Sprengkopfes zu spät auslöste. Daher wurde bei der GEM-Variante (englisch: „Guidance Enhanced Missile“) ein neues und erheblich schnelleres Zündsystem installiert. Durch den Einbau eines moderneren Radarsuchers können nun Ziele mit einem kleinen Radarquerschnitt erfasst und verfolgt werden. Bei den bodengestützten Systemkomponenten wurde das Radar verbessert; durch den Einbau eines neuen Datenlinks wurde die Platzierung der Startgeräte in bis zu 10 Kilometer Entfernung zum Feuerleitstand ermöglicht, wodurch der Verteidigungsbereich des Systems erhöht werden konnte. Die Produktion begann im Jahre 1994.
MIM-104E (PAC-2 GEM+)
Diese Variante (umfasst die GEM/T- und GEM/C-Ausführung) stellt eine weitere Verbesserung der GEM-Variante dar. Es wurde ein neuer digitaler Näherungszünder und Radarsucher eingeführt, die sich durch ein neues leistungsfähiges Rauschunterdrückungssystem auszeichnen. Hierdurch können noch kleinere Radarziele, zum Beispiel LO-Fluggeräte (Stealth) oder Marschflugkörper, bekämpft werden als es mit der GEM-Version möglich war. Die GEM/T-Ausführung unterscheidet sich von der GEM/C-Variante nur durch den Näherungszünder, der bei der T-Version auf die Bekämpfung von ballistischen Raketen optimiert ist. Die Auslieferung an die US Army begann im November 2002, die alle vorhandenen PAC-2-Lenkflugkörper mit dem „GEM+“-Upgrade versehen will. Bis 2006 wurden bereits 515 Lenkflugkörper modernisiert, im September 2010 erhielt die Army die 1000ste GEM-T-Lenkwaffe.
PAC-3
Der PAC-3-Lenkflugkörper wurde speziell zur Bekämpfung von höher entwickelten ballistischen Raketen entworfen, kann aber auch konventionelle Luftziele effektiv bekämpfen, wobei er allerdings durch seine relativ geringe Reichweite in dieser Rolle eingeschränkt wird. Außerdem wirken sich die höheren Kosten dieses LFK ungünstig im Feuerkampf gegen gegnerische konventionelle Flugzeuge aus, da schon weniger hochentwickelte LFK diesem Zweck genügen. Die PAC-3 soll primär feindliche Raketen durch einen direkten Treffer (englisch: „Hit-To-Kill“) zerstören, da somit eine sichere Zerstörung des Gefechtskopfes gewährleistet werden kann. Allerdings kann der Lenkflugkörper durch seinen Splittersprengkopf mit Näherungszünder auch bei knappen Vorbeiflügen eine Vernichtung des Ziels („Kill“) sicherstellen. Um die nötige Präzision für ein direktes Abfangmanöver zu gewährleisten, wurden ein aktiver Puls-Doppler-Radarsucher und einige Schubdüsen in die Zelle des PAC-3 LFK integriert. Die kleinen Abmessungen des PAC-3 LFK ermöglichen es, einen PAC-2-LFK-Kanister durch einen Kanister mit vier PAC-3-Lenkflugkörpern zu ersetzen. Sofern die Gewichtskapazität des Trägerfahrzeugs ausreichend ist, kann ein einzelnes Startgerät bis zu 16 PAC-3-Lenkflugkörper aufnehmen gegenüber vier Startkanistern mit PAC-2 LFK. Die von der Bundeswehr eingesetzten Fahrzeuge sind aus Gewichtsgründen auf acht Flugkörper PAC-3 beschränkt.[6]
Während diverser Tests wurden eine breite Palette an Zieltypen simuliert.[7] Neben den üblichen ein- und zweistufigen Kurzstreckenraketen kamen auch modifizierte Patriot-Raketen (Bez.: „Patriot-As-A-Target“, PAAT) in dieser Rolle zum Einsatz, um besonders kleine ballistische Ziele zu simulieren. Zur Simulation von höher entwickelten Raketen wurden auch mehrmals separierende und manövrierende Gefechtsköpfe abgefangen. Letztere basieren auf dem Modell, welches bei der Pershing II zum Einsatz kam, und werden als Storm II bezeichnet.[8][9] Auch konventionelle, tieffliegende Luftziele und Marschflugkörper (unter anderem repräsentiert durch die MQM-107-Zieldrohne) wurden in Tests erfolgreich abgefangen.
Die Entwicklung der PAC-3 begann 1995 und wurde damals noch als ERINT (englisch: „Extended Range Interceptor“) bezeichnet. Das gesamte Programm kostet rund 8,5 Mrd. US-Dollar, wobei die US Army bereits über 900 Lenkflugkörper im Bestand hat. Folgende Varianten sind bekannt:
PAC-3 Configuration 1
Diese erste Entwicklungsvariante basiert auf der PAC-2-GEM-Version. Hauptsächlich wurden die Bodensysteme mit neuen Computer- und Steuersystemen ausgestattet, die für die neuen und komplexen Steuerungsvorgänge nötig sind. Der Lenkflugkörper selbst erhielt einen verbesserten Doppler-Impuls-Radarsucher und die modernisierten Komponenten der GEM-Variante.
PAC-3 Configuration 2
Bei dieser Entwicklungsversion wurden die Bodensysteme mit dem Joint Tactical Information Distribution System (JTIDS) ausgestattet, das die Kommunikation mit befreundeten Einheiten verbesserte. Das restliche Paket besteht aus einem umfassenden Software-Upgrade für den Feuerleitstand und den Lenkflugkörper. Hierdurch wurde zum einen die Erfassung und Verfolgung von Zielen mit einem kleinen Radarquerschnitt verbessert, zum anderen können nun auch Anti-Radar-Lenkflugkörper wie AGM-88 HARM (USA/NATO) oder die AS-17 Krypton aus russischer Produktion bekämpft werden.
PAC-3 Configuration 3
Neben der Einführung eines neuen Software-Pakets wurde der aktive Radarsucher der Rakete mit zwei Wanderfeldröhren und einem neuen Exciter ausgestattet, um die Leistung gegenüber Zielen mit kleinem Radarquerschnitt zu erhöhen. Das AN/MPQ-53-Radar, das nun die Bezeichnung AN/MPQ-65 trägt, wurde ebenfalls umfassend modernisiert und weist nun bessere Eigenschaften bei der Identifizierung von ballistischen Zielen und bei der Unterdrückung von Clutter und Störquellen auf. Außerdem wurde das Netzwerksystem mit einer Schnittstelle für das THAAD-System ausgerüstet.
PAC-3
Dies ist die finale Serienversion der PAC-3, die seit 2001 im Dienst steht. Gegenüber der Configuration-3-Variante wurden lediglich einige Detailverbesserungen vorgenommen.
PAC-3 MSE
Bei dieser Variante (englisch: „Missile Segment Enhancement“) handelt es sich um eine Kampfwertsteigerung des PAC-3-Lenkflugkörpers. Die Modifikationen zielten vor allem auf eine Verbesserung der Flugeigenschaften ab. Hierzu kommt ein neuer, stärkerer Raketenmotor zum Einsatz, der die Reichweite erheblich erhöht. Um eine bessere Manövrierfähigkeit zu erreichen, wurden die Steuerflächen vergrößert und verstärkt. Außerdem ist ein modernerer Datenlink zur besseren Kommunikation zwischen Lenkflugkörper und Feuerleitstand verbaut. Das Upgrade setzt keinerlei Änderungen an der LFK-Zelle oder am Startsystem voraus. Diese Variante soll auch beim MEADS-System zum Einsatz kommen. Im August 2016 wurde mit der PAC-3 MSE die Initial Operating Capability bei den U.S. Streitkräften erreicht.[10]
Stationierung in Deutschland
US Army
Im Januar 1985 wurde vom „32nd Army Air Defense Command“ (32nd AADCOM) erstmals das Patriot-System der US Army in Europa stationiert.
Bundeswehr
Die Bundeswehr rüstete ab 1989 zwölf Flugabwehrraketenstaffeln der Luftwaffe mit Patriot aus. Die eingeführten Systeme sind ausschließlich auf Lkw des Herstellers MAN montiert und mit deutschem Beistellgerät (Stromversorgungs-, Funk- und Klimaanlagen) versehen. Zusätzliche 24 von den USA finanzierte Systeme (ebenfalls in deutscher Version) wurden im Rahmen des Patriot-Roland-Abkommens betrieben. Nach dem Auslaufen des Abkommens hat die Luftwaffe die US-amerikanischen Systeme in ihren Bestand übernommen. Nach mehreren Umstrukturierungen und Reduzierungen waren seit dem 1. Januar 2006 insgesamt 24 Staffeln im operativen Einsatz – bei einem vermuteten Gesamtbestand von 192 Startgeräten. Im Jahr 2020 sind es noch 12 Staffeln.[11]
Jede Staffel verfügt über einen Feuerleitstand (ECS), eine Stromversorgungsanlage (EPP), ein Multifunktionsradargerät (RS), acht Startgeräte (LS) mit je vier Flugkörpern und einen Richtfunktrupp mit Generatoren und Antennenmastanlage (AMA). Als Reserve-Beladung stehen für jede Staffel 32 Lenkflugkörper in Luftwaffendepots zur Verfügung. Die Bestückung der Startgeräte erfolgt nach Bedarf: MIM-104 A–D: maximal vier LFK; PAC 3: acht (in je zwei „four-packs“). Aus straßenverkehrsrechtlichen Gründen (Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts des Startgeräts) wurde auf die maximale Beladung von 16 LFK PAC 3 in der deutschen Version verzichtet. Eine Aufnahme von mehr als zwei „four-packs“ (acht PAC 3-LFK) ist auch aufgrund fehlender Anschlussmöglichkeiten an Signal- und Steuerkabeln nicht möglich.
Die Deutsche Luftwaffe plant, ihre Patriot-Systeme durch das neue Luftverteidigungssystem Medium Extended Air Defense System (MEADS) zu ersetzen. Nachdem Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Oktober 2011 erklärte, auf die Beschaffung des Luftverteidigungssystemes zu verzichten[12], wurde der Start der Beschaffung im Juni 2015 bekannt gegeben. Der Beschaffungsvertrag sollte im Jahr 2017 unterschrieben werden.[13]
Nutzer
Neben den USA und Deutschland betreiben in der NATO die Niederlande (seit 1987),[14] Griechenland (seit 2003) und Spanien (seit 2005) weitere Systeme. Seit 2010 wurden in Polen zu Trainingszwecken zeitweise US-amerikanische Patriot-Systeme stationiert.[15] Im Jahr 2018 entschied sich auch Polen das Patriot-Systeme zu beschaffen.[16] Es folgte Rumänien, das im Oktober 2020 seine erste von sieben Patriot-Batterien in Dienst nahm.[17]
Seit 1999 sollen Patriot-PAC-3-Systeme Japan vor möglichen chinesischen und nordkoreanischen Raketen schützen. Hierzu wurden sie auf Okinawa stationiert; ab 2007 zusätzlich in der Präfektur Saitama. Das Flugabwehrraketensystem Patriot wird weiter von Ägypten,[18] Israel, Jordanien,[19] Kuwait, Saudi-Arabien, Südkorea, Taiwan und den Vereinigten Arabischen Emiraten eingesetzt.[20]
Das Waffensystem gehört nach der Kampfwertsteigerung „KWA Config 3“ weiterhin zu den modernsten verfügbaren Flugabwehrsystemen der Welt.
Das System wird weltweit aktuell (Stand Oktober 2021) von 18 Staaten betrieben bzw. beschafft.[21][22]
- Ägypten
- Bahrain[23]
- Deutschland
- Griechenland
- Israel: 2 Systeme gebraucht von Deutschland gekauft
- Japan
- Jordanien
- Katar
- Kuwait
- Niederlande
- Polen
- Rumänien: 3 Batterien sollen von der rumänischen Luftwaffe, 4 Batterien vom Heer betrieben werden.
- Saudi-Arabien
- Schweden
- Spanien
- Südkorea: 69 Flugkörper gebraucht von Deutschland gekauft
- Taiwan
- Vereinigte Staaten
Geschichte und Einsätze seit 1991
Im ersten Irak-Krieg hatten Patriot-Systeme der US Army die Aufgabe, angreifende irakische „Scud“- und „Al-Hussein“-Raketen abzufangen. Das Konzept der Abwehr ballistischer Raketen war schon lange von den Großmächten verfolgt, aber noch nie im realen Einsatz erprobt worden.
Zweifelhafte Erfolgsraten gegen ballistische Raketen 1991
Berichten zufolge soll der erste Kampfeinsatz am 18. Januar 1991 erfolgt sein, wobei eine auf Saudi-Arabien abgefeuerte Scud erfolgreich zerstört worden sein soll. Im Verlauf des Krieges wurden weitere 40 irakische Scuds mit Patriot-LFK bekämpft – der Erfolg dieser Einsätze ist ebenfalls bis heute umstritten. Diese Berichte und weitere Aussagen über den Erfolg der Patriot gegen ballistische Ziele im Irak-Krieg von 1991 werden von zahlreichen Untersuchungen in Zweifel gezogen[24][25][26][27]:
- Am 25. Februar 1991 traf eine irakische Scud eine Kaserne der US Army in Dhahran in Saudi-Arabien und tötete 28 Soldaten. Die folgende Untersuchung ergab, dass die Patriot-Batterie in Dharan den Flugkörper durchaus erkannt hatte, das Tracking der irakischen Rakete jedoch fehlschlug. Ursache war ein Softwarefehler im Steuercomputer, der zu einer mit zunehmender Laufzeit immer stärker abweichenden Positionsbestimmung des Ziels führte. Zum Zeitpunkt des Angriffs lief das Patriot-System bereits seit über 100 Stunden, so dass der Radarstrahl um mehr als einen halben Kilometer von der tatsächlichen Position der feindlichen Rakete abwich und das Radar-Set somit am falschen Ort nach der Scud suchte. Infolge dieses Fehlers wurde keine Abwehrrakete abgefeuert.[28][29]
- Die US Army gab anfangs eine Erfolgsrate („success rate“) für Scud-Abschüsse von 80 Prozent in Saudi-Arabien und 50 Prozent in Israel an, später nur noch 70 Prozent beziehungsweise 40 Prozent. Bei einem Besuch bei dem Patriot-Hersteller Raytheon erklärte US-Präsident George H. W. Bush: „42 Scuds engaged, 41 intercepted!“,[30] was einer Erfolgsquote von 97,6 Prozent entspräche. Am 7. April 1992 hieß es dagegen in einer unabhängigen Untersuchung, das Patriot-System habe eine Erfolgsquote von „unter 10 Prozent“ erreicht. In dem abschließenden Bericht hieß es: „Das Patriot-Raketensystem hatte im Golfkrieg nicht den spektakulären Erfolg, der der US-amerikanischen Öffentlichkeit weisgemacht wurde. […] Öffentlichkeit und Kongress wurden durch […] die Regierung und durch Raytheon-Vertreter während und nach dem Krieg irregeleitet.“ Auch in einem weiteren Bericht wurden die Erfolgszahlen kritisch kommentiert.
Einsätze gegen Luftziele 1991
Bei der Bekämpfung von bemannten Flugzeugen hat sich Patriot zwar als technisch erfolgreich erwiesen – die drei in den beiden Golfkriegen auf Flugzeuge abgefeuerten Raketen trafen ihre Ziele –, allerdings handelte es sich jeweils um Friendly Fire, also um den irrtümlichen Abschuss von Kampfflugzeugen der US-geführten Koalitions-Streitkräfte (darunter ein britischer Tornado).
Erfolge gegen irakische ballistische Raketen 2003
Im zweiten Irak-Krieg erreichten die inzwischen zu PAC-3 aufgerüsteten Systeme unbestritten gute Erfolgsquoten mit 11 abgeschossenen Kurzstrecken-Raketen des Typs „Al-Samoud-2“ und „Ababil-100“.[31] Mittelstreckenraketen wie im ersten Irak-Krieg kamen auf irakischer Seite nicht zum Einsatz. Die Patriot-Einheiten bewegten sich erfolgreich mit der Front, um die vorgerückten Truppen zu schützen und den Luftraum zu überwachen.
Einsatz an der türkisch-syrischen Grenze 2012/2013
Im November 2012 begannen Verhandlungen zwischen der NATO und der Regierung des Mitgliedsstaates Türkei, um Patriot-Systeme an die türkisch-syrische Grenze zu verlegen. Am 21. November 2012 wurde von der Türkei ein offizielles „Hilfegesuch“ gestellt.[32]
Am 4. Dezember 2012 beschloss die NATO die Verlegung von Patriot-Luftabwehrsystemen an die türkisch-syrische Grenze. Der deutsche Bundestag stimmte der Entsendung deutscher Soldaten am 14. Dezember 2012 zu. Deutschland, die Niederlande und die USA stellten seit Januar 2013 die Systeme und deren Bedienmannschaften für den Einsatz Active Fence Turkey zur Verfügung. Die Abwehrraketen sollten ausschließlich zum Schutz und zur Verteidigung des NATO-Bündnispartners Türkei dienen. Sie durften nicht eingesetzt werden, um eine Flugverbotszone über Syrien zu errichten bzw. zu kontrollieren.[33] Das deutsche Mandat wurde zweimal verlängert, bevor es am 31. Januar 2016 auslief.
Einsatz im syrischen Bürgerkrieg ab 2014
Während des Bürgerkriegs in Syrien schoss Israel eine syrische Aufklärungsdrohne und eine Suchoi Su-24 über den Golanhöhen ab. Grund hierfür sei eine Verletzung des israelischen Luftraums gewesen, was von syrischer Seite dementiert wurde.[34][35]
Eine – vermutlich russische – Forpost-Drohne, die 2016 von Syrien aus kommend israelischen Luftraum verletzte, wurde erfolglos mit zwei Patriot-Raketen beschossen.[36]
Am 28. April 2017 meldeten die israelischen Streitkräfte den Abschuss einer Drohne, die aus Syrien kommend den israelischen Luftraum verletzt haben soll.[37]
Am 24. Juli 2018 wird über den von Israel annektierten Golanhöhen ein syrischer Suchoi Su-22-Jagdbomer nach mehreren Warnungen über Funk von zwei Patriot-Flugabwehrraketen abgeschossen. Nach israelischen Angaben drang das Kampfflugzeug 2000 m in den von Israel kontrollierten Luftraum ein.[38]
Einsatz im Süden von Saudi-Arabien 2015
Nach saudischen Angaben sollen Huthi-Rebellen als Reaktion auf die saudische Militärintervention im Jemen eine ballistische Boden-Boden-Rakete vom Typ SS-1 (NATO-Code: Scud) auf die saudi-arabische Stadt Chamis Muschait in der Provinz Asir abgefeuert haben, wo sich auch ein Luftwaffenstützpunkt befindet. Zwei saudische Patriot-Flugabwehrraketen hätten die Rakete abgefangen.[39]
Einsatz gegen 200-Dollar-Zivildrohne
Eine Patriot-Rakete im Gegenwert von bis zu 3,4 Mio. Dollar soll[40] gegen eine etwa 200 Dollar kostende Quadcopter-Zivildrohne erfolgreich eingesetzt worden sein. Der Einsatz löste kontroverse Diskussionen aus. Einsatzort, das einsetzende Land und der Zeitpunkt des Vorfalls sind nicht öffentlich bekannt.[41][42]
100 Abschüsse bis 2017
Am 2. Mai 2017 gab der Hersteller Raytheon an, dass seit 2015 mehr als 100 ballistische Ziele mit dem Patriot-System abgeschossen wurden. Hierbei kam in fast allen Fällen nicht die spezialisierte PAC-3-Version zum Einsatz, sondern die kostengünstigere PAC-2-GEM-Variante.[43]
Einsatz in Saudi-Arabien 2017
Ab Juli 2017 starteten Huthi-Rebellen mehrmals ballistische Boden-Boden-Raketen gegen Ziele in Saudi-Arabien. Mehrfach gelang es der saudischen Luftabwehr, die anfliegenden Raketen mit Patriot-Flugabwehrraketen zu bekämpfen. Dabei zeigte sich dieselbe Problematik wie bei vergangenen Bekämpfungen von ballistischen Raketen: Die Patriot-Raketen trafen ihr Ziel, konnten es aber nicht vernichten. In einem Fall folgte nach dem Patriot-Treffer der Sprengkopf der ballistischen Rakete seiner Trajektorie und detonierte auf dem Gelände des Flughafens Riad.[44]
Eine andere Erklärung für das Versagen der Abfangwaffen ist, dass die ballistischen Raketen beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zerbrechen und ihr Sprengkopf unter mehreren Trümmerteilen schwer zu identifizieren ist.[45]
Einsatz in Saudi-Arabien 2018
Am 25. März 2018 starteten Huthi-Rebellen sieben ballistische Boden-Boden-Raketen gegen Ziele in Riad, Dschāzān, Chamis Muschait und Nadschran in Saudi-Arabien. Nach Angaben der Streitkräfte Saudi-Arabiens konnten alle Raketen mit Patriot-Flugabwehrraketen bekämpft werden. Amateurvideos zeigen aber, wie eine Patriot-Flugabwehrrakete kurz nach dem Start explodiert und wie eine zweite nach dem Start unkontrolliert in den Boden fliegt.[46][47]
Technische Daten der Flugkörper
System | MIM-104A/B | MIM-104C | PAC-3 |
---|---|---|---|
Länge | 5,30 m | 5,18 m | 5,20 m |
Startgewicht | 914 kg | 900 kg | 312 kg |
Durchmesser | 0,41 m | 0,41 m | 0,25 m |
Spannweite | k. A. | 0,92 m | 0,50 m |
Antrieb | einstufige Feststoffrakete | einstufige Feststoffrakete | einstufige Feststoffrakete |
Reichweite | 70 km | 160 km (min. 3 km)[5] | Luftziel: 10–15 km ballistisches Ziel: 15–45 km |
Einsatzhöhe | k. A. | 24 km (min. 60 m)[5] | 10–15 km |
Belastbarkeit[5] | kontinuierlich 20g kurzzeitig 30g |
k. A. | k. A. |
Geschwindigkeit | > Mach 3 (max. Mach 5[5]) | Mach 5 | Mach 5 |
Lenkung | TVM, INS, HOJ | TVM, INS, HOJ | TVM, INS, aktiver Radarsucher im Ka-Band |
Gefechtskopf | 90 kg hochexplosiv | 91 kg hochexplosiv/Splitter | 73 kg hochexplosiv/Splitter |
Zündung | Aufschlag-/Näherungszünder | Aufschlag-/Näherungszünder | Näherungszünder |
Einführungsjahr | 1984 | 1990 | 2001 |
Weblinks
- www.army-technology.com Systembeschreibung (englisch)
- www.designation-systems.net Entwicklungsgeschichte (englisch)
- Patriot in der Encyclopedia Astronautica (englisch)
- Datenblatt der Bundeswehr zum Patriot-System
- 60 Sekunden Bundeswehr: Patriot (YouTube-Video)
- globalsecurity.org – Zahlreiche technische Details sowie Fotos
- Bilder und Aufbau einer Staffel der Bw
Einzelnachweise
- Michael Surber: Die Schweiz will ihren Luftraum wieder mit Raketen verteidigen. In: nzz.ch. Neue Zürcher Zeitung, 4. Mai 2018, abgerufen am 21. August 2018.
- Market review: Ground-based air defense. In: Offiziere.ch. Offiziere.ch, 13. April 2019, abgerufen am 20. Mai 2019 (englisch).
- Umfassende Beschreibung (englisch)
- Multifunktionsradar AN/MPQ-53
- Jane’s Land-Based Air Defence 2003
- Mit Mach Fünf ins Ziel: Kampfwertanpassung Patriot, abgerufen am 28. März 2012
- GlobalSecurity.org – Patriot PAC-3 Followon Testing, abgerufen am 20. März 2009
- MDA Link (Memento vom 1. März 2006 im Internet Archive), abgerufen am 6. Oktober 2019
- DesignationSystems – Storm, abgerufen am 20. März 2009
- U.S. Army Declares Lockheed Martin’s PAC-3 MSE Initial Operational Capability. In: armyrecognition.com. Army Recognition, 16. August 2016, abgerufen am 27. März 2018 (englisch).
- Flugabwehrraketengeschwader 1. In: Internetseite der Bundeswehr. 11. November 2020, abgerufen am 1. Januar 2021.
- Markus Becker: "Meads" vs. „Patriot“: Kampf der Raketen. In: Spiegel Online. 30. Mai 2014, abgerufen am 9. Juni 2018.
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- Anthony H. Cordesman: The Military Balance In The Middle East. Greenwood Publishing Group, 2004, ISBN 978-0-275-98399-4, S. 194 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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- US-Regierung und Hersteller geben geschönte Erfolgsbilanz der Patriot im Golfkrieg ab (englisch) (Memento vom 5. September 2008 im Internet Archive)
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- Spiegel 21. November 2012. Türkei bittet Nato um „Patriot“-Raketen – Westerwelle sagt zu
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