Rundfunkbeitrag
Der Rundfunkbeitrag ist seit 2013 das Modell zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland. Diese sind gemäß Rundfunkstaatsvertrag in öffentlichem Auftrag tätig. Für die Verwaltung der Rundfunkbeiträge ist der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice zuständig; zuvor wurde diese zentrale Stelle Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland, kurz GEZ, genannt. Die damalige Rundfunkgebühr wurde umgangssprachlich manchmal als „GEZ-Gebühr“ bezeichnet, wogegen sich die GEZ verwahrte.[1]
Mit dem Beitragsaufkommen von acht Milliarden Euro im Jahr 2018[2] wurden unter anderem 22 Fernseh-, 67 Radiosender und eine Vielzahl von Online-Plattformen mit insgesamt mehr als 25.000 festen Mitarbeitern finanziert,[3] außerdem die Aufsichtsbehörden für den privaten Rundfunk (Landesmedienanstalten). Die Deutsche Welle wird hingegen direkt aus Steuergeldern finanziert.
Die Beitragspflicht ergibt sich aus dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, der durch Zustimmungsgesetze aller 16 Landesparlamente zu anwendbarem Recht im jeweiligen Bundesland erklärt wurde. Die Bestimmung der Höhe der Beiträge und deren Verteilung sind im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) geregelt. Zunächst ermittelt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) den Betrag, welchen die Anstalten für den Bestandsschutz und die Fortentwicklung, welche laut Bundesverfassungsgericht garantiert werden sollen, benötigen. Die Ministerpräsidentenkonferenz bestimmt daraufhin die Höhe der Beiträge. Eine Änderung des Rundfunkbeitrags bedarf der Zustimmung aller Landesparlamente.
Geschichte
Frühgeschichte der Rundfunkgebühr
Als die erste Sendegesellschaft in Berlin am 29. Oktober 1923 ihren Sendebetrieb mit der Funk-Stunde Berlin aufnahm, gab es noch keine zahlenden Hörer; zum Jahresende waren es 467. Die Jahresgebühr hatte die Reichstelegraphenverwaltung auf 25 Mark festgelegt, sie wurde dann – mitten in der Inflationszeit – „vervielfacht mit der am Tag der Zahlung gültigen Verhältniszahl für die Berechnung der Telegraphengebühren im Verkehr mit dem Ausland“.[4]
Für sogenannte Schwarzhörer waren im Telegraphengesetz Geldstrafen und im Extremfall Gefängnis bis zu sechs Monaten vorgesehen. Zunächst stiegen die Teilnehmerzahlen kaum, zumal am 1. Januar 1924 die Jahresgebühr auch noch auf 60 Mark – etwa ein Drittel eines durchschnittlichen Monatseinkommens – heraufgesetzt wurde. Die am 8. März 1924 erlassene Funknotverordnung verschärfte die Strafen weiter, gewährte andererseits aber allen Schwarzhörern Amnestie, die sich bis zum 16. April bei der Post selbst anzeigten. Hierzu hatte man seinem zuständigen Postamt Namen und Adresse sowie die Art des verwendeten Empfangsapparats schriftlich mitzuteilen. Danach konnte der Empfänger weiter betrieben werden, und das Postamt stellte den Erlaubnisschein gegen Erhebung der ersten Monatsgebühr von 2 Mark zu.[5] Im Rahmen dieser Aktion, bei der sich 54.000 Teilnehmer gemeldet haben sollen, wandte sich Staatssekretär Hans Bredow über Rundfunk an die Schwarzhörer:
„Ich wende mich heute an die nichtzahlenden Mithörer des Rundfunks. Sie sind an Zahl so bedeutend, daß es nicht möglich ist, ihnen Auge in Auge gegenüberzutreten wie in einer Versammlung. Deshalb wähle ich diesen Weg, auf dem ich sicher Gehör bei ihnen finde. […] Wenn wir uns dahin verständigen, daß das Funkwesen ein ernstes Verkehrsmittel bleiben soll, das dem deutschen Volk kulturelle und wirtschaftliche Werte bringt, dann werden wir in Zukunft gute Freunde sein. Neben den zahlenden Rundfunkteilnehmern gibt es in Deutschland eine sehr große Zahl von nichtzahlenden Mithörern. Zuerst die technisch Vorgebildeten und die vom Geheimnis der Funktechnik angelockten Funkfreunde […]; dann diejenigen, die sich aus Sparsamkeit oder Freude an Bastelei ihren Apparat bauen […]. Zuletzt kommt die wenig sympathische Klasse der Nassauer, die nur das Interesse der Gebührenhinterziehung leitet. Allen ist das Interesse gemeinsam, daß es überhaupt einen Rundfunk gibt […]. Also wer den Rundfunk erhalten will, muß das Seine dazu tun und ihn schützen und unterstützen; dann nützt er sich und der Allgemeinheit.“
Die Zahlen stiegen erst deutlich, nachdem am 14. Mai 1924 rückwirkend zum 1. April die Gebühr auf monatlich zwei Reichsmark festgelegt worden war. Zum Jahresende hatten sich 548.749 Teilnehmer angemeldet. Aus dem Verkauf von Radiobauteilen lässt sich jedoch schließen, dass immer noch die meisten Menschen ihr Radio selbst bastelten und nicht anmeldeten. Im Dezember 1926 waren in Deutschland 1,3 Millionen Hörer gemeldet, die „täglich 7 Pfennige“ an Gebühren zahlten, wovon 40 % die Deutsche Reichspost erhielt, wie der Rundfunkpionier Kurt Magnus schrieb. Magnus beklagte zudem, dass ein Großteil der verbleibenden 60 % nicht zum Ausbau der Sendeanlage und des Programms genutzt werden könnten, sondern man „sehr erhebliche Beiträge für die Urheber bezahlen“ müsse.[7]
Ernst Hardt, erster Intendant der Westdeutschen Rundfunk AG Werag (später WDR), sah es als problematisch an, nicht zahlenden Hörern mit Gefängnis und Zerstörung ihrer Familienverhältnisse zu drohen. Die Deutsche Reichspost baute und unterhielt große Teile der Rundfunkinfrastruktur und drängte die Programmmacher, die Hörer offensiver zum Einhalten der Vorschriften zu bewegen: „Es soll ein regelrechtes Jagen geben mit Fallen, die wirklich zuschnappen und Schlingen, die wirklich fangen, und wir sollen dabei helfen“, sprach Hardt im Abendprogramm. „Aber wir möchten nicht gern die Häscher sein von Menschen, die wir lieb haben, weil sie uns hören.“ Hardt endete den Vortrag mit der Ankündigung, dies sei die letzte Aufforderung vor der „Schwarzhörer-Razzia“:
„Lassen Sie mich diesen betrüblichen, ja diesen eigentlich ernsten Beginn eines ‚Lustigen Abends‘ mit der Hoffnung schließen, dass diese Warnung genügen wird, uns zu dem Lohn für unsere Arbeit und Ihnen aus einer Gefahr zu verhelfen, die schon morgen, schon übermorgen, die an jedem Tag und jeder Stunde Übles für sie zum Ende haben könnte: Geldstrafe und den Verlust Ihres Gerätes oder Gefängnis. Weiß Gott, lassen Sie es um der lumpigen zwei Mark nicht dahin kommen!“[8]
Die Londoner Times beobachtete die Gebührenentwicklung in der Weimarer Republik genau und bilanzierte 1927:
„Die erste deutsche Rundfunkgesellschaft, die Berliner Funk Stunde A.G., wurde im Oktober 1923, in Zeiten größter Geldinflation und sozialer Unruhen gegründet. Die Kosten der ersten Rundfunklizenzen lagen bei 60 Goldmark oder 780 Milliarden der damals aktuellen Landeswährung; diese Zahlen geben einen guten Einblick in die Verhältnisse der Zeit. Dennoch fanden sich bis zum Ende des Jahres über Tausend Optimisten, die bereit waren, diese enormen Summen für das Privileg auszugeben, die ersten deutschen Rundfunkprogramme zu hören. Nach der Stabilisierung der Währung sank die Gebühr auf 24 Goldmark pro Jahr, umgerechnet 1 £ 4 Schillinge, wo sie bis heute steht. In Deutschland gibt es jetzt fast zwei Millionen Radioabonnenten.“
Rundfunkgenehmigung 1931
Am Ende der Weimarer Republik bestand die Rundfunkgenehmigung beziehungsweise die Genehmigung zum Aufstellen und Betreiben eines Rundfunkempfängers nach den Bestimmungen über den Rundfunk vom 27. November 1931 (Amtsblatt des Reichspostministeriums Seite 509/1931) aus einem sehr feinen Geflecht von „Hörerrechten und -pflichten“. Das von der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) herausgegebene Rundfunk Jahrbuch 1933 vergleicht die Gebühr von damals 2 Reichsmark monatlich mit dem Waffen- oder Jagdschein, bei dem man das Recht erwirbt, etwas tun zu dürfen, keinesfalls aber ein Vertragsverhältnis über ein zu lieferndes Produkt eingeht. Der Eigenbau von Rundfunkgeräten bedurfte keiner Genehmigung, jede Antenne aber kostete ihre Jahresgebühr. Körperbehinderte und „wohlfahrtsunterstützte“ (also arbeitslose und verarmte) Menschen bekamen die Gebühr erlassen. Unternehmen und größere Hausgemeinschaften mit Untermietern, Hotels etc. bekamen Rabatte. Untersagt war das Verkabeln einer lizenzierten Anlage mit einer nicht lizenzierten in einem anderen Raum. Der zahlende Rundfunkhörer durfte sein Gerät bewegen und seine Antennen frei aufstellen, zum Beispiel auf dem Dach, und vor Gericht bekamen in der Regel die protestierenden Hausbesitzer nicht Recht. Wer seine Rundfunkempfangsanlage mit auf Reisen nahm, um sie etwa am Urlaubsort zu betreiben, musste sein Genehmigungsschreiben mit sich führen, um es gegebenenfalls vorzulegen.
1932 stand es dem Hörer frei, auch ausländische Sender und Versuchssender zu empfangen. Wenn er jedoch beim Wählen der Frequenz auf nicht für die Allgemeinheit bestimmte Funknachrichtendienste des Hochsee-, Presse-, Sport- und Wirtschaftsfunks stieß, durften diese „weder niedergeschrieben, noch anderen mitgeteilt, noch gewerbsmäßig verwertet werden.“ Diese kommerziellen Übertragungen für spezielle Abonnenten waren technikhistorisch Vorläufer des öffentlichen Rundfunks, medienhistorisch Vorläufer der Nachrichtenagenturen und wurden später durch Telex abgelöst.
Wer wochenlang kein Radio hörte, musste trotzdem zahlen; beim Außerbetriebnehmen der Anlage konnte monatlich gekündigt werden, jeweils bis zum 16. des Monats bei seinem Postamt. Auch die Lautstärke der Rundfunkwiedergabe wird in den Bestimmungen zur Rundfunkgenehmigung thematisiert. Bei offenem Fenster war geringe Lautstärke angeraten. Urteile wegen Ruhestörung durch „Lautsprecherlärm“ waren 1932 keine Seltenheit. Wer sich nachhaltig gestört fühlte, konnte auf Unterlassung klagen, wobei die Unterlassung sich auf die Lautstärke oder die Betriebsdauer bezog.
Für Störungen des Rundfunkempfangs übernahm die Reichspost keine Gewährleistung und verwies auf die Rundfunkgesellschaften, die verpflichtet seien, einen ordentlichen Betrieb zu sichern. Wenn allerdings eine neue Störquelle in der Nachbarschaft auftauchte, etwa durch „Polwechsler, Maschinen, Selbstanschlußämter“, konnte man die „Funkhilfe“ anrufen, und Ingenieure der Post kümmerten sich um das Problem. Umgekehrt musste der Gebührenzahler sicherstellen, dass seine (noch nicht durchgehend standardisierte) Anlage nicht andere störte, etwa den Betrieb von Fernsprechanlagen.[9]
Seit Beginn des Rundfunks gab es unterschiedliche Auffassungen über das Programm und was es kosten durfte. Gegen Ende der Weimarer Republik nahm die Unzufriedenheit der Hörer mit der Gebühr stark zu. Die Rundfunkzeitschrift Schlesische Wellen (Untertitel: Die billigste Rundfunk-Programmzeitung und das billigste Versicherungsblatt Ostdeutschlands) bescheinigte den Programmmachern und der Post als Betreiber der Sendeanlagen, auf einem „Thron der Unnahbarkeit“ zu sitzen:
- „Wachsende Unzufriedenheit der deutschen Hörer! Wieder hat eine deutsche Rundfunkzeitung einen Kampfaufruf gegen die Sonderstellung der Rundfunkgesellschaften erlassen und fordert zum Zusammenschluß aller Hörer auf, um die verantwortlichen Stellen aufmerksam zu machen, dass sie sich den Forderungen der Hörer nun lange genug verschlossen haben. […] Wenn die Hörer monatlich 2,– RM. Gebühr bezahlen, dann dürfen sie keinesfalls wie Bettler behandelt werden, indem man ihnen die Türen der Funkpaläste vor der Nase zuschlägt, vielleicht noch mit dem Bemerken: ‚Was willst Du, Hörer? Du darfst doch hören!‘“[10]
Mit Kriegsbeginn 1939 führte das NS-Regime zahlreiche neue Gesetze und Verbote ein. Eines davon war die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939; sie bedrohte das Hören ausländischer Rundfunksender mit hohen Strafen. Hörer satirischer Beiträge oder Musiksendungen wie Jazz und Swing kamen oft mit einer Verwarnung durch die Gestapo davon, mussten aber auch mit dem Einzug des Rundfunkgerätes oder einer Gefängnisstrafe rechnen. Verbreitung von abgehörten Nachrichten der Feindsender konnte mit Zuchthausstrafen oder sogar mit dem Tode bestraft werden. Der Wehrkraftzersetzungs-Paragraph wurde im Laufe des Krieges von Gerichten immer weiter ausgelegt.
Rundfunkgenehmigung in der Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland wurden Ton-Rundfunkgenehmigungen auch nach Kriegsende und in den 1950er Jahren weiterhin auf Grundlage der Bestimmungen über den Rundfunk vom 27. November 1931 (Amtsblatt des Reichspostministeriums Seite 509/1931 und Seite 141/1940) erteilt. Sie wurden von der Deutschen Bundespost (DBP) für monatlich 2 DM ausgestellt, mit einer Belehrung über die Wichtige[n] Vorschriften für den Ton-Rundfunkteilnehmer:
- 1. Als Ton-Rundfunkempfänger gelten alle Einrichtungen zum Empfang von Ton-Rundfunksendungen durch Funk oder über Draht (z. B. Ton-Rundfunkempfangsgeräte, Anschlüsse von Lautsprechern, Kopfhörern oder Verstärkern an Ton-Rundfunkempfänger oder an den Drahtfunk).
- 2. Diese Genehmigung berechtigt ihren Inhaber, einen Ton-Rundfunkempfänger zu betreiben, und zwar an einer beliebigen Stelle. Lediglich in seinem Privathaushalt auf dem umseitig angegebenen Grundstück darf er mehrere Empfänger gleichzeitig betreiben.
- 3. Für seine eigene Wohnungsgemeinschaft darf der Genehmigungsinhaber beliebig viele Lautsprecher oder Kopfhörer (Hörstellen) an seinen Empfänger anschließen. Für andere darf er dagegen höchstens 10 Hörstellen anschließen, und zwar müssen sich diese auf demselben Grundstück befinden wie der Ton-Rundfunkempfänger selbst. Der Benutzer einer solchen Fremdhörstelle muss selbst auch eine Ton-Rundfunkgenehmigung haben.
- 4. Den Beauftragten der Deutschen Bundespost ist das Betreten der Grundstücke und Räume, in denen sich Ton-Rundfunkempfangseinrichtungen befinden, jederzeit zu gestatten.
- 5. Die Ton-Rundfunkgebühr ist am Ersten jedes Monats fällig, sie wird monatlich vom Postzusteller eingezogen oder auf Antrag vom Postscheckkonto abgebucht. Die Ton-Rundfunkgebühren sind ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob die Ton-Rundfunkempfänger oder Hörstellen benutzt werden oder nicht. Vor der Aushändigung der Ton-Rundfunkgenehmigung ist die erstmals fällige Gebühr zu entrichten.
- 6. Diese Genehmigung erlischt beim Verzicht (Abmeldung) des Ton-Rundfunkteilnehmers oder beim Widerruf durch das Postamt. Verzicht nur zum Monatsende, und zwar schriftlich bis spätestens 16. des Monats! Widerruf durch das Postamt bei Verstößen gegen die Rundfunkvorschriften oder bei sonstigem Missbrauch, vor allem bei Nichtzahlung der Gebühren.
- 7. Beim Erlöschen dieser Genehmigung [sind] Ton-Rundfunkempfänger und Hörstellen sogleich außer Betrieb setzen, d. h. alle Verbindungen des Empfängers mit Antennen, Erdleitungen und Stromquellen abtrennen! Auf Verlangen des Postamts sind Antennen und Leitungen zu Hörstellen binnen einer Woche zu entfernen.
- 8. Diese Genehmigung sorgfältig aufbewahren und zusammen mit der Bescheinigung über die Zahlung der fälligen Gebühren stets bei den benutzten Empfängern oder Hörstellen bereithalten! Genehmigung und Empfangsbescheinigung auf Verlangen den Beauftragten der Deutschen Bundespost vorzeigen! Nach Erlöschen (s. 6) an das Postamt zurückgeben!
- 9. Nähere Auskunft erteilt die Rundfunkstelle des Postamts.
Zusätzlich zum Ton-Rundfunk konnte eine Fernseh-Rundfunkgenehmigung für 5 DM monatlich beantragt werden.
Bei Widersprüchen zu dem Verwaltungsakt der Gebühreneinzugs war die Oberpostdirektion zuständig, und danach gab es die Möglichkeit einer Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht.
Rundfunkermittler der Sendeanstalten hatten die Überprüfung auf Einhaltung der Betriebsbedingungen für die Rundfunkempfangsgeräte zur Aufgabe und waren in den Landesgesetzen festgelegt. Neben der Hörer-Werbung war der Ermittler vor allem mit der Ermittlung sogenannter Schwarzhörer beauftragt. Zu ihren Aufgaben gehörten Kontrollen in Haushalten und sonstige Ermittlungen zur Auffindung von Schwarzhörern, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der bei den Postbehörden befindlichen Unterlagen. Nach Feststellung eines Schwarzhörers hatte der Ermittler diesen möglichst auch zur Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Rundfunkgenehmigung und gegebenenfalls zur Gebührennachzahlung für die Zeit, in der das Rundfunkgerät ohne Genehmigung benutzt wurde, zu veranlassen. Der Ermittler erhielt für seine Tätigkeit Ende der 1950er Jahre eine Provision von 4 Deutsche Mark (DM) für jeden Antrag auf Erteilung einer Rundfunkgenehmigung und 20 Prozent des Betrages, der sich aus einer Gebührennachzahlung des neuzugeführten Hörers ergab.
Rundfunkgebühr in der DDR
In der DDR galten gemäß Rundfunk-Anordnung vom 28. Februar 1986 folgende Sätze (pro Monat):
Rundfunk | 2 Mark |
Rundfunk sowie I. Fernsehprogramm | 8 Mark |
Rundfunk sowie I. und II. Fernsehprogramm | 10 Mark |
Für ein Autoradio waren weitere 0,50 Mark zu entrichten. Zusätzlich war eine „Kulturabgabe“ von 0,05 Mark je gewähltem Satz zu zahlen. Zuständig für den Gebühreneinzug war der Postzeitungsvertrieb. Es konnten dann je Haushalt beliebig viele der entsprechenden Geräte betrieben werden, auch auf Reisen und auf dem Wochenendgrundstück. Lehrlinge, Schüler, Studenten brauchten keine Gebühren zu zahlen, wenn ihre Einkünfte die Leistungen der Sozialfürsorge nicht überschritten. Bestimmten Bürgern (Alters- und Invalidenrentner) konnten auf Antrag die Gebühren erlassen werden.
Von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag
Da sich mit den Jahrzehnten die ursprünglichen Rahmenbedingungen geändert hatten (siehe dazu auch Artikel Öffentlich-rechtlicher Rundfunk), gab es verschiedene Vorschläge zur Anpassung der Rundfunkfinanzierung.
Bekannte und von Interessengruppen vorgestellte Modelle waren haushaltsbezogen eine Rundfunkabgabe (jeder Haushalt ist gebührenpflichtig) und eine Pauschale (wie eine Kopfsteuer; jeder Erwachsene mit eigenem Einkommen ist gebührenpflichtig). Beiden ist der Verzicht auf die Feststellung vorgehaltener Rundfunkgeräte gemeinsam, was die Verwaltung vereinfacht. Jedoch wurden dadurch auch Personen zahlungspflichtig, die bisher auf Fernsehempfang oder Rundfunk insgesamt verzichteten.
Im Mai 2010 veröffentlichte Paul Kirchhof, der zuvor als Verfassungsrichter an mehreren Rundfunkurteilen mitgewirkt hatte, im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio ein Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er befand, dass die bisherige Geräteabgabe infolge der technischen Entwicklung auf dem Weg in die Verfassungswidrigkeit sei. Eine Finanzierung aus Steuermitteln wegen der geforderten „Staatsferne“ verwerfend, schlug er als einzigen Ausweg eine Änderung in eine Haushaltsabgabe vor.[11] Am 9. Juni 2010 beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder, dieses Gebührenmodell ab 2013 einzuführen.
Die Rundfunkgebühr war früher Gegenleistung für eine hoheitliche Genehmigung. Da die Abgabe nach dem neuen Modell nicht mehr von der tatsächlichen Nutzung des Rundfunks abhängt, wurde sie bei der Gelegenheit in Beitrag umbenannt.
Rundfunkgebühren bis 2012
Grundsätzlich war jeder, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithielt, zur Zahlung der Rundfunkgebühr verpflichtet. Auf die Nutzung eines Rundfunkempfangsgeräts oder die Empfangsmöglichkeit bestimmter Sender kam es dabei ausdrücklich nicht an. Unter bestimmten Voraussetzungen konnte man jedoch von der Zahlung der Rundfunkgebühren befreit werden (Art. 4 des Staatsvertrags).[12] Originalverpackt zum Kauf angebotene Geräte waren ebenfalls nicht gebührenpflichtig.
Die bisherige Gebührenbefreiung für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (z. B. Internet-PC oder internetfähiges Mobiltelefon) endete am 31. Dezember 2006. Diese seit 2007 bestehende Zahlungspflicht auch ohne Nutzung der Programme und auch für anderweitig genutzte und beruflich unverzichtbare Geräte war trotz weitgehender Gebührenbefreiung dieser Geräte ein Schwerpunkt der Kritik am System der öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung. War es zunächst noch umstritten, so hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass Rundfunkgebühren auch für internetfähige PCs zu entrichten sind.[13]
Entwicklung der Monatsgebühr |
1953 | 1970 | 1974 | 1979 | 1983 | 1988 | 1990 | 1992 | 1997 | 2001 | (2002) | 2005 | 2009 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Grundgebühr | 2,00 DM | 2,50 DM | 3,00 DM | 3,80 DM | 5,05 DM | 5,16 DM | 6,00 DM | 8,25 DM | 9,45 DM | 10,40 DM | (5,32 €) | 5,52 € | 5,76 € |
Fernsehgebühr | 5,00 DM | 6,00 DM | 7,50 DM | 9,20 DM | 11,20 DM | 11,44 DM | 13,00 DM | 15,55 DM | 18,80 DM | 21,18 DM | (10,83 €) | 11,51 € | 12,22 € |
Gesamtgebühr | 7,00 DM | 8,50 DM | 10,50 DM | 13,00 DM | 16,25 DM | 16,60 DM | 19,00 DM | 23,80 DM | 28,25 DM | 31,58 DM | (16,15 €) | 17,03 € | 17,98 € |
Rundfunkgebühren wurden prinzipiell für jedes einzelne Empfangsgerät erhoben, für Privathaushalte bestand jedoch eine weitgehende Zweitgerätebefreiung. Die monatliche Rundfunkgebühr für das Bereithalten von Rundfunkgeräten regelte sich wie folgt (Stand: 1. Januar 2009):[14]
Für Rundfunk-Radiogeräte oder neuartiges Rundfunkgerät (z. B. internetfähiger PC) oder Rundfunk-Radiogerät und neuartiges Rundfunkgerät, wurde die monatliche Grundgebühr von 5,76 Euro erhoben.
Für ein Rundfunkfernsehgerät (siehe ggf. Zweitgeräteregelung)[15] oder Fernsehgerät und Radio oder Fernsehgerät und neuartiges Rundfunkgerät oder Fernsehgerät, neuartiges Rundfunkgerät und Radio, betrug die monatliche Rundfunkgebühr 17,98 Euro, die sich aus der Grundgebühr und der Fernsehgebühr in Höhe von 12,22 Euro zusammensetzte.
Im gewerblichen Bereich, in dem für herkömmliche Empfangsgeräte keine Zweitgerätebefreiung galt, war für jedes Radiogerät jeweils eine Grundgebühr (5,76 Euro) und für jedes Fernsehgerät eine Fernsehgebühr (12,22 Euro) zu bezahlen. Waren mehr Fernsehgeräte als Radiogeräte angemeldet, so musste für die überzähligen Fernsehgeräte ebenfalls eine Grundgebühr entrichtet werden (§ 2 Abs. 2 RGebStV). Ab 2007 waren auch im gewerblichen (genauer: im nicht ausschließlich privaten) Bereich Geräte, die Rundfunk ausschließlich über das Internet empfangen können, von den Gebühren befreit, wenn auf dem Grundstück schon für andere Rundfunkempfangsgeräte Gebühren bezahlt wurde.
Rundfunkbeitrag seit 2013
Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 trat in Deutschland der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) an die Stelle des bisherigen Rundfunkgebührenstaatsvertrags.[16] Damit ersetzt ein Rundfunkbeitrag die früheren Rundfunkgebühren – im Unterschied zu einer Gebühr ist ein Beitrag grundsätzlich nicht an die tatsächliche Inanspruchnahme einer Leistung gebunden, sondern ist allein für die Möglichkeit zur Inanspruchnahme zu zahlen. Im Unterschied zu einer Steuer kann die Höhe des Rundfunkbeitrags (wie zuvor schon der Rundfunkgebühr) nicht frei vom Gesetzgeber festgesetzt werden. Das Verfahren zur Festsetzung wurde unter maßgeblichem Einfluss der Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (insbesondere: 8. Rundfunk-Urteil) entwickelt.[17]
Von 39 Euro, die Haushalte in Deutschland durchschnittlich monatlich für Medien (ohne Bücher) ausgaben, entfielen 42 Prozent auf den Rundfunkbeitrag.[18]
ab | Beitrag | Veränderung |
1. Januar 2013 | 17,98 € | ± 0,0 % |
1. April 2015 | 17,50 € | − 2,7 % |
1. August 2021 | 18,36 € | + 4,9 % |
Der Rundfunkbeitrag, ab 1. August 2021 in Höhe von 18,36 Euro monatlich (bis März 2015: 17,98 Euro; bis Juli 2021: 17,50 Euro) wird gemäß § 2 Abs. 1 RBStV als Pauschale von jedem beitragsschuldigen Inhaber einer Wohnung erhoben, unabhängig davon, ob und wie viele Rundfunkgeräte vorhanden sind und welche Leistungen der Rundfunkanstalten (Programme, Übertragungstechniken) örtlich konkret zugänglich sind. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Bundesmeldegesetz gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Eine Beitragsschuld ergibt sich allein daraus, dass eine beliebige Möglichkeit des Rundfunkempfangs besteht, was auch ohne das tatsächliche Vorhandensein von Empfangsgeräten (Rundfunk- und Fernsehgeräten) in einer Wohnung der Fall sein soll. Da jedoch nach § 2 Abs. 3 RBStV mehrere Beitragsschuldner (= Wohnungsinhaber / Mieter) als Gesamtschuldner haften, fällt für jede Wohnung unabhängig von der Zahl der Mitbewohner nur ein von einem der Beitragsschuldner – dessen Auswahl steht im Ermessen der Wohngemeinschaft – zu entrichtender Rundfunkbeitrag an. Der Beitrag deckt auch die privaten Fahrzeuge aller Beitragsschuldner mit ab, nicht jedoch Zweit- und Nebenwohnungen sowie privat genutzte Ferienwohnungen. Für vermietete Ferienwohnungen wird der ermäßigte Satz von 5,83 Euro erhoben (bis März 2015: 5,99 Euro).[19] In seinem Urteil vom 18. Juli 2018 hat das Bundesverfassungsgericht die Beitragspflicht für Zweitwohnungen für verfassungswidrig erklärt.[20]
Wer bestimmte Bedingungen erfüllt, kann sich als Beitragsschuldner von der Zahlung des Rundfunkbeitrags befreien lassen. Dies gilt etwa für Menschen, die staatliche Sozialleistungen wie zum Beispiel Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung erhalten oder Empfänger von Ausbildungsförderung sind. Behinderte mit dem Merkzeichen RF im Schwerbehindertenausweis zahlen ein Drittel der Gebühr. Taubblinde und Empfänger von Blindenhilfe sind von ihr befreit. Besondere Härtefälle können auch zur Beitragsbefreiung führen.[21][22] Pflegeheime werden als Gemeinschaftsunterkünfte angesehen, womit der Beitrag entfällt.[23]
Institutionen und Betriebe
Wie im alten Finanzierungsmodell sind seit 2013 neben Privatpersonen auch Institutionen und Betriebe grundsätzlich beitragspflichtig. Für die Anzahl der pro Betriebsstätte zu entrichtenden Beitragssätze sind dabei die Art der Einrichtung und die Zahl der dort Beschäftigten relevant, außerdem die Anzahl der zugehörigen Fahrzeuge beziehungsweise der vermieteten Zimmer oder Wohnungen.
Laut Berechnung einer Wirtschaftszeitung und von Wirtschaftsverbänden kann der neue Rundfunkbeitrag für einzelne Unternehmen im Extremfall 17-fach höher ausfallen als die alten Gebühren. Übernachtungsstätten zahlen je Zimmer die ermäßigte Gebühr von 5,83 Euro pro Monat.[24]
Zu den Klagen, die Aufsehen erregten und abgewiesen wurden, zählen die der Drogeriekette Rossmann, des Autovermieters Sixt und des Discounters Netto.[25][26]
Anzahl Beschäftigte pro Betriebsstätte | Staffel | Anzahl der Beiträge | monatliche Beitragshöhe in Euro |
dreimonatliche Beitragshöhe in Euro |
---|---|---|---|---|
0 bis 8 | 1 | 1/3 | 5,83 | 17,49 |
9 bis 19 | 2 | 1 | 17,50 | 52,50 |
20 bis 49 | 3 | 2 | 35,00 | 105,00 |
50 bis 249 | 4 | 5 | 87,50 | 262,50 |
250 bis 499 | 5 | 10 | 175,00 | 525,00 |
500 bis 999 | 6 | 20 | 350,00 | 1.050,00 |
1.000 bis 4.999 | 7 | 40 | 700,00 | 2.100,00 |
5.000 bis 9.999 | 8 | 80 | 1.400,00 | 4.200,00 |
10.000 bis 19.999 | 9 | 120 | 2.100,00 | 6.300,00 |
ab 20.000 | 10 | 180 | 3.150,00 | 9.450,00 |
Beherbergungsbeitrag
Auch Jugendherbergen und vergleichbare Einrichtungen fallen grundsätzlich unter die Gebührenpflicht. Laut der Schätzung eines Fachverbandes würden durch die neue Beitragsordnung jährlich etwa 18 Millionen Euro für die etwa 250.000 Jugendgästezimmer ohne Fernseher in Deutschland anfallen.[24] Allgemein sind nun auch solche gemeinnützige Einrichtungen und Vereine beitragspflichtig, die bisher von der Rundfunkgebühr befreit waren. Auch mit der Umstellung auf das Beitragsmodell gibt es in Ausnahmefällen weiterhin vollständige Beitragsbefreiungen.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Verfahren mit dem Aktenzeichen BVerwG 6 C 32.16 Ende September 2017, dass der Rundfunkbeitrag für Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen (Beherbergungsbeitrag) nur erhoben werden darf, wenn die Zimmer und Wohnungen auch eine Empfangsmöglichkeit bieten. Nur dann sei die Zahlung des zusätzlichen Rundfunkbeitrags mit dem Grundgesetz vereinbar. Ausgangspunkt des Verfahrens war die Betreiberin eines Hostels, die sich weigerte, neben dem allgemeinen Rundfunkbeitrag für Betriebsstätten den zusätzlichen Beitrag für Gästezimmer zu zahlen. Sie hatte ins Feld geführt, dass es in den Zimmern keine Fernseher, Radios und keinen Internetempfang gebe. Während sie mit ihrer Argumentation in den Vorinstanzen verlor, gab ihr das Bundesverwaltungsgericht Recht.[27][28]
Beitragseinnahmen
Erklärtes Ziel der an der Entwicklung und der gesetzlichen Umsetzung des geänderten Finanzierungsmodells Beteiligten war die sogenannte Aufkommensneutralität – also dass nicht wesentlich mehr oder weniger Geld eingenommen wird als unter dem alten Modell.[29] Der von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten berechnete, den Rundfunkanstalten zur Deckung ihres Bedarfs zustehende Betrag blieb gegenüber dem bisherigen Modell identisch. Nach dem alten empfangsgerätebasierten Rundfunkgebühren-Modell bis 2012 gab es in abgeschlossenen Gebührenperioden gegenüber dem genehmigten Bedarf der Sender noch Fehlbeträge bis 304 Millionen Euro.[30] Den vorab genehmigten Bedarf übersteigende Beitragseinnahmen sollte nach dem KEF-Verfahren mit dem Bedarf zukünftiger Jahre verrechnet werden, die Rundfunkanstalten dürften also auch bei höheren Einnahmen nicht mehr Geld ausgeben als bisher.[31] Die Kosten für die GEZ beliefen sich im Jahre 2008 auf 2,26 % des Aufkommens.
Die Erträge verteilten sich auf die einzelnen Rundfunkanstalten wie folgt:
Rundfunkanstalt | 2014[32] | 2019[33] | ||
---|---|---|---|---|
enthaltener Anteil Landesmedienanstalten |
Gesamteinnahmen | enthaltener Anteil Landesmedienanstalten |
Gesamteinnahmen | |
Bayerischer Rundfunk | 25.314.502,79 | 981.498.511,82 | 24.992.881,10 | 956.466.918,71 |
Hessischer Rundfunk | 11.736.791,46 | 455.021.029,87 | 11.270.266,10 | 431.627.194,69 |
Mitteldeutscher Rundfunk | 16.684.713,71 | 646.137.515,38 | 15.964.490,79 | 611.970.095,48 |
Norddeutscher Rundfunk | 27.483.244,76 | 1.063.855.024,81 | 26.415.961,06 | 1.011.938.129,44 |
Radio Bremen | 1.221.522,78 | 47.993.576,27 | 1.174.982,14 | 45.051.412,47 |
Rundfunk Berlin-Brandenburg | 11.436.527,89 | 443.161.968,58 | 11.311.412,92 | 433.392.232,83 |
Saarländischer Rundfunk | 1.925.166,16 | 74.290.372,47 | 1.773.405,41 | 67.970.040,84 |
Südwestrundfunk | 28.418.637,95 | 1.099.508.585,52 | 27.535.213,67 | 1.054.895.144,53 |
Westdeutscher Rundfunk Köln | 33.034.204,33 | 1.278.930.441,04 | 31.728.357,44 | 1.215.678.254,76 |
ARD (insgesamt) | 157.255.311,83 | 6.090.397.025,76 | 152.166.970,63 | 5.828.989.423,75 |
Zweites Deutsches Fernsehen | 2.020.555.631,62 | 2.008.636.510,82 | ||
Deutschlandradio | 213.311.115,31 | 230.492.030,55 | ||
Gesamt | 8.324.263.772,69 | 8.068.117.965,12 |
Aufgrund des neuen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrags gingen Experten der deutschen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten jedoch von Mehreinnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro in der laufenden Gebührenperiode bis 2016 aus.[34][35][36]
Nach Angaben auf der Internetseite des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice werden Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen nicht per E-Mail,[37] sondern nach wie vor mit der Briefpost verschickt. Mit jedem Festsetzungsbescheid nach Zahlungsverzug entsteht ein Säumniszuschlag von 1 Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens jedoch 8 Euro.
Kritik am Rundfunkbeitrag
Bereits im vergangenen Jahrtausend gab es zahlreiche private Aktivitäten und Initiativen, die sich gegen die frühere Rundfunkgebühr wendeten und beispielsweise juristisch oder mit Schriften publizistisch dagegen vorgingen. Mit dem Aufkommen des Internets erweiterten sich diese Aktivitäten auf das Betreiben von Websites zum Publizieren oder dem Unterhalt von Webforen, die sich gegen die Rundfunkgebühr richteten. Solche Aktivitäten wurden beim Übergang zum Rundfunkbeitrag einerseits fortgeführt, andererseits entstanden neue Aktivitäten und neue Websites.
Zahlreiche Zeitungen begleiteten die Einführung des von den Bundesländern beschlossenen Rundfunkbeitrags mit harter Kritik an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.[38] Einige Berichte, so die Rundfunkanstalten, hätten sachliche Fehler und teilweise grobe Unwahrheiten enthalten;[39] ARD, ZDF und unabhängige Medienexperten und Fachjournalisten forderten eine Versachlichung der Diskussion.[40][41] Einige warfen den Zeitungen Bild und Handelsblatt Propaganda gegen ARD und ZDF vor.[42][43][44] Die Stadt Köln vermeldete Ende Januar 2013 zwischenzeitlich, die Zahlungen von Rundfunkbeiträgen einzustellen, da sich die Neuregelung als „bürokratischer Irrsinn“ erwiesen habe.[45] Wenige Tage darauf schloss sie jedoch mit dem WDR einen Kompromiss zur Unterstützung bei der Beitragsberechnung und nahm ihre Ankündigung zurück.[46]
Im März 2013 demonstrierten in mehreren Städten Deutschlands Menschen gegen den Rundfunkbeitrag.[47]
Mitte März 2014 beschlossen die Länder-Ministerpräsidenten eine Senkung des Monatsbeitrages um 48 Cent auf 17,50 Euro. Die Gebührenkommission KEF hatte zuvor vorgeschlagen, diesen um 73 Cent pro Monat zu senken. Bei der Berechnung der 73 Cent ließ sie die Hälfte des 1,15-Milliarden-Euro-Überschusses zwischen 2013 und 2016 als „Sicherheitsreserve“ bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ohne selbige wäre die empfohlene Senkung also noch höher gewesen). Die FAZ kritisierte, „dass die Öffentlich-Rechtlichen [trotzdem] von ihrer vermeintlichen Finanzmisere reden“.[48]
FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube schrieb im August 2017, das „Gros des zwangsfinanziert Ausgestrahlten“ habe „nichts mit der Demokratie, einem Bildungsauftrag oder auch nur dem Anregen von Gedanken zu tun, die anders als durch immer höhere Pflichtabgaben nicht zu haben wären“. Er kritisierte „das Für-dumm-Verkaufen der Bürger, sie hätten das alles unabhängig von der Nutzung teuer – etwa mit Versorgungsleistungen oft deutlich über denen des öffentlichen Dienstes, wie die Finanzkontrolleure seit Jahren monieren – zu bezahlen, weil sonst das Gemeinwesen gefährdet wäre“. Die Behauptung, man brauche „das viele Geld und immer mehr davon, um die Grundversorgung der Demokratie zu gewährleisten“, sei impertinent.[49]
In einer Umfrage vom Mai 2018 gaben 58 Prozent der Befragten an, dass sie auch ohne Pflicht zum Rundfunkbeitrag diesen freiwillig – in unterschiedlicher Höhe – entrichten würden.[50] Bei einer im Februar 2016 veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA sprachen sich 69,4 Prozent der Befragten für die Abschaffung des Rundfunkbeitrags aus. 12,6 Prozent waren für eine Beibehaltung.[51]
In seinem Jahresbericht 2019 kritisierte der Bundesrechnungshof die Steuervorteile der Rundfunkanstalten. Dadurch hätte der deutsche Staat die Öffentlich-Rechtlichen mit 55 Millionen subventioniert, die ihnen nach Ansicht des Rechnungshofes nicht zustehen. Zuletzt nahmen die Rundfunkanstalten jährlich 7,8 Milliarden unversteuert ein. Die Pauschale ist in den letzten 20 Jahren nicht angepasst worden und sei laut Bundesstelle zu niedrig.[52]
Im Jahr 2019 blieben nach Angaben von ARD und ZDF rund 3,57 Mio. Personen den Rundfunkbeitrag schuldig, 70 000 mehr als 2018.[53] Kritik gibt es an der Verwendung des Rundfunkbeitrags für die Gehälter u. a. der Intendanten und die Altersversorgung. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird aber auch unausgewogene Berichterstattung und eine Loslösung von seinem Auftrag zur Grundversorgung und dem gesetzlich definierten Programmauftrag durch immer mehr Radio- und Fernsehprogramme und Internetangebote vorgeworfen.[54][55][56]
Gerichtsverfahren
Gegen den Rundfunkbeitrag wurden seit 2012 bei mehreren Gerichten zahlreiche Klagen anhängig gemacht, die sich unter anderem sowohl auf den Gleichheitsgrundsatz als auch auf die Zuständigkeit der Bundesländer bezogen, die die Kläger verletzt sahen[57] und größtenteils abgewiesen wurden[58] oder noch nicht abgeschlossen sind. Im Jahr 2016 wurden etwa 4000 Klagen gegen den Rundfunkbeitrag eingereicht.[59] Die weitaus meisten blieben aber erfolglos: „Die Verfassungsmäßigkeit ist für das Gericht geklärt, so dass auch die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht abgewartet wird“, teilte ein Gerichtssprecher des Verwaltungsgerichts in Schleswig mit.[60] Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dagegen hat im April 2017 mehrere Verfahren bezüglich der Rechtmäßigkeit der Rundfunkbeiträge bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt.[61][62] Auch das Verwaltungsgericht Göttingen hat ein Verfahren aus dem gleichen Grund im Oktober 2017 ausgesetzt.[63]
- Verfassungsmäßigkeit
Die Verfassungsbeschwerde eines nach eigenen Angaben strenggläubigen Christen, der vortrug, jede Form von Rundfunk aus religiösen Gründen abzulehnen und außerdem in sehr bescheidenen Verhältnissen zu leben, nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an, da zunächst der verwaltungsgerichtliche Klageweg zu beschreiten sei. Zudem wies es in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2012 darauf hin, „dass nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des RBStV die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien hat“. Satz 2 der Vorschrift nenne zwar ein Beispiel eines Härtefalls, enthalte jedoch keine abschließende Aufzählung, so dass andere Härtefallgesichtspunkte ebenso geltend gemacht werden könnten. Es sei jedenfalls auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer mit einem solchen Härtefallantrag, bei dem er seine religiöse Einstellung und seine gesamten Lebensumstände darlegen könnte, eine Beitragsbefreiung erreichen könne.[64]
Am 15. Mai 2014 urteilte der Bayerische Verfassungsgerichtshof, der Rundfunkbeitrag sei verfassungsgemäß.[65] Die Popularklagen der Drogeriekette Rossmann und des Rechtsanwalts Ermano Geuer (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) wurden abgewiesen.[66] Mit Urteil vom 13. Mai 2014 wies der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VGH B 35/12) eine Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, der als Art. 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 17. Dezember 2010 mit dem Landesgesetz zu dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 23. November 2011 (GVBl. 385) gemäß Art. 101 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – in das Landesrecht übernommen wurde, ab.[67]
In einem Urteil vom 17. Juni 2015 wies das Verwaltungsgericht München eine Klage gegen den Bayerischen Rundfunk ab, die sich gegen die Rundfunkbeitragspflicht für eine beruflich bedingte Zweitwohnung richtete. Im privaten Bereich sei nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber als Beitragsschuldner ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Das Gesetz unterscheide in § 2 Abs. 1 RBStV – anders als noch im Rundfunkgebührenrecht – nicht mehr zwischen Haupt-, Neben-, Zweit- oder Ferienwohnung. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Der Kläger werde in seinen Rechten nicht verletzt und habe auch keinen Anspruch auf Befreiung oder Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht, weil er nicht vorgetragen habe, die Befreiungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 RBStV zu erfüllen.[68]
Das Bundesverwaltungsgericht erklärte den Beitrag in seinem Urteil vom 18. März 2016 für rechtmäßig.[69][70] Gegen dieses Urteil wurde Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben.[71] Im Januar 2017 waren beim Bundesverfassungsgericht mindestens 50 Verfassungsbeschwerden gegen den Rundfunkbeitrag anhängig,[72] im Juni 2017 waren es über 100.[73]
Im Verfahren mit dem Aktenzeichen BVerwG 6 C 32.16 entschied das Bundesverwaltungsgericht Ende September 2017 jedoch, „dass die Erhebung des zusätzlichen Rundfunkbeitrags für Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen (Beherbergungsbeitrag) nur in denjenigen Fällen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, in denen der Betriebsstätteninhaber durch die Bereitstellung von Empfangsgeräten oder eines Internetzugangs die Möglichkeit eröffnet, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot in den genannten Räumlichkeiten zu nutzen.“[27] Es ist das erste Verfahren, in dem ein Einspruch gegen den Rundfunkbeitrag Erfolg hatte.[28] Das Bundesverwaltungsgericht stellte damit anders als in seinen bisherigen Urteilen erstmals auf die Empfangbarkeit ab.[28][74]
Der allgemeinen Kritik steht die Begründung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 18. Juli 2018[20] gegenüber: „In der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Funktion als nicht allein dem ökonomischen Wettbewerb unterliegender, die Vielfalt in der Rundfunkberichterstattung gewährleistender Anbieter, der durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orientierungshilfe bietet, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags als Beitrag rechtfertigende individuelle Vorteil.“ Die Richter schätzen also den Anteil an dem Allgemeinwohl dienenden Informationen im Programm als hoch genug ein, die Abgabe zu rechtfertigen. Den Rundfunkbeitrag erklärte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorsitz von Ferdinand Kirchhof im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen für mit dem Grundgesetz vereinbar.[75][76][77]
Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar sei allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist. Niemand könne an zwei Orten gleichzeitig Rundfunk nutzen. Den zuständigen Landesgesetzgebern wurde aufgegeben, diesbezüglich bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.[20][78] Zwei Beschwerdeführer lehnten Ferdinand Kirchhof wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da sich sein Bruder Paul Kirchhof in einem Gutachten für den Rundfunkbeitrag aussprach.[11] Mit Beschluss vom 24. April 2018 wurde der Antrag vom Ersten Senat unter Ausschluss des abgelehnten Richters als unbegründet zurückgewiesen.[79][80][81]
- Vereinbarkeit mit Unionsrecht
Das Landgericht Tübingen machte im August 2017 eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH),[82] bei der die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrages mit Unionsrecht in mehreren Punkten überprüft werden sollte.[83] Die Bearbeitung durch den EuGH dauert im Schnitt 15 Monate.[84] Mit Urteil vom 13. Dezember 2018 erklärte der EuGH in der Rechtssache C-492/17 den deutschen Rundfunkbeitrag für mit dem Unionsrecht vereinbar. Der Gesetzgeber sei aus EU-rechtlicher Sicht nicht gehindert gewesen, eine Rundfunkgebühr, die am Besitz eines Empfangsgeräts anknüpft, durch einen Rundfunkbeitrag des Wohnungsinhabers zu ersetzen. Damit sei insbesondere „keine Änderung einer bestehenden Beihilfe verbunden gewesen, die das Unionsrecht untersagt hätte.“ Im Übrigen stehe das Unionsrecht auch den besonderen Befugnissen der Rundfunkanstalten bei der Vollstreckung ihrer Forderungen wegen ausstehender Rundfunkbeiträge nicht entgegen.[85][86][87][88]
- Zwangsvollstreckungsverfahren
In einem Beschluss vom 11. Juni 2015 (I ZB 64/14) hatte der Bundesgerichtshof auf Rechtsbeschwerde festgestellt, dass das Vollstreckungsersuchen einer Landesrundfunkanstalt auch dann den gesetzlichen Anforderungen für die Vollstreckung von Rundfunkgebührenbescheiden genügt, wenn die im Ersuchen mit ihrem Namen aufgeführte Landesrundfunkanstalt nicht ausdrücklich als Gläubigerin der Forderung genannt ist und auch die Angabe ihrer Anschrift, ihrer Rechtsform und ihrer Vertretungsverhältnisse fehlen.[89]
Mit Beschluss vom 9. September 2015 (5 T 162/15) hob das Landgericht Tübingen auf sofortige Beschwerde eines Beitragsschuldners einen Beschluss des Amtsgerichts Tübingen (2 M 715/15) auf und erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen für unzulässig. Das Gericht führt im Beschluss aus, dass sich im Kopf des Vollstreckungsersuchens links nur das Wort „Südwestrundfunk“, ohne Angabe von Rechtsform und Anschrift, und rechts das Logo des „ARD ZDF Deutschlandradio – Beitragsservice“ nebst sämtlichen Adress- und Kontaktdaten befinde. Auf Seite 2 des Vollstreckungsersuchens finde sich die Grußformel „Mit freundlichen Grüßen Südwestrundfunk“, Seite 3 schließe nach der Aufstellung betreffend Festsetzungsbescheiden mit einem Hinweis auf die elektronische Datenverarbeitungsanlage. Es würden Zahlungsrückstände und „Bescheide“ aufgelistet, ohne jedoch in der Aufstellung eine erlassende Behörde anzugeben.[90] Die Apostrophierungen entsprechen dem Beschlusstext des Gerichtes.
In einem Beschluss ebenfalls des Landgerichts Tübingen vom 16. September 2016 (5 T 232/16)[91], in dem es sich auch mit Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und Verwaltungsgerichten aller Instanzen zum Rundfunkbeitrag ausführlich auseinandersetzte, hob es einen Beschluss des Amtsgerichts Bad Urach auf und erklärte die Zwangsvollstreckung aufgrund von Zustellungsmängeln (vgl. Zustellung (Deutschland) und Pfändungspfandrecht) für unzulässig. In Baden-Württemberg erfülle mangels Geltung des LVwVfG (vgl. Verwaltungsverfahrensgesetz und Landesverwaltungsverfahrensgesetz) für die Rundfunkanstalten nicht die Voraussetzungen für die Zugangsvermutung und damit die wirksame Bekanntgabe des Bescheides zur Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge. Vollstreckungsbehörde war der Südwestrundfunk (SWR).
In der Entscheidung heißt es: „Bei dem Rundfunkbeitrag gemäß § 2 RBStV könnte es sich nämlich um eine Steuer handeln, womit dem Land die Gesetzgebungszuständigkeit (vgl. Ausschließliche Gesetzgebung und Konkurrierende Gesetzgebung) fehlen würde. Tatsächlich könnte der Rundfunkbeitrag die Voraussetzungen einer Steuer erfüllen, da er faktisch voraussetzungslos erhoben wird. Sein Anknüpfungspunkt, das Tatbestandsmerkmal des Innehabens einer Wohnung, bedeutet bei nüchterner Betrachtung gerade die Heranziehung eines jeden Bürgers, nachdem ausweislich Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung[92] 2010 weniger als 0,03 % der Bevölkerung außerhalb einer Wohnung auf der Straße lebten (und dieser polizeiwidrige Zustand zudem zur Wohnungszuweisung führen kann). Gegen die Qualifizierung als Beitrag – für die Bereitstellung der bloßen Konsummöglichkeit – spricht zudem die Ausgestaltung in der Art, dass ein Mensch auch mehrfacher Beitragsschuldner, trotz in ihm veranlagter nur einmaliger Nutzungsmöglichkeit, sein kann.“
Das Landgericht Tübingen stellte jedoch klar, dass der obsiegende Beitragsschuldner ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass diese Entscheidung auf vollstreckungsrechtlichen Erwägungen beruht und die Beitragspflicht nach verfassungs- und verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung davon nicht berührt wird.
Die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wurde zugelassen, weil dadurch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Bundesgerichtshof/Bundesfinanzhof) zur Frage des primären Leistungsbescheides ebenso ermöglicht werde wie zur Frage des Umfangs und der Anwendbarkeit nicht normierter Regeln im Verwaltungsverfahrensrecht.[91]
Rechtsgutachten
In ihrer im Mai 2013 veröffentlichten Dissertation kam eine ehemalige Mitarbeiterin des Norddeutschen Rundfunks zu dem Schluss, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine Steuer oder Gemeinlast, nicht um eine Gebühr oder einen Beitrag handelt.[93][94] Eine Steuer hätten die Ministerpräsidenten nach herrschender Meinung nicht beschließen dürfen. Im Handbuch des Staatsrechts Isensee/Kirchhof, Band 5, Seite 1139, schrieb Paul Kirchhof dazu: „Eine Abgabe ist jedenfalls immer dann eine Steuer und kein Beitrag, wenn sie Begünstigte und Nichtbegünstigte zur Finanzierung einer staatlichen Leistung heranzieht“.
In einem Rechtsgutachten (Universität Leipzig 2013, Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder)[95] nahm Christoph Degenhart nicht nur zum Betriebsstättenbeitrag, sondern auch dem privaten Haushaltsbeitrag, Grundrechtsfragen in materieller und formeller Hinsicht sowie der „nicht widerlegbaren gesetzlichen Vermutung einer Rundfunknutzung“ in sogenannten Raumeinheiten im gewerblichen und privaten Bereich Stellung.
Im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio erstellte nicht nur Paul Kirchhof[11], sondern auch Hanno Kube im Juni 2013 unter dem Titel „Der Rundfunkbeitrag – Rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche Einordnung“ ein Rechtsgutachten. Im Resümee heißt es unter anderem, dass ein zukunftsfähiger Beitragstatbestand sich vom Gerätebezug lösen und sich stattdessen dem Menschen als Informationsempfänger im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 Grundgesetz zuwenden müsse. Beitragspflichtig müsse danach im Grundsatz das jedem einzelnen Volljährigen unterbreitete Rundfunkangebot gestellt werden, ungeachtet der genutzten Empfangstechnik.
Eine realitätsgerechte Abgabenerhebung werde den Menschen im Rahmen der im typischen Fall anzutreffenden Empfangsgemeinschaft des Haushalts zu erfassen suchen. Auf die Adresseneinheit des Haushalts drängten ebenso verfassungsrechtliche Wertungen aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz, schließlich auch Gesichtspunkte der Praktikabilität. Schon im System der Rundfunkgebühr sei der Haushalt im Tatbestand der Wohnung typisiert worden. Dies erscheine sachgerecht, zumal dadurch die Privatsphäre der Haushaltsgemeinschaft gesichert werde. Das neue Recht, das auf den Tatbestand der Wohnung aufbaut, entspreche diesen Vorgaben. Die Beitragspflicht von Zweitwohnungen rechtfertige sich durch die erheblichen Schwierigkeiten, im Vollzug einzelfallgenau zwischen echten Erst- und Zweitwohnungen zu unterscheiden. Die Höhe des Beitrags und das Verfahren der Bedarfsfestsetzung und gegebenenfalls Beitragsanpassung erscheine sachgerecht. Es bleibe jedoch Aufgabe der Anstalten, ihre Bedarfe unter den Gesichtspunkten von Grundversorgung und Entwicklungsoffenheit einerseits, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit andererseits kontinuierlich zu prüfen und in den Begründungen transparent zu machen. Auch die sonstigen, im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag enthaltenen Regelungen abgabenschuldrechtlicher und verfahrensrechtlicher Art erschienen angemessen und verfassungsrechtlich unproblematisch. Nur an wenigen Stellen offenbare sich vornehmlich regelungstechnischer Nachbesserungsbedarf.[96]
Im Jahr 2014 wurde auch ein Gutachten des wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht, das im Ergebnis eine Reform des Rundfunksystems fordert. So lägen die Kosten für den Rundfunk mit 94 Euro pro Person und Jahr weit über dem internationalen Durchschnitt. Die technischen Gründe, mit denen einst das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerechtfertigt wurde, seien in der heutigen Zeit „weitgehend verblasst“ und gebe es „angesichts der technischen Entwicklung […] kaum noch Gründe, warum der Rundfunkmarkt wesentlich anders organisiert sein sollte als der Zeitungsmarkt“. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten künftig nur noch für solche Sendungen zuständig sein, die private Sender nicht von sich aus anbieten würden. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten sich durch Steuern sowie über eine „moderne Nutzungsgebühr“ finanzieren, die nur noch dann erhoben werde, wenn öffentlich-rechtliche Sender auch tatsächlich genutzt würden.[97][98]
Dieses Gutachten bezweifelt auch die Rechtfertigung für die große Zahl von Unterhaltungssendungen im Fernsehen, zählt Sportsendungen zu den teuersten Programmbereichen und empfiehlt,
- öffentlich-rechtlich nur da aufzutreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot klare Defizite aufweist,
- im öffentlichen Rundfunk auf die Werbefinanzierung komplett zu verzichten,
- sich entweder für eine klare Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt oder für eine moderne Nutzungsgebühr zu entscheiden und
- größere Transparenz durch die Publikation von Kenngrößen zu schaffen.[99]
Im Jahr 2015 erstellte das Institute for Competition Economics der Universität Düsseldorf ein Gutachten, welches das libertäre Freiheitsinstitut Prometheus – das mit einer Kampagne und Petition gegen den „Zwangsbeitrag“ der Rundfunkgebühren mobil machte – in Auftrag gegeben hatte. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkbeitrag abgeschafft und die öffentlich-rechtlichen Sender weitgehend privatisiert werden sollten. So wurde laut Gutachten die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit verschiedenen Marktversagenstheorien begründet, die heute nicht mehr anwendbar seien. Es gebe mittlerweile „ein äußerst umfangreiches Programmangebot mit etwa 400 Fernsehsendern in Deutschland, zahlreichen Video-on-Demand-Angeboten und neuen Kommunikationskanälen“. Die Meinungsvielfalt habe „insbesondere durch das Internet ein zuvor nicht dagewesenes Ausmaß erreicht“.[100]
Entwicklung seit 2019
Index-Modell, Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Ende Mai 2019 kam die Umstellung des Rundfunkbeitrags auf ein „Index-Modell“ ins Gespräch, wonach als Basiswert für die künftige Berechnung des Rundfunkbeitrags in Anlehnung an die Entwicklung der Inflation 18,35 Euro angestrebt seien. Unter Umständen hätte dies zu unvorhersehbaren Steigerungen geführt.[101][102] Bei einem Treffen der Ministerpräsidenten am 6. Juni 2019 konnte ein entsprechender Konsens nicht erzielt werden.[103] Kritik am Indexmodell kam u. a. vom KEF-Vorsitzenden Heinz Fischer-Heidlberger: „Zu glauben, man könne Beitragsstabilität durch eine Indexierung erreichen, das geht nicht“. Der Finanzbedarf der Sender und ein Indexverfahren passten nicht zusammen. Entweder sei der Index zu hoch im Verhältnis zum Bedarf der Sender oder umgekehrt. Im letzteren Fall wären die öffentlich-rechtlichen Anstalten unterfinanziert. Befürchtet werde zudem, dass sich dieses Modell auf ein Schrumpfen der Anstalten hinausläuft, weil die Teuerungsraten und Tarifabschlüsse bei den Sendern schon seit Langem über dem Verbraucherpreisindex lägen.[104][102] Fraglich sei auch, inwieweit verfassungs- und europarechtliche Fragen zu beantworten sind.[105][106]
Der der KEF zur Prüfung vorgelegte ungedeckte Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Sender für die Jahre 2021 bis 2024 betrage insgesamt drei Mrd. Euro. Die ARD wolle 1,84 Mrd. Euro zusätzlich, das ZDF 1,06 Mrd. Euro und das Deutschlandradio 104 Mio. Euro. Derzeit nähmen die Sender rund 8 Mrd. Euro pro Jahr an Rundfunkbeiträgen ein.[107][108] Die Kommission habe eine Finanzlücke von gut 1,5 Milliarden Euro ausgemacht, aber dennoch Sparmaßnahmen gefordert.[109]
Folgen der COVID-19-Pandemie
Am 15. Mai 2020 wurde über einen Entscheid der neun ARD-Landesrundfunkanstalten, des ZDF und des Deutschlandradios berichtet. Dieser beinhalte, dass es beim Rundfunkbeitrag einen „Corona-Rabatt“ für Unternehmen geben soll. Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen des Gemeinwohls könnten eine Freistellung beantragen, wenn eine Betriebsstätte aufgrund einer behördlichen Anordnung mindestens drei zusammenhängende volle Kalendermonate geschlossen war. Bisher habe eine dreimonatige Schließzeit nur für Saisonbetriebe wie Eisdielen oder Pensionen als Grund gegolten, sich befreien zu lassen, und dies auch nur, wenn zuvor ein Antrag gestellt wurde. Nun sei auch eine rückwirkende Befreiung möglich. Haushalte, die aufgrund der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, hätten die Möglichkeit, mit dem Beitragsservice Zahlungserleichterungen in Form einer Ratenzahlung oder Stundung zu vereinbaren.[110]
Am 18. Mai 2020 wurden genauere Modalitäten zum Rundfunkbeitrag für Betriebsstätten während der Corona-Krise bekannt. Danach können sie, wenn sie mindestens drei Monate schließen mussten, ihre Rundfunkbeiträge rückwirkend zurückbekommen. Voraussetzung für eine Freistellung ist jedoch, dass es eine behördliche Anordnung der Schließung gab, diese mindestens drei zusammenhängende, volle Kalendermonate dauerte und der Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt werden musste. Bei Außerhausverkauf von Speisen und Getränken oder bei einer reduziert geöffneten Verkaufsfläche gelte die Freistellung nicht. Ein Antrag könne auch erst gestellt werden, wenn die Schließung beendet ist.[111][112] Am 26. November 2020, also während des Teil-Lockdowns, wurde über weitere Zugeständnisse an Betriebsstätteninhaber während der Corona-Krise berichtet. Bisher konnten sich Unternehmen und Institutionen, auch solche die im Gemeinwohl tätig sind und mindestens drei Monate zwangsweise geschlossen waren, vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. ARD, ZDF und Deutschlandradio hätten sich darauf geeinigt, dass dies nun auch in erweiterter Form möglich ist. Anders als bislang müsse der Schließungszeitraum nicht mehr aus drei vollen, zusammenhängenden Kalendermonaten bestehen, sondern könnten Unternehmen sämtliche Tage, an denen eine Betriebsstätte geschlossen war, zusammenrechnen.[113][114]
Geschäftsbericht für das Jahr 2019
Am 23. Juni 2020 stellte der Beitragsservice seinen Geschäftsbericht für das Jahr 2019 vor. Die Frage, ob und inwieweit die Corona-Pandemie diese Zahlen in Zukunft beeinflussen wird, konnte dabei nicht beantwortet werden. Dass es Auswirkungen gebe, durch mehr Befreiungen oder weniger Betriebsstätten, sei jedoch anzunehmen. Diese würden sich aber erst im Laufe des nächsten Jahres bemerkbar machen, weil etwa der Bezug von Sozialleistungen Voraussetzung für eine Beitragsbefreiung von Privatpersonen ist. Unklar sei auch, wie viele Betriebe überhaupt von vorübergehenden oder endgültigen Schließungen betroffen sind.
Die Gesamterträge stiegen 2019 um etwa 60 Mio. Euro auf 8,0681 Mrd. Euro. Hauptursache war der Meldedatenabgleich aus dem Jahr 2018. Auf diesem Weg wurden etwa 500.000 neue Beitragszahler aufgespürt. Die Zahl der angemeldeten Wohnungen betrug Ende 2019 rund 39,9 Millionen, die der Betriebsstätten stieg um 1,7 Prozent auf 3.956.095. Bis Ende 2019 stieg die Anzahl der Personen, die von der (verfassungswidrigen) Rundfunkbeitragspflicht für Nebenwohnungen zu befreien waren, auf rund 131.000. In etwa gleich blieben mit 174,6 Mio. Euro die Kosten des Beitragsservice selbst, was 2,16 Prozent der Gesamterträge ausmachte.
Bei der Vorstellung des Geschäftsberichts hieß es, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) zu prüfen habe, ob bei signifikanten Ertragsrückgängen durch die Corona-Pandemie der Programmauftrag noch erfüllt werden kann. Anderenfalls müsse sie der Politik höhere Beiträge vorschlagen. Sollten die Parlamente den erhöhten Beitrag erst spät genehmigen – hier wurde auf Sachsen-Anhalt hingewiesen – müsste er eventuell sogar rückwirkend erhoben werden.[115][116]
Konflikt mit Sachsen-Anhalt um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags
Im Juni 2020 unterzeichneten die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer den Ersten Medienänderungsstaatsvertrag zur Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages, der eine Erhöhung von 17,50 Euro auf 18,36 Euro pro Monat ab 1. Januar 2021 vorsieht.[117]
Widerstand in Sachsen-Anhalt verhinderte aber ein Inkrafttreten des Vertrages. Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt wollte einer Erhöhung trotz des auf sie ausgeübten Drucks nicht zustimmen. In einer Anhörung des Medienausschusses am 13. November 2020, in der sich vier Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks äußerten, darunter ARD-Chef Tom Buhrow, hätten deren Argumente nicht überzeugt.[118]
Die Haltung der CDU in Sachsen-Anhalt wurde am 4. Dezember 2020 von Landesparteichef Holger Stahlknecht auch mit dem Bild Ostdeutschlands im öffentlich-rechtlichen Rundfunk begründet. Die Sender hätten die tiefen Umbrüche im Leben vieler Menschen zu wenig abgebildet: „Die Öffentlich-Rechtlichen berichten gelegentlich nicht auf Augenhöhe, sondern mit dem erhobenen Zeigefinger der Moralisierung […]. Es geht nicht um die Beschneidung von Pressefreiheit. Es muss aber möglich sein, die Strukturen derjenigen auf den Prüfstand zu stellen, die vom Geld der Beitragszahler leben.“ Die CDU in Sachsen-Anhalt lehne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ab, halte ihn aber für zu groß und zu teuer.[119] Noch am selben Tag entließ Ministerpräsident Reiner Haseloff Stahlknecht als Innenminister. Das Vertrauensverhältnis sei wegen eines nicht abgesprochenen Interviews von Stahlknecht zum Koalitionsstreit um den Rundfunkbeitrag und der Ankündigung einer CDU-Minderheitsregierung „schwer gestört“.[120]
Am 8. Dezember 2020 zog Haseloff die Regierungsvorlage zur Beitragserhöhung zurück, womit es nicht zur Beitragserhöhung zum 1. Januar 2021 kommt. Damit verhinderte er eine Abstimmung im Magdeburger Landtag, bei der die Stimmen der AfD entscheidenden Einfluss gehabt hätten.[121] Die Sender kündigten daraufhin an, das Bundesverfassungsgericht anrufen zu wollen.[122] Am Tag darauf gab es Begründungen dafür. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow sagte zur Entscheidung in Sachsen-Anhalt, dass weder Sachargumente noch die Empfehlung der KEF eine Rolle gespielt hätten. Ohne die ausreichende, unabhängig ermittelte Finanzierung werde das Programm, das in allen Regionen verwurzelt sei, darunter leiden.
Der ZDF-Intendant Thomas Bellut beklagte, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk offenbar zum Spielball der Politik in einem Bundesland wurde. Genau das solle das staatsfern organisierte KEF-Verfahren verhindern, um die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern. Sollte der neue Staatsvertrag nicht zum 1. Januar 2021 umgesetzt werden, habe dies erhebliche Auswirkungen. Allein dem ZDF würden jährlich rund 150 Millionen Euro fehlen. Darüber hinaus würde dies die mittelständisch geprägte deutsche Produktionswirtschaft und die Kreativen treffen. Das ZDF könnte seine Wirkung als größter Auftraggeber auf diesem Markt nicht mehr wie bisher entfalten, wodurch die ohnehin von der Pandemie gebeutelte Branche massiv und nachhaltig getroffen würde.[123]
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2020 lehnte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Anträge von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, die im Wege des begehrten Eilrechtsschutzes gestellt worden waren. Über die von ihnen erhobenen Verfassungsbeschwerden war damit noch nicht entschieden. Diese seien weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Abgelehnt wurden sowohl eine einstweilige Inkraftsetzung der Beitragserhöhung als auch die Außerkraftsetzung der Verfallsklausel in Artikel 2 Absatz 2 des Ersten Medienänderungsstaatsvertrages, wonach der Vertrag gegenstandslos wurde, sofern er nicht bis zum 31. Dezember 2020 von allen Ländern ratifiziert werde. Die Beschwerdeführer hätten nicht näher dargelegt, dass eine Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags irreversibel zu schweren Nachteilen führen würde.[124]
ZDF-Intendant Thomas Bellut hielt sich bislang mit einer Bewertung der Entscheidung zurück. Der Vorsitzende der ARD, Tom Buhrow, kündigte hingegen Auswirkungen auf das Programm an: Ein Ausbleiben der Beitragsanpassung werde gravierende Maßnahmen erfordern, die man im Programm sehen und hören werde.[125] Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages Hans-Günter Henneke, zugleich ZDF-Fernsehratsmitglied, riet demgegenüber dazu, den Zuschauern und Hörern auch in Ansehung der Eilentscheidung ein hochwertiges Programm ab 1. Januar 2021 zu bieten. Das Programmangebot müsse jetzt in eigener Vorleistung realisiert werden.[126]
Als Folge des nicht erhöhten Rundfunkbeitrags zog das Deutschlandradio erste Konsequenzen. Der Sender habe von seinem Sonderkündigungsrecht laufender Tarifverträge von Mitarbeitern in Voll- und Teilzeit Gebrauch gemacht, die eine Laufzeit bis Ende März 2022 gehabt und eine Anhebung der Vergütungen um 2,25 Prozent vorgesehen hätten. Darüber hinaus habe das Deutschlandradio beschlossen, den Ausbau des DAB+ Sendernetzes (vgl. Digitalradio und Digital Audio Broadcasting in Deutschland) vorerst nicht weiter zu verfolgen. Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), kritisierte, dass der Entschluss zu weiteren drastischen Einschnitten führen könnte, die sich negativ auf das Programmangebot und die Beschäftigten auswirken würden.[127] Das rbb Fernsehen kündigte an, sein Magazin zibb zum Jahreswechsel 2021/2022 einzustellen; Mitarbeiter demonstrierten am 1. Mai 2021 gegen die bevorstehende Kündigung von 75 freien Kollegen.[128]
Am 20. Juli 2021 erließ der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Beschluss, dass der Rundfunkbeitrag mit Wirkung zum 20. Juli 2021 (nicht rückwirkend auf den 1. Januar 2021) bis zum Inkrafttreten einer staatsvertraglichen Neuregelung über die funktionsgerechte Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf monatlich 18,36 Euro steigen kann. Die Blockade des Landes Sachsen-Anhalt wurde als Verletzung der sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ergebenden Rundfunkfreiheit gewertet. Allerdings wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass etwaige Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten und die Zumutbarkeit von Beitragserhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger in den Blick zu nehmen sein werden.[129][130]
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte, er erkenne in der Entscheidung ein Demokratieproblem. Es müsse möglich sein, dass ein frei gewähltes Parlament anders entscheidet als es von einer Behörde wie der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorgegeben wird. Jeder Abgeordnete sei nur seinem Gewissen verpflichtet.[131]
Literatur
- Hanno Kube: Der Rundfunkbeitrag. Rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche Einordnung. Nomos Verlag, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8487-1018-8
- Eva Ellen Wagner: Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr. Die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung. Peter Lang, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-631-60654-4
- Frank Hennecke: Der Zwangsrundfunk oder Warum die neue Rundfunkabgabe rechts- und verfassungswidrig bleibt. Eine Streitschrift. Hennecke, Ludwigshafen am Rhein 2021, ISBN 978-3-9821882-4-9
Weblinks
- ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, Informationen und Anmeldung zur Rundfunkgebühr
Einzelnachweise
- Rabiate Imagepflege. GEZ mahnt Webseite wegen Begriff „GEZ-Gebühr“ ab. In: Spiegel Online, 24. August 2007.
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- Hans-Peter Siebenhaar: Die Fernseh-AG. In: Handelsblatt. Nr. 18, 25. Januar 2013, S. 54 f.
- Winfried B. Lerg: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland. Herkunft und Entwicklung eines publizistischen Mittels. Frankfurt am Main 1970.
- Rundfunkansprache des Staatssekretärs Dr. Bredow an die Zaungäste. In: Helios. Fach-Zeitschrift für Elektrotechnik / Helios. Export-Zeitschrift für Elektrotechnik, 29. Juni 1924, S. 111 (online bei ANNO).
- Janina Fuge: An den Funkpranger gestellt und mit dem Wellendetektiv gejagt. In: Hans-Ulrich Wagner (Hrsg.): Nordwestdeutsche Hefte zur Rundfunkgeschichte. Nr. 7. Verlag Hans-Bredow-Institut, Hamburg Dezember 2009, S. 9.
- Zitiert aus Werag – Offizielles Organ der Westdeutschen Rundfunk AG Köln. Rufu-Verlag Köln, Ausgabe Nr. 2 vom 10. Dezember 1926.
- Westdeutscher Rundfunk (Hrsg.): Jahrbuch des Westdeutschen Rundfunks. Rufu-Verlag, Köln 1929, S. 128 f.
- Rundfunk Jahrbuch 1933, Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft von Verlegern offizieller Funkzeitschriften sowie der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Verlag J. S. Preuß, Berlin 1932, S. 31f. Das Buch befindet sich in der Bibliothek des Museums für Kommunikation Frankfurt
- Schlesische Wellen, Breslau, 13. Mai 1932, S. 1. Signatur Ona65/66-7, 1/26.1932 in der Staatsbibliothek Berlin
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- Martin U. Müller: ARD und ZDF: Zu viel Geld, zu wenig Leistung. In: Spiegel Online. 31. Mai 2013, abgerufen am 8. Oktober 2017.
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- Hanno Kube: „Der Rundfunkbeitrag – Rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche Einordnung“ Rechtsgutachten, erstellt im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio. 14. Juni 2013, abgerufen am 24. Mai 2019.
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- Heise Online: Studie: Rundfunkgebühr abschaffen, Öffentlich-Rechtliche privatisieren, vom 26. Mai 2015
- Tilmann P. Gangloff: Entscheidung am 6. Juni: Höherer Rundfunkbeitrag droht – Die Finanzierung von ARD und ZDF wird vermutlich auf ein „Index-Modell“ umgestellt. Was bedeutet das und was wollen die Ministerpräsidenten? NW Neue Westfälische, 28. Mai 2019, abgerufen am 28. Mai 2019.
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- Wegen Corona-Schließung: Unternehmen können sich vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. FAZ Frankfurter Allgemeine, 26. November 2020, abgerufen am 26. November 2020.
- Timo Niemeier: Wer lange schließen muss, zahlt nicht Corona: Erleichterung für Firmen beim Rundfunkbeitrag. DWDL.de Branchendienst für die deutsche Medienwirtschaft, 26. November 2020, abgerufen am 26. November 2020.
- Anne Burgmer: Beitragsservice stellt Jahresbericht vor: Corona-Folgen für Rundfunkbeitrag ungewiss. Kölner Stadtanzeiger, 23. Juni 2020, abgerufen am 24. Juni 2020.
- Oliver Jungen: 8 Milliarden Rundfunkbeitrag: Steigen die Gebühren noch stärker? Frankfurter Allgemeine (FAZ.NET), 23. Juni 2020, abgerufen am 24. Juni 2020.
- Land Rheinland-Pfalz: Länder unterzeichnen Staatsvertrag zur Beitragsanpassung
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- Michael Bock: Meine CDU ist nicht braun. volksstimme.de, 4. Dezember 2020, abgerufen am 9. Dezember 2020.
- Haseloff entlässt im Streit um Rundfunkbeitrag Innenminister Stahlknecht. DIE WELT, 4. Dezember 2020, abgerufen am 4. Dezember 2020.
- Koalitionsstreit in Sachsen-Anhalt : Haseloff stoppt Erhöhung des Rundfunkbeitrags. In: SPIEGEL online. 8. Dezember 2020, abgerufen am 8. Dezember 2020.
- Streit in Sachsen-Anhalt: Haseloff blockiert Erhöhung des Rundfunkbeitrags – und rettet seine Koalition. stern.de, 8. Dezember 2020, abgerufen am 8. Dezember 2020.
- Hans-Christian Dirscherl: Für höheren Rundfunkbeitrag: ARD & ZDF ziehen vor Gericht. PC-Welt, 9. Dezember 2020, abgerufen am 9. Dezember 2020.
- Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Dezember 2020, Az. 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20. Abgerufen am 22. Dezember 2020.
- Tom Buhrow, ARD-Vorsitzender, zur Ablehnung der Eilanträge zum Rundfunkbeitrag. tagesschau.de, 22. Dezember 2020, abgerufen am 24. Dezember 2020.
- Programmangebot in eigener Vorleistung realisieren. Deutscher Landkreistag, 23. Dezember 2020, abgerufen am 24. Dezember 2020.
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- Kundgebung von freien Mitarbeitern des rbb, rbb online, 1. Mai 2021
- Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 69/2021 vom 5. August 2021: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag. 5. August 2021, abgerufen am 6. August 2021.
- Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2021, Aktenzeichen: 1 BvR 2756/20, 2775/20 und 2777/20. In: bundesverfassungsgericht.de. Abgerufen am 2. September 2021.
- Beschluss zum Rundfunkbeitrag: Haseloff sieht "Demokratieproblem". In: tagesschau.de. 5. August 2021, abgerufen am 6. August 2021.