Convair CV-440
Die Convair CV-440 Metropolitan, auch als Convair 440 bezeichnet, ist ein Flugzeug des US-amerikanischen Flugzeugherstellers Convair. Es handelt sich um einen von zwei Kolbenmotoren angetriebenen Tiefdecker mit einziehbarem Bugradfahrwerk für den Passagiertransport auf Kurzstrecken. Der Typ wurde aus der Convair CV-340 weiterentwickelt. Der Erstflug der CV-440 fand am 6. Oktober 1955 statt.
Convair CV-440 | |
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Typ: | Kolbenmotorgetriebenes Kurzstreckenverkehrsflugzeug |
Entwurfsland: | |
Hersteller: | Convair |
Erstflug: | 6. Oktober 1955 |
Stückzahl: | 178 |
Geschichte
Gegenüber dem Ausgangstyp wurde der Rumpf um 0,71 m verlängert, um ein Wetterradar aufnehmen zu können. Eine tiefgreifendere Veränderung war jedoch die Änderung der Abgasanlage, die den Kabinengeräuschpegel verringerte und als Schubdüse ausgeführt wurde. Die Triebwerksverkleidung wurde aerodynamisch optimiert. Die Propeller wiesen gegenüber den bisherigen Typen gerade Blattspitzen auf. Auch innerhalb der Kabine wurde versucht, mittels geänderten Scheibenmaterials und Schalldämmungsmatten Lärm und Vibrationen zu verringern.[1]
Einige CV-340 wie die der Lufthansa wurden mit Hilfe eines von Convair gelieferten Umrüstsatzes nachträglich auf den Standard der CV-440 umgerüstet.
Insgesamt wurden 178 Maschinen dieses Typs verkauft, 153 davon an Luftfahrtgesellschaften. Damit war der Typ wirtschaftlich erfolgreich. Die Maschinen blieben bei den großen Fluggesellschaften bis etwa Mitte der 1960er-Jahre im Einsatz, um dann den aufkommenden modernen Kurzstreckenjets wie der Boeing 737 zu weichen. Zum Teil wurden sie an Fluggesellschaften in der Dritten Welt verkauft.
Im Mai 2004 waren von dem Typ noch 42 Stück vorhanden, davon 31 flugfähig. Etliche der Turboprop-Versionen waren im Jahr 2008 noch in mehreren Ländern in Betrieb, und zwar in Australien, Bolivien, Kanada, Kolumbien, Neuseeland, Südafrika und in den USA.[2]
C-131: Auch die US-Luftwaffe bestellte diesen Typ in entsprechend abgewandelter Ausführung als Convair C-131D/E, letztere teilweise in einer Frachtausführung mit einer großen Ladetür.
Konstruktion
Die Motoren wirkten auf dreiblättrige Verstellpropeller mit fester Drehzahl („constant speed“). Die Tragflächen waren um 4° gepfeilt und wiesen eine V-Stellung von 6,3° auf, das Leitwerk war konventionell. Die Ruder und die Tragflächenhinterkante wurden bei diesem Typ aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Der kreisrunde Flugzeugrumpf aus Metall war druckbelüftet.
Zwei Türen mit eingebauter Treppenanlage verringerten die Abhängigkeit von Bodeneinrichtungen und beschleunigten die Passagierabfertigung. Eine Neuerung war die wahlweise bestellbare Möglichkeit, die Sitzplatzanzahl von 44 auf 52 zu erhöhen, indem das Gepäckabteil innerhalb der Kabine durch zwei weitere Sitzreihen ersetzt wurde. Diese Variante ist von außen an einem zusätzlichen Fenster (z. B. bei SAS und Lufthansa) zu erkennen.[1]
Modifizierungen
Zahlreiche Convair CV-440 wurden ab den 1960er-Jahren auf Propellerturbinenluftstrahltriebwerke (PTL, Turboprop) umgerüstet und erhielten anschließend die Typenbezeichnungen Convair CV-580 bzw. CV-640. Das Muster Convair CV-540 entstand durch die Umrüstung der CV-340 auf PTL-Triebwerke vom Typ Eland des britischen Herstellers Napier & Son. Nach dem Erwerb der Produktionsrechte für die CV-440 durch den kanadischen Hersteller Canadair wurden im Jahr 1960 als Lizenzbau zehn neue Flugzeuge mit Eland-Triebwerken an die Royal Canadian Air Force ausgeliefert. Diese Flugzeuge wurden auch als Canadair CL-66 bezeichnet und bei der kanadischen Luftwaffe als CC-109 Cosmopolitan geführt.[3]
Nutzer
Betreiber in Deutschland und der Schweiz
- Die Lufthansa beschaffte ab 1954 insgesamt elf Exemplare dieses Typs und nutzte sie bis 1968. Im Januar 1966 verunglückte eine der Maschinen in Bremen (siehe Lufthansa-Flug 005).
- Von General Air wurden 1969 zwei Lufthansa-Maschinen übernommen. Im Jahr 1971 folgte eine weitere CV-440 von der Tellair.
- Condor Flugdienst betrieb neben CV-240 auch CV-440, der Vorgänger Condor Luftreederei CV-440.
- Die Luftwaffe nutzte sechs CV-440.
- Die Swissair betrieb 12 CV-440.
- SATA übernahm eine CV-440 der Swissair und nutzte eine CV-640.
- Tellair übernahm 1969 eine CV-440 von der Lufthansa.
Militärische Nutzer
Zwischenfälle
(Für Zwischenfälle der umgebauten Turboprop-Varianten CV-580 + CV-640: siehe Artikel Convair CV-340)
Vom Erstflug 1955 bis Mai 2020 kam es mit Convair CV-440 zu 58 Totalschäden. Bei 22 davon kamen 337 Menschen ums Leben.[4] Beispiele:
- Am 15. Juli 1956 befand sich eine fabrikneue Convair CV-440 der schweizerischen Luftfahrtgesellschaft Swissair (Luftfahrzeugkennzeichen HB-IMD) auf ihrem Überführungsflug in die Schweiz. Von Gander kommend stürzte sie im Anflug auf den Flughafen Shannon ab, als die Endanflugkurve sehr tief und zu steil geflogen wurde und es zum Strömungsabriss kam. Die vier Besatzungsmitglieder, drei Amerikaner und ein Schweizer, starben. Als beitragender Unfallfaktor wurde Übermüdung ermittelt.[5][6]
- Am 18. September 1957 wurde eine Convair CV-440-62 der brasilianischen REAL Transportes Aéreos (PP-AQE) am Flughafen Montevideo (Uruguay) 1030 Meter vor der Landebahn in den Boden geflogen. Die Maschine wurde nach Sichtflugregeln geflogen, geriet aber im Anflug in Nebel. Das Flugzeug wurde zerstört. Von den 35 Insassen wurde ein Besatzungsmitglied getötet, die anderen sowie sämtliche 30 Passagiere überlebten.[7]
- Am 16. Juni 1958 verunglückte eine Convair CV-440-59 der brasilianischen Cruzeiro do Sul (PP-CEP) im Anflug auf den Flughafen Curitiba (Parana, Brasilien). Das Flugzeug wurde durch sehr starke Fallböen zu Boden gedrückt. Von den 26 Insassen kamen alle 5 Besatzungsmitglieder sowie 16 der 21 Passagiere ums Leben.[8]
- Am 12. Oktober 1962 kollidierte eine Convair CV-440 der spanischen Iberia (EC-ATB) auf dem Flug von Valencia nach Sevilla mit einem Berg in der Nähe von Carmona (Andalusien), 25 Kilometer ostsüdöstlich des Startflugplatzes. Alle 18 Insassen (14 Passagiere und 4 Besatzungsmitglieder) wurden getötet.[9][10]
- Am 20. November 1964 ereignete sich beim Landeanflug einer Convair CV-440 der schwedischen Linjeflyg (SE-CCK) auf den Flugplatz Ängelholm ein tödlicher Unfall. Die Maschine sank viel zu früh und verfehlte die Landebahn um rund zwei Kilometer. Dabei kamen 31 der 43 an Bord befindlichen Personen ums Leben, darunter vier Crew-Mitglieder.[11][12]
- Am 31. März 1965 kam es bei einer Convair CV-440 der Iberia (EC-ATH) auf dem Flug von Malaga zum Flughafen Tanger 18 Kilometer westlich des Zielflughafens aus unbekannter Ursache zum Strömungsabriss und Absturz ins Meer. Von den 53 Insassen konnten nur drei überlebende Passagiere aus dem Meer gerettet werden.[13][14]
- Am 28. Januar 1966 stürzte eine aus Frankfurt kommende Convair CV-440 der Lufthansa (D-ACAT) kurz hinter dem Flughafen Bremen bei einem misslungenen Durchstartmanöver ab. Alle 46 Insassen kamen ums Leben (siehe auch Lufthansa-Flug 005).[15]
- Am 10. Februar 1967 wurde eine Convair CV-440-11 der Swissair (HB-IMF) 9,5 Kilometer westlich des Startflughafens Zürich-Kloten (Schweiz) in den Berg Lägern geflogen. Nach dem Start von der Piste 28 auf einem Trainingsflug prallte die Maschine in den wolkenverhangenen Höhenrücken. Bei diesem CFIT (Controlled flight into terrain) wurden alle 4 Besatzungsmitglieder, die einzigen Insassen, getötet.[16]
- Am 4. Februar 1969 verunglückte eine Convair CV-440 der jugoslawischen JAT – Jugoslovenski Aerotransport (YU-ADL) bei der Landung auf dem Flughafen Titograd (Jugoslawien). Alle Insassen überlebten. Das Flugzeug wurde zerstört.[17]
- Am 1. November 1969 verunglückte eine Convair CV-440 (SE-BSU) der Linjeflyg während eines Ausbildungsflugs auf dem Flughafen Stockholm/Arlanda. Bei einem simulierten Triebwerksausfall geriet die Maschine außer Kontrolle; es kam zu einer Bruchlandung. Alle vier Piloten an Bord blieben unverletzt, aber das Flugzeug wurde zum wirtschaftlichen Totalschaden.[18]
- Im Mai 1971 (genaues Datum unbekannt) wurde eine Convair CV-440-0 der jugoslawischen JAT – Jugoslovenski Aerotransport (YU-ADO) auf dem Flughafen Titograd (Jugoslawien) mit eingefahrenem Fahrwerk gelandet. Alle Insassen überlebten die Bauchlandung. Das Flugzeug wurde irreparabel beschädigt. Es handelte sich um die frühere D-ADIL der Condor (1958 bis 1961), danach von 1961 bis 1968 als D-ACEK bei der Lufthansa im Einsatz.[19]
- Am 16. Dezember 1971 schlug eine Convair CV-440-11 der jugoslawischen Pan Adria Airways (YU-ADV) in einem Feld auf. Die Piloten hatten versucht, unter Instrumentenflugbedingungen auf dem Flughafen Triest (Italien) zu landen. Diesen CFIT (Controlled flight into terrain) überlebten alle 22 Insassen. Das Flugzeug wurde irreparabel beschädigt.[20]
- Am 13. März 1974 wurde eine Convair CV-440 der US-amerikanischen Sierra Pacific Airlines (N4819C) nach dem nächtlichen Start vom Eastern Sierra Regional Airport bei Bishop (Kalifornien) (Inyo County, USA) 8,3 Kilometer südöstlich des Startflughafens in den Bergkamm Poleto Ridge geflogen.[21] Der Unfall ereignete sich bei exzellenten Wetterbedingungen ohne technische Auffälligkeiten an der Maschine. Bei diesem CFIT (Controlled flight into terrain) wurden alle 36 Insassen getötet, vier Besatzungsmitglieder und 32 Passagiere.[22]
- Am 25. August 1982 wurde eine Convair CV-440 der US-amerikanischen Air Resorts Airlines (N477KW) trotz schlechten Wetters weiter unter Sichtflugbedingungen und deshalb in einen Berg geflogen. Der Unfall ereignete sich in 3.570 Metern (11.700 Fuß) Höhe am Wolf Creek Pass in Colorado (USA). Bei diesem CFIT (Controlled flight into terrain) wurde das Flugzeug zerstört. Es handelte sich um die ehemalige D-ACEF der Lufthansa (1954–1969). Beide Piloten, die einzigen Insassen, überlebten.[23]
- Am 15. März 2012 stürzte eine Convair CV-440-38 von Jet One Express (N153JR) nach dem Start vom Flughafen San Juan (Puerto Rico) nach Ausfall eines Triebwerkes ab. Beide Piloten (die einzigen Insassen) wurden getötet. Die Maschine war um rund 3500 Kilogramm überladen, der Kapitän übermüdet und der Erste Offizier recht unerfahren.[24]
- Am 11. September 2019 verunglückte eine auf einen privaten Betreiber zugelassene Convair CV-440 (N24DR) beim Anflug auf den Flughafen Toledo Express in Ohio (USA). Die Frachtmaschine stürzte im Landeanflug einen Kilometer vor der Landebahn ab. Die beiden an Bord befindlichen Personen kamen ums Leben.[25]
Technische Daten
Kenngröße | Daten |
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Besatzung | 2 Piloten, 2 Flugbegleiter |
Passagiere | max. 52 |
Länge | 24,84 m |
Spannweite | 32,12 m |
Höhe | 8,58 m |
Flügelfläche | 85,5 m² |
Flügelstreckung | 12,1 |
max. Startmasse | 22.544 kg |
Leermasse | 14.200 kg |
Reisegeschwindigkeit | 465 km/h |
Höchstgeschwindigkeit | 550 km/h |
Dienstgipfelhöhe | 7.770 m |
anfängliche Steigrate | 366 m/min |
Reichweite | 2.800 km bei 2.100 kg Nutzlast 1.700 km mit maximaler Nutzlast (5.250 kg, entspricht 53 Passagieren) |
Antrieb | zwei 18-Zylinder-Doppelsternmotoren Pratt & Whitney R-2800 CB16 oder CB17 mit je 2.536 PS (1.865 kW) auf Dreiblatt-Propeller von 4,1 Metern Durchmesser (Verstellpropeller mit fester Drehzahl – „constant speed“) |
Literatur
- Jennifer M. Gradidge: The Convairliners Story. Air-Britain (Historians), Tunbridge Wells 1997, ISBN 0-85130-243-2.
Weblinks
- Produktionsliste (Memento vom 28. November 2005 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Gradidge 1997, S. 13.
- jp airline fleets 2008/2009
- Flight International, 18. November 1960, S. 793
- Unfallstatistik Convair CV 440, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 16. Juni 2020.
- Air-Britain Archive: Casualty Compendium (englisch) Part 67, Dezember 1997 S. 97/112.
- Unfallbericht CV-440 HB-IMD, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 20. August 2017.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 PP-AQE im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 10. November 2021.
- Unfallbericht CV-440 PP-CEP, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 3. August 2020.
- Unfallbericht CV-440 EC-ATB, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 12. Dezember 2018.
- Air-Britain Archive: Casualty compendium part 88 (englisch), März 2003, S. 45.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 SE-CCK im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 8. Dezember 2021.
- Jan Ohlsson: I luften – Flygets årsbok 1983: 25 år med Linjeflyg; LiberFörlag, 1982; ISBN 91-38-90214-1, S. 181
- Unfallbericht CV-440 EC-ATH, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 12. Dezember 2018.
- Air-Britain Archive: Casualty compendium part 96 (englisch), März 2005, S. 45.
- Unfallbericht CV-440 D-ACAT, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 20. August 2017.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 HB-IMF im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 23. Mai 2021.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 YU-ADL im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 8. Dezember 2021.
- Unfallbericht CV-440 SE-BSU, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 3. April 2017.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 YU-ADO im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 8. Dezember 2021.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 YU-ADV im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 8. Dezember 2021.
- Jennifer M. Gradidge: The Convairliners Story. Air-Britain (Historians), Tunbridge Wells, 1997, ISBN 0-85130-243-2, S. 229.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 N4819C im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 9. Dezember 2021.
- Flugunfalldaten und -bericht CV-440 N477KW im Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 8. Dezember 2021.
- Unfallbericht CV-440 N153JR, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 3. August 2020.
- Unfallbericht CV-440 N24DR, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 11. September 2019.