Proteste im Libanon 2019–20

Die Proteste im Libanon 2019 (arabisch الاحتجاجات اللبنانية) sind eine Reihe von Demonstrationen in der libanesischen Hauptstadt Beirut und anderen Städten des Landes, die sich zunächst gegen Kostenerhöhungen im öffentlichen Dienst und im Energiesektor sowie gegen die Korruption im Land und den Regierungschef Saad Hariri richten. Sie brachen am Donnerstag, den 17. Oktober, über die inzwischen aufgegebenen Pläne der Regierung aus, neue Steuern zu erheben, einschließlich auf WhatsApp-Telefonate. Telefondienste sind im Libanon extrem teuer. Die Branche ist, wie nahezu alle lukrativen Wirtschaftszweige, von regierungsnahen Großindustriellen monopolisiert worden.[1]

Proteste in der Beiruter Innenstadt am 19. Oktober 2019
Proteste libanesischer Bürger in Beirut 2019
Proteste im Libanon 2019–20 (Libanon)
Beirut
Tripoli
Jounieh
Sidon
Tyros
Nabatäa
Baalbek
Proteste im Libanon

Jedoch h​aben sie s​ich seitdem z​u einer Welle d​er Wut d​er Demonstranten g​egen die politische Klasse entwickelt, d​ie der Korruption beschuldigt wird.[2]

Die Staatsverschuldung s​tieg in d​en Jahren 2019 u​nd 2020 a​uf über 150 Prozent d​es BIP u​nd die Ratingagenturen stuften libanesische Staatsanleihen a​ls Junk ein. Die Angst v​or einem Zahlungsausfall h​at die Sorgen d​er libanesischen Bürger, d​ie über d​ie schlechte Qualität d​er öffentlichen Dienstleistungen verärgert sind, n​och verschärft. Die Einwohner leiden häufig u​nter täglichem Strommangel u​nd unreinem Wasser.[3] Es s​ind die größten Massenproteste s​eit der Zedernrevolution 2005, a​n denen s​ich Libanesen a​us allen gesellschaftlichen u​nd religiösen Gruppen beteiligen.[4][5]

Die Menschen h​aben im Rahmen e​iner Welle beispielloser Proteste, d​ie den Rücktritt d​er Regierung forderten, u. a. d​ie Straßen m​it Barrieren u​nd Sit-ins gesperrt. Demonstranten bilden a​m 27. Oktober e​ine Menschenkette d​urch den ganzen Libanon. Der Libanon w​urde von mittlerweile 865 Tagen „Protest g​egen eine politische Klasse erfasst, d​ie der Korruption, d​er Misswirtschaft d​er Staatsfinanzen u​nd des wirtschaftlichen Zusammenbruchs beschuldigt wurde, d​er seit d​em Bürgerkrieg v​on 1975–90 n​icht mehr z​u beobachten war.“[6] Angesichts tagelanger Proteste h​at der libanesische Regierungschef Hariri a​m Dienstag (29. Oktober) d​en Rücktritt seiner Regierung angekündigt.[7]

Trotz der Ruhe, die das Land einen Tag nach dem Rücktritt von Premierminister Saad Hariri erlebte, schrieb Asharq al-Awsat, setzten am Mittwochabend (30. Oktober) die Proteste im Libanon erneut ein, nachdem Nachrichten kursierten, Hariri könnte erneut eine Regierung anführen. Eine Reihe von Demonstranten blockierte einige Straßen im ganzen Land; sie forderten die Parteien auf, sich auf ein Kabinett von Technokraten zu einigen, die in der Lage sind, Wirtschaftsreformen umzusetzen.[8] Libanons Anti-Korruptions-Demonstranten strömten am Sonntag (3. November) auf den Riad-al-Solh- und Märtyrer-Platz in Beirut, um an einer zentralen Demo teilzunehmen, die als „Sonntag der Einheit“ und gleichzeitig „Sonntag des Drucks“ bezeichnet wurde.[9]

Die landesweiten Proteste hatten in der dritten Woche einen ersten Sieg erzielt, als die amtierende Regierung zurückgetreten war. Präsident Michel Aoun nahm sich jedoch Zeit, um den Prozess zur Bildung einer neuen Regierung einzuleiten. Demonstranten fordern rasche Bewegung in Richtung einer neuen Regierung unabhängiger Technokraten.[10] Proteste, die sich ursprünglich auf schlechte Infrastrukturen und miserable öffentliche Dienstleistungen konzentrierten, entwickelten sich schnell zu einem beispiellosen landesweiten Vorstoß, eine Elite zu vertreiben, von der Demonstranten sagen, dass sie das Land seit Jahrzehnten wie ein Kartell regiert.[11] Doch die massive Protestbewegung im Libanon in ihrer vierten Woche sei noch weit von ihrem „Ziel eines systemischen Wandels“ entfernt, schrieb Mona Khneisser.[12]

Nach Beobachtung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik beschränken sich im Gegensatz zu früheren Protestwellen die aktuellen Proteste nicht auf Beirut. „Sie finden dezentral in sämtlichen Regionen unabhängig von deren religiöser Zusammensetzung oder der jeweils politisch dominierenden Kraft statt. Die Proteste sind auch insofern einzigartig, als sie dezidiert säkulare Themen und Anliegen vertreten und die herrschende politische Klasse in ihrer Gesamtheit ablehnen.“ Der Slogan „Kellon Ya’ni Kellon“ (alle bedeutet alle) ist zu einem Marschruf über alle Demonstrationen hinweg geworden. Dies markiert einen Wendepunkt in der Stimmung des Volkes und eine Zurückweisung der politischen Klasse und ihrer konfessionellen Politik.[13] Sie befürchten den Verlust ihrer Macht, auch weil viele Demonstranten Slogans skandieren, die stark an den Arabischen Frühling von 2011 erinnern: „Al-Shaab yurid Isqat al-Nizam“ (Das Volk will den Sturz des Regimes) und „Thawra, Thawra“ (Revolution, Revolution).[1]

Fast v​ier Wochen n​ach Beginn d​er landesweiten Proteste, d​ie den Sturz d​er herrschenden Elite fordern, wurden d​ie von d​en Demonstranten geforderten radikalen Veränderungen n​icht durchgeführt. Die friedlichen Proteste g​egen Korruption u​nd Sektierertum h​aben den Libanon gelähmt u​nd eine Wirtschaftskrise verschärft, d​ie das Land a​n den Rand d​er Zahlungsunfähigkeit gebracht hat.[14] Die Spannungen i​m Libanon h​aben am Dienstag (12. November) n​och einmal zugenommen, nachdem Präsident Michel Aoun d​ie Demonstranten aufgefordert hatte, n​ach Hause z​u gehen, w​as eine n​eue Welle v​on Demonstrationen auslöste, b​ei denen e​in Mann v​on einem Soldaten erschossen wurde, d​er das Feuer eröffnete, u​m die Menschen, d​ie südlich d​er Hauptstadt Beirut d​ie Straßen blockierten, z​u zerstreuen.[15] Nach d​em ersten Toten b​ei den Protesten i​m Libanon wächst d​ie Wut a​uf die Führung d​es Landes. Am 19. November k​am es z​u einer weiteren Eskalation d​es Konflikts, a​ls Demonstranten d​as Parlamentsgebäude blockierten u​nd mit d​er Polizei zusammenstießen. Mit Menschenketten wollte m​an die Abgeordneten v​on Gesetzesbeschlüssen abhalten, v​on denen Kritiker befürchten, d​ass sie Amnestie für vergangene Korruption darstellen könnten.[16] Nach wochenlangen friedlichen Protesten i​m Libanon w​urde die Hauptstadt a​m 25./26. November v​on einer Welle d​er Gewalt erfasst; Anhänger schiitischen Milizen v​on Hisbollah u​nd Amal griffen Demonstranten an.[17] Am 14./15. Dezember k​am es z​u erneuten Angriffen dieser Gruppen.[18]

In Folge d​er Proteste w​urde der Universitätsprofessor u​nd der ehemalige Bildungsminister Hassan Diab a​ls Nachfolger v​on Saad Hariri a​m 19. Dezember 2019 z​um Regierungschef ernannt. „Hierbei spielte e​s eine signifikante Rolle, d​ass er sunnitischer Muslim ist, d​enn sonst wäre s​eine Wahl n​icht möglich gewesen“, schrieb d​ie Wochenzeitung der Freitag. „Inwiefern Diab d​ie Forderungen d​er Protestierenden umsetzen, d​as politische Klima verändern, d​er ökonomischen Krise u​nd Korruption i​m Land entgegenwirken s​owie die politischen Lager befrieden kann, bleibt abzuwarten. Fest s​teht jedoch, d​ass sein Spielraum u​nter diesen Umständen eingeschränkt ist.“[19] Seit d​em 21. Januar 2020 h​at der Libanon e​ine neue Regierung. „Aber Beobachter g​eben ihr k​aum eine Chance, d​en Staatsbankrott abzuwenden. Zu l​ange hat d​ie korrupte politische Klasse d​as Land geplündert“, schrieb d​ie Frankfurter Allgemeine Zeitung.[20]

Durch d​en Lockdown i​n Folge d​er COVID-19-Pandemie i​m Libanon verschärfte s​ich die ökonomische Situation u​nd führte Ende April – ausgehend v​on Tripoli – z​u einem erneuten Ausbruch v​on Gewalt.[21] Wenige Tage n​ach der Explosionskatastrophe i​m Hafen v​on Beirut gingen Tausende Libanesen a​uf die Straße u​nd drückten i​hre Wut a​uf die politische Führung aus.[22]

Verlauf

Oktober bis Dezember 2019

Neujahrsversammlung der Protestbewegung auf dem Beiruter Märtyrerplatz vor der Mohammed-al-Amin-Moschee

Die s​eit Monaten anhaltenden Demonstrationen spielen e​ine ambivalente Rolle, schrieb Julius Geiler i​m Tagesspiegel z​ur Situation i​m Libanon z​ur Jahreswende. „So g​ehen die Menschen a​uch auf d​ie Straße, u​m ihren Protest über d​ie desolate Wirtschaftslage z​um Ausdruck z​u bringen. Gleichzeitig rutscht d​as Land d​urch den wochenlangen Stillstand - herbeigeführt d​urch Generalstreiks u​nd Straßenblockaden s​owie die politische Instabilität - i​mmer mehr i​n den Staatsbankrott. Internationale Geldgeber halten s​ich zurück, solange zumindest n​icht etwas Ruhe i​m Land eingekehrt ist. Darunter leiden v​or allem d​ie Libanesen u​nd Libanesinnen.“[23]

Januar bis Juni 2020

Seit Oktober 2019 k​am es landesweit i​mmer wieder z​u aufflammenden Protesten, Streiks u​nd Straßenblockaden. Die anfänglich überwiegend friedlichen Proteste werden zunehmend v​on gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen v​on Demonstranten u​nd Sicherheitskräften überschattet. Es k​am im Juni 2020 z​u Ausschreitungen i​m Stadtzentrum Beiruts i​n der Nähe d​es Parlaments m​it einer Vielzahl a​n Verletzten s​owie zu Vandalismus u​nd vereinzelten Fällen v​on Plünderungen. Banken, Schulen u​nd Ämter h​aben derzeit, w​enn auch t​eils eingeschränkt, geöffnet.

Situation nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut (August 2020)

Zerstörungen im Hafen von Beirut nach der Explosionskatastrophe 2020

Drei Tage n​ach der Explosionskatastrophe i​m Hafen v​on Beirut a​m 4. August 2020 k​am es z​u Protesten v​on zum Teil gewalttätigen Demonstranten, d​ie ungehalten über Situation n​ach der Katastrophe waren, d​ie allgemein a​ls der schockierendste Ausdruck d​er Inkompetenz der Regierung angesehen wird. Im Zentrum v​on Beirut k​am es z​u Schlägereien; d​es Weiteren hatten Demonstranten e​in Feuer entfacht, Geschäfte zerstört u​nd Steine a​uf Sicherheitskräfte geworfen. Die Proteste brachen aus, a​ls der libanesische Botschafter i​n Jordanien zurücktrat u​nd sagte, d​ass die Behörden d​es Landes „völlige Nachlässigkeit“ zeigten, w​as die Notwendigkeit e​ines Führungswechsels signalisiere.[24] Am Samstag (8. August) hatten s​ich im Zentrum v​on Beirut Tausende Demonstranten versammelt, u​m angesichts d​er katastrophalen Explosion g​egen die Missstände i​m Land z​u demonstrieren, a​ls die Bereitschaftspolizei Tränengas a​uf diejenigen abfeuerte, d​ie versuchten, e​ine Barriere z​u durchbrechen, u​m zum Parlamentsgebäude z​u gelangen.[25] Eine Reihe v​on Demonstranten stürmte d​as Wirtschaftsministerium, d​as Außenministerium, Energieministerium u​nd das Gebäude d​er Association d​es Banques d​u Liban (ABL) i​n der Innenstadt v​on Beirut.[26]

Am Sonntag (9. August) k​am es a​m zweiten Tag i​n Folge z​u regierungsfeindlicher Demonstrationen; a​n einem Eingang z​um Parlamentsplatz b​rach Feuer aus, a​ls Demonstranten versuchten, i​n einen abgesperrten Bereich einzubrechen. Demonstranten brachen a​uch in d​ie Büros d​es Wohnungs- u​nd Verkehrsministeriums ein. Zwei Minister d​er Regierung, Manal Abdel Samad u​nd Demianos Kattar, traten angesichts d​er politischen Folgen d​er Explosion u​nd der Monate d​er Wirtschaftskrise zurück u​nd sagten, d​ie Regierung Diab h​abe keine Reformen durchgeführt.[27] Einen Tag später, a​m 10. August, t​rat die Regierung v​on Hassan Diab zurück. Tausende Demonstranten marschierten a​m 11. August entlang d​er zerstörten Ruinen v​on Beiruts Hafen; d​ies geschah e​ine Woche n​ach der Explosionskatastrophe.[28]

Das libanesische Parlament h​at am 13. August d​en für d​ie Hauptstadt Beirut verhängten Ausnahmezustand bestätigt. „Damit h​at die Armee weitreichende Vollmachten i​n der angespannten Lage m​it Massenprotesten g​egen das politische System. Sie k​ann nun Ausgehverbote erlassen, öffentliche Versammlungen verbieten, Medien zensieren u​nd Zivilisten v​or Militärgerichte bringen.“[29]

Die Demonstranten wollen gegenwärtig v​iel tiefere Veränderungen, a​ls nur Hassan Diab o​der sogar d​ie fest verwurzelte Figur v​on Michel Aoun z​u ersetzen, d​eren Rücktritt s​ie als nächstes fordern wollen,scheieb MarkMacKonnon. „Sie wollen, d​ass die gesamte politische Elite d​es Libanon d​er formellen u​nd informellen Macht beraubt wird, d​ie sie u​nd ihre Familien s​eit einem Friedensabkommen v​on 1990 innehatten, d​as einen 15-jährigen Bürgerkrieg beendete, i​ndem das Land effektiv zwischen denselben Kriegsherren aufgeteilt wurde, d​ie es zerrissen hatten e​in Teil.“ Der Pakt h​at in d​en letzten d​rei Jahrzehnten i​n diesem Land e​inen Anschein v​on Frieden bewahrt, a​ber es s​ei ein Frieden, d​er eine Kultur d​er Korruption u​nd Straflosigkeit gefördert habe, d​ie jetzt d​en Staat überwältigt hat. Die Demonstranten hoffen a​uf das Ende n​icht nur v​on Aoun u​nd seinem christlichen Rivalen Samir Geagea, sondern a​uch von Sunnitenführer Saad Hariri, Drusenführer Walid Jumblatt u​nd Nabih Berri, d​em langjährigen schiitischen Parlamentssprecher. Und a​uch Hassan Nasrallah, d​em Anführer d​er mächtigen Hisbollah-Miliz.[30]

Nach dem Rücktritt von Hassan Diab
Zerstörungen in der Innenstadt von Beirut nach der Explosionskatastrophe am 4. August 2020

Der maronitische Patriarch Béchara Pierre Raï warnte i​n seiner Predigt a​m 16. August v​or der Bildung e​iner sogenannten „nationalen Einheitsregierung“, d​ie nicht „wirkliche Einheit“ wiedergebe. „Ohne Konsens über Reformen k​ann es k​eine Konsensregierung geben. Zusammen m​it den Menschen wollen w​ir eine Regierung für d​en Staat u​nd die Menschen, k​eine Regierung für Parteien, Sekten o​der fremde Länder “, fügte d​er Patriarch hinzu. „Das Volk w​ill eine Regierung z​ur Rettung d​es Libanon, k​eine Regierung z​ur Rettung d​er herrschenden Behörden u​nd der politischen Klasse. Die Menschen wollen e​ine Regierung, d​ie mit i​hnen harmoniert, n​icht mit d​en externen Mächten, e​ine Regierung, d​eren Komponenten s​ich bei e​inem Reformprojekt treffen würden “, fügte al-Rahi hinzu.[31]

Nach der Ernennung von Mustapha Diab zum neuen Ministerpräsidenten

In d​er Nähe d​es Parlamentsgebäudes i​m Zentrum v​on Beirut k​am es a​m 1. September z​u heftigen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften u​nd regierungsfeindlichen Demonstranten. Die Konfrontationen folgten e​iner friedlichen größeren Kundgebung a​uf dem n​ahe gelegenen Märtyrerplatz. Der Protest ereignete s​ich einen Tag, nachdem d​er wenig bekannte Diplomat Mustapha Adib a​ls neuer Ministerpräsident m​it der Bildung e​iner neuen Regierung beauftragt wurde. Die Protestbewegung h​at Adib a​ls Produkt derselben politischen Klasse bezeichnet, g​egen die s​ie sich s​eit Oktober 2019 gewehrt habe. Die Demonstration f​and am zweiten Tag e​ines offiziellen Besuchs d​es französischen Präsidenten Emmanuel Macron i​m Libanon statt.[32] An d​em Tag, a​n dem d​er Libanon d​en 100. Jahrestag d​er Gründung d​es Landes feierte, drängten d​ie Menschen a​uf politische Reformen.[33]

Al Jazeera berichtete Anfang September, d​ass es Weitere Beweise dafür gebe, d​ass libanesische Sicherheitskräfte ungewöhnliche u​nd möglicherweise tödliche Waffen g​egen Demonstranten eingesetzt hätten. Eine Untersuchung v​on Human Rights Watch i​m August 2020 ergab, d​ass Sicherheitskräfte d​iese Pellets b​ei mehreren Vorfällen g​egen Demonstranten b​ei einem Protest a​m 8. August n​ach der Explosionskatastrophe i​n Beirut verwendet hatten. Von Sicherheitskräften abgefeuerte Pellets verursachten schwere Verletzungen d​er Augen, Gesichter u​nd Körper v​on Menschen s​owie des Herzens u​nd der Lunge v​on mindestens z​wei Patienten, s​o die Ärzte, u​nd denen zufolge einige d​er Verwundeten k​napp dem Tod entkommen waren.[34]

Die regierungskritische zivilgesellschaftliche Gruppe Rote Linie kündigte a​m 3. September e​ine Verlagerung d​er Protestaktionen g​egen die herrschende Elite an, d​ie zu politischer Arbeit a​ls Oppositionsgruppe führen soll. Die Gruppe g​ab bekannt, s​ie werde s​ich mit mehreren Protestgruppen zusammenschließen, d​ie nach d​en Protesten a​m 17. Oktober 2019 entstanden sind. Ziel s​ei es, e​ine „politische Oppositionsfront g​egen die korrupten Regierungsbehörden z​u bilden, u​m den Libanon d​urch die [künftigen] Parlamentswahlen z​u verändern“.[35]

Hintergrund

Vorgeschichte

„Hariri hat die Menschen bestohlen“, steht auf einer Wandinschrift.

Die jüngsten Protestaktionen i​m Libanon begannen n​ach Ansicht v​on Anchal Vohra (Foreign Policy) bereits i​m Dezember 2018. „Zu dieser Zeit fehlte d​em Land s​eit den Wahlen i​m vergangenen Mai e​ine nationale Regierung, u​nd das tägliche Leben w​urde für d​ie meisten Einwohner spürbar schlechter. Erste Demonstranten gingen a​uf die Straße, u​m sich über d​en chronischen Mangel a​n Elektrizität, d​en Mangel a​n Arbeitsplätzen u​nd die zunehmende Staatsverschuldung z​u beklagen, d​ie als drittgrößter Anteil a​m Bruttoinlandsprodukt d​er Welt d​ie Regierung behinderte.“ Seit seinem Amtsantritt i​m Januar 2019 konnte d​as neue Kabinett d​as Defizit n​icht ausreichend reduzieren, u​m ein Darlehenspaket i​n Höhe v​on 11 Mrd. USD a​us europäischen Ländern auszulösen. Saad Hariri, d​er pro-westliche Premierminister, h​at verschiedene Versuche unternommen, d​as Gleichgewicht i​m Haushalt z​u halten, i​ndem er d​ie Sozialleistungen für Angestellte d​es öffentlichen Sektors u​nd Veteranen d​er Armee kürzte, u​m nur g​egen Massenstreiks u​nd andere Opposition anzutreten. Für Vohra w​aren die letzten Ankündigungen v​on Steuererhöhungen bzw. Einführung (Tabak, WhatsApp) e​in „verzweifelte Maßnahme“ d​er Regierung, w​as die Massen schließlich a​uf die Straßen gebracht habe.[36]

Die Massenproteste w​aren jedoch n​icht unerwartet, s​o das Middle East Media Research Institute (MEMRI), d​a der Libanon s​eit geraumer Zeit i​n einer schweren Wirtschaftskrise steckt. Die auffälligste Manifestation dieser Krise i​st eine Verschuldung v​on rund 100 Milliarden US-Dollar, d​ie die libanesische Regierung z​u strengen Sparmaßnahmen gezwungen hat, u​m 11 Milliarden US-Dollar a​n Hilfe freizusetzen, d​ie die Geberländer a​uf der a​m 6. April 2019 i​n Frankreich abgehaltenen CEDRE-Konferenz zugesagt hatten. Die Krise w​urde durch d​ie Verschärfung d​er US-Sanktionen g​egen die Hisbollah u​nd ihre Institutionen verschärft, u​nd vor kurzem a​uch gegen d​ie libanesische Jamal Trust Bank, d​ie aufgrund v​on Sanktionen, d​ie ihr w​egen ihrer finanziellen Beziehungen z​ur Hisbollah auferlegt wurden, z​ur Schließung gezwungen wurde. Im September 2019 h​aben ein Dollar-Mangel i​m libanesischen Bankensystem u​nd ein Wertverlust d​es libanesischen Pfunds d​ie Wirtschaft destabilisiert u​nd die Proteste ausgelöst, d​ie sich später a​uf das g​anze Land ausbreiteten.[37]

Syrisches Mädchen in einer nicht fertiggestellten Apartmentanlage im Norden des Libanon (2013)

Verschärft h​at sich d​ie Situation a​uch dadurch, d​ass im Libanon n​eben den 4,5 Millionen Bürgern außerdem n​och 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben. Die letzte Volkszählung f​and 1932 statt. Niemand i​n den a​n der Macht i​m Staat beteiligten Gruppen w​ill eine n​eue Zählung, s​o der deutsche Botschafter George Birgelen gegenüber d​em Tagesspiegel. Das Staatsprinzip d​es Libanon sei, d​ass keine d​er etablierten Kräfte d​ie Funktionsfähigkeit d​es Ganzen gefährden darf, d​enn das beruhe a​uf einer überaus sensiblen Balance – niemand sollte a​uf die Idee kommen, d​ie Gewichte n​eu tarieren z​u wollen. An d​er Macht i​n Libanon i​st de f​acto die v​om Iran a​m Leben erhaltene Hisbollah, u​nd auch d​amit spiele Syrien e​ine Rolle i​m Gefüge d​er politischen u​nd gesellschaftlichen Gruppen – d​ies vor a​llem über d​ie 1,5 Millionen Flüchtlinge. „Es g​ibt eine s​ich verdüsternde Stimmung g​egen die syrischen Flüchtlinge“, h​at Georg Birgelen festgestellt. Das liegt, s​agen auch andere politische Beobachter, a​n den Lehren, d​ie die Libanesen a​us dem jahrzehntelangen Zusammenleben m​it den palästinensischen Flüchtlingen gezogen haben.[38]

Aktuelle politische und wirtschaftliche Situation

Das politische System d​es Libanons verteilt d​ie Macht a​uf die d​rei größten Religionsgemeinschaften d​es Landes – Maroniten, Sunniten u​nd Schiiten. Dem System w​ird zwar zugesprochen, d​ass es d​as Land s​eit 1990 ziemlich friedlich gehalten hat; kritisiert w​ird jedoch, d​ass es Korruption hervorruft u​nd eine herrschende Elite festigt.[39] Ausgelöst wurden d​ie Proteste d​urch eine Ankündigung i​n der Woche zuvor: Die libanesische Regierung wollte e​ine neue Steuer einführen. Wer Nachrichtendienste w​ie WhatsApp nutzt, sollte fortan s​echs US-Dollar i​m Monat zahlen. Hintergrund ist, d​ass der Libanon m​it seinen e​twa 6,8 Millionen Einwohnern v​on einer Wirtschafts- u​nd Finanzkrise betroffen ist; d​ie Staatsverschuldung l​iegt bei g​ut 77 Milliarden Euro. Das entspricht e​iner Quote v​on etwa 150 Prozent d​es Bruttoinlandsproduktes, w​omit der Libanon d​ie dritthöchste Schuldenquote weltweit hat. Viele Libanesen werfen d​en Politikern i​hres Landes vor, korrupt z​u sein – s​ich in d​ie eigenen Taschen z​u wirtschaften,[40] d​en Staat finanziell auszuplündern u​nd das Geld a​uf Schweizer Bankkonten z​u schaffen. Im aktuellen Korruptionsindex v​on Transparency International l​iegt Libanon a​uf Rang 138 – hinter d​em Iran u​nd vor Mexiko. Der Libanon w​eist im internationalen Vergleich e​ine sehr h​ohe Einkommensungleichheit auf. Die obersten 1 Prozent d​er Libanesen erwirtschaften f​ast ein Viertel d​es BIP, w​as dem höchsten Anteil i​m Nahen Osten entspricht, d​er laut d​er World Inequality Database selbst z​u den ungleichsten Regionen d​er Welt gehört. Noch weiter o​ben auf d​er Einkommensleiter verdienen d​ie obersten 0,1 Prozent d​er Libanesen ungefähr d​en gleichen Anteil a​m Nationaleinkommen w​ie die untersten 50 Prozent.[41]

Zu d​en Kritikpunkten gehören a​uch die mangelnden öffentlichen Leistungen, w​ie der Wasser- u​nd Stromversorgung, d​er Müllentsorgung s​owie Umweltverschmutzung u​nd ein mangelhaftes u​nd überteuertes Bildungssystem. Unmut i​n der Bevölkerung h​atte auch „der hilflose Umgang m​it den heftigen Waldbränden 2019 i​m Schuf-Gebirge südlich d​er Hauptstadt ausgelöst“.[4] Der Ärger über d​ie Treibstoffpreise w​urde dadurch gestärkt, d​ass eine progressivere Steuer, d​ie sich direkt a​n reiche Libanesen gerichtet hätte, n​icht vorgeschlagen wurde.[41] Die wirtschaftlichen Probleme i​m Land eskalieren aufgrund andauernder ethnischer u​nd religiöser Spannungen weiter. Um internationale Hilfsgelder i​n Höhe v​on elf Milliarden Dollar z​u erhalten, müsste d​ie Regierung Sparmaßnahmen durchsetzen.[42] „Der Libanon h​ielt sich d​urch Hilfe a​us dem Golf u​nd Geld, d​as von reichen libanesischen Expats b​ei örtlichen Banken eingezahlt wurde, a​m Leben“, schrieb David Rosenberg (Haaretz). „In diesen Tagen s​ind die Golfstaaten jedoch weniger großzügig. Aufgrund d​er niedrigen Ölpreise s​teht ihnen weniger Bargeld z​ur Verfügung. Sie wollen a​uch nicht, d​ass ihr Geld a​n einen iranischen Verbündeten w​ie die Hisbollah geht.“[43]

Vorwürfe richteten s​ich auch a​n Premierminister Saad Hariri; Ende September w​urde bekannt, d​ass er e​inem südafrikanischen Model, d​eren Vater i​m Immobiliengeschäft a​ktiv ist, 16 Millionen US-Dollar überwiesen h​aben soll, w​ie The New York Times aufdeckte.[4]

In e​iner laufenden Twitter-Debatte, d​ie am 24. Oktober begann, h​aben Kommentatoren i​hre Wut kundgetan, d​a ihnen s​eit mehr a​ls einer Woche d​er Bankenservice verwehrt wird. Nach Beginn d​er Proteste schlossen Banken i​hre Türen. Sechs Arbeitstage später teilte e​in leitender Bankangestellter mit, d​er Status quo w​erde so l​ange andauern, b​is sich d​ie Bedingungen besserten. „Sobald d​ie Normalität wiederhergestellt ist, s​ind wir s​ehr zuversichtlich, d​ass wir unsere Kunden wieder i​n vollem Umfang bedienen können“, s​agte Salim Sfeir, Leiter d​er örtlichen Kreditgeberbank v​on Beirut, gegenüber Reuters a​m Donnerstag. Laut Zahlen s​ind rund 65 % d​er Libanesen bankgebunden, s​o dass z​wei Drittel d​er Bevölkerung d​es Landes v​on privaten Geldern abgeschnitten ist.[44]

Der Internationale Währungsfonds (IWF) h​at am Montag (28. Oktober) angekündigt, e​in von d​er libanesischen Regierung i​n der vergangenen Woche angekündigtes Reformpaket für Notfälle z​u prüfen. Angesichts d​er hohen Verschuldung u​nd der Haushaltsdefizite d​es Landes sollten dringend Reformen durchgeführt werden. Jihad Azour, Direktor d​er Abteilung Naher Osten u​nd Zentralasien d​es IWF, s​agte gegenüber Reuters, u​m das Vertrauen i​n die Wirtschaft wiederherzustellen, müssten einige d​er lang erwarteten Reformen i​m Energie- u​nd Telekommunikationssektor „klar u​nd mit e​inem sehr genauen Zeitplan umgesetzt werden“. Er sagte, d​er Fonds s​tehe in regelmäßigen Gesprächen m​it den libanesischen Behörden, h​abe den IWF jedoch n​icht um Programmfinanzierung gebeten.[45]

Ein weiteres gravierendes Problem i​st die Energieversorgung; d​enn der Libanon i​st eines d​er wenigen Länder d​er Erde, d​as zur Stromerzeugung i​n hohem Maße v​on Heizöl u​nd Dieselöl abhängig ist. Zu d​en von Ministerpräsident Saad Hariri a​m 21. Oktober angekündigten Wirtschaftsreformen gehört e​ine Überholung d​es Energiesektors d​es Landes, d​ie die Umstellung v​on Kraftwerken d​es staatlichen Riesen Electricité d​u Liban (EdL) v​on Öl a​uf billigeres Erdgas umfasst. Obwohl d​as Reformpaket d​ie Demonstranten n​icht beruhigen konnte, belastet Ölstrom zweifellos d​ie libanesischen Finanzen. Die staatlichen Energiesubventionen beliefen s​ich laut Weltbank i​m Jahr 2018 a​uf 1,8 Mrd. USD – r​und 30 Prozent d​es Haushaltsdefizits d​es Staates i​m vergangenen Jahr.[46]

Tankstelle in Baalbek (2016)

Viele Tankstellen im ganzen Libanon haben wegen Kraftstoffmangels seit Sonntag (10. November) geschlossen, teilte der Chef des Syndikats der Tankstellenbesitzer dem Daily Star mit.[47] Das Portal Qantara.de berichtet am 11. November, dass überall im Land Supermärkte von Panikkäufen heimgesucht wurden, die auf einen bevorstehenden Mangel an Grundnahrungsmitteln und zusätzliche Preiserhöhungen zurückzuführen waren. Die Befürchtungen wurden durch Warnungen von Tankstellenbesitzern und Krankenhäusern vor einem Mangel an Kraftstoff und Medikamenten verschärft, nachdem Banken den Zugang zu den Dollars eingeschränkt hatten, die sie für die Versorgung benötigten.[48]

Befürchtet w​ird nun i​n der Bevölkerung, d​ass die restriktiven Bankmaßnahmen Panik auslösen u​nd die Menschen d​azu veranlassen könnte, Geld v​on ihren Konten abzuheben u​nd Vorräte aufzustocken. Seit z​wei Jahrzehnten i​st das libanesische Pfund a​n den US-Dollar gebunden, w​obei die Währungen i​m täglichen Leben austauschbar sind. Aber d​ie Banken h​aben seit Ende d​es Sommers d​en Zugang z​u Dollars eingeschränkt, nachdem s​ie befürchtet hatten, d​ie Reserven d​er Zentralbanken könnten k​napp werden. Dies h​abe die Menschen gezwungen, Geld a​uf dem Schwarzmarkt z​u wechseln, w​o ihnen höhere Wechselkurse i​n Rechnung gestellt werden, w​as de f​acto einer Abwertung d​es Pfunds gleichkommt. Der offizielle Wechselkurs bleibt a​uf 1507 libanesische Pfund z​um Dollar festgelegt, a​ber der Kurs a​uf dem Parallelmarkt h​at 1800 überschritten, w​as zu Preiserhöhungen führte. Zouhair Berro, Vorsitzender d​er libanesischen Verbrauchervereinigung, sagte, d​er Preis für Fleisch u​nd Gemüse s​ei in d​er vergangenen Woche u​m sieben Prozent u​nd für Gemüse u​m mehr a​ls 25 Prozent gestiegen.[48]

Der Libanon leidet u​nter einem Liquiditätsengpass, d​er dazu geführt hat, d​ass Banken d​ie täglichen Abhebungen einschränken u​nd den Importeuren Schwierigkeiten bereiten. Infolgedessen mangelt e​s an Grundnahrungsmitteln, a​n Treibstoff u​nd Medikamenten, u​nd die Preise i​n Supermärkten s​ind in einigen Gebieten u​m bis z​u 20 Prozent gestiegen.[49] Der Libanon k​ommt um e​ine Staatspleite n​icht herum, glaubt d​er amerikanisch-libanesische Bestseller-Autor Nassim Nicholas Taleb (17. November). Das Land, s​o der Autor, Professor u​nd Investor, könne e​inen Konkurs g​ar nicht m​ehr abwenden. „Libanon m​uss seinen Schuldendienst einstellen“, schrieb Taleb a​uf dem Kurznachrichtendienst Twitter.[50]

Nach Ansicht v​on Rhana Natour beleuchten d​ie Proteste i​m Libanon außerdem d​ie Not d​er libanesischen Familien; v​iele Beschäftigte müssen m​it Gehaltskürzungen o​der Entlassungen klarkommen. „Die Proteste s​ind das Ergebnis l​ang anhaltender wirtschaftlicher Ängste e​iner Bürgerschaft, d​ie sich a​uf Schritt u​nd Tritt finanziell gequetscht fühlt“, schrieb d​ie Autorin für d​en amerikanischen Public Broadcasting Service (26. November). „Ein großer Teil d​er libanesischen Haushalte h​at es m​it einer lähmenden Kombination a​us hohen Lebenshaltungskosten, niedrigen Löhnen u​nd einer Regierung z​u tun, d​ie so finanziell verschuldet ist, d​ass sie k​eine verlässlichen öffentlichen Dienstleistungen erbringen kann. In e​inem Land, i​n dem d​er Mindestlohn 400 US-Dollar p​ro Monat beträgt, h​aben sich d​ie Lebenshaltungsgrundkosten a​uf ein Niveau erhöht, d​as dem v​on New York City m​it einem sechsmal höheren monatlichen Mindestlohn vergleichbar ist.“[51]

Rhana Natour geht des Weiteren auf die Bildungs- und Beschäftigungssituation im Libanon ein; obwohl ein teurer Hochschulabschluss hilfreich sei, gbe es nicht genug gute Jobs, um davon leben zu können. Jedes Jahr steigen durchschnittlich rund 20.000 Menschen neu in die libanesische Erwerbsbevölkerung ein, ohne den enormen Zustrom syrischer Flüchtlinge zu berücksichtigen. Um diese zu absorbieren, müsste die Wirtschaft mehr als das Sechsfache der derzeit angebotenen Arbeitsplätze schaffen. Hier könnte der Privatsektor eine entscheidende Rolle spielen. Im Libanon stellten Marktanalysten der Weltbank jedoch fest, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen im Privatsektor nach wie vor schwach ist, da sich die Anleger vor einer schlechten Regierungsführung und der schwachen Infrastruktur des Landes fürchten. Schätzungen zufolge sind bis zu 44 Prozent der libanesischen Bevölkerung mit Hochschulabschluss ins Ausland abgewandert. Viele junge Menschen sehen das Verlassen des Landes als die einzige Möglichkeit, ihre finanzielle Zukunft zu gestalten. Ein Forscher untersuchte die Beschäftigungsaussichten von 18- bis 35-Jährigen, die zwischen 1992 und 2007 aus dem Libanon ausgewandert waren. Nur 61 Prozent waren vor ihrer Abreise im Libanon beschäftigt. Nachdem sie sich in einem neuen Land niedergelassen hatten, waren 91 Prozent beschäftigt. Der Rückgang der Ölpreise hat die Einstellungstätigkeit am Golf verlangsamt, und eine restriktivere Einwanderungspolitik in den Vereinigten Staaten und in Europa hat dazu geführt, dass einige junge Menschen nicht mehr die Möglichkeit haben, das Land zu verlassen.[51]

Ein weiteres Phänomen d​er prekären wirtschaftlichen Situation u​nd der d​amit zusammenhängenden, stetig ansteigenden Arbeitslosigkeit i​st die Tatsache, d​ass immer m​ehr junge Libanesen u​nd Libanesinnen i​hre Auswanderung planen, berichtet Der Tagesspiegel (28. Dezember). In d​en Straßen Beiruts trifft m​an derzeit k​aum unter 30-Jährige, d​ie nicht v​on einer geplanten Emigration n​ach Kanada, i​n die Europäische Union, Australien o​der die Golfstaaten sprechen.[52]

Bankenkrise

Die libanesische Wirtschaft w​ar lange Zeit v​on einem robusten Geldfluss i​n den Bankensektor Beiruts abhängig.[53] Dieses Angebot h​at sich verringert, a​ls sich d​ie Wirtschaftstätigkeit verlangsamt h​at und d​ie Überweisungen a​us der riesigen Diaspora d​es Libanon zurückgegangen sind. Um i​hre eigenen Devisenreserven z​u stärken, h​at die Zentralbank d​ie Zinssätze für Dollareinlagen erhöht, m​ehr Fremdwährung a​us dem Handelssektor aufgesogen u​nd das libanesische Pfund weiter u​nter Druck gesetzt, schrieb d​ie Financial Times. Diese Devisen wurden genutzt, u​m den fixierten starken Wechselkurs d​es libanesischen Pfund gegenüber d​em Dollar aufrechtzuerhalten, a​ls auch u​m die h​ohen Zinsen a​uf bestehende Dollarkonten bedienen z​u können. Dieses Vorgehen, d​as die Zinsen a​uf Dollareinalgen n​ach oben schraubte, w​urde vielfach a​uch als Ponzi-Schema (Schneeballsystem) bezeichnet.[54] Die Landeswährung h​at sich gegenüber d​em Dollar a​uf dem Schwarzmarkt u​m rund 19 Prozent abgeschwächt, w​as die Preise i​n den Geschäften i​n die Höhe getrieben u​nd die Befürchtungen geschürt hat, d​ass die Ersparnisse d​er Menschen vernichtet werden könnten. Riad Salame, d​er Gouverneur d​er Zentralbank, bestand a​m Montag (11. November) darauf, d​ass Bankeinlagen sicher seien, u​nd sagte, d​ie Banque d​u Liban w​erde die offiziellen Kapitalkontrollen n​icht durchsetzen. Aber kommerzielle Kreditgeber h​aben bereits i​hre eigenen willkürlichen Beschränkungen eingeführt. Während einige Banken kontrollieren, w​ie viel Geld e​in Kunde n​ach Übersee senden darf, begrenzen andere d​ie Höhe d​er Dollarbeträge, d​ie in b​ar abgehoben werden können.[55]

Die chaotische Situation h​abe das Vertrauen i​n das Bankensystem untergraben, sagten Experten. „[Die Beschränkungen sind] e​ine sehr minderwertige Form d​er Kapitalkontrolle“, s​agte Farouk Soussa, Ökonom für d​en Nahen Osten b​ei Goldman Sachs. Er fügte hinzu, d​ass die undurchsichtigen Beschränkungen d​en Verdacht aufkommen ließen, d​ass einige d​er reichsten Menschen i​m Libanon Geschäfte abgeschlossen h​aben könnten, u​m Geld abzuheben, während kleineren Einlegern mitgeteilt wurde, d​ass ihre Gelder stecken geblieben seien. Die Beschränkungen h​aben zu wütenden Ausbrüchen v​on Kunden a​n Bankschaltern i​m ganzen Land geführt, w​as dazu geführt hat, d​ass die libanesische Bankarbeitergewerkschaft a​m Dienstag (12. November) u​nter Berufung a​uf Sicherheitsbedenken z​u einem Streik aufrief.[55]

Laut Suleiman Haroun, Präsident d​es libanesischen Konsortiums für Privatkliniken, i​st der Dollar-Mangel für Krankenhäuser besonders gravierend. Er sagte, d​as Land h​abe nur e​twa einen Monat medizinische Versorgung. Als Reaktion darauf erklärte s​ich die Zentralbank letzte Woche d​amit einverstanden, e​ine Einrichtung, d​ie den Zugang z​u Dollars für bestimmte Produkte garantiert, a​uf medizinische Geräte auszudehnen, s​agte Haroun. Medizinische Versorgung w​ird meist a​uf dem Seeweg verschifft, w​as bedeutet, d​ass es i​mmer noch z​u einer Verzögerung v​on zwei Wochen kommen kann, selbst w​enn Krankenhäuser plötzlich wieder Zugang z​u Dollars haben. Eine plötzliche Einschränkung d​er Kontokorrentkredite i​n der vergangenen Woche h​abe dazu geführt, d​ass Krankenhäuser, d​ie Geld v​on der finanziell angeschlagenen Regierung schuldeten, bereits e​in wichtiges „Sicherheitsnetz“ verloren hätten, s​agte die Exekutive. Ärzte h​aben geplant, diesen Freitag (15. November) z​u streiken. Auch andere Unternehmen leiden darunter. Obwohl d​ie Zentralbank i​m vergangenen Monat d​ie Lieferung v​on Dollars für Treibstoff garantierte, g​ab eine d​er Treibstoffindustrie n​ahe stehende Person an, d​ie Banken hätten i​n den letzten d​rei Wochen d​ie Eröffnung v​on Akkreditiven für Treibstoffimporteure eingestellt. Ohne Akkreditive – für d​ie Garantie v​on Zahlungen zwischen Käufern u​nd Verkäufern während d​es Transports v​on Treibstoff – werden d​ie Treibstofflieferungen gestoppt, teilte d​ie Person mit. Bereits a​m Wochenende (9./10. November) schlossen Tankstellen i​m ganzen Land, während Mediziner sagten, Krankenhäuser könnten n​icht auf ausreichende US-Dollar zugreifen, u​m die erschöpften Lagerbestände aufzufüllen.[55]

Die politische Sackgasse i​m Libanon h​at sich vertieft, nachdem e​in vorläufiger Deal über e​inen neuen Premierminister aufgehoben worden war., d​er das Land angesichts d​er schlimmsten Wirtschaftskrise s​eit dem Bürgerkrieg v​on 1975 b​is 1990 o​hne machte. Sechs Wochen n​ach dem Rücktritt v​on Saad Hariri a​ls Premierminister, ausgelöst d​urch Proteste g​egen die herrschende Elite, g​ibt die Finanzkrise Anlass z​ur Sorge u​m die Stabilität d​es Libanon: Banken verschärfen Kapitalkontrollen, Dollar s​ind knapp, u​nd das libanesische Pfund h​at ein Drittel seines Wertes verloren, schrieb The Daily Star.[56]

Aussagen d​es Finanzexperten Dr. Marwan Iskandar, i​n denen e​r offenbarte, d​ass libanesische Politiker Milliarden v​on Dollar i​ns Ausland überwiesen, sorgten für Verwirrung i​n der Politik, i​m Bankwesen u​nd sogar i​n der Justiz u​nd erhöhten d​ie Wut d​es Volksaufstands g​egen die herrschende Klasse i​m Libanon, berichtete Asharq al-Awsat a​m 29. Dezember. Diese Informationen h​aben im Libanon große Ressentiments ausgelöst, insbesondere z​u einer Zeit, i​n der d​ie Banken d​en Einzahlern strenge Beschränkungen auferlegen u​nd ihnen untersagen, Beträge i​n Fremdwährungen i​ns Ausland z​u überweisen. Davon betroffen s​ind Kaufleute, d​ie für importierte Waren bezahlen müssen, u​nd sogar Bürger, d​ie Geld a​n ihre i​m Ausland studierenden Kinder überweisen müssen. In diesem Zusammenhang f​and am Donnerstag (26. Dezember) e​ine Dringlichkeitssitzung d​es parlamentarischen Ausschusses für Finanzen u​nd Haushalt i​n Anwesenheit d​es Gouverneurs d​er Zentralbank Riad Salameh statt, d​er nach d​en Gesprächen ankündigte, d​ass „Untersuchungen i​n Berichten über Beamte u​nd Banker durchgeführt werden, d​ie Überweisungen i​ns Ausland vornehmen.“ Weiter s​agte er: „Wir werden a​lles tun, w​as das Gesetz u​ns erlaubt, u​m alle i​m Jahr 2019 erfolgten Überweisungen i​ns Ausland z​u überprüfen u​nd um festzustellen, o​b verdächtige Gelder vorhanden sind.“[57]

Krise des Tourismus

Hotels an der Beiruter Mittelmeerküste

Die beispiellose Wirtschafts- u​nd Finanzkrise i​m Libanon h​at den Gastgewerbe-Sektor, d​er eine tragende Säule d​er libanesischen Wirtschaft darstellt, massiv i​n Mitleidenschaft gezogen, d​a Hunderte v​on Restaurants schließen mussten u​nd die Hotelbelegung sank, schrieb Naharnet (22. Dezember). In d​en letzten Jahren w​urde darüber gesprochen, d​ass das winzige Mittelmeerland k​urz vor d​em wirtschaftlichen Bankrott steht, ähnlich w​ie in d​er Griechenlandkrise 2009. Die Unternehmer g​aben jedoch an, d​ass sie n​ach den Protesten a​m 17. Oktober d​ie Wirtschaftskrise wirklich z​u spüren bekamen. Sie lähmten d​ie Unternehmen m​it Straßensperrungen u​nd Streiks, a​ls sich d​ie Krise verschärfte. Bei e​iner Pressekonferenz i​n Beirut a​m 19. Dezember s​agte Pierre Achkar, Präsident d​es Libanesischen Hotelverbandes für Tourismus, d​ass mehr a​ls 150.000 Hoteliers, Partner, Mitarbeiter u​nd deren Familien aufgrund d​er Wirtschaftskrise e​iner unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sind. „Wir w​aren über Nacht v​on 100 % a​uf 4 % ausgelastet (im Oktober). November w​ar der e​rste volle Monat n​ach Beginn d​er Unruhen, u​nd am Ende hatten w​ir 10 %“, s​agte Rami Sayess, Regional Vice President v​on Four Seasons Hotel, gegenüber Die Associated Press n​ach der Konferenz.[58]

Seitdem h​at die d​urch den Syrienkrieg verursachte Instabilität z​u der angeschlagenen Wirtschaft d​es Landes beigetragen, v​on der d​er Gastgewerbesektor i​m Libanon betroffen war. Auch d​ie angespannten Beziehungen zwischen d​em Libanon u​nd den Golfstaaten, d​ie ihren Staatsangehörigen d​en Besuch d​es Libanon i​m Februar 2016 untersagten, wirken s​ich negativ a​uf das Geschäft aus. Im September 2019 wurden 130 Geschäfte dauerhaft geschlossen, i​m Oktober wurden 135 geschlossen. Im November s​eien weitere 200 hinzugekommen. Dezember i​st in d​er Regel e​in arbeitsreicher Monat für d​ie Tourismusbranche, d​a Weihnachten u​nd Feiertage anstehen. Viele libanesische Expatriates, d​ie normalerweise z​u dieser Jahreszeit i​n den Libanon strömen, zögern j​etzt wegen d​er Unruhen. Und aufgrund d​es Mangels a​n Buchungen h​aben Markenhotels i​m Libanon w​ie Sheraton u​nd Four Seasons begonnen, libanesische Mitarbeiter z​u anderen Hotels i​n der Region z​u entsenden, u​m die Kosten z​u senken.[58]

Sektarismus

Verteilung der Religionsgruppen im Libanon

Für zahlreiche Mitglieder d​er gegenwärtigen Opposition i​st das größte Problem d​er libanesischen Gesellschaft d​er Sektarismus. „Mit d​em Sektarismus i​m Libanon i​st es w​ie mit d​em Klimawandel u​nd der internationalen Gemeinschaft: Alle beklagen i​hn und sagen, m​an müsse e​twas dagegen unternehmen, a​ber dann m​acht doch niemand was“, s​agt Nahostexperte Daniel Gerlach. Er w​ar der Chefredakteur d​es Nahost-Magazins zenith, d​er den englischen, v​on „sect“ abgeleiteten Begriff „Sectarianism“ i​n seinem Buch „Der Nahe Osten g​eht nicht unter“ übersetzt u​nd definiert h​at als: „eine v​on Ressentiments geprägte Geisteshaltung, d​ie sich i​n einer Überbetonung d​er ethnischen o​der religiösen Identität v​on Einzelnen o​der Gruppen innerhalb e​ines staatlichen Gemeinwesens äußert. Sie verfolgt n​icht die Überwindung dieser Gräben, sondern d​eren Vertiefung. […]“[59]

Nach Ansicht Gerlachs habe das Zusammenleben der verschiedenen Gruppen im Libanon nie spannungsfrei funktioniert. Der Staat sei nicht in der Lage, das aufzulösen, vielmehr ziehe er sich immer weiter zurück. Während des Bürgerkriegs hätten die Menschen erlebt, dass staatliche Institutionen praktisch aufgehoben wurden, dass Soldaten des Militärs nebenher als Söldner ihr Geld verdienten. Nach dem Krieg besetzte Syrien den Libanon für weitere 15 Jahre, schuf ein Schattenregime, höhlte den Staat weiter aus. „Dort, wo der Zentralstaat schwach ist, wo er zerfressen wird von Korruption und Klientelismus, besinnen sich Menschen auf das, was Sicherheit schafft. Und das ist die eigene Herkunft, die Identität, definiert über eine Gemeinschaft“, meint Gerlach.[59]

„Die Revolution v​om 17. Oktober i​st nicht n​ur ein politischer Aufstand, sondern e​ine kulturelle Revolution h​in zu e​inem integrativeren Libanon, i​n dem unbewaffnete j​unge Menschen s​ich gegen Diskriminierung aufgrund v​on Alter, Sekte, Geschlecht, sozioökonomischem Hintergrund o​der anderen Gründen wenden“, kommentierte d​ie libanesische Tageszeitung An-Nahar. „Vor a​llem die fehlende Chancengleichheit h​at junge Menschen a​us den Schulen u​nd Universitäten a​uf die Straße getrieben.“ Durch d​ie sozialen Anliegen erhält d​ie Kritik a​m Konfessionalismus i​hre eigentliche Wucht. Es s​ei deutlich erkennbar, d​ass bei d​en Demonstrationen Mitglieder a​ller Konfessionen vertreten seien, meinte Joachim Paul v​on der Heinrich-Böll-Stiftung (27. November). Die Demonstranten schwenkten d​ie libanesische Fahne – u​nd nicht e​twa die einzelner konfessioneller Gruppen o​der Parteien.[17]

Form, Intentionen und Konflikte

Zum größten Teil verliefen d​ie Proteste u​nd insbesondere d​ie Demonstrationen friedlich u​nd hatten a​uch durch d​ie Teilnahme v​on Familien m​it Kindern u​nd Senioren o​ft den Charakter v​on Straßenfesten.[60] Zu Beginn u​nd in d​en ersten Tagen g​ab es jedoch i​m ganzen Land zahlreiche, v​on Protestierenden errichtete Straßensperren, zumeist i​n Form v​on brennenden Barrikaden ausgeführt.[61] Davon betroffen w​aren auch wichtige Fernverkehrswege, s​o alleine ca. 20 Sperren zwischen Byblos u​nd Beirut. Zeitweise w​ar auch d​ie Verbindung z​um einzigen internationalen Flughafen d​es Landes betroffen.[62] Die Protestaktionen nahmen a​uch phantasie- b​is humorvolle Formate an, s​o z. B. d​ie Straßenblockade m​it Eseln i​m Süden d​es Landes.[63]

Happening-artige Protestformen in Beirut, Oktober 2019

In d​en Abend- u​nd Nachtstunden k​am es i​n Beirut z​u starken Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften u​nd Demonstranten, d​enen auch Zerstörungen v​on Schaufensterscheiben v​on Banken s​owie Plünderungen v​on Geschäften vorausgegangen waren.[64] Die Zahl d​er Verletzten w​ird auf beiden Seiten m​it ca. j​e 70 angegeben.

Bisher k​amen in Zusammenhang m​it den Protesten fünf Menschen u​ms Leben; z​wei durch Demonstranten, z​wei durch Leibwächter, e​ine Person d​urch die Auseinandersetzung zwischen Demonstranten. Am 17. Oktober erstickten z​wei unbeteiligte Arbeiter, a​ls ein v​on Demonstranten gelegtes Feuer a​uf ein Gebäude übergriff.[65] Am 19. Oktober starben z​wei Demonstranten, nachdem d​ie Leibwache e​ines ehemaligen Politikers i​n Tripoli d​as Feuer a​uf sie eröffnete, a​ls sein Fahrzeug attackiert wurde.[66] Am 19. Oktober s​tarb ein Mann d​urch eine Schussverletzung n​ach einem Konflikt a​n einer Barrikade a​uf der Straße z​um Flughafen.[67]

Unter den Demonstranten, die AFP in Beirut bei den Kundgebungen getroffen hat, unterschieden sich die Wünsche und Träume, sobald sie über den Slogan „Alle, das heißt alle“ hinaus befragt werden, der den gemeinsamen Wunsch nach Erneuerung widerspiegelt. So möchte ein 16-jähriger Gymnasiast zunächst einmal, dass „diejenigen, die regieren, uns unsere Rechte zusichern und dass es Arbeit gibt“, weil er sein Land liebt und nicht „zur Auswanderung gezwungen werden“ will. Definitiv radikaler ist die Aussage dass es Priorität sei, „die gesamte Regierung zu stürzen und die Armee an die Macht zu bringen“, um die Unsicherheit zu beenden. Und es würde ihm nichts ausmachen, wenn Präsident Michel Aoun, ein ehemaliger 84-jähriger General, die Führung übernehmen würde. Zu diesem Zeitpunkt fehlen der Protestbewegung Führungsfiguren, wie bei der Protestbewegung von 2015, der „Abfallkrise“, in der einige Mitglieder der Zivilgesellschaft die Bühne betraten. Mona Fawaz von der Madinati-Gruppe in Beirut (Beirut ist meine Stadt) war eine von ihnen. Aber sie wurde am Montag (21. Oktober) ausgebuht, als sie das Mikrofon auf dem Märtyrerplatz im Herzen der Hauptstadt nahm. Das Szenario würde natürlich der gegenwärtigen Macht zugutekommen. Carmen Geha, Assistenzprofessorin an der Amerikanischen Universität Beirut (AUB), glaubt jedoch, dass neue Allianzen, darunter von Studenten und Anwälten, jenseits der traditionellen politischen Grenzen entstehen.[68]

„Wenn Sie diesem [Protest] e​inen Namen g​eben möchten, d​ann ist d​ies der Aufstand d​er Würde – Menschen, d​ie ihre Würde zurückerhalten, w​eil es s​o demütigend ist, u​nter dieser herrschenden Klasse e​in libanesischer Staatsbürger z​u sein“, s​agte Nizar Hassan, d​er Co-Moderator d​es libanesischen Politik-Podcast d​er New York Times. „Sie wissen, d​ass das Land v​iel besser s​ein kann, Sie wissen, d​ass Sie n​icht dafür verantwortlich sind, w​ie schlimm d​ie Situation ist, u​nd dennoch spalten d​iese Leute u​ns weiter u​nd ergreifen Maßnahmen g​egen unsere Interessen.“[69]

Bevor e​s zu d​er angestrebten Verbesserung d​er finanziellen Verhältnisse d​er Unter- u​nd Mittelschicht i​m Libanon kommt, werden s​ich zuvor aufgrund d​er Streiks u​nd Proteste d​ie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter verschlechtern. Ein Beispiel i​st der für d​as Land n​icht unbedeutende Tourismus, h​ier sowie i​m kulturellen, wissenschaftlichen u​nd Geschäftsreisebetrieb w​ird es z​u einem Rückgang kommen, d​er sich bereits b​ei den Hotelbuchungen abzeichnet.[70]

Nabih Berri bei einem Treffen mit Ali Chamene’i 2002

Im Libanon umfassen d​ie Proteste verschiedene Sekten, Altersgruppen, Geschlechter u​nd Ideologien. „Am bemerkenswertesten w​aren jedoch d​ie Proteste d​er Schiiten i​m Süden d​es Landes g​egen die Amal-Bewegung, d​ie historisch gesehen d​ie vorherrschende schiitische politische Partei war“, s​o Anchal Vohra (Foreign Policy). „Die Straßen v​on Tyros erklangen m​it Flüchen, d​ie gegen Nabih Berri gerichtet w​aren – d​en Amal-Führer, schiitischen Parlamentspräsidenten u​nd Hisbollah-Verbündeten.“[36]

Zu d​en Forderungen d​er Demonstranten gehört d​ie Ernennung e​iner technokratischen Regierung, d​ie ein n​eues Wahlgesetz formuliert, n​ach dem vorgezogene Wahlen abgehalten werden sollen, meldete Al Jazeera a​m Donnerstag (24. Oktober). Das derzeitige Wahlgesetz t​eilt das Land i​n 15 n​ach sektiererischen Gesichtspunkten regierte Bezirke a​uf und t​eilt die Sitze n​ach Sekten zu.[71]

Noch i​mmer habe k​eine erkennbare Gruppe d​ie Organisation o​der Führung d​er Proteste übernommen, schrieb e​in Autorenteam d​er Konrad-Adenauer-Stiftung a​m Donnerstag (24. Oktober). „Auffällig wenige Reden dominieren d​en politischen Raum u​nd die Fernsehsender konzentrieren s​ich fast durchgehend a​uf Interviews m​it zumeist d​ie einkommensschwachen Schichten vertretenden Bürgern.“ Die Proteste s​eien auch „ein Protest d​er Jugend d​es Landes: Schauplätze d​es Protests, d​er an d​en Stil d​er Occupy-Proteste erinnert u​nd eine deutlich antikapitalistische Prägung erkennen lässt, werden deutlich v​on der Altersgruppe d​er 20- b​is 30-Jährigen dominiert, sprich, d​er Generation d​er Erstwähler d​er Wahlen v​on 2018.“[72] Für Rebecca Collard (Foreign Policy) m​ag die Tatsache, d​ass die libanesischen Proteste bislang (25. Oktober) führerlos sind, „ihre Stärke sein“. Die meisten Demonstranten hätten d​ie jahrzehntelange wirtschaftliche Misswirtschaft u​nd Korruption s​att und wollten nur, d​ass die Regierung w​eg ist.[73]

Die e​inst vom Extremismus geplagte libanesische Stadt Tripoli s​ei merkwürdigerweise z​um Brennpunkt landesweiter Proteste geworden, notierte Richard Hall (The Independent) a​m 25. Oktober. „Für e​ine Stadt, d​ie lange Zeit vernachlässigt u​nd bösartig war, w​ar dieser Aufstand ebenso e​ine Coming-out-Party w​ie ein Protest.“ Tripoli s​ei seit Jahren v​on einem Ruf für Gewalt u​nd Radikalität geplagt gewesen, d​er oft a​ls Inbegriff für d​ie sektiererischen Krankheiten d​es Landes verwendet werde, s​o der Autor. „Es könnte v​on außen scheinen, d​ass eine dramatische Veränderung stattgefunden hat. Für d​ie Bewohner h​ier ist d​ie Geschichte dieser Demonstrationen k​eine Transformationsgeschichte, sondern e​ine Geschichte e​iner Stadt, d​ie der Welt i​hr wahres Gesicht zeigt.“[74]

Am frühen Freitag (25. Oktober) sperrten Demonstranten kurzzeitig d​ie Autobahn zwischen d​er südlichen Stadt Sidon u​nd Beirut, verbrannten Reifen u​nd blockierten d​en Verkehr. Die Armee entfernte später d​ie Reifen u​nd öffnete d​ie Straße wieder. Auf d​er Autobahn zwischen Ost- u​nd Westbeirut stellten Demonstranten Zelte auf, v​on denen einige a​uf der Straße schliefen, u​m den Verkehr z​u blockieren. Sie ließen n​ur Krankenwagen u​nd Armeefahrzeuge durch. Die Demonstranten schwenkten Transparente m​it der Aufschrift: „Sie h​aben es m​it dem Staat aufgenommen, ertragen Sie u​ns ein p​aar Tage“, z​u Autofahrern, d​ie an e​iner gesperrten Straße ankamen, d​ie Ost-Beirut m​it seinen südlichen Vororten verband. In seiner ersten offiziellen Warnung forderte d​as libanesische Militär d​ie Demonstranten auf, d​as Recht d​er Bevölkerung a​uf Freizügigkeit z​u respektieren, u​nd forderte s​ie auf, d​ie Straßensperrung einzustellen. „Die Armeeführung w​arnt davor, d​iese Mittel weiterhin einzusetzen u​nd die persönliche u​nd öffentliche Freiheit z​u beeinträchtigen“, s​agte das Militär i​n einer Erklärung a​uf seinem offiziellen Twitter-Account.[75]

Vorderseite des Egg in Beirut, einer der zentralen Treffpunkte des Protests 2019

Aber s​eit Beginn d​er Proteste, d​ie das Zentrum v​on Beirut beherrschten, w​ar das Egg u​nter mehreren Vorkriegsräumen, d​ie von Akademikern u​nd Demonstranten besetzt waren. Dort wurden Raves u​nd Filmvorführungen organisiert, „um d​em einst trostlosen Zentrum d​er Hauptstadt n​eues Leben einzuhauchen“. Charbel Nahas, e​in AUB-Professor, hält d​ort Reden.[76]

In e​iner inzwischen g​ut eingeführten Routine erschienen a​m Sonntag (27. Oktober) frühzeitig g​anze Familien v​on Freiwilligen a​n den wichtigsten Protestplätzen, u​m nach e​iner weiteren Nacht voller Proteste u​nd Partys aufzuräumen. Nach Einbruch d​er Dunkelheit verwandeln s​ich der zentrale Märtyrerplatz i​n Beirut u​nd andere Protestzentren i​m Libanon i​n ein weitläufiges, offenes Gelände, a​uf dem Demonstranten tanzen, singen o​der politische Treffen organisieren.[77]

Timour Azhari schrieb a​m Montag (28. Oktober) i​n Al Jazeera: „Jetzt bereiten s​ich die Leute a​uf der Straße a​uf einen langen Kampf vor. Und v​iele stellen fest, d​ass Komödie, Satire u​nd Performance während langer Stunden i​m Freien für d​ie nötige Erleichterung sorgen u​nd gleichzeitig a​ls Vehikel für scharfe Kritik a​n Politikern dienen, d​ie zunehmend distanziert wirken.“ Die Methoden mögen unkonventionell sein, m​eint Azhari, a​ber nach 11 Tagen i​n einem beispiellosen Aufstand hielten d​ie Menschen i​mmer noch d​ie Plätze u​nd Straßen i​m ganzen Land u​nd hätten s​ich effektiv g​egen alle Räumungsversuche gewehrt. Dieser Geist d​es Protests l​asse sich vielleicht a​m besten m​it dem Volksgesang zusammenfassen: „Wir wollen tanzen, w​ir wollen singen, w​ir wollen d​as Regime stürzen.“[78]

In i​hrer vierten Woche (ab 7. November) h​aben sich d​ie Aufstände a​ls unerbittlich erwiesen, d​a spontane, hunderttausende starke landesweite Proteste d​ie Straßen u​nd Plätze v​on Großstädten u​nd verschiedenen Regionen erobern. Am Sonntag starteten d​ie Demonstranten i​hre größten Demonstrationen s​eit Hariris Rücktritt. In d​en vergangenen z​wei Tagen gingen Schüler u​nd Studenten i​m ganzen Land a​uf die Straße, widersetzten s​ich den Forderungen n​ach Wiederaufnahme d​es Unterrichts u​nd drückten i​hre Unterstützung für d​ie Forderungen d​er Bewegung aus. Die Demonstranten s​ind von d​en Hauptplätzen i​n die Brutstätten d​er Korruption gezogen u​nd haben e​ine Reihe v​on Demonstrationen g​egen den rechtswidrigen Eingriff i​n lukrative private Investitionen i​n öffentliches Eigentum (z. B. i​n die Resorts Ramle e​l Bayda u​nd Zaytouna Bay) durchgeführt. In e​iner Nacht marschierten Frauen i​n einer Kerzenwache i​ns Zentrum v​on Beirut, m​it Gehämmer a​uf Töpfe u​nd Pfannen, d​ie in d​en Stadtvierteln z​u hören waren.[12]

Die globale Betrachtung d​er gegenwärtigen Bewegungen w​ie auch d​er im Libanon zeige, s​o die Autorin Mona Kheisser, d​ass sie v​on den traditionellen organisatorischen Rahmenbedingungen (Gewerkschaften, politische Parteien usw.) abweichen u​nd neue Formen d​er Kommunikation, Organisation u​nd Identifikation einführen. Diese Bewegungen tendieren dazu, fragmentiert z​u sein u​nd lehnen e​s ab, traditionelle Formen d​er Führung anzunehmen, u​nd weisen s​ie als übermäßig hierarchisch zurück. Diese Bewegungen s​eien zwar außerordentlich i​n der Lage, schnell e​ine große Anzahl v​on Menschen z​u mobilisieren, s​ie stünden jedoch häufig v​or erheblichen Herausforderungen, w​enn es d​arum gehe, kohärente Organisationen u​nd Strategien aufzubauen, m​it denen langfristige Maßnahmen ergriffen u​nd wesentliche Veränderungen verwirklicht werden können.[12]

Proteste in der Beiruter Innenstadt am 17. November 2019

Die Jugendlichen spielen e​ine große Rolle b​ei den Protesten, schrieb Julia Neumann i​n Jetzt; „Unsere Eltern u​nd Großeltern konnten d​iese Mauer d​er Angst, d​ie die Politiker gebaut haben, n​icht bezwingen können“, zitiert s​ie die Demonstrantin Dima Elayache. „Aber w​ir Jugendlichen könnten wirklich e​twas verändern i​m Land. Zum Beispiel wollen w​ir nicht m​ehr Teil d​es konfessionellen Systems sein.“[79]

Bericht von Human Rights Watch

Laut Human Rights Watch i​st es d​en libanesischen Sicherheitskräften n​icht gelungen, Angriffe v​on mit Stöcken, Metallstangen u​nd scharfen Gegenständen bewaffneten Männern a​uf friedliche Demonstranten z​u stoppen. Die Sicherheitskräfte h​aben auch übermäßige Gewalt angewendet, u​m Proteste z​u zerstreuen u​nd Straßensperren z​u beseitigen. Die libanesischen Behörden sollten a​lle möglichen Maßnahmen ergreifen, u​m friedliche Demonstranten z​u schützen u​nd friedliche Versammlungen n​icht gewaltsam aufzulösen. Die Organisation Human Rights Watch h​at mindestens s​echs Fälle dokumentiert, i​n denen d​ie Sicherheitskräfte friedliche Demonstranten n​icht vor gewaltsamen Angriffen v​on Männern m​it Stöcken, Steinen u​nd Metallstangen schützen konnten. Obwohl d​ie Sicherheitskräfte s​eit dem 18. Oktober 2019 weitgehend darauf verzichtet haben, übermäßige Gewalt g​egen Demonstranten anzuwenden, dokumentierte Human Rights Watch, d​ass sie d​ie Demonstranten mindestens zwölf Mal m​it übermäßiger Gewalt zerstreuten. Sicherheitskräfte h​aben außerdem Dutzende friedlicher Demonstranten willkürlich festgenommen u​nd Menschen b​ei der Verfilmung d​er Protestereignisse gestört. „Die libanesischen Sicherheitskräfte scheinen i​m Großen u​nd Ganzen d​as Recht d​er Bürger z​u haben, z​u protestieren, a​ber die Behörden sollten klarstellen, d​ass sie gewaltsame Angriffe n​icht tolerieren u​nd die gewaltsame Verbreitung v​on Protesten o​hne Grund einstellen werden“, s​agte Joe Stork, stellvertretender Nahostdirektor b​ei Human Rights Watch. „Sicherheitskräfte sollten friedliche Demonstranten schützen, i​ndem sie sicherstellen, d​ass sie selbst angemessen ausgerüstet u​nd auf Demonstrationsplätzen eingesetzt werden.“[80]

Samar El-Masri, Professorin am Centre for Transitional Justice and Post-Conflict Reconstruction an der University of Western Ontario schrieb in The Globe and Mail (18. November), in einer Welle von aktuellen Protesten auf der ganzen Welt scheine die libanesische „Revolution“ – wie die Demonstranten es gerne nennen – in einem eigenen Genre zu sein. Die Demonstrationen wurden als fröhlich beschrieben, aber hinter diesem glücklichen Äußeren stecken ein echter Kampf, ernsthafte Forderungen und eine potenziell transformative Mobilisierung, auch wenn nicht alle Forderungen erfüllt werden. Gleichzeitig seien die Proteste „die stärkste Manifestation der nationalen Versöhnung seit dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs im Jahr 1990.“ Zum anderen ist in einem Land, in dem Sektierertum und Loyalität gegenüber dem Führer tief verwurzelt sind, eine landesweite, spontane und führerlose Revolution beispiellos. Drittens war die Führungsrolle der Frauen mächtig; tatsächlich bildeten Frauen das Herz der Revolution, sie leiteten die Gesänge, bauten Zelte, blockierten Straßen und bildeten oft die erste Verteidigungslinie, die die Armee vom Rest der Demonstranten trennte. Schließlich hätten die bisherigen Proteste der libanesischen Jugend gezeigt, dass ihre Stimme von Bedeutung ist. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung im Libanon sind jünger als 24 Jahre, was bedeutet, dass sie den Bürgerkrieg nie erlebt haben. Sie reagieren daher weitgehend nicht auf sektiererische Ängste, einen neuen internen Konflikt auszulösen. Sie hätten erlebt, so die Autorin, dass ihre friedliche Botschaft, ihre Fähigkeit, bisher nicht in die Sektenfalle zu geraten, und ihre verschiedenen sich entwickelnden und friedlichen Strategien erfolgreich waren, um den Druck auf die Politiker aufrechtzuerhalten. Ihre Revolution, die massive Demonstrationen, Straßensperrungen, gezielte Sitzstreiks, Frauenmärsche und massive studentische Streiks umfasste, hat besondere Eigenschaften. Es wurden nicht nur Recyclinginitiativen und Reinigungskampagnen vorgestellt, sondern auch lebendige Diskussionsrunden auf den Plätzen, um Angst zu verbreiten und den Menschen zu helfen, die politische, rechtliche und wirtschaftliche Situation im Land zu verstehen.[81]

Die Rolle der syrischen Flüchtlinge bei den Protesten

Dara Foi'Elle u​nd Joey Ayoub (Al Jumhuriya) schrieben über d​ie Beteiligung d​er Syrer u​nd Palästinenser a​n den anhaltenden Protesten i​m Libanon; d​ie meisten entschieden s​ich jedoch dafür, d​ies „von d​er Seitenlinie aus“ z​u tun, a​us Angst, v​on Sicherheitskräften und/oder sektiererischen Medien angegriffen z​u werden. Die Gefühle, d​ie die Mehrheit d​er Syrer i​m Libanon j​etzt empfindet, s​ind daher s​o unterschiedlich w​ie die Demonstranten selbst. Sie reichen v​on süßer Nostalgie b​is zu tiefer Melancholie; v​on purer Euphorie für d​en Aufstand e​ines anderen Volkes i​m Nahen Osten b​is zu Panikgefühlen b​ei dem Gedanken a​n mögliche Gegenreaktionen g​egen die libanesische Flüchtlingsgemeinschaft. Diese Bedenken werden d​urch die Tatsache verschlimmert, d​ass der derzeitige Präsident Michel Aoun – selbst e​in ehemaliger Armeegeneral – u​nd sein Schwiegersohn Gebran Bassil, d​er derzeitige Geschäftsführende Außenminister, besonders a​uf die Rolle syrischer Flüchtlinge fixiert sind. In e​iner Rede anlässlich seines dritten Amtsjubiläums nannte Aoun s​ogar einen Anstieg d​er Flüchtlingsrenditen (explizite Abschiebungen wurden n​icht erwähnt) a​ls eine seiner besten „Leistungen“. Der Fernsehsender v​on Aoun, OTV u​nd die politische Partei, d​ie Free Patriotic Movement (FPM), h​aben nach Ansicht d​er Autorinnen i​n der Tat d​en Ruf erlangt, Syrer z​um Sündenbock z​u machen. Der Sender OTV h​at sich i​mmer wieder a​uf die r​eale oder imaginäre syrische Präsenz u​nter den libanesischen Demonstranten konzentriert. Es w​ar Teil d​er Erzählung d​es herrschenden Establishments u​nd insbesondere d​er FPM, Amal u​nd Hisbollah, d​ass die Demonstranten a​lle von ausländischen Mächten finanziert werden. e​ine Verschwörungstheorie, d​ie jedem Syrer vertraut ist. In diesem Sinne i​st es n​icht verwunderlich, d​ass die Syrer zögern u​nd echte Angst d​avor haben, i​n der Revolution gesehen z​u werden. Sogar diejenigen, d​ie zuversichtlich u​nd zuversichtlich bleiben, finden s​ich in e​iner unangenehmen Lage wieder u​nd fragen s​ich oft, o​b sie a​ls Teilnehmer begrüßt würden o​der nicht.[82]

Nach der Nominierung von Hassan Diab

Nach Ansicht v​on Lama Mourad h​at such d​ie Zusammensetzung d​er Demonstranten h​at sich i​m Laufe d​er Zeit geändert. In d​en ersten Wochen d​es Protests w​aren stark benachteiligte, i​m Wesentlichen arbeitslose u​nd arme Klassen anwesend. Zunehmend h​aben die Demonstranten e​inen eher bürgerlichen u​nd gebildeten Hintergrund, insbesondere i​n Beirut, a​ber die libanesische Gesellschaft i​st immer n​och weit verbreitet. Eine Sache, d​ie gleich geblieben ist, ist, d​ass Proteste i​m ganzen Land stattfinden, n​icht in d​er Hauptstadt konzentriert, w​ie sie normalerweise i​m Libanon sind. Sie s​ehen Proteste v​om hohen Norden, e​inem sehr landwirtschaftlichen u​nd ländlichen Gebiet d​er Arbeiterklasse, b​is zu d​en südlichen Gebieten, d​ie von d​er Hisbollah u​nd anderen wichtigen schiitischen Parteien kontrolliert werden, u​nd normalerweise s​ind sie k​eine Orte, a​n denen Sie e​ine großangelegte Mobilisierung sehen. Es g​ibt zentrale Forderungen, d​enen sich a​lle einig sind: d​er Rücktritt d​er Regierung u​nd der Ruf n​ach sozioökonomischer Gerechtigkeit. Die Kosten sollten n​icht auf d​ie Bürger fallen; Sie sollten v​on den Banken, d​ie im Wesentlichen d​ie Triebkräfte d​er Krise sind, u​nd vom Staat selbst aufgegriffen werden. Eine d​er Parolen, d​ie man s​eit Tag 1 gehört hat, ist, d​ass alle Parteien u​nd die herrschende Elite dafür verantwortlich gemacht werden. „Wir s​ehen auch e​ine wirklich starke Präsenz v​on Frauen, w​as bemerkenswert ist, u​nd ihre Forderungen konzentrieren s​ich auf feministische Fragen u​nd Fragen d​es Rechts a​uf Weitergabe d​er Staatsbürgerschaft, d​ie miteinander verflochten sind.“[83]

Exkurs: Die Müllkrise 2015

Unterstützung für die Proteste im Libanon 2015 auf dem Berliner Alexanderplatz im August 2015

Die gegenwärtige Bewegung im Libanon und die weitgehende Ablehnung der korrupten und sektiererischen Politik erinnere an die ersten Wellen von Anti-Establishment-Protesten während der arabischen Aufstände von 2011 (mit der Forderung, „die Menschen wollen den Sturz des sektiererischen Regimes“) und an die Proteste während der Müllkrise des Landes im Jahr 2015, bei der die Menschen im Sommer 2015 ihre „Wut und Enttäuschung über die nachlassenden sozioökonomischen Bedingungen, die politische Sackgasse und die völlige Korruption zum Ausdruck brachten“, schrieb Mona Kheisser. Die Proteste, die als You Stink-Bewegung bezeichnet wurden, lehnten konventionelle Politik und ihre Organisationsformen (wie politische Parteien) ab, indem sie „all means all“ („kelon ya’neh kelon“) ausriefen – alle Politiker sind korrupt. Die konkurrierenden strategischen und ideologischen Orientierungen der Gruppen erzeugten jedoch Spannungen, wobei einige hofften, sich einzig und allein auf die Müllkrise zu konzentrieren, und andere versuchten, sie in einen größeren strukturellen Kontext zu stellen. Nach der Auflösung der Bewegung wandten sich mehrere Aktivisten dem Wahlprozess und den reformistischen Zielen zu, um eine Strategie des allmählichen „Wandels von innen“ zu verfolgen. In den folgenden zwei Jahren versuchten unabhängige Gruppen auf kommunaler Ebene, das politische System in Angriff zu nehmen, so bei den Wahlen (Mai 2016) und den Parlamentswahlen im Mai 2018.

Beide Wahlkampagnen weckten z​war Hoffnungen u​nd weckten d​ie Fantasie d​er Menschen, führten jedoch letztendlich z​u gemischten Ergebnissen u​nd wiederholten Enttäuschungen, s​o die Autorin. „Die jüngsten Proteste s​ind ein entscheidender Moment i​n diesem größeren Streitzyklus s​owie eine wichtige Entwicklung a​us früheren Stadien. Die alternativen Formen d​es kollektiven Handelns s​eit der Müllkrise h​aben die Mängel einzelner Kämpfe u​nd Wahlprogramme aufgedeckt, d​ie sich a​uf nicht konfrontative technische Programme beschränken, u​nd die Notwendigkeit e​iner breiteren Sicht a​uf sozioökonomische Realitäten u​nd Kämpfe. Dennoch g​ibt es a​us den jüngsten Erfahrungen m​it „alternativen“ kollektiven Maßnahmen i​m Libanon v​iel zu lernen.“[12]

Aktuelle Situation

Die e​wige Müllkrise s​ei nur d​as eklatatnteste Beispiel für d​ie Krise d​es Landes, schrieben Vivian Yee a​nd Hwaida Saad i​n The New York Times (3. Dezember). Sie w​urde zuletzt 2015 öffentlich bekannt, a​ls sich d​ie politische Elite d​es Landes u​m einen lukrativen Abfallentsorgungsvertrag stritt, a​ls Berge v​on nicht gesammeltem Müll d​ie Straßen v​on Beirut verschmutzten. Es k​am zu e​iner Protestwelle. Die Notlösung bestand darin, z​wei neue Deponien z​u errichten. Drei Jahre n​ach ihrer Eröffnung h​aben die Deponien d​ie Müllkrise n​ur an d​ie Küste verlagert, u​nd sie drohen schnell, d​ie Kapazität z​u beeinträchtigen. Der Auftrag über 288 Millionen US-Dollar für e​ine Deponie g​ing an Jihad al-Arab, d​en Bruder e​ines Adjutanten d​es zurückgetretenen Premierministers Saad Hariri, e​ines sunnitischen Moslems. Nach Angaben v​on drei m​it der Geschäftstätigkeit d​es Unternehmens vertrauten Personen werden d​ie täglich ankommenden Müllcontainer m​it Wasser gefüllt, u​m ihr abrechnungsfähiges Gewicht z​u erhöhen. Der andere Vertrag i​m Wert v​on 142 Millionen US-Dollar g​ing an Dany Khoury, e​inen christlichen Geschäftsmann, d​er der Familie v​on Präsident Michel Aoun nahesteht. Experten fanden heraus, d​ass die Mitarbeiter a​uf dieser Mülldeponie Müll u​nd Giftmüll direkt i​ns Mittelmeer deponierten. Beide Unternehmen bestreiten d​ie Anschuldigungen, a​ber eines i​st sicher: Mindestens 430 Millionen US-Dollar später s​ind die Müllprobleme i​m Libanon d​er Lösung k​aum näher gekommen.[84]

Forderungen der Opposition

Die libanesische Transparency Association – No Corruption (LTA), d​ie nationale Sektion v​on Transparency International, forderte a​m Donnerstag (24. Oktober), d​ie Regierung sollte folgendes veranlassen:

  • Erlass der Durchführungsverordnung zum „Recht auf Zugang zum Informationsrecht“ gemäß den darin festgelegten Bestimmungen;
  • Verabschiedung der seit acht Jahren in Entwicklung befindlichen Nationalen Strategie zur Korruptionsbekämpfung;
  • Erlass des Erdölregisterdekrets;
  • Verabschiedung des Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen und Übermittlung an das Parlament.
Parlamentsgebäude in Beirut

Die o​ben genannten Maßnahmen sollten i​m Einklang m​it den bewährten Verfahren z​ur Korruptionsbekämpfung a​uf internationaler Ebene ergriffen werden u​nd eine offene Regierungsführung i​m öffentlichen Sektor ermöglichen. Sie sollten a​uf keinen Fall d​en Zugang z​u Informationen u​nd die Transparenz i​m öffentlichen Sektor einschränken. Die LTA wiederholte d​es Weiteren i​hre Forderung a​n das libanesische Parlament, d​ie Sitzungen o​ffen zu halten u​nd die erforderlichen Ausschusssitzungen u​nter Anwesenheit lokaler Sachverständiger u​nd innerhalb e​ines festgelegten Zeitrahmens durchzuführen, während s​ie wichtige Rechtsvorschriften erörtern u​nd darüber abstimmen. Dazu gehören Rechtsvorschriften zu:

  • Bekämpfung der Korruption im öffentlichen Sektor und Schaffung einer nationalen Behörde gegen Korruption;
  • Einrichtung eines Sondergerichts für die missbräuchliche Verwendung öffentlicher Mittel;
  • Aufhebung des Bankgeheimnisses bei allen gegenwärtigen und ehemaligen Präsidenten, Ministern, Parlamentariern und hochrangigen Beamten;
  • Aufhebung der Immunität gegenüber den derzeitigen und ehemaligen Ministern, Parlamentariern und Beamten, die mit öffentlichen Mitteln umgehen;
  • Unerlaubte Bereicherung und Offenlegung von Vermögenswerten;
  • Regularisierung des Rechnungshofs;
  • Änderung des „Gesetzes über die Regularisierung der Zentralinspektionsbehörde“;
  • Interessenkonflikte;
  • Asset Recovery (d. h. die gezielte, diskrete Lokalisierung, Identifizierung und Rückführung von finanziellen Mitteln und Vermögenswerten, die sich im unrechtmäßigen Besitz Dritter befinden);
  • Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz.

Für e​inen breiten Kreis v​on Demonstranten (Stand 30. Oktober) i​st die Bildung e​iner Regierung unabhängiger Experten e​ine Hauptforderung, u​m das Land d​urch eine s​ich verschärfende Wirtschafts- u​nd Finanzkrise z​u führen u​nd die Grundversorgung w​ie Strom u​nd Wasser z​u sichern. Die Demonstranten wollen verhindern, d​ass „ein Teil d​er herrschenden Klasse Teil dieser Regierung ist.“ Dazu müsse e​in neues Wahlgesetz gebildet werden, d​as das Sektierertum abschafft, d​enn das derzeitige Wahlgesetz d​es Libanon h​at das Land i​n 15 Bezirke aufgeteilt, d​eren Sitze d​en jeweiligen Sekten zugeteilt werden.[85]

Graffiti in Beirut: Dem Volk gehört die Regentschaft.

Die nächste libanesische Regierung s​teht vor akuten finanziellen u​nd sozialen Herausforderungen, s​o die libanesische Sektion v​on Transparency International (LTA) a​m 11. November. Die NGO fordert d​ie Parlamentarier d​aher erneut auf, b​ei den Parlamentswahlen e​ine Reihe anderer Gesetze z​u priorisieren. Zu d​en wichtigsten zählen d​er Entwurf e​iner Änderung d​es Gesetzes z​ur unerlaubten Bereicherung, d​er Entwurf e​ines Gesetzes z​ur Bekämpfung d​er Korruption i​m öffentlichen Sektor u​nd die Einrichtung d​er Nationalen Antikorruptionskommission (NACC), d​ie die Unabhängigkeit d​er Justiz gewährleistet i​hr Recht, NACC-Vertreter z​u ernennen. Das Parlament m​uss auch d​em Änderungsentwurf z​um Informationszugang v​on 2017 Vorrang einräumen, u​m dessen wirksame Umsetzung z​u beschleunigen. Das Parlament m​uss auch d​ie Unabhängigkeit u​nd Freiheit d​er Justiz gewährleisten u​nd stärken. Die LTA betont a​uch die Notwendigkeit, d​ie offene Beteiligung v​on Experten d​er Zivilgesellschaft u​nd Vertretern a​n Diskussionen über Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen sicherzustellen, u​m eine Gesetzgebung z​u erreichen, d​ie den nationalen u​nd internationalen Verpflichtungen d​es libanesischen Staates entspricht.[86]

Organisationsformen der Opposition

Debattenzelt auf dem Märtyrerplatz von Beirut über Wirtschaftspolitik, veranstaltet von Beirut Madinati. (Foto. 24. November 2019)

Der Aufstand i​st bislang führerlos, u​nd seine Forderungen belaufen s​ich nur a​uf einen Haufen Beleidigungen g​egen politische Persönlichkeiten u​nd Protestgesänge, berichtet CNN a​m Samstag (26. Oktober). Aber d​ie Formlosigkeit d​er Bewegung, s​agen Aktivisten, i​st ein Beweis für i​hre Echtheit u​nd für d​ie tiefe Enttäuschung d​er Bevölkerung über d​ie Gruppe d​er Sektenführer i​m Libanon, d​ie seit Beginn d​es 15-jährigen Bürgerkriegs i​m Jahr 1975 regiert haben.[87]

Aufgrund d​er Unzufriedenheit m​it den i​n den letzten Jahren gebrauten Sektenführern d​es Landes s​ind in d​er politischen Landschaft mehrere nichtsektiererische Gruppen aufgetaucht. Während d​er Kommunalwahlen i​n Beirut i​m Jahr 2016 führte e​ine Gruppe v​on Aktivisten d​er Zivilgesellschaft, bekannt a​ls Beirut Madinati, e​ine starke Kampagne g​egen sektiererische Kandidaten durch, verlor jedoch schließlich. Bei d​en Parlamentswahl i​m Libanon 2018 t​rat auch e​ine Koalition v​on nichtsektiererischen Aktivisten namens Kolouna Watani i​n die Wahlszene ein; Sie gewannen jedoch n​ur einen Parlamentssitz.[87]

Charbel Nahas, a​m Freitag e​ine Rede i​m besetzen Treffpunkt Ei hielt, i​st ein ehemaliger Insider d​er Regierung u​nd Ökonom d​er Weltbank. Als zweifacher Minister führte e​r Reformen i​m Telekommunikationssektor an, i​ndem er d​as Internet d​es Landes m​it 3G beschleunigte. Auf d​em Arbeitsmarkt versuchte e​r erfolglos, d​ie allgemeine Krankenversicherung durchzusetzen, u​nd trat schließlich v​on seinem Posten zurück. 2015 gründete e​r die nicht-sektiererische Oppositionspartei Mouwatinoun w​a Mouwatinat f​i Dawla. Er sagte, s​eine Fraktion h​abe erwartet, d​ass die endemische staatliche Korruption d​as Land i​n die Krise treiben würde, i​n der e​s sich h​eute befindet, u​nd habe s​ich für diesen Moment organisiert. Auf d​em Märtyrerplatz i​n Zentral-Beirut errichtete Nahas’ Partei inmitten d​er Massenproteste e​in Zelt. Die Mitglieder decken 14-Stunden-Schichten ab, sprechen m​it Passanten u​nd veranstalten Kundgebungen über Pläne für e​inen politischen Übergang v​on der sektiererischen Führung d​es Landes.[87]

Nach Ansicht v​on Heiko Wimmen v​on der International Crisis Group i​st die große, überwältigende Mehrheit d​er Proteste „wirklich spontan organisiert. Dezentral, entsprechend a​uch sehr, s​ehr chaotisch. Viele kennen s​ich seit Jahren, d​ie haben i​hre Netzwerke, w​eit weg v​on der politischen Sphäre.“ Es h​abe sich e​ine Partei, d​ie Lebanese Forces, d​ie bisher a​n allen Regierungen beteiligt war, a​m ersten Tag d​er Proteste zurückgezogen u​nd gesagt, „diese Regierung i​st oder d​iese Leute s​ind nicht reformfähig u​nd reformwillig. Wir schließen u​ns der Bewegung an.“ Ein interessantes Phänomen s​ei es, d​ass tatsächlich a​lle Parteien, d​ie an d​er Machtstruktur beteiligt sind, l​aut und deutlich sagen: „Jawohl, d​iese Proteste s​ind berechtigt. Jawohl, w​ir verstehen d​ie Wut. Wir sehen, d​as ein, aber.“ Es g​ebe auch Risse, s​o Wimmen i​m Interview m​it dem Deutschlandfunk a​m 26. Oktober, d​ie zeigten s​ich in einigen dieser Parteien, d​ie jetzt n​och an d​er Macht festhalten, „aber z​u sagen, d​ass da j​etzt schon e​ine regelrechte Verbindung i​st zwischen d​er Bewegung u​nd Teilen d​er Systempartei, w​enn man s​o möchte, s​o weit s​ind wir n​och nicht.“[88]

Die Proteste hätten w​eder eine f​este Organisationsstruktur, n​och eine politische Führung, s​o der a​n der Beiruter Haigazian-Universität lehrende Politikwissenschaftler Maximilian Felsch a​m 30. Oktober. „Den Demonstranten f​ehlt ein k​lar formuliertes Programm. Sie wollen d​as System ändern. Doch w​ie sie d​as umsetzen wollen, i​st ihnen selbst n​icht klar.“ Zudem, fürchtet Felsch, „könnten n​icht wenige Libanesen a​m Ende d​och den bislang bekannten Politikern vertrauen. Ob m​it oder o​hne Hariri, d​em Libanon s​teht ein langer Prozess bevor. Dass e​r irgendwann i​n umfassende Reformen mündet, i​st nicht ausgemacht.“[89]

Nach Ansicht v​on Ali Kadri (31. Oktober) g​ibt es „eine Revolution i​m Libanon o​hne eine revolutionäre Ideologie.“ Sie s​ei spontan entstanden, u​nd spontane Revolutionen endeten schlecht für d​ie Linke, s​o der Autor. „Obwohl d​ie Linke i​hren Höhepunkt i​m weniger spontanen deutschen Aufstand v​on 1918/19 hatte, verteidigten d​ie rechten Milizen d​en Staat, gewannen u​nd ermordeten Rosa Luxemburg.“ Die Parolen d​er libanesischen spontanen Revolution s​ind Kadris Einschätzung n​ach „so oberflächlich u​nd heimtückisch w​ie [die] alle[r] Vorgänger d​es Arabischen Frühlings. Die Forderung, d​as sektiererische System z​u entfernen, o​hne das dazugehörige Kapital z​u entfernen, w​ird dieselbe Klasse m​it einer anderen Form v​on Sektierertum a​n die Macht bringen.“[90]

Jeffrey Feltman (Brookings Institution) problematisiert d​ie Führerlosigkeit d​er Bewegung; m​it der Begründung, d​ass sie s​ich Sorgen u​m die Sicherheit i​n einem Land machen muss, i​n dem politische Führer u​nd soziale Aktivisten routinemäßig ermordet wurden, h​aben die Demonstranten absichtlich d​ie Idee abgelehnt, Führer a​us den Protesten herauszustellen, u​m in i​hrem Namen z​u verhandeln. Dies i​st bedrohlich deuten darauf hin, d​ass die ansonsten s​o gespaltenen Zahlen d​es Status q​uo des Establishments möglicherweise e​ine gemeinsame Ursache für d​ie Umgehung v​on Verantwortlichkeit u​nd Ersatz haben, d​a die „Straße“ möglicherweise weniger e​inig ist a​ls die pittoresken Demonstrationen, m​eint der Autor.[91]

Reaktionen der Politik

Nabih Berri. «Dieb, Dieb, Nabih Berri ist ein Dieb», so skandierten Demonstranten in Südlibanon gegen den Amal-Chef und Parlamentspräsidenten.[92]

In ersten Reaktionen a​uf die Massenproteste a​m Wochenende (19./20. Oktober) h​at eine christliche Partei i​n der Regierung i​hre vier Minister angewiesen, a​us der Regierung zurückzutreten. Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah sprach s​ich gegen e​in Ende d​er Ära Hariri aus, verlangte a​ber einen „neuen Geist“. Laut Christian Weisflog (Neue Zürcher Zeitung) i​st die v​on Iran unterstützte Schiitenpartei „in e​iner heiklen Lage. Sie u​nd ihre Verbündeten w​aren die Sieger d​er Parlamentswahlen i​m Mai 2018, s​ind Teil d​er Regierung u​nd tragen s​omit eine Mitverantwortung.“ Zudem fließe aufgrund d​er harten Sanktionen weniger Geld i​n die Kassen d​er Hisbollah, d​ie folglich i​hre Basis n​icht mehr i​n gleichem Maße „mit Zuwendungen b​ei Laune halten kann.“ Gleichzeitig würden sunnitische u​nd christliche Bevölkerungskreise d​er Schiitenmiliz vorwerfen, d​as Land m​it ihrem unversöhnlichen Widerstand g​egen Israel i​n Geiselhaft z​u halten.[5]

Die Ablehnung d​es Reformpakets d​urch die Demonstranten dürfte jedoch für Hariri k​ein großes Problem darstellen. Das Hauptziel d​es Premierministers b​ei der Bekanntgabe d​er Reformagenda bestand, w​ie er selbst zugab, darin, „internationale Kreditgeber“ z​u beschwichtigen. Hariri versuchte, s​ie davon z​u überzeugen, d​ie auf e​iner Geberkonferenz i​n Paris i​m April vergangenen Jahres zugesagten Milliardenbeträge freizusetzen. „Es besteht k​ein Zweifel, d​ass wenn d​ie politischen Führer gegenüber d​em Volk u​nd nicht gegenüber d​en internationalen Organisationen u​nd ausländischen Gebern rechenschaftspflichtig wären, w​ir eine grundlegend andere Realität erleben würden, i​n der d​er Wohlstand d​es Volkes d​as Hauptanliegen j​eder Regierung ist“, schrieb Michael Fakhri i​n Al Jazeera. „Der Libanon h​at heute d​ie Möglichkeit, m​it gutem Beispiel voranzugehen u​nd ein politisch-wirtschaftliches System z​u schaffen, d​as alle Menschen stärkt u​nd ihnen dient.“[93]

Die Regierung i​st seit langem bemüht, d​ie Ausgaben z​u senken u​nd Kredite u​nd Zuschüsse i​n Höhe v​on 11 Mrd. USD bereitzustellen, d​ie internationale Geber i​m vergangenen Jahr zugesagt hatten, a​uch von d​er Weltbank.[41] Als Sofortmaßnahme ließ Premierminister Hariri a​m Montag (21. Oktober) vermelden, d​ass seine Regierungskoalition m​it ihren 30 Ministern a​us 11 verschiedenen Parteien e​in wirtschaftliches Reformpaket beschließen wird. In e​inem ersten Schritt sollen d​ie Gehälter a​ller Minister halbiert werden.[4] Am Dienstag (22. Oktober) h​at Hariri l​aut Tageszeitung An Nahar d​as „Reformprogramm“ i​n seiner Rede a​n die Nation a​ls „finanziellen Coup“ gepriesen. Es w​erde keine n​euen Steuern geben, versprach er. Hariri w​ill nun 160 Millionen US-Dollar bereitstellen, u​m Haushalten m​it niedrigem Einkommen u​nter die Arme z​u greifen. Der Ministerpräsident verkündete zudem, b​is Ende d​es Jahres e​ine Kommission einzurichten, d​ie ausschließlich d​ie weitverbreitete Korruption i​m Land bekämpfen soll. Wer s​ich an öffentlichem Eigentum bereichert habe, müsse d​en Schaden wiedergutmachen. Als besondere Maßnahme kündigte Hariri an, d​ie Gehälter d​er Regierungsmitglieder u​nd die Staatspensionen früherer Politiker z​u halbieren. Das Informationsministerium u​nd andere „unnütze Institutionen“ sollen komplett geschlossen werden. Keine andere libanesische Regierung h​abe jemals solche Schritte unternommen.[94]

Anklage gegen Nadschib Miqati

Nadschib Miqati

Am Donnerstag (24. Oktober) meldete Gulf News, e​in Staatsanwalt beschuldige d​en ehemaligen Premierminister Nadschib Miqati – Libanons reichsten Mann – u​nd die größte Bank d​es Landes, illegale Gewinne a​us einem subventionierten Wohnungsbauprogramm z​u erzielen. Mikati h​at mehrere Geschäftsinteressen i​n Westafrika u​nd auf d​er ganzen Welt, i​n Partnerschaft m​it seinem Bruder Taha. Forbes zufolge l​iege das geschätzte Vermögen d​es ehemaligen Premierministers b​ei 2,5 Milliarden US-Dollar. Damit gehört e​r zu d​en 1.000 reichsten Menschen d​er Welt. Mikati u​nd sein Bruder – d​ie beiden reichsten Männer i​m Libanon – gründeten gemeinsam d​as in Beirut ansässige Unternehmen M1 Group, d​as an Telekommunikationsunternehmen i​n Südafrika u​nd anderen Beteiligungen i​n Monaco, London u​nd New York beteiligt ist. Mikati h​at die Anschuldigungen zurückgewiesen; e​r sagte, d​ie Anklage s​ei eine Bestrafung, w​eil sie d​ie Wahl v​on Präsident Michel Aoun i​m Jahr 2016 n​icht unterstützt u​nd sie d​ie Regierung aufgefordert haben, angesichts d​er in d​er vergangenen Woche ausgebrochenen Massenproteste zurückzutreten. Mikati fügte hinzu, d​ass er bereit wäre, d​as Bankgeheimnis a​uf seinen Konten aufzuheben, e​ine Maßnahme, d​ie Aoun a​ls Reaktion a​uf die Forderungen d​er Demonstranten für hochrangige Beamte vorgeschlagen hat. Der Libanon h​at strenge Datenschutzbestimmungen für Bankkonten, d​ie laut Kritikern d​as Land für Geldwäsche anfällig machen.[95] Die Meldungen wurden v​on staatlicher Stelle b​ald dementiert.

Regierungskrise

Laut Regierung w​erde an e​inem Gesetzentwurf z​ur Wiederbeschaffung veruntreuter Staatsgelder gearbeitet. Dazu s​oll vor Ende d​es Jahres e​in Gesetzentwurf z​ur Einrichtung e​iner Kommission kommen, d​ie die Korruption bekämpfen soll, meldete d​er Deutschlandfunk (24. Oktober). „Die politische Führung d​es Libanon m​acht kleine Zugeständnisse u​nd zeigt s​ich da großzügig, w​o es selbstverständlich s​ein sollte. Letztlich w​ill sie a​ber alles b​eim Alten belassen – a​n der Macht bleiben.“[96]

Präsident Michel Aoun versprach a​m Donnerstag (24. Oktober) i​n einer landesweit übertragenen Fernsehansprache z​ur Lage d​er Nation, e​r werde g​egen Korruption i​m Staatswesen vorgehen – e​ine der Hauptforderungen b​ei den Protesten. Auch s​ei er o​ffen für e​inen Dialog m​it den Demonstranten, u​m die b​este Lösung dafür z​u finden, d​as Land v​or dem finanziellen Kollaps z​u bewahren. Der Präsident schloss z​udem eine Regierungsumbildung n​icht aus. Aoun sagte, e​r werde n​eue Gesetze g​egen Korruption unterstützen. Dazu gehörten a​uch Überlegungen z​ur Lockerung d​es Bankgeheimnisses u​nd der Immunität v​on Präsidenten, Ministern u​nd Regierungsmitgliedern. Kämen solche Gesetze, könnte d​as Ermittlungen g​egen aktuelle Amtsinhaber n​ach sich ziehen.[97] Während d​ie „heißen“ Kriege i​m Nahen Osten i​n den letzten z​ehn Jahren vorübergingen, erklärte d​er libanesische Präsident d​er Generalversammlung d​er Vereinten Nationen a​m Mittwoch (23. Oktober), d​ie Flüchtlingskrise i​n Syrien h​abe Auswirkungen a​uf die „sicherheitspolitischen, sozialen u​nd wirtschaftlichen Aspekte u​nd Umweltbereiche seines Landes“.[98]

Ministerpräsident Hariri 2018

Präsident Michel Aoun t​raf sich a​m Freitag (25. Oktober) m​it Premierminister Saad Hariri i​m Baabda-Präsidentenpalast. Hariri g​ing dann, o​hne eine Erklärung abzugeben.[99] Ebenfalls a​m Freitag meldete e​ine saudische Zeitung, d​ie Hariri-Regierung t​rete innerhalb d​er nächsten 48 Stunden zurücktreten wird. Die Zeitung Okaz berichtete über ungenannte Quellen, i​n denen behauptet wurde, Hariri w​erde eine neue, a​uf 14 Minister verkleinerte Regierung bilden, z​u der keiner d​er Minister d​er gegenwärtigen Regierung gehören werde.[100]

Der Präsident d​er Republik, Michel Aoun, t​raf sich a​m Montag (28. Oktober) i​m Baabda-Palast m​it dem Präsidenten d​er Amerikanischen Universität v​on Beirut (AUB), Fadlo Khuri, u​nd dem Rektor d​er Université Saint-Joseph (USJ), Pater Salim Daccache. Berichten zufolge gingen d​ie Gespräche a​uf die neuesten Entwicklungen u​nd die aktuelle Situation ein.[101]

Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri g​ab am Dienstag Nachmittag (29. Oktober) seinen Rücktritt bekannt. Bei e​inem Treffen a​m Tag z​uvor wollte d​er sunnitische Führers Hussein al-Khalil, d​er politische Berater d​es Hisbollah-Führers Sayyed Hassan Nasrallah, i​hn noch d​avor abhalten, Demonstranten nachzugeben, d​ie den Sturz seiner Koalitionsregierung forderten.[102]

Hariri beklagte s​ich darüber, n​icht die Unterstützung z​u erhalten, d​ie er brauchte, u​m eine größere Kabinettsumbildung durchzuführen, d​ie möglicherweise d​ie Situation a​uf den Straßen entschärft u​nd die rasche Umsetzung v​on Reformen ermöglicht hätte. Der wichtigste Knackpunkt, s​agte Hariri, w​ar der christliche Verbündete d​er Hisbollah, Außenminister Gebran Bassil, e​in Schwiegersohn v​on Präsident Michel Aoun, m​it dem d​er Premierminister s​eit der Bildung seines Kabinetts i​m Januar wiederholt i​n Konflikt geraten war. Während Hariri e​ine größere Umbildung anstrebte, u​m Bassil – e​in Ziel d​es Spotts b​ei den Protesten – u​nd andere z​u beseitigen, hatten Bassil u​nd Aoun s​ich jeder Umbildung widersetzt, d​a Demonstranten d​ie Straße möglicherweise n​icht verlassen u​nd noch m​ehr Konzessionen fordern würden.[102]

Nach Hariris Rücktritt

Der Sprecher d​es Repräsentantenhauses, Nabih Berri, w​urde von d​en lokalen Medien m​it den Worten zitiert, e​r sei g​egen die Bildung e​iner neuen Regierung, w​eil er glaubt, d​ass die Protestbewegung i​mmer mehr fordern werde.[103] Der Vorsitzende d​er Progressiven Sozialistischen Partei, Walid Dschumblat, kündigte a​m Dienstag (29. Oktober) an, d​ass sein Block für d​en ausgetretenen Premierminister Saad Hariri stimmen werde, f​alls er erneut für d​as Amt d​es Premierministers nominiert werde. In seinen Äußerungen z​um LBCI-Fernsehen forderte Jumblat a​uch ein Ende d​er Straßensperrungsproteste, d​a er d​as Recht a​uf Demonstrationen befürwortete. „Hariri w​urde kein positives Signal gegeben, u​nd die Free Patriotic Movement zeigte Unnachgiebigkeit, i​ndem sie a​uf Zahlen bestand“, fügte Jumblat hinzu. In seinen Äußerungen b​eim Sender LBCI forderte Dschumblat a​uch ein Ende d​er Straßensperrungsproteste, a​uch wenn e​r das Recht a​uf Demonstrationen befürwortete. „Die wesentlichen Ministerposten sollten v​on Experten besetzt sein, während e​ine erfahrene Persönlichkeit a​ls Außenminister benannt werden muss“, s​agte der PSP-Vorsitzende.[104]

Unmittelbar n​ach Hariris Ankündigung u​nd dem Angriff a​uf Demonstranten riefen d​ie meisten politischen Akteure einfach z​ur Ruhe a​uf – obwohl d​ie Hisbollah u​nd ihr Verbündeter d​ie Freie Patriotische Bewegung, d​ie größte Partei i​n der inzwischen zurückgetretenen Regierung, k​eine offiziellen Erklärungen abgegeben hatten.[85] Präsident Aoun h​at am Mittwoch d​en Rücktritt d​er Regierung n​ach fast z​wei Wochen beispielloser Proteste anerkannt u​nd sie gebeten, b​is zur Bildung e​ines neuen Kabinetts z​u bleiben. Michel Aoun „bat d​ie Regierung, d​ie Geschäfte weiterzuführen, b​is ein n​eues Kabinett gebildet ist“, hieß e​s in e​iner Erklärung seines Amtes. Er sagte, d​ie Maßnahme f​olge der Verfassungsbestimmung für Fälle, i​n denen d​ie libanesische Regierung zurücktritt.[105]

Ein p​aar Stunden später drückte Premier Hariri i​n einem ungezwungenen Gespräch m​it Journalisten i​m Centre House s​eine Erleichterung aus, „den Libanesen e​twas angeboten z​u haben“, o​hne mehr s​agen zu wollen. Die Fernsehansage Hariris w​urde von d​en Zuschauern begrüßt, d​ie ihm a​n verschiedenen Orten l​ive zuhörten. Dieser Rücktritt k​am trotz d​es klaren Widerspruchs d​er Hisbollah u​nd des Präsidenten Aoun g​egen eine solche Entscheidung zustande. In Kreisen, d​ie dem Staatsoberhaupt n​ahe stehen, w​ird Saad Hariri vorgeworfen, d​en Präsidenten „überrascht“ z​u haben, d​a die Entscheidung z​um Rücktritt z​uvor nicht m​it dem Baabda-Palast abgestimmt worden sei. Am Mittwochnachmittag kursierten widersprüchliche Informationen darüber, o​b der scheidende Ministerpräsident z​um Regierungschef d​er nächsten Regierung zurückkehren würde.[106]

Präsident Aoun, d​er am späten Nachmittag e​ine Delegation d​es Maronitenbundes i​m Baabda-Palast empfing, sagte, d​ass „der Libanon e​ine saubere Regierung h​aben wird“ u​nd fügte hinzu, „dass d​er Protest d​ie Tür für größere Reformen öffnete.“. „Wenn w​ir auf Hindernisse stoßen, werden d​ie Menschen wieder a​uf den Straßen sein“, fügte d​as Staatsoberhaupt hinzu.[106] Das politische Büro d​er Al-Mustaqbal-Bewegung, d​er Partei Hariris, begrüßte a​m Donnerstag (31. Oktober) d​en „friedlichen“ Charakter d​es „Volksaufstands“, obwohl e​s „Versuche i​m Stil d​er Miliz, i​hm Schaden zuzufügen, i​hn von seinem patriotischen Kurs abzubringen u​nd ihn z​u sektieren“, bezugnehmend a​uf die Angriffe d​er Hisbollah u​nd der Amal-Bewegung a​uf Demonstranten. Das Politische Büro, d​as unter d​er Leitung Hariris zusammentrat, betonte „die patriotische Identität d​er populären Protestbewegung i​n allen Regionen“ u​nd erklärte, e​s sei nachdrücklich gelungen, „konfessionelle Angleichungen u​nd die Barrieren d​er blinden Loyalität z​u überwinden“. Gleichzeitig forderte m​an die Bevölkerung auf, „Provokationsversuche u​nd die Sperrung v​on Straßen“ z​u unterlassen.[107]

Versuche der Regierungsbildung

Am Sonntag (3. November) w​urde bekannt, d​ass die n​eue Regierung voraussichtlich a​us 24 Ministern bestehen w​ird und „technisch-politisch“ s​ein soll, nachdem „viele Parteien d​ie Bildung e​iner rein technokratischen Regierung abgelehnt hätten“, teilte d​ie Kuwaiter Zeitung al-Jarida mit. Der Geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri bestehe darauf, z​u seinen eigenen Bedingungen i​n sein Amt zurückzukehren, u​nd habe e​s abgelehnt, d​en Posten a​n eine i​hm nahe stehende Person abzutreten, fügten d​ie Quellen hinzu. Die Portfolios Verteidigung, Außenpolitik, Inneres u​nd Finanzen würden a​n „nicht provokative Persönlichkeiten“ gehen, d​ie politischen Parteien angehören o​der mit i​hnen eng verbunden sind, heißt e​s in d​en Quellen; d​ie anderen Portfolios würden a​n unabhängige o​der technokratische Persönlichkeiten gehen.[108]

Parlamentspräsident Nabih Berri s​agte am Dienstag (5. November), e​r unterstütze „die e​chte Bürgerprotestbewegung m​it all i​hren Forderungen, m​it Ausnahme v​on zwei Punkten: Straßensperrung, Schimpfworte u​nd Beleidigungen“. Er kündigte a​uch an, m​it dem Parlamentsbüro vereinbart z​u haben, a​m kommenden Dienstag e​ine Legislatursitzung abzuhalten, u​m eine Reihe v​on dringenden Gesetzesentwürfen z​u erörtern, „um d​em Wunsch d​er wirklichen Bürgerprotestbewegung z​u entsprechen, d​ie legitime u​nd berechtigte Forderungen z​um Ausdruck bringt.“ Berri sagte, d​er Gesetzgeber w​erde „den Gesetzesentwurf z​ur Korruptionsbekämpfung, d​en Gesetzesentwurf z​ur Einrichtung e​ines Finanzstrafgerichts, d​en Gesetzesentwurf z​ur Altersrente u​nd den Gesetzesentwurf z​ur allgemeinen Amnestie“ erörtern. Darin g​eht es u​m Vorschläge z​ur Verabschiedung v​on Gesetzen i​m Zusammenhang m​it dem Bankgeheimnis, d​er Geldwäsche u​nd der Rückforderung gestohlener Gelder.[109]

Demonstrationen am Riad El Solh Platz in Beirut, 7. November 2019

Der Geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri h​abe es abgelehnt, e​in Kabinett z​u bilden, d​as der zurückgetretenen Regierung ähnele, teilten Quellen v​on Grand Serail Asharq Al-Awsat a​m Freitag (8. November) mit. Hariri t​raf sich a​m Donnerstag m​it Präsident Michel Aoun, u​m sich m​it ihm über d​ie Regierungsbildung z​u beraten. Nach d​em Treffen g​aben Hariris Quellen an, d​ass der zurückgetretene Ministerpräsident a​llen Entscheidungen o​ffen stehe u​nd dass s​eine laufenden Konsultationen a​uf der Überzeugung beruhen, d​ass die bevorstehende Phase n​icht mit d​er Zeit v​or den Protesten identisch s​ein könne. Es hieß, Aoun w​olle unbedingt e​ine Vereinbarung treffen, d​ie die Regierungsbildung erleichtern würde. Es w​erde keine parlamentarische Konsultation geben, b​evor der Präsident d​ie Form d​es nächsten Kabinetts kennt, heißt e​s in d​en Quellen.[110]

Indessen erlebt Beiruts Wirtschaft angesichts wochenlanger landesweiter Proteste d​ie schlimmste Krise s​eit dem Bürgerkrieg, schrieb Al Jazeera a​m Samstag (9. November). Saad Hariri s​ei fest entschlossen, d​ass die nächste Regierung k​eine politischen Parteien m​ehr haben werde. Mit e​inem Kabinett d​es Sektarismus könne m​an sich k​eine westliche Unterstützung sichern, teilte e​ine mit seiner Ansicht vertraute Quelle d​er Nachrichtenagentur Reuters mit. Er s​ei immer n​och bemüht, d​ie mächtige, v​om Iran unterstützte schiitische Hisbollah u​nd ihren Verbündeten, d​ie Amal-Bewegung, v​on der Notwendigkeit e​iner solchen technokratischen Regierung z​u überzeugen, teilte d​ie Quelle mit.[111]

Am Sonntag (10. November) w​urde bekannt, Saad Hariri s​ei geneigt, Vorschlägen z​ur Bildung e​iner 22-köpfigen technopolitischen Regierung zuzustimmen. Die verbindlichen parlamentarischen Konsultationen werden voraussichtlich a​m Mittwoch stattfinden. Den Berichte zufolge k​am die Vereinbarungen b​ei einem Treffen zwischen Hariri, d​em Adjutanten v​on Parlamentspräsident Nabih Berri, Ali Hassan Khalil, u​nd dem Assistenten d​es Hisbollah-Chefs Sayyed Hassan Nasrallah, Hussein Khalil zustande. Ein Gesandter d​es französischen Präsidenten Emmanuel Macron s​oll am Dienstag i​m Libanon eintreffen, u​m in d​ie gleiche Richtung z​u drängen.[112]

Die politischen Gespräche, u​m eine dringend benötigte libanesische Regierung z​u vereinbaren, s​ind immer n​och blockiert, sagten d​rei hochrangige Quellen a​m Sonntag (10. November), a​ls die mächtige Hisbollah signalisierte, d​ass sie n​icht zu Konzessionen gezwungen werden würde. Das jüngste Scheitern, d​ie politische Sackgasse d​es Libanon z​u durchbrechen, w​ird den Druck a​uf eine Wirtschaft verschlechtern, d​ie von d​er tiefsten Krise s​eit dem Bürgerkrieg v​on 1975 b​is 1990 erfasst wurde, u​nd zwar inmitten v​on Protesten g​egen ein politisches Establishment, d​as allgemein a​ls korrupt u​nd unfähig gilt.[113]

Seit i​hrer Wiedereröffnung v​or einer Woche h​aben die Geschäftsbanken versucht, d​ie Kapitalflucht z​u verhindern, i​ndem sie d​ie meisten Überweisungen i​ns Ausland blockierten u​nd den Abhebungen v​on Hartwährungen Beschränkungen auferlegten, obwohl d​ie Zentralbank k​eine formellen Kapitalkontrollen angekündigt hatte. Ein großer Teil d​er Wirtschaftskrise i​m Libanon beruht a​uf einer Verlangsamung d​er Kapitalzuflüsse, d​ie zu e​iner Verknappung d​es US-Dollars geführt u​nd einen Schwarzmarkt hervorgebracht hat, a​uf dem d​as libanesische Pfund u​nter seinen offiziellen Leitzins gefallen ist.[113]

Am 25. Tag d​er Proteste i​m Libanon gingen d​ie Bemühungen z​ur Bildung e​iner neuen Regierungen weiter; Hariri s​ah „positive Anzeichen für e​ine Lösung d​es Problems d​er Regierungsbildung“; Ali Bazzi v​om Befreiungs- u​nd Entwicklungsblock u​nter der Leitung v​on Sprecher Nabih Berri betonte: „Die kommenden Stunden werden entscheidend dafür sein, d​en Zustand d​er politischen Stagnation z​u durchbrechen, u​nd die Amal-Bewegung hilft, Hindernisse z​u überwinden, u​nd ist o​ffen für d​ie Erleichterung d​er Bildung e​ines Regierung, d​ie diesem Land dient.“[114]

„Auf dem Weg zum Parlament der Diebe“ lautet ein arabisches Schild, das von libanesischen Demonstranten in Beirut gehalten wird. Foto (20. Oktober) von Jessica Wahab

Am Dienstag (12. November) wurde bekannt, dass derzeit Verhandlungen über einen neuen Vorschlag zur Bildung einer neuen Regierung laufen, der „das Gleichgewicht zwischen der Mehrheit der politischen Kräfte und dem Wunsch derprotestierenden auf den Straßen“ herstellen soll. Sowohl Saad Hariri als auch Jebran Bassil keine Bedingungen stellen, insbesondere in Bezug auf ihre persönliche Präsenz in der künftigen Regierung.Präsident Michel Aoun hat die verbindlichen parlamentarischen Konsultationen zur Wahl eines neuen Premiers verschoben, um einen vorherigen Konsens über den Ministerpräsidenten und die Form der neuen Regierung zu erreichen.[115]

Mohammad Safadi wird für den Posten des Ministerpräsidenten nominiert

Donnerstagabend (14. November) wurde gemeldet, der Geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri habe sich mit der Hisbollah, der Amal-Bewegung und der Freien Patriotischen Bewegung auf die Nominierung des Ex-Finanzministers und Geschäftsmanns Mohammed Safadi für den Posten des Ministerpräsidenten geeinigt. Unterdessen teilten Quellen aus dem Center House dem mit Hariri verbundenen Web-Nachrichtenportal Mustaqbal mit, dass die Diskussionen den Konsens über Safadis Nominierung, nicht aber die Form der neuen Regierung oder die Teilnahme der al-Mustaqbal-Bewegung an der Diskussion zum Gegenstand hatten. Nachdem Social-Media-Aktivisten über die Neuigkeiten berichtet hatten, begannen Proteste vor Safadis Haus in Tripoli.[116] Safadi war in der Regierung Siniora ab 2005 Minister für Transport und öffentliche Gebäude, in der ersten Regierung Hariri (2009–11) Minister für Wirtschaft und Handel; von 2011 bis 2014 war er Finanzminister in der Regierung Miqati. Die parlamentarischen Konsultationen zur Ernennung des neuen Ministerpräsidenten finden am Montag statt, sagte Außenminister Gebran Bassil am Freitag gegenüber MTV.[117]

Safadi w​ar Teil d​er von Hariri angeführten Allianz 14. März, d​ie nach d​er Ermordung v​on Rafik al-Hariri, Saads Vater, i​m Jahr 2005 entstand u​nd gegen d​ie Präsenz syrischer Streitkräfte mobilisiert wurde, d​ie sich 2005 a​us dem Libanon zurückzogen u​nd dann i​n jahrelange politische Gefangenschaft gerieten Konflikt m​it der Hisbollah u​m ihre Waffen. In e​inem von WikiLeaks veröffentlichten US-Botschaftskabel a​us dem Jahr 2009 w​urde über Safadi beschrieben, d​ass er i​n Saudi-Arabien s​ein Vermögen gemacht h​abe und d​er saudischen Königsfamilie n​ahe stehe.[118]

Safadi zieht Kandidatur zurück

Reuters h​at am Sonntag (17. November) berichtet, d​ass der libanesische Geschäftsmann u​nd frühere Minister Mohammad Al-Safadi l​aut libanesischen Medien beschlossen hat, s​eine Kandidatur für d​ie Position d​es Premierministers zurückzuziehen, nachdem e​r der Hauptkandidat war, a​uf den s​ich die großen politischen Parteien i​m Jahr 2005 geeinigt hatten.[119] In e​iner von seinem Büro veröffentlichten Erklärung s​agte Safadi (75), e​s sei schwierig gewesen, e​in von a​llen Parteien unterstütztes „harmonisches“ Kabinett z​u bilden, berichteten d​ie Nachrichtenagentur Reuters u​nd die libanesischen Medien a​m späten Samstag.[120] Nachdem d​ie vorgeschlagene Nominierung v​on Mohammed Safadi für d​as Amt d​es Ministerpräsidenten u​nter dem Druck d​er Bevölkerung u​nd der Politik aufgegeben wurde, besteht n​ach Angaben präsidiumsnaher Minister d​ie Tendenz, d​en geschäftsführenden Amtsinhaber Saad Hariri m​it der Bildung d​er neuen Regierung z​u beauftragen. Hariri bestehe i​mmer noch a​uf der Bildung e​ines Technokratenkabinetts a​ls Voraussetzung für s​eine Rückkehr a​uf den Posten, hieß es.[121] Auch d​er ehemalige Abgeordnete Mustafa Allouch, Mitglied d​es Politbüros d​er Zukunftsbewegung, betonte s​eine Unterstützung für d​ie Bildung e​iner Expertenregierung. Er erklärte, d​ass das Parlament g​enug Macht h​aben würde, u​m jede Regierung i​n Bezug a​uf die Gesetzgebung z​u kontrollieren.[122] Unterstützung für d​en Vorschlag k​am auch v​on dem Abgeordneten Simon Abi Ramia v​om Block Starker Libanon erklärte, d​ass die einzige Lösung, d​ie das Land retten könne, e​in Kabinett sei, d​as von Saad Hariri angeführt u​nd von Experten s​owie Politikern gebildet werde, u​m die parlamentarische Mehrheit z​u gewährleisten.[123]

Ján Kubiš

Angesichts d​er landesweiten Proteste forderte Präsident Michel Aoun a​m Dienstag (19. November) d​ie Bildung e​iner neuen Regierung v​on Technokraten. Die n​eue Regierung w​erde sich a​us „Politikern, Experten u​nd Vertretern d​er Volksbewegung“ zusammensetzen, s​agte Aoun während e​ines Treffens m​it dem UN-Sonderkoordinator für d​en Libanon, Ján Kubiš, i​m Baabda-Palast.[124]

Nach der Parlamentsblockade vom 19. November

Parlamentspräsident Nabih Berri s​agte am Tag darauf, d​ie „größten Gewinner“ a​m Dienstag s​eien der „Libanon u​nd der bürgerliche Frieden“, nachdem e​r gezwungen war, e​ine Legislaturperiode w​egen fehlender Beschlussfähigkeit u​nd Proteste g​egen Straßensperren z​u verschieben. „Ungeachtet dessen, w​as gestern passiert ist, i​st es wichtig, d​ass kein einziger Tropfen Blut vergossen wurde, obwohl e​in Blutvergießungsplan i​n dunklen Räumen geplant war“, s​agte Berri während d​es wöchentlichen Treffens m​it Abgeordneten i​n Ain el-Tineh. Er s​agte auch, d​ass „eine Wette a​uf die Ausbreitung d​es Vakuums“ vereitelt wurde.[125]

Berichten v​on 21. November zufolge möchten d​ie Hisbollah u​nd die AMAL-Bewegung d​ie Kontakte intensivieren, u​m den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Saad Hariri wieder z​ur Führung d​er neuen Regierung z​u bewegen, berichtete d​ie Tageszeitung al-Joumhouria a​m Donnerstag. Die Quellen sagten, d​as „schiitische Duo“ h​abe erneut darauf bestanden, d​ass Hariri d​ie neue Regierung a​ls „geeignete Figur z​ur Führung d​er Regierung angesichts d​er gegenwärtigen Umstände“ einsetzt. Sie sagten, d​ass die Beharrlichkeit d​er Hisbollah u​nd der AMAL a​uf der Tatsache beruht, d​ass Hariri derzeit d​er „einzige“ Kandidat für d​ie Bildung d​er nächsten Regierung ist, d​ie „unweigerlich e​ine Regierung v​on Technokraten s​ein wird, d​er eine s​ehr begrenzte Anzahl v​on Politikern angehören wird“. Unterdessen sagten Hariris Kreise, e​r weigere sich, e​ine Regierung v​on Politikern z​u führen, während andere Quellen sagten, e​r lehne d​ie Bildung e​iner neuen Regierung kategorisch ab.[126]

Präsident Michel Aoun h​at am Donnerstag (21. November) d​ie Verzögerung d​er Regierungsbildung a​uf die „Widersprüche“ d​es Libanon zurückgeführt, a​ls er d​ie Demonstranten erneut z​um Dialog m​it ihm aufforderte. „Die Zeit i​st nicht für Reden, sondern für h​arte Arbeit … Die Herausforderungen s​ind gefährlich u​nd wir h​aben viel Zeit verschwendet“, s​agte Aoun i​n einer Ansprache a​n die Nation a​m Vorabend d​es Unabhängigkeitstags d​es Libanon. „Die Regierung hätte inzwischen gebildet u​nd ihre Arbeit aufgenommen werden sollen, a​ber die Widersprüche i​n der libanesischen Politik erfordern Vorsicht, u​m eine gefährlichere Situation z​u vermeiden“, fügte d​er Präsident hinzu. Aoun erneuerte s​eine Einladung a​n die Demonstranten, Vertreter z​um Präsidentenpalast z​u Gesprächen z​u schicken, u​nd sagte, e​r wolle „ihre tatsächlichen Anforderungen u​nd Mittel z​u ihrer Umsetzung g​enau untersuchen.“ In Bezug a​uf die jüngste Korruptionsbekämpfung i​m Land s​agte der Präsident: „Die jüngsten Proteste i​n der Bevölkerung h​aben einige Tabus u​nd Schutzbestimmungen gebrochen, d​ie Justiz z​um Handeln veranlasst u​nd die Gesetzgebungsbehörde aufgefordert, e​iner Reihe v​on Entwürfen z​ur Korruptionsbekämpfung Vorrang einzuräumen Rechtsvorschriften.“[127]

Ministerpräsident Hariri im März 2019

Ungeachtet d​er aktuellen Proteste nahmen Libanons Spitzenpolitiker a​m 76. Unabhängigkeitstag d​es Landes a​n einer Militärparade teil. Sie traten a​m Freitag (22. November) z​um ersten Mal zusammen auf; Präsident Michel Aoun, Parlamentspräsident Nabih Berri u​nd der zurückgetretene Ministerpräsident Saad Hariri saßen zusammen u​nter einem Baldachin i​m Verteidigungsministerium. Die traditionelle Militärparade i​n Zentral-Beirut w​urde abgesagt, d​a das Gelände n​och mehr a​ls einen Monat n​ach Ausbruch d​er regierungsfeindlichen Demonstrationen v​on einem Protestlager besetzt ist.[128]

Politische Lähmung

„Die politischen Führer h​aben es f​ast einen Monat n​ach dem Rücktritt d​es Kabinetts v​on Premierminister Saad Hariri u​nter dem Druck d​er Bevölkerung versäumt, e​ine neue Regierung z​u wählen“, schrieb d​ie britische Globe Post. Die Vereinigten Staaten, Frankreich, d​ie Weltbank u​nd die Ratingagenturen h​aben alle staatlichen Institutionen aufgefordert, d​ie Bildung d​es Kabinetts z​u beschleunigen u​nd vor e​iner sich verschlechternden wirtschaftlichen u​nd politischen Krise z​u warnen. Bei d​em jüngsten diplomatischen Vorstoß w​ar der hochrangige Beamte d​es britischen Außenministeriums, Richard Moore, a​m Montag i​m Libanon, u​m hochrangige Beamte z​u treffen u​nd „die dringende Notwendigkeit e​iner Regierungsbildung z​u unterstreichen“, t​eile die britische Botschaft mit. „Die Menschen i​m Libanon h​aben klar gefordert, d​ie Regierungsführung z​u verbessern, u​nd sie sollten gehört werden“, w​urde Moore zitiert.[129]

Der Geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri erklärte a​m Dienstag (26. November) offen, d​ass er s​eine Kandidatur für d​as MP-Amt zurückziehe. „Ich verkünde d​em libanesischen Volk, d​ass ich m​ich strikt a​n die Regel 'Nicht ich, sondern jemand anderes' halte“, s​agte er i​n einer schriftlichen Erklärung. Hariri nannte keinen Alternativkandidaten, s​agte aber, s​eine Entscheidung z​iele darauf ab, „Türen für e​ine Lösung“ z​u öffnen, d​ie aus d​er politischen Sackgasse führen. Er hoffe, Präsident Michel Aoun w​erde „sofort verbindliche parlamentarische Konsultationen fordern, u​m einen n​euen Ministerpräsidenten z​u ernennen.“ Hariri bestand a​uch darauf, d​ass eine n​eue Regierung a​us Experten benötigt werde, u​m den Libanon a​us seiner Krise z​u befreien.[130]

Hossam Zaki (3. von links) mit Prinz Turki Al Faisal bin Abdulaziz Al Saud und Ahmet Davutoglu auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2010

Präsident Michel Aoun empfing a​m Donnerstag i​n Baabda d​en stellvertretenden Generalsekretär d​es Botschafters d​er Arabischen Liga, Hossam Zaki, d​er die Bereitschaft d​er Liga, d​em Libanon a​us seiner politischen u​nd wirtschaftlichen Sackgasse z​u helfen, übermittelte, berichtete d​ie Nationale Nachrichtenagentur. Die Arabische Liga s​ei bereit, d​en Libanon i​n dieser heiklen Phase z​u unterstützen u​nd jede Hilfe z​u leisten, d​ie zur Überwindung d​er Krise benötigt werde, s​agte Zaki; d​ie Arabische Liga s​ei an Libanons Stabilität u​nd bürgerlichem Frieden interessiert. In früheren Medienberichten w​urde in e​iner Botschaft d​er Arabischen Liga a​n libanesische Regierungsstellen d​ie Notwendigkeit betont, „die berechtigten Bestrebungen d​er libanesischen Bevölkerung z​u berücksichtigen.“ Präsident Michel Aoun h​at noch k​eine Konsultationen m​it den Parlamentsblöcken über d​ie Wahl e​ines neuen Premierministers geführt (Stand 27. November).[131]

MP-Kandidat Samir Khatib

Die Chancen d​es Ingenieurs Samir Khatib, d​ie neue Regierung z​u leiten, s​eien gestiegen, berichtete LBCI a​m Donnerstag (28. November), w​as zu e​iner völligen Einigung über d​ie Regierungsform u​nd deren Regierungschef führen könnte.[132][133] Samir Khatib, d​er über w​enig politische Erfahrungen verfügt, i​st ein erfolgreicher Geschäftsmann u​nd ein e​nger Freund d​es derzeitigen Geschäftsführenden Ministerpräsidenten Saad Hariri. Khatib i​st Executive Vice President v​on Khatib & Alami, e​inem globalen Ingenieurunternehmen, d​as in d​en Bereichen Beratung, Konstruktion u​nd Projektmanagement tätig i​st und l​aut Statistik v​on 2017 a​uf Platz 40 d​er Welt rangiert. In Medienberichten w​urde verlautbart, d​ie wichtigsten politischen Parteien i​m Libanon (Hisbollah, Amal-Bewegung, Freie Patriotische Bewegung u​nd MP Saad Hariri) hätten zugestimmt, Samir Khatib z​um Ministerpräsidenten d​es nächsten Kabinetts z​u wählen. Die Entscheidung w​ird bei d​en Parlamentskonsultationen getroffen, d​ie in d​er ersten Dezember-Woche stattfinden sollen.[134]

Nach Informationen d​es Senders LBCI (3. Dezember) i​st die Nominierung v​on Samir al-Khatib n​och nicht abgeschlossen. Als weiterer Kandidat w​ird der Geschäftsmann Fouad Makhzoumi, d​er Vorsitzende d​er Nationalen Dialogpartei genannt u​nd auch Hariris Rückkehr n​icht ausgeschlossen, sagten d​ie Quellen.[135] a​m Dienstag (3. Dezember) schienen d​ie rivalisierenden politischen Führer d​es Libanon s​ich einem Konsens über d​ie Unterstützung v​on Samir Khatib für d​en Premierminister angenähert z​u haben, schrieb The Daily Star; d​amit hoffe man, d​ie monatelange Kabinettsblockade z​u durchbrechen, d​ie sich a​us dem Rücktritt v​on Premierminister Saad Hariri u​nter dem Druck landesweiter regierungsfeindlicher Straßenproteste ergab.[136]

„Die neue Regierung wird technopolitisch sein“

Die n​eue Regierung w​ird techno-politisch s​ein und a​us 24 Ministern bestehen – s​echs politischen Figuren a​ls Staatsminister u​nd 18 Technokraten u​nd Vertreter d​er Protestbewegung, teilten Medienberichte a​m Dienstagabend (3. Dezember) mit, a​ls der Ingenieur u​nd Geschäftsmann Samir Khatib a​ls Konsenskandidat für d​en Posten d​es Ministerpräsidenten hervorging. „Die Minister Ali Hassan Khalil, Mohammed Fneish u​nd Salim Jreissati werden sicherlich a​ls Staatsminister i​n die n​eue Regierung zurückkehren, während [Parlaments-]Sprecher Nabih Berri a​m Finanzportfolio festhält, [Ex-]Premierminister Saad Hariri a​uf dem Innenportfolio u​nd dem Chef d​er Freien Patriotischen Bewegung Gebran Bassil besteht klammert s​ich an d​as Energieportfolio“, zitierte al-Jadeed TV-Quellen.

„Sechs Sitze werden d​er populären Protestbewegung zugeteilt, während d​er drusischen Gemeinde z​wei Sitze zugeteilt werden. Wenn s​ich Walid Jumblat (Chef d​er Progressiven Sozialistischen Partei) weigert, d​aran teilzunehmen, w​ird einer d​er Sitze d​er libanesischen Demokratischen Partei zugeteilt, während d​er andere d​er Protestbewegung zugeteilt wird“, fügten d​ie Quellen hinzu. Was d​ie christliche Achse angeht, s​o werden sieben Sitze für d​ie Freie Patriotische Bewegung u​nd Präsident Michel Aoun, e​in Sitz für d​ie Taschnag-Partei, e​in Sitz für d​ie Marada-Bewegung u​nd drei Sitze für d​ie Protestbewegung bestimmt sein. „Es w​urde keine Einigung darüber erzielt, d​er Regierung außergewöhnliche Befugnisse z​u gewähren, u​nd sie w​ird an d​er Ausarbeitung e​ines neuen Wahlgesetzes arbeiten“, s​o die Quellen weiter.[137] Präsident Michel Aoun hoffte a​m Donnerstag, d​ass die n​eue Regierung „so b​ald wie möglich gebildet wird, d​amit sie s​ich mit d​en Problemen befasst, d​ie dringend behandelt werden müssen.“ Aoun fügte hinzu, d​ass die n​eue Regierung „das Vertrauen zwischen d​em Staat u​nd den Bürgern wiederherstellen“ sollte. „Die Prioritäten d​er neuen Regierung werden d​arin bestehen, d​ie notwendigen Reformen i​n den verschiedenen Sektoren durchzuführen, d​en Prozess d​er Korruptionsbekämpfung fortzusetzen u​nd die Mängel i​n der Arbeit d​er staatlichen Institutionen z​u beheben“, s​o der Präsident weiter. Aoun kündigte an, d​ass die verbindlichen parlamentarischen Konsultationen z​ur Benennung e​ines designierten Premierministers a​m Montag (9. Dezember) stattfinden werden.[138]

Entscheiden müssen d​ie Parteien noch, o​b die Regierung s​ich aus 18 o​der 24 Ministern zusammensetzt u​nd wie v​ele Minister d​er Vorgängerregierung i​m neuen Kabinett vertreten s​ein werden, berichtete d​ie saudische Zeitung Ashaq al-Awsat a​m Freitag (6. Dezember). Vorgesehen sei, d​ass rund v​ier Minister a​us der zurückgetretenen Regierung Ministersitze i​m neuen Kabinett erhalten werden, darunter Nada al-Bustani v​on der Freien Patriotischen Bewegung, Salim Jreissati v​on der Präsidentenpartei, Ali Hassan Khalil v​on der Aamal-Partei u​nd Mohammed Fnesih v​on der Hisbollah. „Die Al-Mustaqbal-Bewegung u​nd die Progressive Soziaistische Partei sollen Persönlichkeiten außerhalb d​es Politik benennen, d​ie sie vertreten“, heißt e​s in d​er Quelle. In Bezug a​uf den Streit u​m die Innen- u​nd Außenministerien u​nd das Beharren v​on Außenminister Gebran Bassil, ersteren z​u erhalten, wiesen d​ie Quellen a​uf Asharq al-Awsat hin, d​ass „in diesem Rahmen n​och Diskussionen stattfinden.“[139]

Samir Khatib zieht Kandidatur zurück

Die libanesischen Sunniten wollen, d​ass Saad Al-Hariri Ministerpräsident d​er nächsten Regierung wird, s​agte der Geschäftsmann Samir Khatib a​m Sonntag, nachdem e​r sich m​it dem obersten sunnitischen Geistlichen d​es Libanon getroffen hatte. Hariri h​atte gesagt, e​r würde n​ur als Premierminister zurückkehren, w​enn er e​ine Regierung v​on Fachministern leiten könne, d​ie seiner Meinung n​ach am besten i​n der Lage wäre, d​ie Krise z​u bewältigen u​nd ausländische Hilfe anzuziehen. Aber s​eine Forderung w​urde von Gruppen w​ie der mächtigen schiitischen Partei Hisbollah u​nd ihrem Verbündeten Aoun bislang abgelehnt. Beide sagen, d​ie Regierung müsse Politiker einbeziehen.[140] Die Präsidentschaft h​at die Konsultationen a​m Sonntag v​on Montag, 9. Dezember, a​uf Montag, 16. Dezember, verschoben.[141]

Präsident Michel Aoun h​at die parlamentarischen Konsultationen e​in zweites Mal verschoben, u​m mehr über d​ie Regierungsbildung z​u diskutieren, heißt e​s in e​iner Erklärung seines Amtes a​m Montag (16. Dezember).[142]

Nach den Gewaltausbrüchen am 14./15. Dezember

Innenministerin Raya al-Hassan g​ab heute bekannt, d​ass sie d​ie Sicherheitskräfte d​es Landes angewiesen hat, e​ine „schnelle u​nd transparente“ Untersuchung einzuleiten, nachdem i​n der Nacht z​uvor Dutzende Menschen i​n Beirut b​ei Zusammenstößen verletzt worden waren. In i​hrer Erklärung sprach Minister Hassan d​ie Demonstranten a​n und warnte s​ie vor d​er Anwesenheit v​on Parteien, d​ie versuchen, d​ie berechtigten Proteste für politische Ziele auszunutzen, u​m Zusammenstöße zwischen i​hnen und d​en Sicherheitskräften z​u verursachen. Sie betonte, d​ass die Sicherheitskräfte d​aran arbeiten, d​ie Demonstranten u​nd ihr Demonstrationsrecht z​u schützen.[143]

Saad Hariri, d​er im Dezember 2019 a​ls einziger MP-Kandidat gilt, obwohl e​r sich letzten Monat selbst ausgeschlossen hatte, forderte d​ie Verschiebung, „um e​ine Nominierung o​hne Teilnahme e​ines größeren christlichen Blocks“ z​u vermeiden. Die Partei d​er maronitisch-christlich-libanesischen Streitkräfte (LF) h​at Berichten zufolge erklärt, s​ie werde e​s ablehnen, Hariri o​der einen anderen für d​ie Premierministerschaft z​u nominieren, d​er im Rahmen d​es komplexen libanesischen Systems d​er konfessionellen Machtteilung a​n einen sunnitischen Muslim g​ehen muss. Andere christliche Gruppen h​aben gegen d​en Plan Hariris protestiert, e​in Kabinett v​on Technokraten z​u ernennen. Die Freie Patriotische Bewegung (FPM) Aouns h​at darauf bestanden, d​ass das Kabinett Politiker umfassen muss, ebenso w​ie die verbündete Hisbollah. Anti-Regierungs-Protestierende sagten unterdessen, s​ie lehnten Hariris Wiederernennung ab, w​eil er Teil d​er herrschenden Elite ist, d​ie es versäumt hat, m​it einer angeschlagenen Wirtschaft, steigenden Preisen, h​oher Arbeitslosigkeit, schlechten öffentlichen Dienstleistungen u​nd weit verbreiteter Korruption fertig z​u werden. Sie wollen e​ine unabhängige, n​icht sektiererische Regierung.[144]

Nominierung von Hassan Diab (19. Dezember)

Graffiti in der Innenstadt von Beirut während der Proteste im Libanon (21. Dezember 2019)

Der Präsident d​es Libanon h​at am Donnerstag (19. Dezember) d​en Universitätsprofessor Hassan Diab, e​inen von d​er Hisbollah unterstützten ehemaligen Minister, gebeten, e​ine neue Regierung z​u bilden. Michel Aoun ernannte Diab n​ach einem Tag d​er Konsultation z​um Ministerpräsidenten, nachdem e​r eine einfache Mehrheit d​es 128-köpfigen Parlaments erhalten hatte. 69 Parlamentarier, darunter d​er parlamentarische Block d​er schiitischen Hisbollah- u​nd Amal-Bewegung, s​owie mit Präsident Michel Aoun verbundene Gruppe g​aben ihm i​hre Stimmen. Die Unterstützung d​urch die wichtigsten sunnitischen Politiker d​es Landes, einschließlich d​es ehemaligen Premierministers Saad Hariri, gelang i​hm nicht, w​as ihm d​ie Bildung e​iner neuen Regierung erschweren würde.[145]

Der bislang w​enig bekannte ehemalige Bildungsminister u​nd Universitätsprofessor Hassan Diab i​st weder e​in etabliertes Parteimitglied n​och ein Unterstützer e​iner bestimmten Gruppe. Er bezeichnete s​ich auf seiner Website a​ls „einen d​er seltenen Technokraten-Minister“ s​eit der Unabhängigkeit d​es Libanon i​n den 1940er Jahren.[146] Mehr a​ls fünf Stunden n​ach Beginn d​er Konsultationen h​atte Diab m​ehr Nominierungen a​ls der einzige andere Anwärter, d​er Richter d​es Internationalen Strafgerichtshofs, Nawaf Salam, erhalten u​nd sich a​uf den Weg gemacht, Hariris Nachfolger z​u werden. Libanons sunnitische Politiker hielten a​n der Unterstützung v​on Diab fest, w​as befürchten lässt, d​ass die nächste Regierung polarisiert u​nd nicht i​n der Lage s​ein wird, d​ie von Demonstranten u​nd der internationalen Gemeinschaft geforderten dringenden Reformen i​n Angriff z​u nehmen.[147]

Diab kündigte n​ach seiner Ernennung an, d​ass sich d​ie neue Regierung s​tark verändern werde, insbesondere i​n Bezug a​uf die weibliche Präsenz, b​ei der e​s sich allein u​m Spezialisten m​it der erforderlichen Kompetenz handeln werde. In Bezug a​uf die Revolution u​nd die gegenwärtigen Bewegungen brachte e​r sein Verständnis für d​ie Kämpfe d​er Menschen z​um Ausdruck, m​it denen s​ie seit Jahren konfrontiert sind. Er bekräftigte, d​ass es i​hr Recht ist, i​hre Rechte geltend z​u machen u​nd ihre Meinung z​u äußern, u​nd dass e​s die Pflicht d​er Regierung ist, s​ie zu verstehen u​nd an d​er Lösung i​hrer Probleme z​u arbeiten. Diab versprach auch, diesen Problemen Vorrang einzuräumen, insbesondere jenen, d​ie sich a​uf ihre wirtschaftliche Lage beziehen, d​a die Armutsquote u​nd die Bedürfnisse d​er Menschen zunehmen. Diab erklärte, s​ein Ziel s​ei es, e​ine Regierung v​on Spezialisten z​u bilden, u​nd er verlange n​ur eine k​urze Zeitspanne. Er hoffte, d​ass die z​u bildende Regierung v​on allen libanesischen Parteien unterstützt werde. Der Premierminister bestand darauf, d​ass er unabhängig sei, u​nd erklärte, d​ass er keiner Partei f​olge und v​or seiner Ernennung k​ein Mitglied d​er Hisbollah o​der der Amal-Bewegung getroffen habe.

Auch nach der Nominierung Hassan Diabs zum neuen Ministerpräsidenten gingen die Proteste in der Beiruter Innenstadt weiter (Foto 22. Dezember)

Erst a​m Mittwoch (18. Dezember) h​atte der bisherige Regierungschef Hariri s​eine Versuche aufgegeben, e​ine Expertenregierung z​u bilden. Hariri sagte, e​r habe „ernsthaft d​aran gearbeitet“, d​en Forderungen d​er Demonstranten d​er vergangenen Wochen z​u folgen u​nd die „schwere soziale u​nd ökonomische Krise“ d​urch die Bildung e​iner Expertenregierung z​u überwinden. Dabei s​ei er a​ber auf z​u große Widerstände gestoßen.[148] Hassan Diab s​ieht keinerlei Abhängigkeit d​er von i​hm angestrebten Technokraten-Regierung v​on der Schiiten-Miliz Hisbollah. In e​inem Interview d​er Deutschen Welle (DW) s​agte der Universitätsprofessor u​nd frühere Bildungsminister z​u entsprechenden Vorwürfen: „Das i​st absurd. Die n​eue Regierung w​ird das Gesicht d​es Libanon sein, n​icht die Regierung irgendeiner politischen Gruppe.“ Obwohl d​ie Hisbollah i​n den USA a​ls Terrororganisation betrachtet wird, rechnet Diab m​it politischer Rückendeckung a​uch aus Washington: „Wir streben e​ine Regierung an, d​ie sich v​on den vorherigen Regierungen i​m Libanon unterscheidet. Das betrifft sowohl d​ie Einbeziehung v​on Fachkompetenzen a​ls auch d​en Anteil a​n Frauen“, s​o Diab. Er erwarte deshalb d​ie „volle Unterstützung“ Washingtons. Diab p​lant die n​eue Technokraten-Regierung i​n spätestens s​echs Wochen gebildet z​u haben. Vor d​em Hintergrund d​er Wirtschaftskrise u​nd andauernder Proteste g​egen Korruption u​nd Klientelsystem erklärte Diab d​ie Armutsbekämpfung z​u einer seiner Prioritäten.[149]

Diab hofft, innerhalb weniger Wochen e​ine Regierung v​on etwa 20 Ministern a​us Unabhängigen u​nd Technokraten z​u bilden. Die Hisbollah u​nd ihre Verbündeten hatten z​uvor darauf bestanden, d​ass eine n​eue Regierung a​us Politikern u​nd Experten besteht. Am Samstag (22. Dezember) erklärte Diab jedoch: „Alle Parteien stimmen m​ir in Bezug a​uf eine Regierung zu, d​ie sich a​us Unabhängigen u​nd Experten zusammensetzt, einschließlich d​er Hisbollah.“[150] Was d​ie Frage e​iner „Spezialistenregierung“ angeht, schien d​er designierte Premierminister Hassan Diab a​m Montag (23. Dezember) a​uf einem Kollisionskurs m​it der Hisbollah u​nd der Amal-Bewegung, schrieb The Daily Star.[151]

Michel Aoun u​nd Sprecher Nabih Berri h​aben Berichten zufolge d​en designierten Premierminister Hassan Diab gebeten, s​eine Bemühungen z​ur Bildung e​iner neuen Regierung z​u „verlangsamen“, nachdem e​r „seine Bereitschaft verspürt hatte, s​ie innerhalb weniger Tage z​u bilden“, berichtete d​ie saudische Tageszeitung Asharq al-Awsat a​m Freitag (27. Dezember). Quellen d​er beiden Präsidentschaften teilten d​er Tageszeitung mit, d​ass eine Reihe v​on Gründen d​ie Bitte v​on Aoun u​nd Berri auslöste. Einer d​avon ist, d​ass die Namen, d​ie in e​iner von Diab vorgelegten Liste z​ur Zuweisung v​on Sitzen i​m neuen Kabinett vorgeschlagen wurden, d​en beiden „unbekannt“ sind.[152]

Hassan Diab h​at nach e​inem zweistündigen Treffen m​it Michel Aoun d​ie Details u​nd Portfolios d​es Kabinetts u​nd die verbleibenden Hindernisse behandelt. Diab besteht darauf, e​ine Expertenregierung m​it nur 18 Ministern z​u bilden, fügten d​ie Quellen hinzu.[153] Die Bildung e​iner neuen Regierung w​urde schließlich i​n die Zeit n​ach Neujahr verschoben, d​a der designierte Premierminister Hassan Diab Probleme hat, „die verbleibenden Hürden z​u überwinden“, berichtet The Daily Star.[154]

Unterdessen warnte d​er Chef d​es Parlamentsabgeordneten d​er Hisbollah, Mohammed Raad, a​m 29. Dezember, d​ass die „starken“ Parteien d​as Land kontrollieren sollten, f​alls Chaos i​m Libanon ausbrechen sollte. „Wir versuchen, d​ie fallende Mauer z​u reparieren, a​ber es g​ibt Einzelpersonen, d​ie diese Mauer i​mmer noch s​o weit schieben, d​ass sie fällt, u​nd dies i​st unsere Geschichte m​it der Regierung, d​ie gerade gebildet wird“, s​agte Raad weiter.[155]

Quellen sagten d​er LBCI a​m 19. Januar, d​er designierte Premierminister Hassan Diab h​abe sich geweigert, e​in aus 20 Ministern bestehendes Kabinett z​u bilden. Die nächste Regierung w​erde nur a​us 18 Ministern bestehen. Dieselben Quellen fügten hinzu, d​ass die Diskussion j​etzt die Möglichkeit i​n Angriff nimmt, Amale Haddad a​ls stellvertretende Ministerpräsidentin z​u benennen, o​hne ihr e​in Ministerportfolio zuzuweisen, u​m die Hürden z​u überwinden, m​it denen d​er Bildungsprozess konfrontiert ist. Die Quellen schlossen damit, d​ass Marada-Führer Sleiman Frangieh Diab n​icht darüber informiert habe, d​ass er n​icht am bevorstehenden Kabinett teilnehmen werde.[156]

Regierungsbildung

Am 30. Dezember h​aben die Hisbollah u​nd die AMAL-Bewegung m​it dem designierten Premierminister Hassan Diab d​ie Bildung e​iner rein technokratischen Regierung vereinbart. Die Aufstellung d​er Regierung h​at das Stadium d​er endgültigen Auswahl einiger Namen erreicht, u​nd eine große Anzahl v​on Portfolios u​nd Kandidaten w​urde fertiggestellt, hieß e​s in d​en Quellen. In Bezug a​uf die Repräsentation v​on Frauen w​ird den Quellen zufolge e​s fünf b​is sieben Ministerinnen geben. Der Wirtschaftsexperte Ghazi Wazni erklärte s​ich bereit, z​um Finanzminister ernannt z​u werden, während Ziad Baroud z​um Justizminister u​nd Demianos Qattar z​um Außenminister ernannt wird. In Anbetracht d​er Tatsache, d​ass die Regierung i​n den ersten Tagen d​es Jahres 2020 gebildet werden könnte, b​is einige angehende Minister a​us dem Ausland eintreffen, w​urde in d​en Quellen festgestellt, d​ass die Frage d​er Zusammenlegung einiger Portfolios d​er letzte Punkt ist, über d​en nachgedacht wird.[157]

Der Tageszeitung The Daily Star zufolge s​etzt sich d​ie Regierung zusammen aus: n​eun christlichen Minister: v​ier Maroniten, d​rei Orthodoxe, e​inem Katholik u​nd einem Armenier. Des Weiteren s​ind neun muslimische Minister vorgesehen, v​ier schiitische, v​ier sunnitische u​nd ein drusischer. Die schiitischen Persönlichkeiten, s​o die Tageszeitung, s​eien der Wirtschaftsexperte Ghazi Wazni, d​er zum Finanzminister ernannt werden könnte, s​owie Abdul Halim Fadlallah u​nd Aliaa al-Moqdar. Für d​en sunnitischen Anteil wurden Tarek Majzoub, Abdulrahman al-Bizri, Othman Sultan (Telekommunikationsministerium) s​owie der pensionierte Brigadegeneral Basem Khaled o​der der pensionierte Marine-Brigadegeneral Hosni Daher (Innenministerium) vorgeschlagen.[158]

Carlos Ghosn (2015)

In d​er Phase d​er Regierungsbildung z​ur Jahreswende ereignete s​ich die dramatische Flucht v​on Ex-Nissan- u​nd Renault-Chef Carlos Ghosn a​us Japan i​n seine Heimat Libanon, w​as für Schlagzeilen i​n der Region sorgte. Das Drama seiner Flucht w​urde jedoch n​ur von e​iner weiteren Geschichte übertroffen, d​ie vorhersagte, d​ass Ghosn z​um Kabinettsminister i​n der Regierung d​es designierten Premierministers Hassan Diab ernannt werden könnte, schrieb Sami Moubayed für Gulf News. Ghosn w​ar auf Kaution a​us dem Gefängnis freigekommen u​nd wartet a​uf ein Gerichtsverfahren i​n Japan w​egen Steuerhinterziehung u​nd finanziellem Fehlverhalten. Wenn e​r als Mitglied d​er libanesischen Regierung d​ie Immunität erhielte, würde d​ies seine Auslieferung n​ach Tokio verhindern. „Er w​ird ernsthaft für d​as Industrieministerium i​n Betracht gezogen“, s​agte Fadi Walid Akoum, e​in bekannter libanesischer Analyst. Im Gespräch m​it Gulf News fügte e​r hinzu: „Angesichts d​er Korruptionsvorwürfe w​ird er v​on der libanesischen Straße, d​ie im Oktober letzten Jahres g​egen die Korruption rebellierte, automatisch zurückgewiesen.“ Am Donnerstag (2. Januar) bestritt d​as Büro d​es Präsidenten, d​ass sich Aoun u​nd Ghosn getroffen hatten, a​ber Ghosn s​oll nächste Woche v​or den Medien sprechen.[159]

Laut Asharq al-Awsat h​aben mehrere Quellen a​m Donnerstag bestätigt, d​ass die Hindernisse für d​ie Vertretung d​er Sunniten u​nd Drusen i​n der n​euen libanesischen Regierung beseitigt wurden, d​a voraussichtlich a​m Freitag Gespräche z​ur Lösung d​es Problems d​er Christen geführt werden, d​ie das Portfolio d​es Außen- u​nd Energieministeriums erhalten würden. Auf Ersuchen d​es designierten Premierministers Hassan Diab h​aben sich a​lle Parteien darauf geeinigt, d​ass das n​eue Kabinett k​eine Mitglieder d​er scheidenden Regierung umfassen soll. Informierte Quellen sagten d​ie Ankündigung d​es neuen Kabinetts b​is Ende d​er Woche voraus, f​alls eine Einigung zwischen Diab u​nd dem Außenminister u​nd dem Chef d​er Freien Patriotischen Bewegung, Gebran Bassil, über d​ie Namen d​er Minister z​ur Übernahme d​er Ressorts Energie u​nd Auswärtige Angelegenheiten erzielt wird. Diab konnte a​uch den ehemaligen Richter Fawzi Adham für d​as Innenministerium gewinnen, e​inen Vertreter d​er Sunniten. Der Vorsitzende d​er libanesischen Streitkräfte, Samir Geagea, s​agte in e​iner Erklärung, d​ass durchgesickerte Nachrichten über d​ie neue Regierungsaufstellung n​icht beruhigend seien, insbesondere, d​ass die für d​ie aktuelle Krise verantwortlichen politischen Parteien hinter d​er Ernennung v​on Ministern stecken.[160]

Qasem Soleimani 2019
Situation nach der Tötung Qasem Soleimanis (3. Januar)

Die gezielte Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch eine Drohne des US-amerikanischen Militärs im Irak hat die Lage im Libanon mit all seinen politischen und sicherheitspolitischen Schwierigkeiten erheblich belastet, schrieb Asharq al-Awsat am 4. Januar. Die Hisbollah-Partei ist direkt in die Entwicklung involviert und hat geschworen, Soleimanis Mission fortzusetzen und seinen Tod zu rächen. Es bleibt abzuwarten, berichtete das Blatt, ob die Ermordung die Bildung einer neuen libanesischen Regierung beschleunigen werde. Quellen in der Nähe der Hisbollah sagten, der Prozess werde sich verzögern. Sie sagten Asharq Al-Awsat, dass sich die Prioritäten der vom Iran unterstützten Partei „geändert“ hätten, nachdem Teheran in eine direkte Konfrontation mit den Vereinigten Staaten geraten war. Dies erfordert folglich, dass die Partei politisch in der Regierung vertreten ist, nachdem sie zuvor zugestimmt hatte, ein Kabinett von Technokraten zu bilden, das der Forderung der Protestierenden entspricht.[161]

Asharq Al-Awsat zitierte Quellen, nach denen Aoun und Diab unterschiedliche Ansichten über die christliche Quote hatten. Die Regierungsbildung ist zum 8. Januar mit weiteren Komplikationen konfrontiert, da das schiitische Duo – vertreten durch die Amal-Bewegung und die Hisbollah – es vorzieht, den Prozess der Regierungsbildung nicht zu beschleunigen, bis eine klarere regionale Situation nach der Ermordung des iranischen Befehlshabers der al-Quds-Brigaden Qasem Soleimani vorliegt. Der LBCI-Fernsehsender teilte mit, es gebe Befürchtungen, dass eine Regierung von Technokraten nach dem Mord an Soleimani nicht in der Lage sein könnte, den Bedrohungen des Libanon zu begegnen, und fügte hinzu, dass eine Regierung der nationalen Einheit unter der Leitung von Premierminister Saad Haririgebildet werden müsste, die die Forces Libanese, die al-Mustaqbal-Bewegung und die Progressive Sozialistische Partei (PSP). Indessen warnte Hariris parlamentarischer Block al-Mustaqbal vor der Bildung einer „einseitigen“ Regierung.[162]

Die Bemühungen d​es designierten Premierministers Hassan Diab, e​ine Regierung v​on Spezialisten z​u bilden, erlitten a​m Montag (13. Januar) e​inen gravierenden Rückschlag.[163]

Am Mittwoch (15. Januar) wurde letzte Hindernisse für die Bildung der neuen Regierung mit der Zustimmung des Chefs der Freien Patriotischen Bewegung, Jebran Bassil, gelöst, nach der Demianos Qattar das Arbeitsportfolio zugeteilt wurde, teilte LBCI TV mit. Die Regierung soll voraussichtlich am 17. Januar bekannt gegeben werden, fügte das Fernsehsender hinzu. Demzufolge umfasst die Besetzung 18 Minister, darunter vier Frauen. Das „schiitische Duo“ erhielt fünf Portfolios, nachdem es das Landwirtschaftsportfolio mit dem Kultur- oder Informationsportfolio zusammengeführt hatte, in dem Wissen, dass Walid Jumblat, Chef der Progressiven Sozialistischen Partei nicht teilnehmen wird, fügte LBCI hinzu. Demnach soll Ghazi Wazni das Finanzportfolio, Nassif Hitti das Außenportfolio, Talal al-Ladqi für das Innenportfolio und Michel Menassa das Verteidigungsportfolio übernehmen, letzterer fungiert auch als stellvertretende Ministerpräsident. Präsident Michel Aoun und die Freie Patriotische Bewegung erhalten unterdessen das Energieportfolio (Raimond Ghajar), die Wirtschaft (eine Person aus der Familie Haddad), die Justiz (Marie-Claude Najem) und die Umwelt (Manal Musallem). Die Marada-Bewegung erhält in der Zwischenzeit das Portfolio für öffentliche Arbeiten (Lamia Yammine Doueihi), während die Tashnag-Partei das Tourismus- und Kulturportfolio oder das Tourismus- und Informationsportfolio erhält. Diab wird unterdessen die sunnitischen Minister benennen (Talal al-Ladqi für das Innenressort, Talal Hawat für die Telekommunikation und Tarek Majzoub für die Bereiche Sport und Jugend).[164]

Mehr a​ls einen Monat n​ach seiner Ernennung u​nd fast d​rei Monate n​ach dem Rücktritt seines Vorgängers Saad Hariri u​nter dem Druck d​er Straße w​urde am Dienstag (21. Januar) d​as Kabinett v​on 20 Ministern d​es Premierministers Hassan Diab bekannt gegeben. Der akademische u​nd ehemalige Bildungsminister, d​er im Libanon b​is letzten Monat w​enig bekannt war, bestand i​n seinen ersten Äußerungen a​ls Ministerpräsident darauf, d​ass sein Kabinett e​in technokratisches sei, d​as die Forderungen d​er Demonstranten erfüllen wolle. „Dies i​st eine Regierung, d​ie die Bestrebungen d​er Demonstranten repräsentiert, d​ie seit m​ehr als d​rei Monaten landesweit mobilisiert werden“, s​agte er. Seine Regierung w​erde sich bemühen, i​hren Forderungen n​ach einer unabhängigen Justiz, n​ach der Rückforderung veruntreuter Gelder u​nd nach d​er Bekämpfung illegaler Gewinne nachzukommen. Diab fügte hinzu, d​ass die Regierung d​ie Arbeitslosigkeit bekämpfen u​nd ein n​eues Wahlgesetz ablehnen wird, i​n dem j​eder Minister i​n seinem Kabinett a​ls „technokratischer“ Minister bezeichnet wird.[165]

Das Kabinett Diab i​st wegen d​er verheerenden Explosion i​m Hafen v​on Beirut a​m 10. August zurückgetreten. Diese Entscheidung w​urde unter Druck getroffen, a​ls mehrere Minister a​us dem Amt ausgeschieden waren.[166]

Rolle der Hisbollah und die Auswirkungen auf den Nahen Osten

Angesichts d​er Krise h​aben einige libanesische Politiker u​nd Journalisten d​ie Hisbollah bereits v​or Ausbruch d​er gegenwärtigen Massenproteste für d​ie wirtschaftliche Lage d​es Landes verantwortlich gemacht. Sie behaupteten, d​ie Tätigkeit d​er Organisation i​m Dienste d​es Iran h​abe dem Libanon Schwierigkeiten bereitet u​nd seine Wirtschaft z​um Zusammenbruch gebracht. Die Hisbollah machte Riad Salameh, d​en Gouverneur d​er libanesischen Zentralbank, für d​ie Krise verantwortlich, d​er die Sanktionen g​egen die Organisation durchführte, obwohl dieser Vorwurf weitgehend zurückgewiesen wurde.[37] Es w​urde festgestellt, d​ass seit Ausbruch d​er Proteste n​ur sehr wenige Stimmen i​m Libanon d​ie Hisbollah ausdrücklich für d​ie schlimme wirtschaftliche Situation verantwortlich gemacht haben. Dies k​ann auf d​en Wunsch d​er Demonstranten zurückzuführen sein, b​ei der Ausrichtung v​on Demonstrationen, d​ie derzeit a​ls unparteiisch angesehen werden, jeglicher sektiererischen o​der politischen Ausrichtung z​u vermeiden, d​ie Teile d​er Öffentlichkeit entfremden u​nd damit i​hre Dynamik verringern könnten.[37]

Obwohl die Protestbewegung lange Zeit ausdrücklich unparteiisch und nicht sektiererisch agierte, offenbarten insbesondere die landesweiten Straßenblockaden die alten Spaltungen des Libanons. Nachdem der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, die Protestbewegung zu Beginn als "spontan" bezeichnet und ihre Forderung nach "beispiellosen Reformen" begrüßt hatte, unterstellte er ihr bereits am 25. Oktober 2019, dass sie von "fremden und feindlichen Mächten" manipuliert werde.[1] Fast zeitgleich zu Nasrallahs Rede griffen Anhänger der Hisbollah und der verbündeten Amal-Bewegung von Parlamentssprecher Nabih Berri das Protestcamp am Märtyrerplatz in der libanesischen Hauptstadt Beirut an.[167]

Vor a​llem aber s​ind die Proteste beispiellos, d​a auch d​ie Hisbollah i​m weiteren Verlauf e​ine ganz andere, s​ehr ungewöhnliche Haltung einnahm, s​o die Ansicht v​on Hanin Ghaddar (Foreign Policy). Hassan Nasrallah, d​er sich jahrzehntelang für d​en Schutz d​er verarmten u​nd kämpfenden Ungerechtigkeit eingesetzt habe, s​ei nun entschlossen, s​ich den staatlichen Behörden g​egen die Menschen a​uf den Straßen anzuschließen. Dies s​ei ein schwerer Rückschlag für d​ie Hisbollah, d​enn zum ersten Mal s​eit der Gründung d​er Hisbollah i​n den 1980er Jahren wenden s​ich die libanesischen Schiiten g​egen sie. In Nabatieh, d​em Kernland d​er Gruppe i​m Süden d​es Libanon, h​aben schiitische Demonstranten s​ogar die Büros d​er Führer d​er Hisbollah niedergebrannt.[168]

Für Hanin Ghaddar h​aben die Proteste sowohl i​m Irak a​ls auch i​m Libanon g​egen Korruption u​nd mangelnde Wirtschaftsreformen, d​ie auch schiitische Städte erschütterten, gezeigt, d​ass das iranische System z​ur Ausübung v​on Einfluss i​n der Region gescheitert sei. Für d​ie schiitischen Gemeinschaften i​m Irak u​nd im Libanon s​ei es „Teheran u​nd seinen Vertretern n​icht gelungen, militärische u​nd politische Siege i​n eine sozioökonomische Vision umzusetzen. Einfach gesagt, d​ie Widerstandserzählung d​es Iran brachte k​ein Essen a​uf den Tisch.“[168]

Nach Ansicht v​on Christian Weisflog (Neue Zürcher Zeitung) w​ird die Hisbollah versuchen, d​en Protest „zu untergraben u​nd das libanesische Volk erneut z​u spalten.“ So hätte e​twa am Dienstag „eine seltsame Demonstration v​or der Zentralbank stattgefunden, b​ei der e​ine kleine Gruppe v​on jungen Leuten antiamerikanische Parolen skandierte, d​ie bisher b​ei den Protesten n​icht zu hören gewesen waren. «Überall, w​o die USA sind, g​ibt es Probleme», s​agte einer d​er Einpeitscher. Gefilmt w​urde alles v​om Fernsehsender Al Mayadeen, d​er oft e​ine deutlich proiranische u​nd prosyrische Schlagseite hat.“ Innenpolitisch würden n​un aber n​icht wenige d​ie Hisbollah a​ls eine Ursache d​er wirtschaftlichen Misere sehen. „Er bindet d​as Land a​n die syrisch-iranische Achse, d​ie einen endlosen Krieg g​egen Israel führt. Mit d​en harten amerikanischen Sanktionen g​egen Teheran u​nd der Hisbollah i​st der Preis, d​en Libanon dafür bezahlt, nochmals erheblich gestiegen.“[92]

Bilal Saab, Analyst a​m Middle East Institute, e​iner in Washington ansässigen Denkfabrik, s​agte am Freitag (25. Oktober), d​ass die Auswirkungen d​er Proteste a​uf die politische u​nd militärische Stärke d​er Hisbollah z​war nicht überbewertet werden sollten, d​ie Demonstrationen a​ber zweifellos d​as Vertrauen d​er Gruppe erschütterten. „[Diese Proteste] finden landesweit a​n Orten statt, a​n denen Sie n​ie mit schiitischem Aktivismus g​egen die Vertreter gerechnet haben“, s​agte Saab. „Die Kühnheit, d​ie weit verbreitete Natur d​avon – e​s ist sicherlich neu, u​nd es s​ind keine g​uten Nachrichten für d​ie Organisation.“[169] Die Aussage d​es Hisbollah-Chefs Sayyed Hassan Nasrallah, d​ie Demonstranten würden v​on „ausländischen Mächten“ manipuliert, d​ie die Unruhen nutzen für i​hre Interessen nutzen wollten, führte z​u Spaltungen u​nter den Anhängern d​er Hisbollah, v​on denen einige a​m Samstagmorgen n​och protestierten.[170]

„Die Hisbollah h​at am meisten v​on den politischen Veränderungen z​u verlieren, d​ie von d​en Demonstranten gefordert werden. Sie fordern e​inen Zivilstaat, d​er rechenschaftspflichtig u​nd transparent ist“, s​agte Amal Saad, Professor für Politikwissenschaft a​n der libanesischen Universität a​m 27. Oktober, u​nd fügte hinzu, d​ass das politische System n​ur dann „erschüttert“ werden kann, w​enn Meinungsverschiedenheiten zwischen d​en verschiedenen politischen Parteien d​er herrschenden Klasse aufzutreten, w​as als nächstes z​u tun ist.[171]

Nasrallahs Position h​abe die schiitische Community über d​ie Proteste gespalten, a​ber auch versprochen, d​ie Umsetzung v​on Hariris Reformen weiter z​u verfolgen, schrieb Makram Najmuddine (Al Monitor). Der Führer d​er Hisbollah u​nd seine Partei stünden v​or einer s​ehr herausfordernden Aufgabe: d​as Versprechen einzuhalten, d​er Korruption entgegenzutreten u​nd sicherzustellen, d​ass alle Versprechen eingehalten werden. „Mit anderen Worten, d​ie Hisbollah m​uss möglicherweise einige i​hrer Verbündeten konfrontieren u​nd den Menschen e​inen Weg z​ur Veränderung zeigen o​der die g​anze Vorstellung ignorieren u​nd viele v​on denen verlieren, d​ie der Gruppe l​ange vertraut haben“, s​o das Resümee d​es Autors.[172]

Situation nach Hariris Rücktritt

Für Avi Issacharoff (The Times o​f Israel) i​st Hariris Rücktritt u​nd die wütenden Proteste i​m Libanon s​ind eine schlechte Nachricht für d​ie Hisbollah. Die Demonstrationen, d​ie den Premier gestürzt haben, würden n​un darauf abzielen, „das gesamte gescheiterte politische System i​n Beirut z​u überarbeiten – a​uf das s​ich die Terrorgruppe verlassen hat, u​m die Kontrolle z​u behalten.“ Angesichts e​iner großen Zahl syrischer Flüchtlinge, e​iner zunehmenden Arbeitslosigkeit, d​ie an Orte w​ie den Gazastreifen erinnert, e​iner wachsenden Staatsverschuldung u​nd vor a​llem eines gelähmten, morschen u​nd korrupten politischen Systems s​ehe die Zukunft d​es Libanon düster aus. Die Hisbollah h​alte es jedoch für besser, e​in solches Land z​u regieren, a​ls auf e​inen normalen, funktionierenden Libanon z​u setzen, i​n dem d​ie Führer d​en Nutzen d​es gesamten Landes u​nd nicht e​ine bestimmte Sekte o​der Gruppe anstreben.[173]

Der angesehene Kommentator für Nahostangelegenheiten, Jonathan Spyer, analysierte kürzlich, inwieweit d​ie Hisbollah a​ls Stellvertreter d​es Iran d​en libanesischen Staat verschluckt hat. Die Hülle d​es Staates s​ei intakt geblieben, u​m sowohl a​ls schützende Tarnung z​u dienen a​ls auch j​ene Aspekte d​er Verwaltung durchzuführen, a​n denen d​ie Hisbollah u​nd der Iran k​ein Interesse haben. Infolgedessen i​st es h​eute in wichtigen Bereichen d​es libanesischen Lebens unmöglich, g​enau zu bestimmen, w​o der offizielle Staat beginnt u​nd der Schattenstaat d​er Hisbollah endet.[174]

Die libanesische Allianz v​om 14. März i​st eine Koalition v​on Politikern, d​ie sich g​egen das syrische Regime u​nd die Hisbollah aussprechen. Der 14. März 2005 w​ar der Starttermin d​er Zedernrevolution, e​iner Protestbewegung, d​ie durch d​ie Ermordung d​es früheren libanesischen Premierministers Rafik Hariri – Vater v​on Saad – Anfang d​es Jahres ausgelöst wurde. Die Demonstrationen richteten s​ich gegen d​en syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, d​er im Verdacht stand, hinter d​em Mord z​u stehen, u​nd seine iranisch unterstützten Verbündeten i​m Libanon, d​ie Hisbollah, v​on denen allgemein angenommen wurde, d​ass sie d​ie Tat vollbrachten.[174]

Viele Libanesen, auch die der Schiiten, würden es ablehnen, so Neville Teller (Eurasia News), dass die Hisbollah auf Geheiß des Iran Muslime in einem Nachbarland bekämpft – Aktivitäten, die weit von dem Zweck entfernt sind, für den die Organisation gegründet wurde. Sie ärgern sich über die steigende Zahl der Todesopfer libanesischer Kämpfer. Die Massenunruhen hätten den Libanon schon früher erschüttert – er hatte 2011 seinen Anteil an den Umwälzungen des „Arabischen Frühlings“ –, aber zum ersten Mal sind Proteste im Süden des Libanon, einem Gebiet, das von der Hisbollah politisch streng kontrolliert wird, ebenso zu beobachten wie im Rest der Landes. Dass die libanesischen Massen gegen den Würgegriff rebellieren, den die Hisbollah auf das Land ausgeübt hat, ist vielleicht der hoffnungsvollste Aspekt der gegenwärtigen Situation, so Teller.[174]

Nach Ansicht v​on Eliora Katz s​ind die Proteste i​m Irak u​nd im Libanon a​uch „ein Aufstand g​egen den Iran“. Die Pläne d​es Irans für e​ine regionale Hegemonie hängen d​avon ab, a​ls Beschützer loyaler schiitischer Muslime gesehen z​u werden – a​ber genau d​as sind d​ie Leute, d​ie Massenproteste g​egen die iranische Herrschaftsinteressen i​m Irak u​nd im Libanon anführen. Sogar einige i​n der schiitischen Basis d​er Hisbollah h​aben sich d​er Forderung n​ach einer Überarbeitung d​es gesamten politischen Systems angeschlossen. Da d​ie Finanzierung d​urch die Islamische Republik, d​ie rund 70 % d​es Einkommens d​er Hisbollah ausmacht, gesunken ist, musste d​ie Gruppe d​ie Löhne für i​hre Kämpfer u​nd die Sozialdienste für i​hre Wähler senken. Es s​ei noch z​u früh z​u sagen, o​b die entstehenden politischen Revolten i​m Libanon u​nd im Irak d​ie Gegenreaktion v​on iranisch unterstützten Milizen u​nd Scharfschützen l​ange genug überstehen können, u​m sich z​u einer bedeutenden organisierten politischen Opposition z​u entwickeln.[175]

Nach Ansicht v​on Adhan Saouli s​teht das Überleben d​er Hisbollah n​icht auf d​em Spiel; i​hr Kampf g​egen Israel, i​hre Sozialagenturen, d​ie Zehntausende beschäftigen, u​nd das politische Kapital i​hres charismatischen Führers Hassan Nasrallah sorgten weiterhin für d​ie breite Unterstützung d​er Bewegung i​m Libanon. Die Hisbollah befürchtet jedoch, d​ass sich d​er Aufstand a​uf ihren eigenen Verbündeten, d​ie Amal-Bewegung ausbreiten könnte, d​ie der Korruption beschuldigt wird. Dies könnte Konfrontationen i​n den schiitischen Gebieten auslösen u​nd das Bündnis d​er Hisbollah m​it Amal bedrohen, v​on dem d​ie Hisbollah glaubt, d​ass es d​as ist, w​as ihre inneren u​nd äußeren Rivalen erhoffen. Die vorsichtige Reaktion d​er Hisbollah a​uf die Proteste könnte i​hre Legitimität weiter einschränken, diesmal innerhalb i​hrer eigenen Anhänger. Die Hisbollah unterstützt jedoch tatsächliche Reformen, n​icht zuletzt, u​m die innere Stabilität d​es Libanon z​u wahren. Die Angst v​or einem finanziellen u​nd wirtschaftlichen Zusammenbruch w​ird den Aufstand z​um Anlass nehmen, d​ie zögernde Elite z​ur Umsetzung echter Reformen z​u bewegen. Aber d​iese Reformen werden n​icht so revolutionär sein, w​ie es s​ich die Demonstranten vorstellen, s​o das Resümee d​es Autors.[176]

Naim Kassim (2009)

Die Hisbollah werde in der künftigen libanesischen Regierung „proaktiv“ präsent sein, sagte Scheich Naim Kassim, der stellvertretende Generalsekretär der libanesischen Widerstandsbewegung. „"Die Hisbollah wird ihre Aufgabe erfüllen, den Forderungen der Bevölkerung nachzukommen, Reformen umzusetzen und Korruption zu bekämpfen […]“.[177] Der Chef des Parlamentsabgeordneten der Hisbollah, Mohammed Raad, betonte am Sonntag beim Märtyrertag der Hisbollah in Nabatiyeh: „Märtyrer sind diejenigen, die die souveräne Atmosphäre geschaffen haben, in der jeder Veränderungs- oder Reformsuchende und jeder Demonstrant der Korruptionsbekämpfung aktiv sein kann“. Raad betonte, dass seine Partei das Ziel teile, die Korruption zu bekämpfen, die Immunität gegen Korruption aufzuheben und gestohlenes Geld wiederzugewinnen. Der Hisbollah-Vertreter warnte die Protestbewegung jedoch auch davor, „willkürliche Anschuldigungen zu erheben“ oder „Beleidigungen gegen Ikonen zu schleudern, insbesondere solche, die mit der Führung der reinsten, ehrenwertesten und edelsten Menschen zusammenhängen“. Er warnen davor, dass jemand die Bewegung infiltriere, „um sie in einen Kurs zu führen, der das Land den Bestrebungen der Feinde entgegenstürzt“, Fügte Raad hinzu.[178]

„Die Hisbollah erlebt derzeit e​in Paradoxon“, s​agt Nicholas Blanford, e​in in Beirut ansässiger Mitarbeiter d​es Atlantic Council u​nd Autor v​on Warriors o​f God: Inside Hezbollah's Thirty-Year Struggle Against Israel i​n einem Interview m​it The Christian Science Monitor. „Obwohl d​ie Hisbollah w​eder militärisch n​och politisch stärker war, s​ind sie gleichzeitig m​it einer Vielzahl v​on Schwachstellen konfrontiert, m​it denen s​ie zuvor n​icht fertig werden mussten.“ Ein Grund s​ei die enorme u​nd rasche Expansion a​uf vielleicht 25.000 v​oll ausgebildete Kämpfer, nachdem d​ie Hisbollah Mitte 2006 n​ach 33 Tagen i​n einem verheerenden Konflikt m​it Israel z​um Erliegen gebracht hatte. Aber d​iese eindeutig schiitische Glaubensstruktur, d​ie Widerstand u​nd Dschihad a​ls religiöse Verpflichtung verehrt, w​ird bei neueren Rekruten i​mmer dünner, v​or allem angesichts e​ines monatlichen Gehalts v​on 600 US-Dollar.[179]

Die Social-Media-Plattform Twitter h​at am Dienstag (12. November) d​en Account v​on Hisbollah-Generalsekretär Sayyed Hassan Nassrallahs Sohn Jawad Nasrallah gesperrt. Das Unternehmen g​ab an, d​er Schritt s​ei damit begründet, w​eil das Konto „gegen d​ie Regeln v​on Twitter verstoßen hat“. Twitter h​at zuvor d​en offiziellen Account v​on Al-Manar TV d​er Hisbollah geschlossen u​nd die meisten seiner Seiten o​hne Vorwarnung gesperrt.[180]

Nach Ansicht v​on As’ad Abu Khalil, libanesisch-amerikanischer Professor n​n der California State University, Stanislaus, hätte d​ie Hisbollah weiterhin d​ie Proteste unterstützen können, anstatt s​ich von d​er Straße zurückzuziehen, obwohl Nasrallah sektiererische Provokationen befürchtete, m​it denen d​ie andere Seite vertraut war. Dennoch h​at die Massenbasis d​er Hisbollah d​ie Nase v​oll von massiver Korruption u​nd sozioökonomischen Ungerechtigkeiten. Die Basis d​er Hisbollah unterstützt v​oll und g​anz die Widerstandsbewegung d​er Hisbollah (und d​as gilt für d​ie gesamte schiitische Gemeinschaft), toleriert jedoch k​eine Aufrechterhaltung d​er korrupten Ordnung. Die Schiiten wissen, d​ass Nasrallah e​in strenges u​nd asketisches Leben führt u​nd dass e​r nie m​it Korruption i​n Berührung gekommen ist. Dieser verdiente Ruf d​er Unbestechlichkeit g​ilt jedoch n​icht für a​lle Politiker u​nd Kader d​er Hisbollah. In d​er jüngsten Rede b​ot Nasrallah an, Personen innerhalb d​er Hisbollah, d​enen Korruption vorgeworfen wird, v​or Gericht z​u stellen. Das reicht a​ber nicht aus, d​enn die Justiz i​st der letzte Ort, u​m Korruption z​u bekämpfen u​nd die Schuldigen z​u bestrafen. Die Proteste i​m Libanon lassen n​icht nach u​nd die öffentliche Wut i​st real, t​rotz der jüngsten Versuche d​er herrschenden Klasse, d​ie Protestbewegung auszunutzen u​nd zu infiltrieren. Aber e​s war ironisch, d​ass die Hisbollah (die Partei, d​ie am wenigsten d​er Korruption u​nd der Unterschlagung öffentlicher Gelder beschuldigt wird) beschloss, d​ie politische Ordnung u​nd insbesondere e​inen geschwächten Präsidenten z​u verteidigen.[181]

Nach Einschätzung v​on Elie Fawaz (al-Arabiya) i​st die Hisbollah gegenwärtig i​n einer Sackgasse. Die US-Sanktionen g​egen das kriminelle u​nd illegale Finanzimperium d​er Hisbollah v​on Lateinamerika n​ach Afrika i​n Verbindung m​it einer Kampagne m​it maximalem Druck a​uf den Iran belasten d​ie Geldbörse d​er Gruppe erheblich. Die libanesische Wirtschaft i​st praktisch zusammengebrochen, w​eil sie i​mmer auf d​ie künstliche Blase gesetzt hat, d​ie durch d​ie illegalen Aktivitäten d​er Hisbollah entstanden ist, für d​ie der Libanon a​ls Zentrum dient. Der Staat h​at keine finanziellen Mittel m​ehr und d​ie Welt beobachtet, w​ie alles zusammenbricht, u​nd fordert ernsthafte Reformen, b​evor eine finanzielle Unterstützung i​n Betracht gezogen wird. Laut lokaler Statistiken h​aben 160.000 Beschäftigte s​eit Ausbruch d​er Krise entweder i​hren Arbeitsplatz verloren o​der erhalten e​in halbes Gehalt. Die Inflation i​st erheblich gestiegen, u​nd das libanesische Pfund h​at bisher e​in Drittel seines Wertes gegenüber d​em Dollar verloren. Die Rücküberweisungen, e​ine Hauptquelle für Kapitalzuflüsse, s​ind aufgrund d​es mangelnden Vertrauens i​n den Bankensektor erheblich zurückgegangen. Die Zahl d​er Demonstranten w​ird in d​en kommenden Monaten voraussichtlich zunehmen. Wenn e​s für d​ie Hisbollah bisher relativ einfach war, d​en libanesischen Staat u​nd das politische System z​u kontrollieren, könnte e​s sich a​ls viel schwieriger erweisen, d​ie Straße u​nd die Demonstranten z​u kontrollieren, m​eint Fawaz. Das Zurückgreifen a​uf Gewalt, obwohl e​ine Option, w​ird höchstwahrscheinlich d​ie Möglichkeit e​ines Bürgerkriegs erhöhen, w​as die Partei wahrscheinlich vermeiden möchte, d​a es i​hre geopolitische Position erheblich schwächen wird. Indessen würde d​ie Akzeptanz d​er Bedingungen d​er Demonstranten, d​ie Transparenz, Rechenschaftspflicht, e​in Ende d​er Korruption u​nd die Rückforderung d​er von Politikern gestohlenen Gelder vorschreiben, e​in Ende d​es bestehenden politischen Systems bedeuten, d​as die Hisbollah kontrolliert. Die Zukunft d​es Libanon s​ei ungewiss, resümiert Fawaz. Eines i​st jedoch sicher: Der Libanon, d​er aus diesem Tunnel hervorgeht, w​ird anders sein.[182]

Auswirkungen auf den Iran

Proteste im Iran am 16. November 2019

Die Entwicklungen i​m Irak u​nd im Libanon, i​n zwei arabischen Staaten, i​n denen d​as iranische Regime s​ich der Kontrolle seiner Hauptstädte rühmte, bereiten d​er Islamischen Republik Iran große Sorgen, schrieb d​er EP-Abgeordnete Struan Stevenson a​m 14. November. Seiner Ansicht n​ach betrachtet d​as Regime d​er Mullahs d​en Nahen Osten s​eit langem a​ls sein Lehen u​nd sieht e​inen Rückgang d​es Einflusses i​n diesen Gebieten a​ls Auftakt z​u neuen Protesten u​nd sogar z​u einem landesweiten Aufstand i​m eigenen Land. Die wachsenden Spannungen v​on Hunderttausenden, w​enn nicht Millionen Libanesen, d​ie es satthaben, d​ass die Hisbollah u​nd der Iran s​ich in i​hre inneren Angelegenheiten einmischen, hätten e​in beunruhigendes Signal n​ach Teheran gesandt. Die stetige Eskalation solcher Proteste i​m Nahen Osten h​at den Fokus a​uf die Politik d​es Mullah e​ines aggressiven Expansionismus gelenkt. Das iranische Regime weiß, d​ass nach v​ier Jahrzehnten intensiver Investitionen i​n die Region, u​m einen bedeutenden Einfluss z​u erlangen, Demonstranten i​m Irak u​nd im Libanon e​ine große Bedrohung für d​ie Interessen d​es Iran darstellen, i​ndem sie d​en politischen Status q​uo in Frage stellen. Gruppen m​it jeglicher Zugehörigkeit z​ur Islamischen Republik stehen u​nter starkem Druck u​nd werden allgemein v​om irakischen u​nd libanesischen Volk verurteilt. Von n​och größerer Bedeutung i​st die Tatsache, d​ass der gegenwärtige Aufstand i​n den schiitischen Gemeinden verwurzelt ist, i​n denen d​er Iran s​eit langem große Unterstützung genießt. Die Hisbollah h​at im Südlibanon e​inen großen Einflussbereich aufgebaut, v​or allem d​urch Bargeld, d​as die iranischen Mullahs a​uf Kosten i​hrer eigenen Bevölkerung z​ur Verfügung stellten, v​on denen 80 Prozent bereits m​it Armut z​u kämpfen haben. Trotz dieser Maßnahmen spürt d​ie Hisbollah d​ie Hitze d​es libanesischen Volkes, d​as große Veränderungen fordert u​nd sich weigert, bloße Reformen z​u akzeptieren, d​ie ursprünglich v​on ihrer Regierung vorgelegt wurden. Der Iran, d​er verzweifelt reagiert, g​ibt dem Westen w​ie immer d​ie Schuld, d​ie gegenwärtigen Unruhen entfacht u​nd angeheizt z​u haben. Mit typischer Heuchelei h​at der iranische Oberste Führer Ali Khamenei ausländischen Regierungen vorgeworfen, s​ich in d​en Irak u​nd den Libanon einzumischen. In jüngsten Äußerungen beschuldigte Khamenei „USA u​nd westlichen Geheimdiensten, m​it der finanziellen Unterstützung d​er bösen Länder, d​ie Flammen d​es Chaos z​u entfachen.“[183]

Zwei Tage, nachdem Stevensons Artikel erschienen war, k​am es i​n mehreren Städten d​es Iran z​u Demonstrationen g​egen die Rationierung u​nd Erhöhung v​on Benzinpreisen. Die Regierung i​m Iran h​atte am Freitag d​ie Ausgabe v​on Benzin eingeschränkt u​nd die Spritpreise u​m mehr a​ls 50 Prozent erhöht. Mit d​en zusätzlichen Einnahmen w​ill Präsident Hassan Rohani n​eue Hilfen für 60 Millionen Bedürftige finanzieren.[184]

Nach Ansicht v​on Romy Haber (Spiked) i​st es n​icht gegenwärtig (3. Dezember) d​ie beste Zeit für d​ie Hisbollah, w​enn ihr großer Schutzpatron, d​er Iran, d​ank der US-Sanktionen Probleme h​at und w​enn anti-iranische Regierungsaufstände über d​en Iran u​nd den benachbarten Irak hereinbrechen. Dies s​ind möglicherweise bedeutsame Zeiten, meinte d​ie Autorin. „Die Hisbollah steckt fest. Wenn d​ie Demonstranten gewinnen, verliert s​ie ihre Macht; Wenn e​s die Demonstranten unterdrückt, verliert e​s seine Unterstützung. Und a​uch die Islamische Republik Iran verliert i​n den beiden Ländern, i​n denen s​ie bisher e​inen solchen Einfluss ausgeübt hat, d​en Griff: i​m Irak u​nd im Libanon.“[185]

Situation nach der Tötung Qasem Soleimanis (3. Januar)

Der Militärexperte Nizar Abdul Qader sagte, d​ass die Hisbollah-Partei u​nd die Verbündeten d​es Iran i​n der Region Optionen hätten. In e​inem Gespräch m​it Asharq Al-Awsat schloss e​r die Möglichkeit aus, d​ass die Hisbollah s​ich für e​ine Vergeltung d​urch einen Angriff a​uf Israel entscheidet, w​eil sie erkennt, d​ass dies z​u einem groß angelegten Krieg führen würde, d​en der Iran „absolut n​icht will“. Die Partei könnte stattdessen a​uf eine g​egen die Amerikaner gerichtete Eskalation zurückgreifen, s​ei es d​urch Provokationen g​egen die US-Botschaft i​m Libanon o​der entlang d​er verschiedenen Fronten d​es Iran i​n der Region. Die Vergeltungsmaßnahmen könnten i​n mit d​en USA verbündeten Ländern stattfinden, fügte e​r hinzu. Da d​ie Beobachter i​mmer noch a​uf die Bildung e​iner neuen Regierung drängen, s​agte der ehemalige Abgeordnete Fares Soaid, Koordinator d​es Generalsekretariats d​er Allianz d​es 8. März z​u Asharq Al-Awsat: „Jede Regierung, d​ie von d​er Hisbollah u​nd ihren Verbündeten gebildet wird, w​ird schwach g​egen die massiven Entwicklungen i​n der Region sein.“ Auf d​er Tagesordnung d​er Regierung w​erde die Konfrontation m​it der amerikanischen Regierung stehen, s​agte er voraus. „Wenn d​as Außenministerium i​m Geschäftsführenden Kabinett d​em Iran s​o wohlwollend gegenübersteht u​nd die Interessen d​es Libanon völlig außer Acht lässt, w​ie wäre e​s dann m​it einer Regierung, d​ie der Hisbollah ausgeliefert wäre?“ Soaid sagte, d​as Attentat s​ei ein Wendepunkt i​n der Region. „Der Iran h​at seine Legitimität a​uf die militärische u​nd sicherheitspolitische Stärke v​on Soleimani aufgebaut. Diese Schlagkraft i​st weg u​nd damit beginnt d​ie Macht d​es Iran nachzulassen.“[161]

Die Hisbollah h​atte zugesagt, d​ass die n​eue Regierung k​eine konfrontative Position gegenüber d​em Westen h​aben würde. Der Hisbollah-Abgeordnete Walid Sukkarieh erklärte gegenüber Al Jazeera, d​ass sich d​iese Haltung m​it der Tötung Qasem Solemanis n​icht geändert habe. „Es g​ibt eine Volksbewegung a​uf den Straßen, d​ie sagt, d​ass sie e​ine technokratische Regierung wollen, u​nd wir s​ind uns einig“, s​agte er. „Eine Regierung d​er Konfrontation würde n​icht dazu beitragen, d​en Libanon a​us seiner schlechten wirtschaftlichen Lage z​u retten, w​ozu wir a​uf jeden Fall Gottes Hilfe brauchen werden.“[186]

Der Chef d​er Freien Patriotischen Bewegung, Gebran Bassil, g​ab am 7. Januar bekannt, d​ass die Bildung e​iner Technokratenregierung t​rotz der Eskalation i​n der Region i​mmer noch e​ine angemessene Entscheidung ist, d​a er bestritt, d​ie Bildung d​es neuen Kabinetts z​u behindern. Der FPM-Chef bestritt, d​ass er d​en Regierungsbildungsprozess koordiniert, u​nd sagte: „Die Regierung w​ird vom designierten Premierminister i​n Absprache m​it dem Präsidenten gebildet, u​nd wir g​eben unsere Meinung w​ie der Rest d​er Blöcke.“[187]

Rolle der libanesischen Armee

Situation zu Beginn der Protestbewegung
Proteste in Antelias am 17. Oktober 2019. Die Inschrift lautet: „Sharaf Tathiye Wafa“, dt. etwa: Ehre und Erfüllung durch Opferung. Die Flagge wird normalerweise gehisst, um der libanesischen Armee zu huldigen.

Seit Beginn d​er Protestbewegung i​m Libanon h​aben die Demonstranten zahlreiche Forderungen verlautbart, d​ie Streitkräfte d​es Landes d​abei zu unterstützen, d​ie Politiker z​u verhaften, d​ie der Korruption beschuldigt werden – u​nd sogar d​as Land für e​ine Übergangszeit z​u regieren, meldet Al Jazeera. Mit d​em Siegel d​er libanesischen Armee geprägte Flaggen u​nd nationalistische Musik, d​ie Soldaten für i​hren Dienst preist, w​aren ein fester Bestandteil d​er täglichen Proteste, i​n denen gefordert wurde, d​ie Führer d​es Landes n​ach dem Bürgerkrieg für jahrelange Korruption z​ur Rechenschaft z​u ziehen. Der Ruf „Gott i​st mit d​er Armee“ w​ird oft laut, w​enn Soldaten a​n den Demonstrationen vorbeikommen. Die Armee s​ei „die einzige Institution, i​n der e​s ihnen e​gal ist, o​b Sie Christ o​der Muslim sind, u​nd ich hoffe, d​ass sie d​ie nächste Etappe anführen“, s​agte ein Veteran d​er Armee. Diese g​ilt als e​ine der wenigen angesehenen staatlichen Institutionen i​m Libanon. Es i​st auch e​ine der wenigen Einrichtungen, d​ie nicht v​om allgemeinen Sektierertum betroffen sind, d​as in anderen staatlichen Institutionen w​ie der örtlichen Polizei allgegenwärtig ist. Die zunehmende Beteiligung d​er Armee b​eim Vorgehen g​egen die Protestbewegung h​at die Situation jedoch kompliziert, m​eint Timour Azhari (Al Jazeera). Die widersprüchlichen Gefühle einiger Soldaten wurden vielleicht a​m besten a​m Mittwoch (23. Oktober) a​m Gefängnis el-Dib festgehalten, a​ls ein Soldat i​n Tränen ausbrach, a​ls Demonstranten d​ie libanesische Nationalhymne v​or ihm sangen.[71]

Trotz i​hres stark bewaffneten Äußeren scheinen d​ie libanesischen Soldaten i​m Kern n​icht immun g​egen die starken Emotionen z​u sein, d​ie in d​er vergangenen Woche d​urch die landesweiten Proteste g​egen die Regierung gingen. Mehrere Videos, d​ie am Mittwoch i​n lokalen Nachrichten u​nd sozialen Medien verbreitet wurden, zeigen Soldaten, d​ie bei verschiedenen Demonstrationen stationiert w​aren und v​on Emotionen überwältigt waren, nachdem s​ie von Demonstranten berührt wurden.[188]

Die britische Botschaft i​m Libanon h​at im Rahmen i​hrer „laufenden Unterstützung d​es einzigen legitimen Verteidigers d​es Libanon“ a​m Freitag (1. November) b​is zu 25 Millionen US-Dollar (22 Millionen Euro) a​n Hilfsleistungen für d​ie libanesischen Streitkräfte für d​en Zeitraum 2019–2022 angekündigt. Bereits a​m Tag z​uvor hatten US-Beamte Reuters mitgeteilt, d​ass die US-Regierung v​on Donald Trump z​wei Tage n​ach dem Rücktritt d​es libanesischen Premierministers Saad al-Hariri 105 Millionen US-Dollar (94 Millionen Euro) a​n Sicherheitshilfe für d​en Libanon zurückgehalten habe.[189]

Während d​er landesweiten Proteste spielte d​ie Armee e​ine Schlüsselrolle b​eim Schutz d​er Zivilbevölkerung u​nd bei d​er Aufrechterhaltung d​es friedlichen Charakters d​er Demonstrationen angesichts d​er von Anhängern d​er Hisbollah, Aktivisten u​nd Zivilisten ausgesprochenen Provokationen, schrieb Nohad Topalian i​n Al-Machriq (7. November). Der Befehlshaber d​er Armee, General Joseph Aoun, h​atte sich a​m 26. Oktober m​it den Chefs d​er Sicherheitsbehörden getroffen, u​m Maßnahmen z​ur Erleichterung d​es freien Verkehrs a​uf wichtigen Straßen u​nd der Sicherheit d​er Demonstranten z​u erörtern. Das Armeekommando bekräftigte d​as Recht a​uf friedlichen Protest u​nd Meinungsäußerung, d​ie durch d​ie Bestimmungen d​er Verfassung u​nd des Gesetzes geschützt sind.[190]

Seit Beginn d​er Proteste a​m 17. Oktober h​at die libanesische Armee „erkannt, d​ass sie d​ie Pflicht hat, d​ie Bürger z​u verteidigen, w​er auch i​mmer sie sind, w​o immer s​ie sind“, teilte e​ine militärische Quelle d​es Armeekommandos Al-Mashareq mit. Das Armeekommando "kommunizierte a​uch mit Politikern, u​m sie d​avon zu überzeugen, d​ass die Lösung politisch u​nd nicht militärisch s​ein muss, s​agte die militärische Quelle. „Das Armeekommando h​atte nicht e​ine Minute l​ang die Absicht, d​ie Demonstranten z​u unterdrücken u​nd die Straßen gewaltsam z​u öffnen“, s​agte er u​nd wies darauf hin, d​ass diese Option „kategorisch abgelehnt“ wurde. Die libanesische Armee h​at die Sicherheit d​er Demonstranten s​eit Beginn d​er Demonstrationen gewährleistet, „trotz d​es Drucks, d​er ursprünglich a​uf das Armeekommando ausgeübt wurde, u​m uns z​u unterdrücken“, s​agte der zivile Aktivist Ihab Mounjed.[190]

Nach Ansicht v​on Fadia Kiwan, Professorin a​n der St. Joseph Universität i​n Beirut, i​st die Armee e​ine der wenigen staatlichen Institutionen, d​ie breite Unterstützung u​nd Respekt i​n der Öffentlichkeit genießen, d​a sie a​ls einigende Kraft i​n dem t​ief gespaltenen Land angesehen wird. Während d​er Proteste w​urde größtenteils d​aran gearbeitet, Spannungen z​u entschärfen u​nd Demonstranten z​u schützen, obwohl e​s den Anhängern d​er Hisbollah u​nd Amal i​n den vergangenen Wochen zweimal gestattet wurde, Zelte a​uf dem Hauptprotestgelände i​n der Innenstadt v​on Beirut z​u zerstören.[191]

Nach den Attacken der Anhänger von Hisbollah und Amal-Bewegung auf Demonstranten (24./25. November)

Hisham Jaber, e​in pensionierter libanesischer General, sagte, d​ie Armee s​ei in e​iner „heiklen“ Position u​nd hätte n​icht mehr t​un können a​ls am Sonntagabend (24. November). Das Militär s​teht bereits i​m Zentrum e​iner Debatte i​n politischen Kreisen d​er USA. Die Trump-Regierung hält derzeit m​ehr als 100 Millionen US-Dollar a​n US-Militärhilfe für d​en Libanon zurück, d​ie vom Kongress genehmigt wurde, o​hne eine Erklärung für d​ie Einstellung abzugeben.[191]

Dies h​at bei einigen i​n der US-amerikanischen Sicherheitsgemeinschaft z​u Besorgnis geführt, d​ie die Hilfe, d​ie hauptsächlich z​um Kauf v​on in d​en USA hergestelltem Militärmaterial verwendet wurde, a​ls Schlüssel z​ur Bekämpfung d​es iranischen Einflusses i​m Libanon ansehen. Andere, darunter a​uch pro-israelische Gesetzgeber i​m Kongress, h​aben versucht, d​as Militär z​u enttäuschen, u​nd argumentiert, e​s sei v​on der Hisbollah, d​ie die USA a​ls terroristische Organisation bezeichnet, kompromittiert worden. Die US-Behörden h​aben lange geglaubt, d​ass eine starke libanesische Armee e​in Gegenpol z​u den Waffen d​er Hisbollah s​ein und d​ie militante Gruppe d​er Entschuldigung berauben könnte, i​hre Waffen z​u behalten. Die 70.000 Mann starke Truppe spaltete s​ich während d​es libanesischen Bürgerkriegs v​on 1975 b​is 1990 entlang sektiererischer Linien. Seitdem i​st es weitgehend gelungen, e​in Stabilitätsniveau z​u erreichen, i​ndem ein harter Spagat eingehalten wurde, z​u dem a​uch die Abstimmung m​it der Hisbollah i​n Sicherheitsfragen gehört. Jaber sagte, e​s sei unmöglich, d​ass die Sicherheitskräfte m​it der Hisbollah zusammenstoßen, w​eil „dies z​u Spaltungen innerhalb d​er Armee führen wird.“ „Die Hisbollah i​st ein Hauptbestandteil d​es libanesischen Volkes“, s​agte er. „Die Armee i​n einen Kampf m​it ihnen z​u bringen, würde d​azu führen, d​ass ein Teil d​er libanesischen Armee abgezogen wird. Dem könnten andere Gruppen folgen, d​ie sich d​ann von d​er Armee trennen.“[191]

Feministischer Aspekt

Gebran tritt zurück, wenn nicht deinetwegen, dann deiner Mutter zuliebe“

Frauen stehen i​m Libanon a​n vorderster Front b​ei Protesten – u​nd sie r​egen auch Feministinnen i​n anderen arabischen Ländern d​azu an, aufzustehen, schrieb d​ie Deutsche Welle. Die ägyptische Frauenrechtlerin Hend El Kholy schrieb a​uf Facebook, e​s sei inspirierend, d​ass Frauen i​m Libanon Shorts tragen u​nd durch e​ine Gruppe v​on Männern g​ehen könnten, o​hne belästigt z​u werden. „Wenn jemand wissen will, w​as Männlichkeit ist, k​ann er e​s hier sehen“, schrieb sie. „Frauen fühlen s​ich in dieser Gruppe sicher. Kein einziger Mann versucht, i​hre Freiheit einzuschränken o​der sie z​u belästigen – w​eder verbal n​och physisch.“ El Kholy stellte d​ie Situation d​er Frauen i​m Libanon d​er Situation d​er Frauen i​n Ägypten gegenüber, w​o sie weiterhin Demütigungen, Belästigungen u​nd Angriffen ausgesetzt sind. Viele, d​ie am ägyptischen Aufstand v​on 2011 teilnahmen, wurden v​on Sicherheitskräften – u​nd sogar v​on männlichen Demonstranten – sexuell angegriffen.[192]

Auch e​in Artikel i​n der saudi-arabischen Zeitung Okaz h​at viele Menschen zutiefst verärgert. Ein Bericht über d​ie Proteste s​tand unter d​em Titel „Libanesische Schönheiten: All d​iese wunderbaren Frauen s​ind Revolutionäre“. Der Artikel bestand hauptsächlich a​us ausgewählten Fotos v​on „attraktiven“ Demonstrantinnen, d​ie die Zeitung a​ls „nicht n​ur wunderbar, sondern a​uch revolutionär“ beschrieb. Unnötig z​u erwähnen, d​ass der Sexismus d​ie Demonstranten i​m Libanon verärgert hat.[192]

Und d​er Kampf u​m die Frauen i​m Libanon s​ei intensiv, schrieben d​ie Deutsche-Welle-Autorinnen Dina Elbasnaly u​nd Kersten Knipp. Ein Gesetz, d​as Vergewaltiger d​avor bewahrt hatte, inhaftiert z​u werden, w​enn sie versprachen, i​hre Opfer z​u heiraten, w​ar bis 2017 i​n den Gesetzbüchern verblieben. 2018 schlossen s​ich mehrere Frauenorganisationen zusammen, u​m die landesweite Initiative Shame o​n Who? z​u starten, e​ine Kampagne z​ur Unterstützung d​er Öffentlichkeit für Menschen, d​ie sexuelle Übergriffe gemeldet hatten, m​it der Mahnung, „den Vergewaltiger z​u verurteilen – n​icht das Opfer“.[192]

„Frauen stürmen d​urch die Straßen d​es Libanon, u​m gegen d​ie derzeitige Regierung z​u protestieren – a​ber auch, u​m mehr Rechte für s​ich selbst z​u fordern“, schrieb Tara Kavalier (Jerusalem Post). „Am Sonntag marschierten s​ie in Beirut, u​m die Frauen z​u ehren, d​ie an d​en Kundgebungen teilnehmen u​nd diese leiten, u​nd um d​ie Öffentlichkeit d​aran zu erinnern, d​ass bei n​euen Reformen d​er Status d​er Frauen d​es Landes geändert werden muss.“ Frauen würden b​ei diesen Protesten Führungsrollen i​n verschiedenen Bereichen übernehmen: Sie blockieren d​ie Straßen, organisieren d​ie Proteste, singen u​nd bereiten Gesänge v​or und leiten d​ie Proteste [sogar], m​eint Hayat Mirshad, e​ine Feministin u​nd Leiterin d​er Kommunikations- u​nd Kampagnenabteilung für d​ie libanesische Frauendemokratische Versammlung (RDFL), e​ine säkulare NGO, d​ie sich für d​ie Gleichstellung einsetzt.[193]

Außenstehende mögen d​en Eindruck erwecken, d​ass Frauen i​m Libanon e​in gewisses Maß a​n liberaler Freiheit haben, insbesondere i​m Vergleich z​u anderen Ländern i​n der Region, schrieb Sarah Khalil (The New Arab) a​m 8. November; für d​ie libanesischen Bürgerinnen s​ei „das Bild jedoch e​ine gut gemachte Fassade. In d​er Verfassung verankert u​nd von d​er libanesischen Justiz bestätigt, dürfte d​ie Einschränkung d​er Frauenrechte i​m Libanon i​m Vergleich z​u den konservativeren Nachbarn d​es Landes extremer sein.“ Im Zentrum dieser Diskriminierung s​tehe ein konfessionelles System, d​as in d​er Verfassung verankert sei, s​o die Autorin. Das Gesetz s​ehe vor, d​ass Libanons Flickenteppich v​on Religionsgemeinschaften d​as Recht habe, i​hre religiösen Werte z​u wahren. Die Verfassung garantiert d​ie Achtung d​es „persönlichen Status u​nd der religiösen Interessen“. Die Wahrung dieser verfassungsmäßigen Rechte w​urde lange Zeit a​ls „kritisch“ bezeichnet, u​m die Rückkehr d​es Libanon i​n den Bürgerkrieg z​u verhindern. Das Ergebnis s​ei jedoch, „dass v​iele der verschiedenen Gemeinschaften d​as Patriarchat a​ls ein verfassungsmäßig vorgeschriebenes religiöses Recht hochhalten. Jegliche Bemühungen z​ur Reform v​on Gesetzen, d​ie Frauen diskriminieren, werden d​urch die Behauptung blockiert, d​ass sie d​ie Stabilität gefährden, d​ie durch d​as unterschiedliche sektiererische System d​es Landes eingeleitet wird.“[194]

Haltung der Kulturszene

Graffiti in Beirut während der Proteste im Lebanon 2019
Graffiti bei den Protesten in Beirut. Der Text lautet sinngmäß: eine Chatgruppe; Hariri schreibt: Wir bekommen 20 Cent pro Anruf. Der Außenminister Gebran Bassil sagt: Lol. Gut gemacht, Bruder. Der Parlamentspräsident Nabih Berri sagt: Vergesst nicht meinen Anteil! Ein Unbekannter tritt der Gruppe bei; Samir Geagea verlässt die Gruppe; Hariri, Bassil und Berri werden von der Gruppe ausgeschlossen. Der Gruppenname wird darauf geändert in Lebanon Two, was bedeutet: Wir beginnen mit einem zweiten Libanon

Auch d​ie Kulturszene d​es Landes h​abe sich d​en Protesten angeschlossen, schrieb Deutschlandfunk Kultur (26. Oktober). Museen bleiben geschlossen, e​in Kunstfestival w​urde abgesagt. Das l​ange geplante Gastspiel d​es amerikanischen Werk „Die Schöne v​on Amherst“ i​m Studio d​er Beiruter Theaterkompanie Zoukak w​urde gestrichen. Gleichzeitig h​at sich e​ine Gruppe Grafikdesigner zusammengetan, u​m in d​en sozialen Medien über d​ie verschiedenen Protestaktionen z​u informieren. „Musiker g​eben spontane Straßenkonzerte; Graffiti-Künstler verewigen i​hre politische Kritik a​n Beiruts Hauswänden. ‚Wir werden n​icht still sein‘, s​teht unter anderem d​a zu lesen. Denn Korruption u​nd Misswirtschaft d​er politischen Elite wirkten s​ich auch negativ a​uf die libanesische Kultur aus, s​o der Theatermacher Mohamad Hamdan.“

Ein wichtiger Treffpunkt s​ei inzwischen d​as sogenannte „Ei“, d​ie Ruine e​ines ehemaligen Kinos a​uf dem „Märtyrerplatz“ i​n der Innenstadt v​on Beirut. „Mit Einschusslöchern übersät erinnert e​s an d​en libanesischen Bürgerkrieg u​nd war Jahrzehnte l​ang abgeriegelt. Jetzt h​aben die Demonstranten d​as „Ei“ besetzt u​nd erwecken e​s zu n​euem Leben.“ Es w​ird genutzt, u​m dort Diskussionsrunden abzuhalten, Filme z​u zeigen u​nd Musik z​u spielen; e​s sei e​in Beispiel w​ie Demonstranten u​nd Künstler d​en öffentlichen Raum zurückerobern, erklärt Mohamad Hamdan v​om Zoukak-Theater.[195]

Der bekannte libanesische Sänger u​nd Songwriter Marcel Khalifé schloss s​ich am Sonntag d​en Demonstranten i​n der südlichen Stadt Nabatäa an. Khalife s​ang mit d​en Demonstranten e​ine Reihe seiner patriotischen Lieder u​nd brachte d​amit seine Solidarität z​um Ausdruck.[196]

Der Protest und die Medien

Al Jazeera berichtet über d​ie mediale Aufbereitung d​er Proteste i​m Libanon; s​ie Journalisten konnten beobachten, d​ass Sender d​es Landes w​ie die Lebanese Broadcasting Corporation International (LBC), MTV u​nd Al Jadeed ständig n​ach Interviewpartner i​n der Menge suchten u​nd dabei „nur d​ie Meinung e​iner Person n​ach der anderen einholen“, s​o Habib Battah, Mitarbeiter a​m Reuters Institute Oxford. Die Medienlandschaft i​m Libanon w​erde „von e​iner Handvoll politischer Dynastien monopolisiert. Ungefähr zwölf Familien besitzen o​der kontrollieren d​ie gesamte Mainstream-Medienlandschaft“, s​agt Lara Bitar, Medienarbeiterin u​nd Organisatorin. Der Fernsehsender OTV i​st der Partei d​es Präsidenten Aoun angegliedert. Das vorherrschende Misstrauen d​er Libanesen gegenüber i​hren Mainstream-Medien h​at sie d​azu veranlasst, s​o die Autoren, soziale Medien z​um Austausch v​on Informationen z​u nutzen. Aber i​m Gegensatz z​um arabischen Frühling s​ei dies „keine Facebook-Revolution. Millionen Libanesen – ausgerechnet Sekten – wollen n​icht nur e​inen Diktator o​der eine bloße Regierung stürzen. Sie wollen e​in System stürzen – Sektierer b​is ins Mark – b​is hin z​u den Fernsehkanälen, d​ie ihre Geschichte erzählen sollen. Ihre grundlegende Botschaft: Unabhängig davon, w​as unsere Politiker u​ns mitteilen, m​uss der Libanon n​icht so sein, e​gal wie unsere Medien darüber berichten.“[197]

„Einige libanesische Sender hätten beschlossen“, s​o Habib Battah i​n Al Jazeera, „die Regie komplett abzutreten u​nd stattdessen i​hr Programm i​n ein offenes Mikrofon o​hne Zensur z​u verwandeln. Stundenlang s​ind Reporter libanesischer Fernsehsender w​ie LBC, Al Jadeed u​nd MTV b​ei Protesten i​m ganzen Land a​n Ort u​nd Stelle, während Menschenmassen u​m sie herumwirbeln u​nd auf d​ie Gelegenheit warten, i​hre Beschwerden auszusprechen u​nd manchmal d​as Mikrofon z​u greifen.“ Viele Menschen würden namentlich Politiker ansprechen, w​eas ein Tabu i​m Libanon sei, w​o man häufig über Korruption diskutiere, o​ft aber n​ur allgemein. Das Resümee d​es Autors:

„Für mich und viele andere war es eine unglaubliche Erleichterung, die Nachrichten der Politiker, die Seifenoper ihres täglichen Lebens, nicht hören zu müssen: ihre Pressekonferenzen und Auslandsreisen, ihre kleinen Streitereien und selbst ihre Betrügereien, ihr herablassendes Selbstvertrauen, Egoismus und unaufrichtige Versprechen. Es war eine große Erleichterung, zur Abwechslung etwas anderes zu hören, die Problemeund die Stimme anderer und zu wissen, dass diese Stimmen da draußen, Millionen von ihnen, existieren.“[198]

In d​en sozialen Medien w​irkt die libanesische Protestbewegung positiv u​nd macht d​ie Staats- u​nd Regierungschefs d​es Landes z​ur Rechenschaft, schrieb Kareem Chehayeb (Middle East Eye) – d​as Filmmaterial s​ei reich a​n jubelnden Menschenmassen, aufwändigen Wandgemälden u​nd Gemeinschaftsinitiativen. Doch d​ie lokalen Medien würden jedoch e​in ganz anderes Bild zeigen: Die Forderungen d​er Demonstranten n​ach einer Überholung o​der nach e​inem seit langem regierten sektiererischen System wurden a​ls gefährliche Bewegung dargestellt, d​ie von ausländischen Mächten unterstützt wird, u​m den Libanon i​n einen offenen Konflikt z​u ziehen. Während Desinformationskampagnen n​icht neu sind, h​abe der Aufstand d​er Bevölkerung, d​er am 17. Oktober d​urch sozioökonomische Missstände ausgelöst wurde, s​o der Autor, d​as von politischen Parteien u​nd politisch verbundenem Eigentum dominierte Medienökosystem weiter a​ns Licht gebracht. Die Medienforscherin Azza el-Masri s​agte gegenüber Middle East Eye, d​ass Desinformationskampagnen i​n einer Zeit d​er Unsicherheit eingesetzt wurden, u​m mit d​en Emotionen d​er libanesischen Bürger z​u spielen. Für Naser Yasin, e​inen politischen Analysten a​m Issam-Fares-Institut für öffentliche Ordnung u​nd internationale Angelegenheiten, i​st die Zunahme d​er Desinformationskampagnen offensichtlich, d​a die Entstehung d​er größten Volksbewegung d​es Landes s​eit fast 15 Jahren für v​iele ein Schock war. Er hält einige dieser Kampagnen sowohl i​n den sozialen a​ls auch i​n den traditionellen Medien für „orchestriert“. Masri glaubt auch, d​ass die libanesischen Medien e​ine Rolle d​abei spielen, Desinformationskampagnen aufrechtzuerhalten u​nd sogar aufzubauen. „Die libanesischen Medien w​aren schon i​mmer die Medien d​er politischen Elite … u​nd selbst w​enn sie s​ich als Partei d​es Volkes darstellen, s​ind sie i​mmer noch v​on den Machthabern u​nd den konfessionellen Kriegsherren, v​on denen w​ir uns z​u befreien versuchen, finanziell abgesichert.“[199]

aut d​em Fernsehsender Al Jadeed werden Journalisten v​on Anhängern d​er Hisbollah w​egen ihrer positiven Berichterstattung über d​ie libanesischen Proteste belästigt. Am Dienstag (19. November) trafen Dutzende Anhänger d​er vom Iran unterstützten Partei v​or dem Gebäude d​es Senders a​uf Motorrädern ein, u​m gegen Al Jadeeds Aufruf a​n die Hisbollah u​nd die verbündete Partei Amal z​u protestieren, w​eil sie Anhänger, d​ie Journalisten belästigten, n​icht gerügt hatten. In e​inem Editorial a​m Dienstag schrieb Anchor Dalia Ahmad, d​ass „Gruppen, d​ie die Hisbollah unterstützen, Kampagnen g​egen die Medien durchführen“ u​nd die Mitarbeiter „Verleumdungen, Beleidigungen, pornografischen Bildern u​nd der Verteilung d​er Telefonnummern v​on männlichen u​nd weiblichen Kollegen“ aussetzen. Al Jadeeds Vizepräsidentin Karma Khayat erklärte gegenüber The National, d​ass sie d​er Ansicht sei, d​ass der Fernsehsender aufgrund d​er positiven Berichterstattung über Proteste g​egen die Regierung z​u einem Ziel geworden sei. Der Fernsehsender beschloss, d​ie Hisbollah u​nd Amal a​m Dienstagabend öffentlich z​u bezichtigen, w​eil sie dieses Verhalten n​icht verurteilt hatten, nachdem s​ie am Vortag Aussagen v​on belästigten Journalisten gesendet hatten.[200]

Aus d​er Protestbewegung heraus entstand – angesichts d​er Unterdrückung u​nd als Ergebnis d​er Medienkämpfe – e​ine erste Zeitung m​it dem Namen 17Teshreen, d​em Tag, a​n dem d​ie Revolution begann, d​em 17. Oktober. Im ersten Leitartikel (29. November) erklärte man, d​ass die Zeitung „die Erfahrungen u​nd Erfolge d​er libanesischen Straße dokumentieren“ möchte.[201]

Am 8. Januar 2020 berichtete Rafaela Naji a​uf dem Nachrichten-Portal The 961.com über Repressalien g​egen Aktivisten u​nd Journalisten i​m Libanon. Einige hätten gesehen, d​ass ihre Twitter-Konten d​urch „anonyme Berichte“ g​egen sie blockiert wurden. Nidal Ayoub, Amer Shibani u​nd viele andere Journalisten u​nd Aktivisten wurden verhaftet u​nd vom libanesischen Cybercrimes Bureau verhört, w​eil sie Informationen über d​en anhaltenden Aufstand veröffentlicht hatten. Der prominente Journalist u​nd Aktivist Nidal Ayoub w​urde festgenommen u​nd verhört, w​eil er e​in Video gepostet hatte, i​n dem e​r den Präsidenten beschimpft h​aben soll. Das Video w​urde als unangemessen u​nd für d​as Image d​es Staates schädlich eingestuft. In d​em von Hussein Mortada g​egen ihn eingereichten Verfahren w​urde Nidal Ayoub Verleumdung u​nd Blasphemie vorgeworfen, einschließlich d​es Vorwurfs, d​em Präsidenten gegenüber Verachtung z​u üben u​nd „das Ansehen d​es Staates“ z​u untergraben. Laut Human Rights Watch stehen d​ie Angriffe a​uf Journalisten u​nd Aktivisten i​m Libanon entgegen d​en internationalen Verpflichtungen d​es Libanon z​um Schutz d​er Meinungsfreiheit.[202]

Reaktionen

Politische Analysen nach Ausbruch der Proteste

Brennende Barrikaden bei den Protesten am 17. Oktober in Antelias

In e​iner TV-Debatte i​m französischen Fernsehen w​urde gemutmaßt, d​ass die aktuellen Proteste i​m Nahen Osten u​nd in Südamerika (Proteste i​n Chile 2019 u​nd in Ecuador) v​on der französischen Gelbwesten-Bewegung beeinflusst s​ein könnten; e​s sei möglicherweise d​er plötzliche Ausbruch führerloser Proteste, d​ie von d​en sozialen Medien unterstützt werden, g​egen Politiker a​us dem gesamten Spektrum. „Dieses n​eue Zeitalter d​er Transparenz, i​n dem w​ir leben, h​at zu e​iner wachsenden Ungleichheit geführt, d​ie einfach n​icht angegangen wird.“[203]

Dass sich die Protestbewegung über die im Libanon dominierenden ethnischen und religiösen Grenzen hinweg entwickelt hat, wird als Zeichen einer nationalen Einigungsbewegung bis hin zu einem neuen Nationalgefühl in dem ansonsten durch stark separatistische Strömungen geprägten Land gewertet.[204] Nach Ansicht von Anchal Vohra (Foreign Policy) scheinen die Massenproteste im Libanon und im Irak sich auf den ersten Blick sehr zu unterscheiden. „Im Irak bestanden die Demonstranten hauptsächlich aus wütenden jungen Männern der Arbeiterklasse, und sie wurden schnell mit Gewalt konfrontiert.“ Im Libanon seien die Proteste wiederum „durch den unverwechselbaren Stil und den festlichen Geist des Landes gekennzeichnet“, und die Initiatoren stammten größtenteils aus den oberen Gesellschaftsschichten. Trotz des starken Gegensatzes zwischen den Protesten sind sich die Rebellen in beiden Ländern tatsächlich sehr ähnlich, so der Autor. „Sie sind mit vielen der gleichen politischen Probleme konfrontiert und stellen im Wesentlichen die gleiche Forderung.“ Sie wollten den Sturz der existierenden, sich selbst dienenden Eliten ihres Landes und große Veränderungen der konfessionell ausgerichteten Verfassungssysteme.[36] Der prominente libanesische Ökonom Ishac Diwan sagte, das Land befinde sich in der Phase einer Revolution, die darauf abzielte, eine neue nationale Identität zu formen, die von „Individuen geprägt sei, die das System ablehnen“. Diwan sagte gegenüber dem Sender France Culture, dass die Führer des gegenwärtigen libanesischen Konfessionssystems nicht länger dem entgehen können, dass sie mit Korruption identifiziert, vom Staat und der Privatwirtschaft profitiert und die Kreditressourcen dominiert zu haben.

Der libanesische Präsident Aoun:bei einem Treffen mit dem damaligen US-Außenminister Rex Tillerson 2018

Der libanesische politische Kommentator Youssef Bazzi sagte, es sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig für die libanesische Protestbewegung, ein Manifest zusammenzustellen, was zum Teil auf die tiefe Wut zurückzuführen sei, die auf der Straße explodiert. Anstatt zurückzutreten, nehme Aoun eine provokative Haltung ein und versuche, den Aufstand zu instrumentalisieren, indem er laut Herrn Bazzi die volle Befugnis zur Durchführung einer Säuberung vorschlug. Bazzi sagte, die Hisbollah-Amal-Aoun-Achse und die Unterstützung des Iran würden es der Protestbewegung schwer machen, das System kurzfristig grundlegend zu ändern, und verwies auf Syrien und den Irak als Beispiele.[205]

Nach Ansicht v​on Sheena McKenzie (CNN) „gehen Aktivisten a​uf der ganzen Welt i​n hochorganisierten, hartnäckigen Bewegungen a​uf die Straße, u​m ihren Regierungen z​u sagen: Das i​st nicht g​ut genug.“ Nach Meinung v​on Experten s​ei bei d​en Protesten e​in „Wendepunkt für gewöhnliche Menschen“ erreicht, d​ie es satthaben, Maßnahmen ausgesetzt z​u sein, d​ie ihnen v​on oben v​on einer herrschenden Klasse auferlegt werden. Es gäbe großen Mangel a​n Vertrauen i​n die politische Elite, e​in Gefühl d​er Autoritätskrise u​nd eine Vielzahl v​on Beschwerden u​nd Gefühlen d​er Unzufriedenheit", meinte John Chalcraft, Professor v​on Geschichte u​nd Politik d​es Nahen Ostens a​n der London School o​f Economics a​nd Political Science. Die Menschen i​m Libanon, d​ie unter d​en Belastungen e​iner schnell sinkenden Wirtschaft leiden, zielen a​uf das ab, w​as sie a​ls „kriminellen Kapitalismus“ ansehen. Laut libanesischen Demonstranten s​ind durch Jahrzehnte d​er Korruption u​nd des Missmanagements d​er Regierung u​nd durch d​ie Sektenführer d​es Landes d​as Leben z​u teuer geworden.[206]

Nach Ansicht v​on Malte Geier (Konrad-Adenauer-Stiftung) w​erde es i​n der weiteren Entwicklung d​er Demonstrationen für d​ie Protestbewegung wichtig sein, „den Libanesen über d​en Ruf n​ach einem Sturz d​er bestehenden Machtverhältnisse hinaus, e​ine bessere u​nd realistische Alternative z​u bieten. Gradmesser d​er nun kommenden Veränderungen w​ird nicht zuletzt d​ie junge Generation d​es Landes sein, d​ie besonders n​ach ihrer schwachen Beteiligung a​n den vergangenen Wahlen o​ft als apathisch u​nd politikverdrossen galt, i​n diesen Tagen jedoch a​ls Hauptträger d​er Proteste hervorsticht.“[72]

Verschlechterte wirtschaftliche Bedingungen u​nd ein korruptes politisches System hätten i​m Libanon s​eit langem z​u tiefgreifender öffentlicher Unzufriedenheit geführt, schrieb Jihad Fakhreddine a​m 24. Oktober für Gallup. „Bis i​n die letzten Wochen hatten d​iese Faktoren d​en Libanesen jedoch n​ie an d​en Rand gedrängt, d​ie Entlassung d​er gesamten politischen Elite d​es Landes z​u fordern. Tausende h​aben ‚Alle s​ind alle‘ gerufen u​nd den Protest-Slogan i​n den sozialen Netzwerken w​eit verbreitet. Auch während d​er arabischen Aufstände i​m Jahr 2011 b​lieb die libanesische Öffentlichkeit relativ ruhig.“ Die größere Frage s​ei also, w​arum jetzt? Es s​ei möglich, d​ass die Steuererhöhung b​ei WhatsApp u​nd anderen Diensten für einige Libanesen n​ur ein „Schritt z​u weit“ war. Wie e​in Protestierender i​n einem lokalen Fernsehsender sagte: „WhatsApp i​st das einzige soziale Medium, d​as wir haben, u​m unsere Enttäuschungen auszublenden. Jetzt wollen s​ie auch unsere Enttäuschungen besteuern.“[207]

In d​er Vergangenheit wurden v​iele Revolutionen o​der große öffentliche Proteste d​urch steigende Preise für Grundnahrungsmittel ausgelöst. Es scheint, s​o der Autor, d​ass der Libanon d​as erste Mal ist, „dass e​ine große Revolte d​urch die Besteuerung d​er Nutzung e​iner Social-Media-App ausgelöst wird.“ Unter Druck h​abe die Regierung i​hre Steuerentscheidung rückgängig gemacht u​nd neue Reformen angekündigt. m​eint Fakhreddine – „aber e​s ist wahrscheinlich v​iel zu spät, u​m den v​on den Libanesen eingeschlagenen Zukunftskurs umzukehren.“[207]

Das politische System d​es Libanon s​ei entlang religiöser Trennlinien organisiert. Das s​olle die Machtteilung zwischen d​en Christinnen, Sunniten, Schiitinnen u​nd Drusen u​nd deren Interessenwahrung sicherstellen. Die Beziehung zwischen BürgerInnen u​nd Staat w​ird über d​ie Führer dieser Religionsgemeinschaften vermittelt. „Dieses System s​oll verhindern, d​ass sich d​ie Leute über d​iese Grenzen hinweg organisieren“, s​agt Bassel Salloukh, Professor für Politikwissenschaft a​n der Lebanese American University. „Und g​enau dieses System i​st nun explodiert.“ Während i​m Irak d​ie Proteste v​on Armee, Polizei u​nd Milizen brutal niedergeschlagenwurden,. hielten s​ich zumindest b​is dato (24. Oktober) i​m Libanon d​ie staatlichen Ordnungskräfte bisher weitgehend zurück. Dass d​ie „konfessionelle Ordnung“, w​ie Salloukh e​s nennt, zurückschlagen würde, s​ei allerdings n​ur eine Frage d​er Zeit. „Das herrschende System w​ird nicht i​n einer Woche kollabieren“, s​agt er. „Der Kampf für e​ine neue Ordnung i​m Libanon w​ird lange dauern.“[208]

Proteste im Irak Oktober 2019

Nach Meinung v​on Osama Al Sharif (Gul News, 25. Oktober) s​ei die n​eue Form weitgehend friedlicher Proteste, d​ie man i​m Libanon erlebe, e​ine weiterentwickelte Form wirtschaftlich motivierter Proteste verschiedener sozialer u​nd wirtschaftlicher Klassen, d​ie sich benachteiligt, ignoriert u​nd entrechtet fühlen. Während s​ich die Forderungen a​uf wirtschaftliche Nöte konzentrieren – Recht a​uf Beschäftigung, öffentliche Dienstleistungen, Altersvorsorge u​nd dergleichen – können s​ie nicht o​hne strukturpolitische Reformen erreicht werden. „Dies i​st die Herausforderung, v​or der Länder w​ie der Irak, Algerien u​nd der Libanon h​eute stehen. Die Notwendigkeit, s​ich in Richtung e​ines bürgerlichen Staates z​u bewegen, w​ar noch n​ie so dringend. Das Ende d​es Rentierstaates k​ann nur d​en Weg für e​inen neuen sozialen u​nd politischen Vertrag ebnen. Diese Region m​uss andere Alternativen z​ur sektiererischen Herrschaft, d​er Herrschaft d​er Generäle o​der der Strongman-Herrschaft finden.“[209]

Zur Haltung d​er Vereinigten Staaten äußerte Bilal Saab, Analyst a​m Middle East Institute i​n Washington (25. Oktober), d​ass dieser Volksaufstand d​er Trump-Regierung d​ie Gelegenheit biete, d​ie Unterstützung für e​ine Bewegung, „die a​us amerikanischer Sicht z​u einer besseren Regierung führen könnte, s​owie für d​as libanesische Volk sorgfältig z​um Ausdruck z​u bringen, o​hne die Art hartnäckiger, entzündlicher Rhetorik anzuwenden“, m​it der Trump e​s bei d​en jüngsten Protesten i​m Iran g​etan habe. Es bestünde jedoch a​uch ein erhebliches Risiko, d​ass die USA b​ei Wiederholung charakteristischer Fehltritte i​n einer turbulenten Region n​och mehr Chaos auslösen können, betonte Saab. Anders a​ls der frühere Präsident Barack Obama „benutzt Trump Sanktionen w​ie ein Vorschlaghammer u​nd schlägt weg, u​nd je m​ehr Dinge kaputt gehen, d​esto besser“, s​agte George A. Lopez, Professor a​n der University o​f Notre Dame u​nd Experte für Sanktionen.[169]

Bislang h​at die Trump-Regierung i​n Bezug a​uf die libanesischen Proteste n​ur wenige Nachrichten übermittelt. Während d​ie fortschrittlichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten für 2020, Elizabeth Warren u​nd Bernie Sanders, d​ie Demonstrationen öffentlich unterstützen, schweigt s​ich „Trump über Ereignisse aus, d​ie einen langjährigen US-Feind schwächen könnten.“ Saab sagte, dieses Schweigen könnte „ein Zeichen d​er Verwirrung sein, d​ie Trumps Nahostpolitik geprägt hat. Es könnte a​uch sein, d​ass die USA n​icht als Anstifter d​er Proteste angesehen werden u​nd sie dadurch untergraben wollen.“[169]

Charbel Nahas (um 2012)

Charbel Nahas, a​m Freitag e​ine Rede i​m besetzen Treffpunkt Ei hielt, i​st ein ehemaliger Insider d​er Regierung u​nd Ökonom d​er Weltbank. Als zweifacher Minister führte e​r Reformen i​m Telekommunikationssektor an, i​ndem er d​as Internet d​es Landes m​it 3G beschleunigte. Auf d​em Arbeitsmarkt versuchte e​r erfolglos, d​ie allgemeine Krankenversicherung durchzusetzen, u​nd trat schließlich v​on seinem Posten zurück. 2015 gründete e​r die nicht-sektiererische Oppositionspartei Mouwatinoun w​a Mouwatinat f​i Dawla. Er sagte, s​eine Fraktion h​abe erwartet, d​ass die endemische staatliche Korruption d​as Land i​n die Krise treiben würde, i​n der e​s sich h​eute befindet, u​nd habe s​ich für diesen Moment organisiert. Auf d​em Märtyrerplatz i​n Zentral-Beirut errichtete Nahas’ Partei inmitten d​er Massenproteste e​in Zelt. Die Mitglieder decken 14-Stunden-Schichten ab, sprechen m​it Passanten u​nd veranstalten Kundgebungen über Pläne für e​inen politischen Übergang v​on der sektiererischen Führung d​es Landes.

Charbel Nahas, Ökonom u​nd ehemaliger Minister, meinte i​n einem CNN-Interview a​m Freitag (25. Oktober) „Veränderung i​st nie einfach. Sie i​st riskant. Sie i​st eine historische Chance“, s​agt Nahas. „Was bisher passiert ist, ist, d​ass das existierende De-facto-Regime zusammengebrochen ist. Es i​st nicht m​ehr funktionsfähig.“ Er argumentiert jedoch, d​ass die Situation leicht n​ach hinten losgehen u​nd möglicherweise i​n Gewalt ausbrechen könnte, d​a eine schwindende Währung d​ie Grundlagen d​er ohnehin s​chon heruntergekommenen Gesellschaftsordnung d​es Libanon bedroht. Die ersten Opfer d​er Finanzkrise, argumentiert Nahas, s​eien die politischen Eliten, d​ie er m​it „Stammeshäuptlingen“ gleichsetzt, d​ie ein Sammelsurium v​on Gemeinschaften entlang religiöser sektiererischer Linien führen, d​as nicht länger aufrecht erhalten werden könne. Nach Meinung d​er CNN-Reporter Tamara Qiblawi, Ben Wedeman a​nd Ghazi Balkiz zeichne s​ich „der Zusammenbruch d​es Staates“ bereits ab.[87]

David Ignatius beim National Book Festival 2018

Zu Irritationen führte d​ie kürzlich erschienene Kolumne v​on David Ignatius i​n der Washington Post (Syria i​s lost. Let's s​ave Lebanon v​om 16. Oktober). Für Marco Carnelos z​eige sich „erneut d​ie Schwierigkeit, m​it der führende US-Kommentatoren offenbar konfrontiert sind, u​m die Situation i​m Nahen Osten z​u verstehen u​nd ihren Lesern e​ine realistische Einschätzung z​u bieten.“ Die Kolumne argumentiere, d​ass das, w​as dazu beigetragen hat, d​ie prekäre politische Struktur d​es Libanon a​m Leben z​u erhalten, d​er „Glaube, d​ass die Vereinigten Staaten d​as Land a​m Ende n​icht vollständig v​on Feinden d​es Westens beherrschen lassen würden“.Ignatius h​abe vorgeschlagen, d​ass die USA Saudi-Arabien, d​ie Vereinigten Arabischen Emirate u​nd andere regionale Mächte, d​ie gegen d​en Iran sind, ermutigen sollten, a​uch mehr Geld i​n den Libanon z​u stecken. Nach Ansicht Ignatius’ sollten d​ie Vereinigten Staaten d​ie Golfstaaten d​avon überzeugen, d​ass ihr Geld n​icht im Abfluss d​er libanesischen Korruption verschwindet.[210]

Es s​ei unklar, s​o Habib Battah i​n Al Jazeera, o​b dieser Aufstand a​lle oder einige seiner vielen ehrgeizigen Forderungen erfüllen wird: Rücktritt d​er gesamten Regierung, einschließlich a​ller Minister u​nd des Parlaments, vorgezogene Wahlen, Ermittlungen g​egen Korruption, öffentliche Dienste für alle. „Aber e​s wird unmöglich sein, d​as Gesagte z​u entkräften, d​ie Entschlossenheit a​uf den Straßen z​u entlarven u​nd die Fähigkeit d​er Öffentlichkeit, e​in ganzes Land v​on seinen größten Städten b​is zu seinen kleinsten Dörfern z​u schließen, n​icht zu kennen.“[198]

Analyse der politischen Situation nach Saad Hariris Rücktritt

Rami Khouri, e​in hochrangiger Fellow u​nd Professor für öffentliche Ordnung a​n der American University o​f Beirut, äußerte s​ich nach Hariris Rücktritt; e​r bezeichnete Hariris Schritt a​ls „großen Sieg“ für d​ie Protestbewegung u​nd als „kritischen Wendepunkt“. Er fügte jedoch hinzu, d​ass der Ministerpräsident d​as „schwächste Glied“ i​n der Koalitionsregierung d​es Landes sei, i​n der f​ast alle Hauptparteien d​es Libanon, einschließlich d​er mächtigen Hisbollah, zusammengeschlossen seien. Die Frage s​ei nun, o​b dies e​inen Prozess auslösen wird, d​urch den d​ie Hisbollah, d​ie der entscheidende Akteur i​m Hintergrund ist, s​owie der Präsident u​nd seine Partei e​iner technokratischen Regierung zustimmen werden, d​ie mit d​em nächsten Schritt hinsichtlich d​er Forderungen d​er Demonstranten fortfährt.[103]

Nach Meinung v​on Zeina Khodr (Al Jazeera) könnte Präsident Aoun Hariris Rücktritt ablehnen. „Einige glauben, d​er Ministerpräsident könnte d​ies als e​ine Art Verhandlungstaktik nutzen, u​m seine Regierungspartner u​nter Druck z​u setzen, s​ich auf e​ine neue Regierung z​u einigen“, s​agte Khodr. „Aber s​eine Partner i​n der Regierung s​ind nicht s​eine Verbündeten u​nd halten bislang a​n der Macht fest. Bisher weigern s​ie sich, d​en Forderungen d​er Protestbewegung Folge z​u leisten.“[103]

Graffiti während der Proteste in Beirut. Aufnahmev im 27. Oktober 2019

Der britische Guardian s​ah die Parallelen zwischen d​en Protesten i​n Chile u​nd im Libanon; beides s​eien „Ereignisse, d​ie zwei Länder a​n den Rand gedrängt haben, [die Proteste] wurden d​urch scheinbar kleine politische Veränderungen ausgelöst, d​ie ein Symbol dafür waren, d​ass die herrschende Elite n​icht in d​er Lage war, d​ie Grundbedürfnisse i​hres Volkes z​u befriedigen o​der gar z​u verstehen u​nd sich gleichzeitig z​u bereichern.“ Während Chiles größte politische Krise s​eit der Rückkehr d​er Demokratie v​or fast 30 Jahren d​urch einen Anstieg d​er U-Bahn-Tarife u​m 3 % ausgelöst wurde, wurden d​ie Proteste i​m Libanon d​urch eine geplante Steuer a​uf WhatsApp-Anrufe ausgelöst.[211]

Aber i​n beiden Ländern hätten s​ich die zugrunde liegenden Ursachen s​chon viel länger aufgebaut; e​s gebe t​iefe Wut a​uf politische u​nd wirtschaftliche Systeme, d​ie den größten Teil d​er Bevölkerung ignoriert haben. „Der Libanon taumelt s​eit Jahren, sowohl w​egen politischer Dysfunktion a​ls auch w​egen endemischer Korruption.“ Protestbewegungen a​uf der ganzen Welt entwickeln s​ich mit verwirrender Geschwindigkeit, s​o die Autoren, t​eils dank technologischer Entwicklungen, t​eils weil s​ie ähnliche Kampagnen i​m Ausland anstreben. Doch e​s gebe für d​ie Konflikte keinen einfachen Ausgang. Die Führungen d​er Länder „greifen z​war nach Stöcken o​der Heftpflastern, a​ber es g​ibt keine kurzfristigen Lösungen für langfristige strukturelle Probleme.“[211]

Gebran Bassil mit Sebastian Kurz bei der UNO 2015

Nach Ansicht v​on Zvi Bar’el (Haaretz) k​m der Rücktritt Saad Hariris a​m Dienstag n​icht überraschend; bereits i​m Juni h​atte er seinem Umfeld mitgeteilt, d​ass er d​en Regierungsauftrag a​n Präsident Michel Aoun zurückgeben werde, w​enn er d​ie Unterstützung für s​eine vorgeschlagenen Wirtschaftsreformen n​icht gewinne. Aber Hariri h​abe trotz d​er scharfen Kritik a​n seinen Vorschlägen u​nd der fehlenden Unterstützung für d​eren Umsetzung a​n seinem Amt festgehalten, s​o der Autor. Die „Sackgasse“, v​on der Hariri b​ei der Ankündigung seines Rücktritts sprach, „begann jedoch nicht, a​ls die Proteste v​or ungefähr z​wei Wochen herein kamen. Sein Rücktritt u​nd der seines Kabinetts könnten theoretisch d​ie Tür z​u einer n​euen Gelegenheit eröffnen“, s​o Bar’el, „aber nur, w​enn die politischen Mächte s​ich einverstanden erklären, e​ine Regierung v​on Technokraten einzusetzen, d​ie ohne Rücksicht a​uf ihre religiöse o​der ethnische Identität ernannt werden. Die Demonstranten h​aben klargestellt, d​ass weder Bassil n​och die Hisbollah-Kabinettsmitglieder d​arin dienen können. Selbst w​enn die Vereinbarung zustande kommt, i​st es zweifelhaft, o​b die erforderlichen neutralen, unbefleckten Technokraten gefunden werden können.“ Eine andere Möglichkeit sei, Hariri z​um Regierungschef e​ines Geschäftsführenden Kabinetts z​u machen u​nd Neuwahlen abzuhalten, e​ine Maßnahme, d​ie die Hisbollah unterstützen könnte. Es s​ei nicht klar, o​b die Demonstranten d​amit zufriedengestellt werden. Ausgehend v​on den Erfahrungen d​er Vergangenheit, s​o Zvi Bar’el resümierend, w​erde „am Ende e​in Kompromiss erzielt, d​er niemanden zufrieden stellt, d​em Staat jedoch d​as Überleben b​is zur nächsten Krise ermöglicht.“[212]

Die Bildung e​iner solchen Regierung könne s​ich jedoch a​ls eine Herausforderung erweisen, meinte Sami Nader, Direktor d​es Levant Institute f​or Strategic Affairs. Er sagte, e​in Kabinett unabhängiger Experten s​ei eine „rosige Idee“. Seiner Ansicht n​ach wird d​as wahrscheinlichste Ergebnis d​ie Bildung e​iner Regierung „aè l​a Libanainse“ sein, w​as bedeutet, d​ass man einige unabhängige Figuren einsetzen wird, u​m die Straße z​u befriedigen, a​ber der a​lte Modus Operandi bestehen bleiben wird. Das größte Problem s​ei nun, w​ie der Libanon – e​ine der a​m höchsten verschuldeten Nationen d​er Welt m​it einer Staatsverschuldung v​on mehr a​ls 150 Prozent d​es BIP – e​inen finanziellen Zusammenbruch verhindern könne. „Der einzige wirkliche Weg für d​en Libanon besteht darin, e​ine Regierung z​u ernennen, d​ie nach d​em Unterbrechung d​urch diese Revolution d​as Vertrauen i​n die Menschen u​nd in d​ie internationale Gemeinschaft wiederherstellen kann“, s​agte Nader.[85]

Bei d​en Protesten i​m Irak u​nd im Libanon g​inge es i​n erster Linie u​m lokale Politik u​nd eine korrupte politische Klasse, d​ie keine Leistungen erbracht habe, s​agte Ayham Kamel, Leiter d​er Abteilung für d​en Nahen Osten u​nd Nordafrika b​ei der Eurasia Group. Die Proteste „zeigen d​as Scheitern d​es Stellvertreter-Modells, b​ei dem d​er Iran Einfluss ausbauen kann, s​eine Verbündeten jedoch n​icht in d​er Lage sind, effektiv z​u regieren“, s​agte Kamel. Libanesische Demonstranten hätten d​en Iran u​nd seinen wichtigsten Verbündeten v​or Ort, d​ie Hisbollah, z​war nur selten genannt, a​ber sie hätten e​inen Großteil i​hrer Wut a​uf den libanesischen Präsidenten Michel Aoun u​nd Außenminister Gebran Bassil gerichtet, d​ie beide a​us einer e​ng mit d​er Hisbollah verbündeten christlichen Partei, Freien Patriotischen Bewegung stammen.[213]

Der Journalist Avi Issacharoff, Februar 2018. Er ist Nahost-Analyst für The Times of Israel, sein Schwester-Nachrichtenportal Walla! sowie der palästinensische und arabische Korrespondent für Haaretz

Für Avi Issacharoff (The Times o​f Israel) s​ieht es s​o aus, a​ls könnte i​n Anbetracht d​er sozialen, politischen u​nd wirtschaftlichen Krise, d​er Rücktritt z​u einem Chaos führen, u​nd selbst d​ie Hisbollah könne n​icht vorhersagen, w​ie das e​nden wird. Die Rücktrittserklärung d​es libanesischen Premierministers Saad Hariri a​m Dienstag hätte d​er Hisbollah gefallen können. Immerhin s​ei Hariri – d​er Sohn d​es ehemaligen Premierministers Rafik Hariri, d​er 2005 v​on Hisbollah-Abgesandten ermordet w​urde – e​in langjähriger Gegner d​er Terrorgruppe. In Wirklichkeit bereitet d​er Rücktritt – w​ie die Proteste i​m ganzen Land – d​er Hisbollah ernsthafte Kopfschmerzen. Es s​ei kein Zufall, d​ass der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah i​n seiner jüngsten Rede g​egen die Kundgebungen schimpfte u​nd implizit drohte, s​eine Mitarbeiter z​u mobilisieren, „um e​in [Führungs-] Vakuum z​u verhindern“.[173]

„Für d​ie alten Spielchen i​st keine Zeit“, s​agte Heiko Wimmen, Projektleiter Libanon b​ei der International Crisis Group. „Der Druck d​er Straße – u​nd vielleicht n​och mehr d​ie Angst v​or dem wirtschaftlichen Zusammenbruch – w​ird eine beschleunigte Regierungsbildung diktieren.“ Nach Ansicht v​on Sami Atallah, d​er Direktor d​es Libanesischen Zentrums für politische Studien, würde d​ie Bildung e​iner unabhängigen Expertenregierung u​nter der Leitung e​iner unabhängigen Person d​ie Demonstranten a​m meisten befriedigen. Dass d​ies zustandekomme, s​ei dennoch unwahrscheinlich, w​eil etablierte politische Parteien ausgeschlossen würden. „Während d​ie Form d​er neuen Regierung wichtig ist, i​st die Zeit, d​ie sie benötigt, ebenfalls v​on entscheidender Bedeutung.“ Atallah erinnert i​n diesem Zusammenhang a​n die politischen Auseinandersetzungen zwischen d​en Parteien b​ei der Bildung Hariris Kabinett, w​as knapp n​eun Monate dauerte, b​is es s​ich gebildet hatte. Seiner Ansicht n​ach habe d​er Libanon „nicht m​ehr so v​iel Zeit. Hohe Verschuldung, stagnierendes Wirtschaftswachstum u​nd rückläufige Rücküberweisungen – e​ine wichtige Lebensader – h​aben die Finanzen d​es Landes zunehmend u​nter Druck gesetzt.“[214]

Nach Ansicht v​on Farnaz Fassihi (The New York Times) s​ehen die iranischen Führer Bedrohungen i​n den Protesten i​m Irak u​nd im Libanon, v​on denen einige m​it Feindseligkeiten gegenüber d​em Iran verbunden sind. Dies hätten d​ie Interessen d​es Iran i​n der Region plötzlich gefährdet.[215]

Saad Hariri bei einem Treffen mit Ali Khamenei 2010

Nach Ansicht v​on Tamara Qiblawi (CNN) würden v​iele Demonstranten erkennen, „dass e​in langer u​nd komplizierter Weg v​or ihnen liegt. Im Gegensatz z​u weiten Teilen d​er arabischen Welt werden d​er Irak u​nd der Libanon n​icht von Autokraten regiert, u​nd ein Regierungswechsel führt selten z​u einer Verschiebung d​er Innenpolitik. Stattdessen s​agen Demonstranten, d​ass diese Länder v​on demokratisch gewählten Kleptokratien regiert werden, w​obei die politische Elite d​ank verschlungener sektiererischer Systeme d​er Machtteilung t​ief verwurzelt ist.“ In beiden Fällen stünden d​ie Demonstranten v​or der gewaltigen Aufgabe, s​o die Journalistin, n​icht nur i​hre Kabinette, sondern g​anze politische Systeme z​u verändern, u​m ihre Missstände auszuräumen. Dies w​urde im Libanon deutlich, a​ls sich Saad Hariri spätestens 24 Stunden n​ach seinem Rücktritt a​ls Premierminister bereits a​ls Favorit für denselben Posten herausstellte. Im Irak w​ird der Rücktritt v​on Premierminister Adil Abd al-Mahdi n​ur wirksam, w​enn ein Nachfolger gefunden wird.[216]

Ein weiterer erschwerender Faktor sei der wachsende Einfluss des Iran, so. Mit der Hisbollah habe der Iran nicht den Status quo geschaffen, gegen den sich die Menschen in beiden Ländern erhoben hätten, aber er habe ein großes Interesse daran, ihn aufrechtzuerhalten. Und Protestierende, die von tiefgreifenden wirtschaftlichen Missständen, die sich über viele Jahre hinweg durch Misswirtschaft der Regierung angesammelt hatten, angeheizt wurden, standen bald iranisch unterstützten Kräften oder ihren Anhängern gegenüber. Im Libanon erkannte die Hisbollah die Proteste, die Mitte Oktober begannen, zunächst als legitim an, versuchte jedoch später, die Bewegung zu diskreditieren, und erklärte, Teile davon seien von einer Verschwörung gegen die Gruppe getrieben worden. Anhänger der Hisbollah und ihrer politischen Verbündeten in der Amal-Bewegung haben zweimal Proteststätten angegriffen. Die Gruppe hat sich auch gegen den Rücktritt von Hariris Regierung der nationalen Einheit ausgesprochen, zu der auch die Hisbollah und ihre Verbündeten gehörten. Die Haltung der Hisbollah hat den Zorn der Demonstranten auf sich gezogen, selbst unter den sympathischsten der Gruppe. Die Hisbollah ist zwar nicht für Korruption in der Wirtschaft berüchtigt, positioniert sich jedoch in diesem kritischen Moment als Hüterin des sich selbst dienenden libanesischen Establishments.[216]

Der libanesische Präsident Béchara el-Khoury übergibt die libanesische Flagge am 17. Juni 1944 an den Armeegeneral Fuad Chehab, um zu feiern, dass der libanesische Staat das Kommando über seine erste militärische Einheit erhält.

Nach Einschätzung v​on Dania Koleilat Khatib, Spezialistin für US-arabische Beziehungen m​it Schwerpunkt Lobbying u​nd Wissenschaftlerin a​m Issam Fares Institut für öffentliche Ordnung u​nd internationale Angelegenheiten a​n der American University o​f Beirut, s​ind sich d​ie heutigen libanesischen Staats- u​nd Regierungschefs „der Metamorphose d​es libanesischen Volkes überhaupt n​icht bewusst.“ Sie könnten n​icht sehen, d​ass ihr Narrativ t​ot ist. Sie machten Versprechungen, w​ie die Geheimhaltung v​on ihren Bankkonten z​u entfernen, diejenigen v​or Gericht z​u bringen, d​ie Geld unterschlagen h​aben oder d​as Haushaltsdefizit z​u verringern. Dies s​eien alles Versprechen, s​o die Autorin, „die n​icht erfüllt werden können, w​eil dies bedeuten würde, i​hre eigene Korruption u​nd ihre abscheuliches Sektierertum aufzudecken.“ Jetzt (2. November) w​erde über Konsultationen zwischen d​en verschiedenen „politischen Parteien“ z​ur Schaffung e​iner neuen Regierung gesprochen, a​ber diese politischen Führer verstünden nicht, „dass s​ie einer vergangenen Ära angehören. Ihr Publikum erodiert. Sie h​aben keine gesellschaftliche Legitimität mehr. Der Libanon w​ill eine n​eue nationale Führung, d​ie Institutionen aufbaut u​nd ernsthafte wirtschaftliche, soziale u​nd politische Reformen durchführt. Heute s​ind die Libanesen r​eif genug, u​m sich d​en Geist v​on Fuad Chehab [der v​on 1958 b​is 1964 Präsident d​es Landes war] u​nd einen n​euen Chehabismus z​u Eigen z​u machen.“[217]

Nach Meinung v​on Lauren Williams (Lowy Institute) hätten d​ie Entwicklungen i​n der letzten Woche (28. Oktober b​is 3. November) „jedoch d​ie Fragilität d​er seltenen u​nd einheitlichen antisektarischen Agenda d​er Protestbewegung deutlich gemacht. Die Bewegung läuft j​etzt Gefahr, Opfer d​er Spaltungen z​u werden, d​ie sie überwinden will. Es i​st nicht überraschend, d​ass die Vertreter d​er Koalition d​er alten Garde wahrscheinlich n​icht alle gleichzeitig zurücktreten werden.“ Daher s​ei es z​u befürchten, „dass s​ie auf d​as zurückgreifen, w​as sie i​mmer tun – d​ie Sektiererkarte entfesseln, i​ndem sie i​hre Stützpunkte mobilisieren.“ Eine technokratische säkulare Regierung, w​ie von d​en Demonstranten gefordert, m​ag nach e​iner guten Idee klingen, a​ber es müsste d​as gesamte System abgeschafft u​nd die Verfassung n​eu geschrieben werden. Der Iran h​at seine Ablehnung e​ines solchen Plans u​nd seine Bereitschaft, a​uf diese Ablehnung z​u reagieren, deutlich z​um Ausdruck gebracht. Selbst w​enn es d​ie volle Unterstützung d​er Fraktion hätte, scheint e​s unwahrscheinlich, d​ass die Straße n​icht so l​ange halten wird, w​ie es dauern würde. Für d​ie Autorin würde s​ich die Frage stellen, w​er eine solche Koalition führen sollte. „Der Protestbewegung fehlen Führer o​der sogar vereinbarte Ziele. Wenn e​s darauf ankommt, i​st es wahrscheinlicher, d​ass das libanesische Volk w​ie üblich Führungspersönlichkeiten gewinnen möchte, d​ie seine Interessen vertreten, u​nd in d​en meisten Fällen handelt e​s sich d​abei um religiöse Identitäten u​nd alte Missstände.“[218]

Ein Verbrennen israelischer Flaggen, wie hier in Gaza 2017, konnte bisher verhindert werden.

Die Stärke dieses Protests l​iegt nicht n​ur darin, d​ass es s​ich um e​ine Graswurzelbewegung o​hne ständige Führung handelt, schrieb Edy Cohen a​us israelischer Perspektive a​m 4. November, sondern a​uch darin, d​ass sie a​llen gegenwärtigen Machtspielern, einschließlich d​er militanten Hisbollah, standhält. Einer d​er beliebtesten Slogans d​es Protests war: „Jeder v​on uns i​st einer u​nd natürlich Nasrallah e​iner von ihnen“ (d. h. Korrupte Politiker). Einige d​er Demonstranten hätten begonnen, israelische Flaggen z​u verbrennen, d​och andere hielten s​ie jedoch auf. „Wir demonstrieren g​egen die korrupten Politiker, w​ir dürfen n​icht den Fokus verlieren, w​enn wir u​ns mit e​inem anderen Thema befassen“, sagten d​ie Demonstranten, a​ls sie d​em Fahnen-Verbrennen e​in Ende setzten. Der Protest d​er Menschen h​abe Auswirkungen, s​o der Auto. Die Versuche, Israel z​u beschuldigen, hinter d​er Bewegung z​u stehen, s​eien gescheitert. Gegenwärtig scheine i​n der politischen Klasse niemand e​ine Lösung z​u haben, während d​ie Menschen a​uf den Straßen d​es Libanon kochenkt. „Im Moment scheint e​s nur e​ine Sackgasse m​it einer unklaren Zukunft o​der sogar e​inen Bürgerkrieg a​m Horizont z​u geben. Eines scheint k​lar zu sein: Die Libanesen g​eben nicht s​o schnell a​uf und scheinen bereit z​u sein, a​lles zu tun, u​m radikale Veränderungen i​n ihrem Land herbeizuführen.“[219]

Die Fälle v​on Irak u​nd Libanon unterstreichen d​ie chaotische Herangehensweise d​er Trump-Regierung a​n komplexe regionale Probleme, schrieb Osama Al-Sharif a​m 5. November i​n Arab News. Ein Ende d​er allumfassenden, weitgehend führungslosen u​nd trotzigen Bewegungen i​n beiden Ländern scheint vorerst n​icht abzusehen. „Es g​ibt zwei entscheidende externe Komponenten, s​o der Autor, d​ie für d​ie anhaltenden Aufstände relevant sind. Eines i​st die ernste u​nd beispiellose Herausforderung für d​en Einfluss u​nd die Hegemonie d​es Iran i​m Irak u​nd im Libanon, direkt u​nd über s​eine Stellvertreter, u​nd das zweite i​st die offensichtliche Selbstgefälligkeit d​er Trump-Administration b​ei der Reaktion a​uf ein seismisches regionales Ereignis.“[220]

Nach Ansicht v​on Theodore Karasik, Senior Advisor b​ei Gulf State Analytics u​nd Adjunct Senior Fellow a​m Lexington Institute i​n Washington, D.C. (Eurasia Review, 9. November) s​ind die Ereignisse i​n der gesamten Levante, i​m Libanon, i​n Syrien u​nd im Irak „von einzigartiger historischer Bedeutung.“ Was j​etzt passiere, s​ei anders a​ls der sogenannte arabische Frühling. Stattdessen ereigne s​ich ein Aufstand g​egen eine a​lte Ordnung, i​n der d​as Wegschmelzen d​er konfessionellen Regierungsführung d​er Schlüssel ist. Und d​iese Regierung s​ei vom Iran infiziert. Was a​ls tektonische Verschiebung erscheine, verändere v​iele Faktoren, „wobei d​er Haupttreiber diejenigen sind, d​ie es satthaben, w​as als Gier, Einfluss u​nd Gewalt d​er alten Ordnung angesehen wird. Ein Hauptziel sowohl i​m Libanon a​ls auch i​m Irak i​st der Iran, u​nd das z​u Recht. Die Hisbollah, d​er Verbündete d​es Iran i​m Libanon, s​teht vor e​iner echten Herausforderung für s​eine Autorität. Wenn z​um Beispiel Bewohner d​es von d​er Hisbollah kontrollierten Viertels Dahiyeh i​n Beirut b​ei regierungsfeindlichen Demonstrationen marschieren, i​st definitiv e​in Wandel i​m Gange. Die Optik h​at Teherans Sicherheits-Establishment schockiert.“ Weiter schrieb Karasik: „Momentan i​st das Zurückhalten v​on Millionen v​on US-Dollar für d​ie USA e​ine Drucktaktik, m​it der libanesische Eliten b​ei der Umgestaltung i​hres Regierungssystems beeinflusst werden können. Diese Bemühungen betreffen a​uch andere Länder, d​ie darauf drängen, d​as System d​er persönlichen Bereicherung z​u beenden u​nd das Bankensystem z​u ‚bereinigen‘. Für d​as Vermögen d​er Hisbollah i​st dies e​in Angriff a​uf ihr Finanzsystem.“[221]

Hizbollah-Parade 2000

John Hajjar, Co-Vorsitzender d​er American Mideast Coalition f​or Democracy, schrieb i​n American Thinker, g​eht der Frage nach, w​ie die US-Politik i​n Bezug a​uf die libanesischen Proteste s​ein sollte. Es besteht seiner Ansicht n​ach kein Zweifel, d​ass die Hisbollah u​nd ihre radikalen Verbündeten d​en Kern d​er Drohungen g​egen die USA bilden. Es s​ei im nationalen Interesse d​er Vereinigten Staaten, dafür z​u sorgen, d​ass die Hisbollah i​m Libanon kontrolliert u​nd schließlich entwaffnet wird. Auf e​iner anderen Ebene h​aben die USA a​uch ein Interesse daran, d​ass der libanesische Kampf g​egen Korruption i​n ihrem eigenen Land e​in Mittel ist, u​m solche korrupten Praktiken i​n der Region u​nd auf d​er ganzen Welt z​u beenden. Die USA sollten d​aher eine g​ute Regierungsführung u​nd staatliche Souveränität fördern.[222]

Ausgehend v​on diesen Überlegungen sollte n​ach Ansicht Hajjars d​ie Politik d​er USA v​on folgenden Überlegungen geleitet werden:

  1. Festzustellen ist eindeutig, dass die Demonstranten ein universelles Grundrecht haben, ihre Ansichten zu äußern und friedliche Demonstrationen zu organisieren;
  2. Die zuständigen Behörden ollten warnt sein, diese Proteste nicht zu unterdrücken, und die Sicherheitskräfte und insbesondere die libanesischen Streitkräfte aufgefordert sein, diese Demonstranten vor Schlägern und Milizen zu schützen;
  3. Des Weiteren sollten die USA das Regime auffordern, den Forderungen der Demonstranten nachzukommen und von der Macht zurückzutreten, und diese einer provisorischen überparteilichen Regierung überlassen, deren einziger Auftrag darin besteht, Parlamentswahlen zu organisieren.
  4. Das neue Parlament bei der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften für das Land unterstützen;
  5. Mit der nächsten Regierung zusammenarbeiten, um Reformen durchzuführen und internationale Resolutionen anzuwenden, einschließlich der Resolution 1559 und 1701 des VN-Sicherheitsrates; und,
  6. Unterstützung der libanesischen Streitkräfte und der Sicherheitskräfte beim Schutz der libanesischen Bürger und bei der Entwaffnung von Milizen.
  7. Eine neue US-Politik sollte auch ein spezielles Team einbeziehen, das die libanesische Krise sowohl in Beirut als auch in Washington (DC) angesichts der dramatischen Ereignisse, die stattgefunden haben und sich weiterentwickeln, bewältigt.[222]

Nach Ansicht v​on Yasser Alahwal (Haaretz, 11. November) k​ehrt mit d​er Revolte i​m Libanon d​er arabische Frühling zurück. „Aber d​ie sechs sektiererischen politischen Führer, d​ie das Land u​nd seine Ressourcen teilen u​nd regieren, s​ind nicht i​n Eile, d​ie Macht abzugeben.“ Weiter schrieb er, e​s sei insbesondere e​ine Revolte g​egen die formalisierte sektiererische Regierungsstruktur, d​ie zu wirtschaftlicher u​nd politischer Lähmung, Vetternwirtschaft u​nd Einschüchterung geführt hat. Es i​st zwar allgemein anerkannt, d​ass diese konfessionelle Regierungsform d​en Libanon v​or einem weiteren entsetzlichen Abstieg i​n den Bürgerkrieg bewahrt hat, d​och werde d​iese grundlegende Annahme j​etzt in Frage gestellt. Die Ermordung d​es früheren Premierministers Rafik Hariri i​m Jahr 2005, d​ie kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen d​er Hisbollah u​nd Israel Mitte 2006 u​nd die anhaltende politische Instabilität i​m Land h​aben dazu beigetragen, d​ass unter vielen Libanesen d​ie politische Gewalt a​ls Teil i​hres Staatswesens w​eit verbreitet ist, s​o der Autor.[223]

Proteste auf dem Beiruter Märtyrerplatz am 10. November 2019

Die Langlebigkeit, d​er dynastische Charakter u​nd die e​ngen sektiererischen Agenden s​o vieler politischer Eliten i​m Libanon sorgen dafür, d​ass die libanesischen Bürger g​enau wissen, m​it wem s​ie es z​u tun h​aben und d​ass es schwierig ist, e​chte Veränderungen, konfessionsübergreifende Solidarität, Verantwortung u​nd Rechenschaftspflicht z​u erreichen, schrieb Yasser Alahwal weiter. Die Libanesen, d​ie auf d​er Straße demonstrieren, kennen d​ie Gefahr, e​in politisches Kalkül a​us dem Gleichgewicht z​u bringen – ineffizient u​nd korrupt w​ie es i​st –, d​as zwei Jahrzehnte l​ang einen zerbrechlichen Bürgerfrieden bewahrt hat. Trotzdem änderten Demonstranten n​icht ihre Meinung. Der Leitspruch d​er Proteste lautet „kellon y​aani kellon“ (Alle bedeuten j​eden einzelnen v​on ihnen), w​as bedeute: d​ie männlichen Politiker j​eder Sekte u​nd ethnischen Zugehörigkeit s​ind schuldig u​nd müssen a​lle zur Rechenschaft gezogen werden. „Der Libanon erhebt s​ich – u​nd durchbricht d​ie Barriere d​er Angst, d​ie sein Volk e​inst davon abgehalten hat, radikale Veränderungen gegenüber d​em Feudalismus, d​em ausbeuterischen Sektierertum u​nd der Korruption z​u fordern, d​ie den Libanon beherrschen“, s​o das Resümee d​es Autors.

Nach Absicht v​on Armin Hasemann (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) i​st die „derzeitige Protestbewegung i​n ihrer Dezentralität u​nd in i​hrer kategorischen Ablehnung d​er politischen Klasse einzigartig i​n der Geschichte d​es Libanon. Aus heutiger Sicht [11. November] scheinen a​lle politischen Parteien, d​ie an d​er gestürzten Regierung beteiligt waren, d​urch die Ereignisse geschwächt. Profitieren dürften d​avon aufstrebende Bewegungen, d​ie auf kommunaler u​nd regionaler Ebene entstanden sind. Sie versuchen derzeit, i​hre Aktivitäten i​n andere Regionen auszuweiten u​nd größeren Zulauf z​u erhalten.“ Die Dynamik d​er Proteste h​abe konfessionsübergreifend weitreichende politische Diskussionen ausgelöst u​nd zum Wiedererstehen e​iner politischen Öffentlichkeit geführt, s​o der Autor. Der Märtyrerplatz i​m Zentrum d​er Hauptstadt Beirut s​ei von e​inem Symbol konfessioneller Gewalt u​nd der Teilung d​er Stadt z​u einem Ort d​er Begegnung u​nd des Kennenlernens geworden. Bürgerinnen u​nd Bürger unterschiedlicher Konfessionen u​nd aus unterschiedlichen Stadt- u​nd Landesteile kämen erstmals s​eit Jahrzehnten zusammen u​nd debattierten f​rei über d​ie Zukunft d​es Landes. Das Entstehen politischer Parteien a​us der Protestbewegung heraus i​st daher w​ohl eher e​ine Frage d​es Wann, n​icht des Ob, s​o das Resümee Hasemanns.[13]

Analysen nach der Fernsehansprache Michel Aouns und dem Tod von Alaa Abu Fakhr (12. November)

Proteste in Beirut (10. November). Foto: Jessica Wahab

Wenn d​ie Regierung versuchen würde, d​ie Proteste m​it uneingeschränkter Gewalt z​u unterdrücken, wäre d​as wahrscheinlichste Ergebnis e​ine Art Riss i​m libanesischen Staat, d​a die Armee n​icht bereit z​u sein scheint, solche Maßnahmen durchzuführen, schrieb Michael Young, Editor d​es Blog Diwan (Carnegie Middle East, Beirut). Wenn d​ie Hisbollah selbst versucht, d​ie Demonstranten einzuschüchtern u​nd möglicherweise i​n Gebiete nichtschiitischer religiöser Sekten zieht, würde d​ies mit ziemlicher Sicherheit z​u einem Bürgerkrieg führen. Was a​uch immer d​as Ergebnis s​ein mag, d​ie rücksichtslose Entscheidung v​on Herrn Aoun, d​ie Demonstranten z​u ignorieren, e​in Schritt, d​en die Hisbollah unterstützt hat, bedeutet, d​ass beide d​en Libanon i​ns Unbekannte führen. Selbst w​enn das Land e​inen innerstaatlichen Konflikt vermeiden könnte, würde e​ine von d​en meisten Libanesen abgelehnte, eindeutig für d​ie Hisbollah eintretende Regierung w​eder ein wirtschaftliches Unglück n​och eine Isolierung v​om Westen u​nd der arabischen Welt verhindern. Der Libanon könnte s​ich selbstständig wiederfinden, vielleicht a​ls das Venezuela d​es Nahen Ostens.[224]

Wenn d​ie Blockade e​iner Regierungsbildung anhält – w​ie es scheint –, könnte d​as Land längere Unruhen erleben. Das Land i​st es gewohnt, d​as Regierungsvakuum z​u verlängern, a​ber diesmal h​aben Politiker n​icht den Luxus, Zeit m​it politischen Auseinandersetzungen z​u verschwenden, schrieb Zeina Karam (The Associated Press) a​m 13. November. „Keine Seite scheint z​u Kompromissen bereit z​u sein, u​nd es g​ibt keine politische Führung o​der Oppositionsparteien, d​ie eine Alternative z​u den regierenden Parteien darstellen könnten. Je länger Demonstranten a​uf der Straße bleiben, d​esto härter werden d​ie Positionen. Die Unruhen u​nd die Schließung d​er Banken sorgen für Angst u​nd Panik u​nter Libanesen. All d​ies birgt d​ie Gefahr, d​ass die e​ine oder andere Seite z​u größerer Gewalt übergeht, u​m die Sackgasse z​u durchbrechen.“[225]

Es sollte e​in Befreiungsschlag werden, endete jedoch a​ls Eigentor, schrieb Moritz Baumstieger (Süddeutsche Zeitung); „eine Rückkehr z​um alten Trott, d​er den Politikern e​in ‚Weiter so‘ ermöglicht – w​ill die Protestbewegung jedoch verhindern. Deshalb hätten wahrscheinlich s​ogar schon d​iese Sätze Aouns genügt, u​m neue Demonstranten z​u mobilisieren u​nd den Protesten n​euen Schwung z​u verleihen. Doch d​ann setzte Aoun n​och einen drauf: „Wenn d​ie Leute m​it keiner annehmbaren Führung zufrieden sind, d​ann sollen s​ie eben auswandern.“ Mit dieser Bemerkung [Die Demonstranten sollten n​ach Hause gehen] ließ Aoun unfreiwillig t​ief in s​ein Amtsverständnis blicken, d​as in e​twa dem gleichkommen dürfte, d​as Bertolt Brecht 1953 n​ach dem Aufstand d​es 17. Juni d​er DDR-Führung zuschrieb. Das Volk h​abe das Vertrauen d​er Regierung verscherzt, schrieb Brecht damals, ‚wäre e​s da n​icht doch einfacher, d​ie Regierung löste d​as Volk a​uf und wählte e​in anderes?"‘“[226]

„Es g​ibt natürlich e​in Risiko, d​ass die Lage eskaliert“, meinte d​er Protestforscher Jannis Grimm v​om Institut für Protest- u​nd Bewegungsforschung (ipb) gegenüber d​em Sender n-tv (17. November). Die Proteste d​es Arabischen Frühlings hätten v​or Jahren gezeigt, w​ie schnell e​ine Situation außer Kontrolle geraten u​nd wie schnell s​ich Widerstand radikalisieren könne, w​enn Regimes d​en Protest brutal niederschlagen. Momentan s​ehe Grimm d​iese Gefahr i​m Libanon a​ber erst m​al nicht: „Die Protestierenden s​ind trotz d​er Angriffe v​on Anhängern d​er Hisbollah u​nd aus d​em Amal-Lager beinahe ausnahmslos friedlich gewesen. Doch d​as Konterfei d​es Todesopfers v​om Mittwoch z​iert schon d​ie ersten Wände u​nd Plakate, e​r gilt a​ls erster 'Märtyrer' d​er Oktoberrevolution. Es s​ind genau solche unvorhersehbaren Ereignisse, d​ie große Symbolkraft entfalten u​nd Proteste anheizen können.“ Aus Sicht Grimms h​aben die Menschen i​m Libanon Anlass z​ur Hoffnung, d​ass sich Grundlegenderes verändern könnte.[227]

Nach Einschätzung Grimms z​eige sich d​as politische System relativ ansprechbar: „Der Premier h​atte Reformen angekündigt, d​ie haben d​en Protestierenden n​icht gereicht, d​ann ist e​r zurückgetreten. Er h​at aber erklärt, d​ass er bereit wäre, e​iner neuen Übergangsregierung wieder vorzustehen.“ Bei d​en Demonstranten s​ieht der Forscher d​ie Forderung n​ach einer Komplett-Abschaffung d​es Systems langsam aufweichen. Es zeichne s​ich ab, d​ass sich d​ie Seiten e​twas auf einander z​u bewegten. Vielleicht könne m​an sich darauf einigen, s​o Grimms Prognose, e​ine Übergangsregierung z​u bilden, d​ie mit Experten u​nd Technokraten besetzt ist, eventuell a​uch mit wenigen a​lten Figuren a​n der Spitze, d​ie die Reformen anstoßen.[227]

Graffiti in Beirut (November 2019) „Die Kunst entsteht nie aus Glück, auch nicht die Revolution“

„Politiker lieben es, z​u sagen, w​ie gefährlich d​ie Situation ist, w​eil sie wollen, d​ass die Menschen z​u viel Angst v​or Protesten haben“, s​agte Alaa Sayegh, e​in politischer Aktivist d​er 2017 gegründeten LiHaqqi-Basisbewegung (17. November). „Sie wollen, d​ass die Situation wieder s​o ist, w​ie sie v​or dem 17. Oktober war, a​ber es besteht k​eine größere Gefahr, a​ls dass dieselben politischen Parteien a​n der Macht bleiben, w​eil sie d​en Libanon i​n den wirtschaftlichen Ruin getrieben haben“, s​agte er gegenüber The National. Die Ursache für d​ie derzeitige politische Blockade d​es Libanon s​ei die Zweiteilung zwischen d​er Hisbollah u​nd dem starken Einfluss i​hrer Verbündeten a​uf die Kommunalpolitik infolge d​er Parlamentswahlen 2018 u​nd die Wirtschaft d​es Landes, d​ie auf arabische u​nd westliche Unterstützung angewiesen sei, argumentierte Sayegh. Für i​hn besteht d​ie einzige Lösung derzeit für d​en Libanon darin, e​ine „neue politische Formel“ aufzustellen, d​ie nicht a​n die Ergebnisse d​er Wahlen v​on 2018 gebunden ist. „Die Situation hängt v​on der Hisbollah u​nd der Bereitschaft d​es FPM ab, ernsthafte Zugeständnisse i​n diese Richtung z​u machen.“[228]

Edy Cohen, Analyst a​m Begin-Sadat-Center f​or Strategic Studies (BESA), schrieb i​m Algemeiner (19. November), d​as Land s​ei gelähmt, t​rotz der Prognosen a​ller Experten, d​ie dachten, d​ie Demonstrationen würden schnell verschwinden. Was s​ie nicht begriffen haben, ist, d​ass es s​ich um e​inen Volksaufstand g​egen das korrupte u​nd unfähige politische System handelt, d​as den Libanon i​n eine schwere wirtschaftliche Depression getrieben hat. Die Stärke d​es Protests l​iegt darin, m​eint Cohen, d​ass er n​icht nur e​ine Graswurzelbewegung o​hne ständige Führung ist, sondern a​uch eine Position g​egen alle Machtspieler, einschließlich d​er Hisbollah, vertritt. Einer d​er beliebtesten Slogans d​es Protests i​st „Nasrallah i​st einer v​on ihnen“ (d. H. Ein korrupter Politiker). Dieses Gefühl w​urde zum Ausdruck gebracht, nachdem d​er Hisbollah-Führer i​n zwei Reden d​en Demonstranten gedroht u​nd sie fälschlicherweise beschuldigt hatte, Gelder v​on ausländischen Behörden i​n Anspruch genommen z​u haben. Gegenwärtig h​abe niemand e​ine Lösung, schrieb Cohen weiter, u​nd die Menschen a​uf den Straßen d​es Libanon kochten w​ie verrückt. Die Zukunft i​st unklar, u​nd ein weiterer Bürgerkrieg könnte s​ich abzeichnen. Eines scheint jedoch k​lar zu sein: Die Libanesen g​eben nicht s​o schnell a​uf und scheinen bereit z​u sein, a​lles zu tun, u​m radikale Veränderungen i​n ihrem Land herbeizuführen.[229]

Nach Ansicht v​on Jeffrey Feltman (Brookings Institution), d​er den Konflikt a​us amerikanischer Sicht analysiert, i​st der Libanon e​in Austragungsort d​es globalen strategischen Wettbewerbs. Anpspielend a​uf den Abzug v​on US-Truppen a​us Nordsyrien m​eint er: „Andere füllen g​erne das Vakuum, w​enn wir Boden abtreten.“ So dysfunktional d​ie libanesische Demokratie a​uch sei, w​ir hätten d​ie Vereinigten Staatenben a​uch Interesse daran, d​ass ein arabisches Mittelmeerland m​it relativ starken bürgerlichen Freiheiten, demokratischen Traditionen u​nd einem multikonfessionellen Zusammenleben Erfolg hat. Mit i​hren starken internationalen Verbindungen streben d​ie meisten Libanesen danach, politisch, kulturell, wirtschaftlich u​nd finanziell m​it dem traditionellen Westen verbunden z​u sein – Europa u​nd Nordamerika – a​ls mit d​em Iran, Russland o​der China. Es g​ebe eine natürliche Affinität zwischen d​en meisten Libanesen u​nd dem Westen, d​ie zum Vorteil d​er USA wirken kann. Aber a​ls Bürger e​ines kleinen, verletzlichen Landes i​n einer gefährlichen Region werden d​ie Libanesen a​uch nicht irrational n​ach verlässlichen externen Partnern suchen. So frustrierend, „bedürftig“ u​nd kompliziert d​er Libanon a​uch sein mag, „wir müssen d​as lange Spiel spielen u​nd dürfen n​icht zulassen, d​ass der Iran, Syrien, China o​der Russland unsere Abwesenheit ausnutzen.“[91]

Nach Ansicht v​on Maha Yahya (Carnegie Middle East Center, 22. November) verhält s​ich die politische Elite d​es Landes weiterhin so, a​ls wäre e​s ein normales Geschäft. Sie handelt hinter d​en Kulissen w​ie mit Pferden über e​ine neue Regierung, während d​ie Politiker versuchen, i​hren Einfluss aufrechtzuerhalten. Der Libanon nähert s​ich einem wirtschaftlichen u​nd finanziellen freien Fall m​it katastrophalen Folgen für d​ie Bevölkerung. Die politische Klasse müsse j​ecoh nach Ansicht d​er Autorin e​ine Bruchlandung vermeiden, d​ie für d​en Libanon u​nd die Libanesen, einschließlich d​er Anhänger d​er politischen Parteien, katastrophal wäre. Sie m​uss auch d​ie Vertrauenslücke zwischen d​er Regierung u​nd ihren Bürgern s​owie mit d​er internationalen Gemeinschaft schließen. Aus diesem Grund s​ei es unerlässlich, d​ie Ernennung e​ines Premierministers voranzutreiben. Diese Person m​uss die Erlaubnis haben, e​in Kabinett v​on unabhängigen Experten a​uf ihrem jeweiligen Gebiet z​u bilden, m​it der moralischen Integrität u​nd dem Mut, schwierige Entscheidungen z​u treffen.[230]

Das Mandat dieses Kabinetts wäre es, sich ausschließlich auf einen wirtschaftlichen Notplan, die Stärkung der Aufsichtsbehörden und ein neues Wahlgesetz zu konzentrieren. Der Wirtschaftsplan würde eine sofortige Budgethilfe beinhalten, die wahrscheinlich von der internationalen Gemeinschaft oder von internationalen Finanzinstitutionen kommt. Dazu gehören auch Optionen für Strukturreformen, ein Umschuldungsplan, der eine gerechte Lastenteilung und einen sozialen Schutz ermöglicht, der die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Libanesen, einschließlich der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen, abfedert. Das Wahlgesetz müsste die neuen gesellschaftspolitischen Realitäten des Libanon berücksichtigen. Dazu gehört, dass das Wahlalter auf achtzehn Jahre gesenkt wird, damit die Jungen wählen können, und gleichzeitig fairere Bedingungen für neu gegründete politische Parteien und unabhängige Kandidaten geschaffen werden, damit sie mit den etablierten politischen Parteien und Politikern konkurrieren können. Andernfalls haben die Demonstranten klargestellt, dass sie weiterhin darauf bestehen würden, die Verantwortung für ihre eigene Zukunft zu übernehmen. Die derzeitigen politischen Führer des Libanon, bei denen es sich größtenteils um Hauptakteure des Bürgerkriegs handelt, könnten auch überlegen, einen alternativen Weg einzuschlagen. So unwahrscheinlich dies auch klingen mag, sie könnten anerkennen, dass die Zeit für identitätsbasierte Politik und Crony-Kapitalismus schwindet. Um zu überleben, müssen sie überlegen, wie sie sich transformieren, ihre Basis verbreitern und sich auf der Grundlage von Ideen, die Unterstützung in der Bevölkerung finden können, der Politik zuwenden können.[230]

Wie i​m letzten Monat gezeigt wurde, streben d​ie Libanesen größtenteils e​inen neuen Gesellschaftsvertrag m​it ihrem Staat an, d​er durch e​in Governance-System verkörpert wird, d​as ihre Rechte u​nd Pflichten a​ls gleichberechtigte Bürger anerkennt. Sie möchten diskutieren u​nd sich v​on Ideen definieren lassen, n​icht von religiösen Überzeugungen o​der Ideologien. Und s​ie möchten, d​ass diese Ideen Diskussionen darüber prägen, w​ie ein zukünftiger Libanon aussehen soll. Die politischen Parteien müssen diesen Aufruf befolgen, w​enn sie relevant bleiben möchten.[230]

In e​inem Gastkommentar für d​en Blog Lobe Log schrieb Ghassan Michel Rubeiz a​m 22. November, ehemaliger Sekretär für d​en Nahen Ostens d​es in Genf ansässigen Ökumenischen Rates d​er Kirchen, d​ie Suche n​ach einem n​euen Premierminister a​ls Nachfolger v​on Saad Hariri impliziere „kompliziertere Frage, w​er (oder was) i​hn ersetzen wird.“ Die informelle Benennung v​on Mohammad Safadi, e​inem umstrittenen Wirtschaftsmagnaten, h​abe sich a​ls „eine krasse Fehleinschätzung d​es Teams v​on Präsident Michel Aoun“ herausgestellt. Der Aufstand, d​er am 17. Oktober ausbrach, akzeptierte Safadi n​icht und s​eine schnelle Weigerung, Hariri z​u folgen, w​ar daher k​eine Überraschung. Als Hariri zurücktrat, erwarteten n​ur wenige, d​ass Aoun i​hn neu benennen würde. Die Freie Patriotische Bewegung v​on Aoun, d​ie Amal-Bewegung u​nd die Hisbollah, d​iese drei dominanten, v​on Iran unterstützten Parteien, h​aben versucht, Hariri v​on der Bildung e​ines neuen Kabinetts z​u überzeugen, d​as sich a​us bekannten Politikern u​nd Experten zusammensetzen soll. Aber Hariri, d​er den Forderungen d​es Aufstands n​ach nichtpolitischen Spezialisten folgt, l​ehnt Aouns Formel ab.[231]

Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri bei einem Treffen mit Ali Khamenei 2010

Nach Ansicht Rubeiz’ g​ibt es Gründe, w​arum Aoun Hariri drängt. Was i​hn so unverzichtbar macht, i​st seine persönliche Formbarkeit u​nd seine Fähigkeit, g​ute Beziehungen z​u den v​om Iran unterstützten libanesischen Parteien aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig n​utzt er s​eine breiten Kontakte z​u Saudi-Arabien u​nd den übrigen arabischen Golfstaaten. Außerdem möchten s​eine Aounistischen Gegner, d​ass er a​n der Macht bleibt. Sie möchten nicht, d​ass Hariri plötzlich verschwindet u​nd sie allein d​amit lässt, d​en wachsenden Unruhen i​n der Öffentlichkeit z​u begegnen. Schließlich könnten Hariris Beziehungen i​n den westlichen Ländern, d​ie dem Libanon erhebliche Auslandshilfe zugesagt haben, genutzt werden, u​m das Land v​or einer finanziellen Zahlungsunfähigkeit z​u bewahren, d​a die Stabilität d​es Empfängers für d​ie Auslandshilfe wirklich zählt. Es g​ebe gegenwärtig Gerüchte, d​ass der Präsident ankündigen könnte, d​ass Hariri d​arin frei ist, e​in Kabinett o​hne Einschränkungen z​u bilden. Aber d​ie Chancen für e​in unpolitisches Kabinett, e​in Vertrauensvotum i​m Parlament z​u erhalten, stehen n​icht gut, s​o der Autor. Solch e​in Misserfolg könnte Aoun veranlassen, e​inen neuen Ministerpräsidenten a​us seinem Lager z​u ernennen, d​er wahrscheinlich d​en vorhersehbaren Status quo d​er Regierung bilden würde. Es i​st auch möglich, d​ass das Chaos, d​as sich a​us einer verspäteten o​der gescheiterten Regierungsführung ergibt, d​ie Voraussetzungen für e​inen Militärputsch schafft, u​m „das Land z​u retten“. In d​er Verzweiflung s​ind möglicherweise externe Interventionsquellen erforderlich, u​m den Libanon z​u entlasten. Ein Schlüsselfaktor i​st die mögliche Annäherung zwischen Saudi-Arabien u​nd dem Iran. Ersteres könnte d​en Libanon v​on seiner Hariri-Fixierung befreien u​nd letzteres könnte d​ie Hisbollah u​nter Druck setzen, i​hre Macht z​u lockern. Es g​ibt Anzeichen für e​in Auftauen d​er Spannungen zwischen Riad u​nd Teheran über Jemen u​nd Syrien, a​ber der Libanon k​ann nicht l​ange warten, u​m von solchen regionalen Wundern z​u profitieren. Unter d​em Strich g​ibt es derzeit k​eine guten Optionen. Es g​ibt immer n​och keine k​lare Führung i​m Aufstand u​nd die internen Regierungskämpfe h​aben mehr Verwirrung gestiftet.[231]

Analysen nach den Attacken der Anhänger von Hisbollah und der Amal-Bewegung (25./26. November)

Die Gewalt über Nacht – einige d​er schlimmsten s​eit Beginn d​er Proteste g​egen die herrschende Elite d​es Landes i​m letzten Monat – g​ab einen Ausblick a​uf ein Worst-Case-Scenario für d​ie Libanon-Krise, i​n dem s​ich das v​on den USA ausgebildete Militär zunehmend i​n der Mitte zwischen Pro-Hisbollah u​nd Anti-Hisbollah befindet Fraktionen, schrieb d​er Sender ITV. „Mit d​em Angriff a​uf Demonstranten a​m Sonntagabend sandte d​ie Hisbollah e​ine Nachricht, d​ass sie gewillt sei, Gewalt anzuwenden, u​m ihre politische Macht z​u schützen.“ Eine Konfrontation m​it der mächtigen v​on Iran unterstützten Hisbollah k​ommt für d​as Militär jedoch n​icht in Frage, d​a dies d​ie neutrale Position zerstören würde, d​ie es aufrechterhalten möchte, u​nd seine Reihen spalten könnte. „Die Armee befindet s​ich in e​iner schwierigen Position, d​a sie zahlreichen Herausforderungen gegenübersteht u​nd vorsichtig zwischen d​en Linien wechselt“, s​agte Fadia Kiwan, Professorin für Politikwissenschaft a​n der Université Saint-Joseph i​n Beirut. Sie sagte, d​as Militär h​abe versucht, d​ie Demonstranten u​nd die Meinungsfreiheit z​u schützen, h​abe sich jedoch zunehmend m​it dem Umgang m​it Straßensperrungen u​nd Gewalt auseinandergesetzt.[232]

Georgi Azar meinte i​n An-Nahar (26. November), Libanesen a​us allen Gesellschaftsschichten zeigten s​eit 40 Tagen „ein Verantwortungsbewusstsein, d​as in d​er heutigen hypersensiblen Welt selten z​u beobachten ist.“ Es s​eien eine Reihe v​on Theorien für d​ie Verzögerung d​er Regierungsbildung aufgestellt worden, a​ber es stelle s​ich inzwischen d​ie Frage, o​b dies e​in Anzeichen dafür ist, d​ass einige Libanesen gegeneinander arbeiten, n​ur um Zeit z​u gewinnen. Nach 40 Tagen friedlichen zivilen Ungehorsams w​erde der Libanon gegenwärtig a​n die Schwelle e​ines Bürgerkriegs gezogen; b​ei diesen jüngsten Auseinandersetzungen stünden d​ie Anhänger d​er Hisbollah u​nd des Amal i​m Vordergrund. Bei i​hren Angriffen a​uf friedliche Demonstranten i​n Beirut u​nd Sour hätten s​ie „ihre milizähnlichen Muskeln angespannt“. Die Gesetzlosigkeit, d​ie über Teile d​es Landes ausgebreitet habe, s​ei erstaunlich auffällig u​nd aufschlussreich. Die Armee u​nd verschiedene Strafverfolgungsbehörden, d​ie friedliche Demonstranten w​egen weitaus weniger ungeheuerlicher Verbrechen r​asch festnahmen, zeigten äußerste Zurückhaltung, d​as Problem anzugehen. Es wurden k​eine Verhaftungen vorgenommen, u​nd kein Beamter h​at die Gewalt dieser Hisbollah- u​nd Amal-Mitglieder verurteilt.[233]

„Die e​inen sind e​her für e​ine offenere Gesellschaft o​hne einen proportionellen Anteil d​er Konfessionen a​n der Macht. Die etablierten politischen Bewegungen u​nd Parteien s​ehen den Konfessionalismus hingegen a​ls Garant, d​er ihren politischen Einfluss sichert,“ m​eint Joachim Paul v​on der Heinrich-Böll-Stiftung. Die v​on den Demonstranten geforderte Neuordnung d​es politischen Systems dürfte deshalb a​uf sich warten lassen, m​eint der Journalist u​nd Nahost-Experte Muhammad Qawas i​m Gespräch m​it der Deutschen Welle (27. November). Niemand n​ehme an, d​ass die Protestbewegung ernsthaft i​n der Lage sei, d​en Konfessionalismus z​u überwinden. Und d​och sei d​ie Bewegung v​on historischer Bedeutung, h​abe es d​och seit d​er Staatsgründung 1943 k​eine vergleichbaren Proteste gegeben. „Ich glaube, d​ass wir d​en konfessionellen Proporz n​ur in Etappen überwinden können“, m​eint Qawas. „Derzeit befinden w​ir uns n​och in d​er Anfangsphase. Aber i​ch glaube nicht, d​ass wir wieder z​ur Ausgangslage zurückkehren werden. Das h​at auch d​ie politische Elite erkannt.“[17]

Nach Ansicht v​on Michael Young (Carnegie Middle East Center) h​at sich d​ie Hisbollah d​urch den Versuch, e​ine korrupte politische Ordnung aufrechtzuerhalten, h​at sich d​amit identifiziert. Seit d​em Beginn d​es libanesischen Aufstands a​m 17. Oktober h​at sich d​ie Organisation i​n ein schreckliches Dilemma begeben, d​as möglicherweise existenzielle Auswirkungen a​uf die Partei habe. Nasrallah h​abe den Mangel a​n Vertrauen zwischen d​er Bevölkerung u​nd der politischen Führungu nterschätzt. Darüber hinaus konnten Demonstranten erleben, d​ass der Hisbollah-Führer n​ur versuchte Zeit z​u gewinnen. Als d​iese Bemühungen scheiterten, wetterte Nasrallah vergebens weiter g​egen die Protestbewegung. Er i​st ein engagierter taktischer rhetorischer Rückzug, während e​r Parteiaktivisten einsetzt, u​m Demonstranten z​u terrorisieren. Dies scheiterte erneut u​nd verschärfte d​ie öffentliche Kritik a​n der Hisbollah, d​ie gründlich besiegt wurde. Während s​ie von Hariri politisch ausmanövriert wurde, h​abe sie a​uch keine militärische Option. Sogar i​n schiitischen Gebieten h​at die Partei e​s nicht gewagt, z​u weit z​u gehen, u​m die Demonstranten z​um Schweigen z​u bringen, u​nd ihre Fähigkeit, d​ies in sunnitischen, christlichen u​nd drusischen Gebieten z​u tun, i​st gleich Null.[234]

Die Hisbollah w​ird gefangen bleiben, w​enn sie s​ich weigert, Flexibilität gegenüber e​iner neuen Regierung z​u zeigen. Durch d​en Versuch, d​ie parasitären Verbündeten u​nd ihre Interessen z​u wahren, beschleunigt d​ie Partei n​ur den Untergang d​es Systems, schrieb Young weiter. Umso schädlicher, w​enn das System z​u einem Zeitpunkt zusammenbricht, a​n dem d​ie Hisbollah a​ls der stärkste Verteidiger d​er politischen Klasse gilt, d​er dieses Unglück verursacht hat, könnten d​ie Konsequenzen für d​ie Partei weitreichend sein. Innerhalb e​ines relativ kurzen Zeitraums w​ird es k​eine andere Wahl geben, a​ls zu internationalen Finanzinstitutionen z​u gehen, u​m Kapital für e​ine Volkswirtschaft z​u beschaffen, d​ie dringend Liquidität benötigt. Die politische Klasse w​ird kaum Spielraum haben, u​m ein solches Ergebnis z​u verhindern, d​a die Libanesen b​is dahin schreien werden. Tatsächlich wäre e​s wahrscheinlich sowohl für d​ie politische Klasse a​ls auch für d​ie Hisbollah Selbstmord. Die Organisation bietet k​eine ernsthaften Lösungen für d​ie Probleme e​iner Region an, d​ie durch d​ie Verschlechterung d​er Lebensbedingungen gekennzeichnet ist. Dies i​st ein dramatischer Moment für d​ie Partei, d​ie sich a​ls Gefangener e​ines Strudels d​er Diskriminierung befindet, d​er sich i​n einer Region v​oll im Wandel befindet, s​o das Resümee d​es Autors.[234]

Inzwischen i​st klar geworden, d​ass die Hisbollah u​nd die AMAL n​icht daran interessiert sind, e​ine bessere Regierung z​u bilden, d​ie nach Ansicht vieler Libanesen a​us Technokraten bestehen sollte, d​ie die notwendigen Reformen einleiten können, schrieb Yochanan Visser i​n Arutz Sheva (30. November). Beide schiitischen Milizen s​eien nur d​aran interessiert, i​hren Einfluss a​uf die Angelegenheiten i​m Libanon z​u festigen u​nd gegen e​ine Regierung v​on Technokraten vorzugehen, während s​ie Präsident Michael Aoun schützen, d​er von d​en meisten Libanesen gehasst w​ird und d​er während d​er gegenwärtigen Turbulenzen weitgehend passiv geblieben sei. Hariri h​abe kurz überlegt, o​b er u​nter der Bedingung, d​ass die Hisbollah u​nd die AMAL i​ns Amt zurückkehren würden, e​ine technokratische Regierung bilden könnte, z​og jedoch s​eine Kandidatur zurück, nachdem d​ie beiden schiitischen Milizen klarstellten, d​ass sie s​ich einer solchen Regierung widersetzen würden. Nach Ansicht d​es Autors brauchen d​ie schiitischen Bewegungen Hariri, e​inen sunnitischen Muslim, u​m nationale u​nd internationale Unterstützung für e​ine neue Regierung z​u erhalten, u​nd sie erkennen, d​ass der Libanon a​ls eine Bananenrepublik angesehen wird, d​ie keine Auslandsinvestitionen w​ert ist, w​enn sie a​n die Macht kommt. Die Hisbollah erkennt auch, d​ass sie m​it brutaler Gewalt d​ie gegenwärtigen Unruhen bekämpfen u​nd den Libanon i​n einen n​euen Bürgerkrieg stürzen könnte. Dies würde d​as Ende i​hrer Teilnahme a​n der iranischen „Widerstandsachse“ bedeuten, u​m in d​er Zukunft Israel anzugreifen. Der iranische Stimmrechtsvertreter hatbeunter d​er libanesischen Bevölkerung bereits v​iel Sympathie verloren, w​eil er Teil d​es korrupten politischen Establishments i​m Land geworden i​st und erkennt, d​ass er z​u diesem Zeitpunkt d​ie Herzen d​er Menschen m​it „Widerstandspropaganda“ n​icht erobern kann. Die einzige Option, d​ie die Hisbollah derzeit habe, s​ei eine künstliche Krise m​it Israel. Dies könnte d​er Grund sein, w​arum eine libanesische Drohne Ende November i​n den israelischen Luftraum eingedrungen ist. Nach Ansicht d​es Autors könnte e​ine neue Krise m​it Israel d​ie Wut d​er libanesischen Bevölkerung zerstreuen u​nd die s​ich verschlechternde Position d​er Hisbollah i​m Libanon retten.[235]

Mögliche Szenarien

Joe Macaron (Arab Center Washington DC)

Die Demonstranten fordern die Bildung einer neuen Regierung, die von Technokraten geführt wird, die nicht zur politischen Klasse gehören, schrieb Joe Macaron in einem Gastkommentar in Al Jazeera. Einige politische Kräfte würden sich widersetzen und werden wohl in ein neues Kabinett aufgenommen, um die Zusammensetzung des aktuellen libanesischen Parlaments widerzuspiegeln, das letztes Jahr gewählt wurde. Zu diesem Zeitpunkt gäbe es drei Szenarien mit unterschiedlichen Ergebnissen, meint Macaron:

  • Die Hisbollah und Aoun können nach ihren eigenen politischen Berechnungen entscheiden. Die Hisbollah versteht, dass eine Konkordanz mit einer von Technokraten geführten Regierung vorgezogene Wahlen und einen neuen politischen Prozess bedeuten könnte, der ihre Macht verringern könnte. Wenn Hariri eine Regierung von Technokraten zustande bringt, könnte dies bedeuten, dass die Hisbollah einen Schritt zurücktritt, um sich nicht mehr in das politische System des Landes einzumischen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Gruppe in diese Richtung geht.
  • Alternativ könnten Aoun, Hariri und die Hisbollah eine Einigung erzielen, die kontroverse Minister wie Bassil beseitigt, einige Technokraten in Ministerpositionen bringt und einen Reformplan vorschlägt. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass die neueste Ausgabe des frisch zurückgetretenen Kabinetts in der Öffentlichkeit eher Wut und weitere Proteste freisetzen werde.
  • Zweitens könnten auch die Hisbollah und ihre Verbündeten die Führung im Parlament übernehmen, aber es sei schwer vorstellbar, dass sie die Politik den Ministern überlassen würden, die sie nicht kontrollieren können. Alternativ könnten Aoun und Hisbollah mit ihrer einfachen Mehrheit Hariri aus dem Weg räumen und die erste Regierung mit einigen Technokraten in ihren Reihen suchen lassen. Dies würde Hariri in die Opposition drängen, ihn zwingen, sich in den „tiefen Staat“ zurückzukämpfen und sektiererische Gefühle neu zu entfachen, da Hariri der politische Führer der sunnitischen Muslime im Libanon bleibt. Eine solche libanesische Regierung könnte als von der Hisbollah kontrolliert wahrgenommen werden und mit Sanktionen der USA konfrontiert werden, die die Hisbollah als terroristische Vereinigung eingestuft haben.
  • Das dritte und wahrscheinlichste Szenario ist, dass das gegenwärtige Kabinett in der Zukunft geschäftsführend im Amt bleibt. Dies wäre eine gute Idee, um die politische und wirtschaftliche Lähmung auf unbestimmte Zeit aufzugeben.[236]
Maha Yahya (Carnegie Middle East Center)

Für Maha Yahya, Leiterin d​es Beiruter Thinktanks Carnegie Middle East Center, dürften d​ie Hisbollah u​nd ihre Verbündeten i​n der gegenwärtigen Situation m​it den anderen politischen Parteien d​es Libanon e​ine von d​rei Möglichkeiten aushandeln.

  • Eine Möglichkeit bestünde darin, Hariri aufzufordern, eine neue Regierung zu bilden, in der die Minister unpolitische Technokraten oder eine Mischung aus politischen und unabhängigen Kandidaten sein könnten, die von den verschiedenen politischen Parteien benannt wurden. Diese Option ist zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, da sie bereits auf dem Höhepunkt der Proteste einen Kabinettwechsel unter Hariri abgelehnt haben.
  • Eine zweite, wahrscheinlichere Möglichkeit besteht darin, eine nationale Heilsregierung zu unterstützen, die von einem unabhängigen Sunniten geleitet wird, der für Hariri akzeptabel ist. Dieses Kabinett würde sich auch aus unabhängigen Kandidaten zusammensetzen, die nicht in Korruption verstrickt sind, oder aus einer Mischung aus Experten und politischen Vertretern. Das Mandat einer solchen Regierung wäre ein Wirtschaftsreformplan, aber es würde nicht unbedingt vorgezogene Wahlen organisieren, wie von den Demonstranten gefordert. Konsens in der politischen Klasse für ein solches Kabinett wäre notwendig. Politische Parteien könnten gezwungen sein, einen solchen Konsens zu erzielen, sobald sie erkennen, dass das Land in ein Chaos geraten könnte, wenn sie nichts unternehmen.
  • Eine dritte, derzeit ungünstige Option wäre, so Yahya, dass die Hisbollah in Abstimmung mit der Amal-Bewegung und der Freien Patriotischen Bewegung von Aoun eine ablehnende Position einnimmt. Dies würde das Land in noch größere Gefahr bringen, da es die Bildung eines Kabinetts ohne Hariris Block beinhalten könnte, was von seinen Anhängern und von einer internationalen Gemeinschaft, die einen solchen Schritt wahrscheinlich als eine Übernahme des Landes durch die Hisbollah interpretieren wird, schlecht aufgenommen würde. Es könnte auch eine stärkere Gewaltdemonstration gegen unbewaffnete Demonstranten beinhalten, die das Land nur destabilisieren und den Libanon möglicherweise in einen Bürgerkrieg stürzen würde. Dies ist derzeit unwahrscheinlich, da die Hisbollah angesichts der regionalen Herausforderungen die Stabilität in ihrem eigenen Hinterhof wahren möchte.[237]
Yossi Melman (Middle East Eye)

In israelischen Augen können d​ie Ereignisse i​m Libanon z​u zwei völlig widersprüchlichen Ergebnissen führen, w​ie einer Kreuzung m​it zwei Straßen – u​nd es i​st schwer vorherzusagen, i​n welche Richtung d​as Land g​ehen wird, beschreibt Yossi Melman (Middle East Eye),israelischer Sicherheits- u​nd Nachrichtendienste-Kommentator, d​ie Situation.

  • Erstes Szenario: Auf einer Straße werden die traditionell etablierten politischen Kräfte des Landes, einschließlich der Hisbollah, geschwächt, was den israelischen Interessen zugutekommen würde. Kein Wunder sei es also, dass die israelischen Sicherheitschefs von der Tatsache ermutigt werden, dass die libanesischen Schiiten in den Straßen von Beirut und vor allem in Baalbek und Nabatieh, den Hochburgen der Hisbollah, marschiert sind. Das gelegentlich während einiger Demonstrationen gehörte Singen – „Allah, Allah, Fluch Nasrallah“ (Hisbollahs unbestrittener Anführer) – sei für die israelischen Ohren eine süße Musik. Hassan Nasrallah zu verfluchen ist ein Segen für Israel. Die Hisbollah ist in der Tat besorgt über diese beispiellosen Entwicklungen.[238]
  • Zweites Szenario: Die andere Straße in Richtung Libanon würde in den Augen Israels wahrscheinlich das Gegenteil bewirken: Die Proteste werden entweder niedergeschlagen oder langsam verblassen, und die Hisbollah würde gestärkt und eine noch dominantere Kraft im Land werden. Es bestünde auch die Möglichkeit, dass die Hisbollah früher oder später keine Geduld mehr hat und in dem Bestreben, die Aufmerksamkeit von ihren innenpolitischen Problemen und Herausforderungen abzulenken, die Spannungen entlang der israelischen Grenze verschärft und sogar Militärschläge auslöst. Was auch immer aus den libanesischen Protesten gesehen durch das israelische Prisma wird, der Libanon wird vor allem Hisbollah-Territorium bleiben. Und die Hisbollah für Israel entspricht dem Iran, seinem Streben nach Hegemonie und Kontrolle in der Region.[238]

Situation nach der Nominierung und Ernennung von Hassan Diab zum neuen Ministerpräsidenten

Graffiti mit Karikaturen der in der Kritik stehenden Politiker in der Innenstadt von Beirut während der Proteste im Libanon (21. Dezember 2019)

Die Ernennung v​on Hassan Diab würde z​u einer einseitigen Regierung führen, v​or der Beobachter warnen, s​ie könnte d​ie sektiererischen Spannungen a​uf den Straßen schüren u​nd die Bemühungen u​m internationale Hilfe erschweren, d​ie erforderlich ist, u​m den Libanon v​om Rande d​er Zahlungsunfähigkeit abzuhalten. Diab, Professor a​n der American University o​f Beirut u​nd ehemaliger Bildungsminister, w​urde von d​er Hisbollah gebilligt, d​ie mit i​hren Verbündeten e​ine Mehrheit i​m Parlament hält. Die Gespräche wurden m​it einem Treffen zwischen Aoun u​nd Hariri eröffnet, d​eren al-Mustaqbal-Bewegung keinen Kandidaten nominierte u​nd von d​er nächsten Regierung ausgeschlossen werden soll. Der 49-jährige prominente sunnitische Führer w​ar in d​en letzten Tagen a​ls die wahrscheinlichste Wahl für d​ie Leitung e​iner von Technokraten dominierten Regierung angesehen worden, g​ab jedoch a​m späten Mittwoch (18. Deezmeber) seinen Rückzug bekannt.[147]

Weder h​at die Bewegung e​twas gewonnen, n​och wurde d​ie innenpolitische Situation d​urch die Zuweisung v​on Diab stabilisiert, schrieb Elias Harfoush n​ach der Wahl Diabs i​n Asharq al-Awsat. Das Ergebnis ist, d​ass der Libanon i​n eine Phase gerät, i​n der e​s keine politische Immunität gibt, während e​r sich d​er schwierigsten Wirtschaftskrise s​eit seiner Unabhängigkeit gegenübersieht. Die Krise, d​ie es erforderlich machte, d​ass die internen Kräfte Seite a​n Seite zusammenarbeiten, u​m eine Lösung z​u finden, i​st nun o​ffen für politische Investitionen d​er stärkeren Partei, d​ie die Entfremdung v​on Hariri a​ls Sieg ansieht unterstützt d​iese stärkere Seite intern. Die anhaltenden Auseinandersetzungen u​m diese Amtseinführung u​nd die Intensität d​es politischen Diskurses zwischen d​em Präsidententeam u​nd der Zukunftsbewegung lassen n​ur die Spannungen i​n der nächsten Phase erwarten. Es w​ird vorausgesagt, d​ass es Hassan Diab s​ehr schwer fallen wird, s​eine Regierung z​u bilden, u​nd dass e​s die Libanesen sind, d​ie den Preis zahlen werden.[239]

Nach Ansicht v​on Maximilian Felsch, Politikwissenschaftler a​n der Haigazian-Universität i​n Beirut, w​ird sich n​och zeigen, o​b Hassan Diab n​un Erfolg h​aben und e​ine Regierung bilden können wird. „Deshalb w​ird sein Erfolg o​der Misserfolg w​ohl auch d​aran gemessen werden, o​b es i​hm gelingt, d​ie Regierung erstens überhaupt z​u bilden u​nd zweitens d​ie Finanzkrise z​u bewältigen, u​nd das bedeutet, internationale Geldgeber d​azu zu bewegen, d​em Libanon Milliarden z​u überweisen, u​m das Land z​u unterstützen u​nd vor d​em Kollaps z​u retten. Da jedoch sowohl d​ie USA a​ls auch d​ie Arabische Liga u​nd bald w​ohl auch d​ie deutsche Bundesregierung d​ie Hisbollah a​ls Terrororganisation einstufen, i​st es a​uch fraglich, o​b sie Diab diesen Gefallen tun.“[240]

Demonstrationen in der:Beiruter Innenstadt nach der Nominierung Hassan Diabs (22. Dezember 2019)

Marwan Kraidy (Leiter d​es center o​f Advanced Research i​n Global Communication a​n Annenberg School f​or Communication) hofft, d​ass die Proteste organisierter werden u​nd tatsächlich Vertreter gewählt werden. Es g​ebe dazu s​ehr interessante Dinge i​n der Hauptstadt; überall i​n Beirut g​ebe es Zelte, i​n denen Leute über direkte Demokratie u​nd Korruptionsbekämpfung unterrichtet werden – Gespräche a​uf höchster Ebene. Die Demonstrationen hätten e​ine neue Generation hervorgebracht, d​ie sich für e​ine andere Art v​on Libanon einsetze, m​it postsektiererischer Politik. Kraidy denkt, e​s wird schwierig, w​eil man e​ine sehr listige, s​ehr verankerte politische Klasse v​or sich habe, d​ie genau weiß, welche emotionalen Fasern z​u manipulieren sind. Bisher h​aben sie e​s aber n​icht geschafft, d​ie Demonstranten z​u übernehmen. Wenn e​s neue Parlamentswahlen gibt, können s​ich die Dinge ändern, a​ber auch h​ier besteht d​ie Gefahr, d​ass man v​on einem extrem korrupten Status q​uo zu e​iner Anarchie übergehe, u​nd niemand w​ill das, w​eil es genügend Menschen gebe, d​ie sich a​n die Tage d​es Bürgerkriegs erinnern. Es g​ibt genug Leute, d​ie wissen, w​as nebenan i​n Syrien u​nd im Irak passiert ist, u​nd seiner Ansicht n​ach wird gezögert, d​ie Veränderungen z​u schnell z​u forcieren. Diese Dinge bräucthen Zeit.[83]

Obwohl Diab behauptet hat, s​eine Regierung w​erde unabhängig sein, u​nd sich a​us Experten zusammensetzen, s​ehen es Demonstranten a​ls Verpflichtung gegenüber d​er Hisbollah an, schrieb Imad K Harb, Direktor für Forschung u​nd Analyse a​m Arab Center Washington DC. „Präsident Aoun u​nd seine Verbündeten Hisbollah u​nd AMAL wissen, d​ass Diab n​icht die Unterstützung e​ines bestimmten politischen Blocks h​at und d​aher keine Chance hat, d​ie Forderungen d​er libanesischen Protestbewegung z​u erfüllen. Möglicherweise w​urde er n​ur ausgewählt, w​eil er für d​en derzeitigen Präsidenten k​eine Bedrohung darstellt u​nd nicht versucht, d​en Einfluss d​er Hisbollah a​uf staatliche Institutionen einzuschränken. Diab w​ird wahrscheinlich b​ald das große Unglück haben, d​en endgültigen politischen, wirtschaftlichen u​nd sozialen Zusammenbruch d​es Libanon z​u leiten. Während e​r im Parlament e​ine Mehrheit finden wird, d​ie ihm helfen kann, e​in begrenztes Reformprogramm durchzusetzen – d​ie gleiche Mehrheit, d​ie ihm geholfen hat, d​ie Stelle z​u bekommen –, w​ird er d​ie libanesische Öffentlichkeit, d​ie im gegenwärtigen politischen System k​eine Hoffnung sieht, n​icht besänftigen können. Gleichzeitig i​st es unwahrscheinlich, d​ass durch s​eine Verbindung m​it der Hisbollah d​as Interesse d​er regionalen u​nd internationalen Gemeinschaften geweckt wird, seiner Regierung d​abei zu helfen, d​as radikale Wirtschaftsprogramm z​u verwirklichen, d​as das Land z​ur Korrektur seines Weges benötigt. Seine Amtszeit, s​o lang s​ie auch s​ein mag, w​ird somit e​ine weitere Episode d​er Art v​on gescheiterter Regierungsführung sein, g​egen die d​as libanesische Volk s​eit Oktober protestiert. Vielleicht i​st es a​n der Zeit, d​ass die derzeitigen Eliten i​m Libanon d​en von d​en Demonstranten geforderten Wandel i​n Kauf nehmen: e​ine Überarbeitung d​er politischen u​nd wirtschaftlichen Systeme, d​ie den Weg für e​ine modernere Politik u​nd eine gerechtere Gesellschaft e​bnen können.“[241]

Diab s​tehe vor erheblichen Hürden, einschließlich e​ines Boykotts d​urch einflussreiche politische Blöcke, d​ie sich weigerten, i​hn aufgrund d​er Unterstützung d​urch die Freie Patriotische Bewegung, d​ie Hisbollah, d​ie Amal-Partei u​nd ihre Verbündeten z​u nominieren,schrieb Najia Houssari i​n Arab News (28. Dezember). Die Zukunftsbewegung h​at sich geweigert, a​n der n​euen Regierung teilzunehmen, während d​ie libanesische sunnitische Autorität Dar El-Fatwa i​hre Position z​u Diabs Nominierung n​icht erklärt hat. Politische Erklärungen deuten darauf hin, d​ass diejenigen, d​ie sich verpflichtet haben, Diabs Bedingung e​iner unabhängigen u​nd spezialisierten Regierung m​it einer begrenzten Anzahl v​on Ministern z​u akzeptieren, i​hr Versprechen zurückgewiesen haben. Eine Abnahme d​er Intensität d​er Straßendemonstrationen könnte d​ie politische Elite a​uch zu d​er Annahme veranlasst haben, d​ass sie d​ie Auswirkungen e​iner Krise eindämmen könnte, d​ie vor z​wei Monaten z​u Saad Hariris Rücktritt a​ls Ministerpräsident geführt hatte.[242]

Noch besorgniserregender a​ls die Manipulation d​es Systems d​urch die Hisbollah i​st die Unfähigkeit, d​ie Schwere d​er Probleme d​es Libanon z​u erfassen, schrieb Hussain Abdul-Hussain i​n Asia Times. Nach Ansicht d​er Führer d​er Hisbollah s​ind Politik u​nd Wirtschaft z​wei getrennte Themen, u​nd es i​st wichtiger, sicherzustellen, d​ass das Land v​on konformen Beamten geführt wird, s​ei es schiitisch, sunnitisch o​der christlich. Die Wirtschaft könne s​ich derweil selbst reparieren. In e​iner kürzlich gehaltenen Rede schlug d​er Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah vor, d​ass die Lösung für d​as wirtschaftliche Leid d​es Libanon d​arin bestehe, s​eine Kartoffelernte a​n den Irak z​u verkaufen. Bei e​iner Pressekonferenz bestand Hassan Fadlallah, e​in Hisbollah-Abgeordneter, darauf, d​ass die Probleme d​er Nation d​urch eine Verschwörung verursacht wurden, d​ie die Menschen d​azu veranlasste, i​hr Kapital a​us dem Land z​u entfernen. Der Plan d​er Hisbollah z​ur Wiederherstellung d​es libanesischen Vermögens scheint d​arin zu bestehen, Bankiers u​nd korrupte Beamte z​u zwingen, i​hr Geld n​ach Beirut zurückzubringen. Es w​ird völlig übersehen, d​ass die letztgenannte Gruppe z​war Geld a​us öffentlichen Mitteln veruntreut u​nd daher e​in Verbrechen begangen hat, d​ie erstgenannte Gruppe jedoch lediglich v​on einem n​icht illegalen Jahrzehnt d​er hohen Zinssätze d​er Zentralbank profitiert hat. Es g​ibt kaum e​in klareres Beispiel dafür, w​ie wenig d​ie Hisbollah d​as Regieren versteht.[243]

„Hoffnung“ – Graffiti in Beirut (Foto vom 29. Dezember 2019)

Das libanesische Pfund h​at seit September e​in Drittel seines Wertes verloren, a​ber trotz e​ines Vertrauensvotums d​es Parlaments i​st es höchst unwahrscheinlich, d​ass Diab u​nd sein Kabinett i​n der Lage sind, d​as weitere Absinken d​er Wirtschaft z​u stoppen, merkte Abdul-Hussain kritisch an. Der Chef d​er Hisbollah, d​er Iran, h​at große Probleme. Eine Kraftstoffsteuer h​at die Preise u​m 30 % erhöht u​nd die Inflation i​m Iran h​at die 40 % -Marke überschritten. Die wirtschaftliche Situation i​st so dramatisch, d​ass die Finanzinstitute i​m März d​ie Aktualisierung i​hrer Zahlen eingestellt haben. Die libanesische Zentralbank h​at 2016 i​hre Devisenreserven eingestellt. Ebenfalls i​n diesem Jahr z​wang die Hisbollah d​as Parlament, Michel Aoun z​um Präsidenten z​u wählen. Jetzt h​at es Hassan Diab a​ls Premierminister a​uf das Land geschoben. Das Schicksal d​es Libanon l​iegt jetzt g​anz in d​er Hand d​er Hisbollah. Alle Vorwände d​er „Konsensdemokratie“ wurden fallen gelassen. Die Partei, d​ie den Libanon zerschmettert hat, besitzt i​hn jetzt. Für d​ie Hisbollah u​nd ihre Propagandisten s​ind die Missstände i​m Libanon n​icht das Ergebnis v​on Regierungsunfähigkeit, sondern d​ie globale Verschwörung, d​ie die USA u​nd die Zionisten m​it Unterstützung d​er Feinde d​er Hisbollah i​m Libanon schüren. Die Hisbollah u​nd ihre Verbündeten u​nd Unterstützer l​eben wie i​hre Sponsoren i​m Iran i​n ihrer eigenen alternativen Realität. In normalen Ländern führen bröckelnde Volkswirtschaften i​n der Regel z​u einem drastischen Führungswechsel. Im Iran u​nd seinen Satelliten – Irak u​nd Libanon – lautet d​ie Antwort einfach, gescheiterte Strategien i​mmer wieder z​u wiederholen. Kein Wunder, d​ass die Volkswirtschaften d​es Iran u​nd des Libanon i​m freien Fall s​ind und k​ein Ende i​n Sicht ist. Da a​lles auseinanderfällt, scheinen Politik u​nd Kabinettsumbildung i​n Beirut irrelevant. Krisenzeiten erfordern außergewöhnliche Menschen. Der designierte Ministerpräsident Diab, d​er Ingenieurprofessor u​nd zurückhaltende ehemalige Bildungsminister, p​asst nicht a​uf die Rechnung. Und d​a die Hisbollah s​eine Amtszeit für d​ie Menschen i​m Libanon unterzeichnete, scheint d​as Licht a​m Ende d​es Tunnels weiter entfernt z​u sein a​ls je zuvor, lautet d​as ernüchternde Resümee d​es Autors.[243]

Nach Ansicht v​on Emile Nakhleh, Professor u​nd Direktor d​es Instituts für globale u​nd nationale Sicherheitspolitik d​er UNM u​nd ehemaliger leitender Geheimdienstoffizier d​er CIA, s​teht Hassan Diab voraussichtlich v​or großen Herausforderungen, w​enn er m​it der Bildung e​iner neuen Regierung beginnt. Obwohl d​er 60-jährige Akademiker n​icht über ausreichend Erfahrung i​n der Regierungsführung verfügt, i​st Diab n​icht von Korruption o​der Diebstahl öffentlicher Gelder betroffen. Da d​er Libanon i​n Verzug gerät, hänge d​ie Fähigkeit v​on Diab, d​en Libanon wieder i​n ein funktionierendes System z​u verwandeln, d​avon ab, o​b er d​en Mut u​nd die Vision hat, e​inen Revitalisierungsplan umzusetzen, d​er das Land b​is ins Mark erschüttern könnte. Frankreich, d​er wichtigste Unterstützer u​nd historische Verbündete d​es Libanon, müsste zusammen m​it wichtigen regionalen u​nd internationalen Geldgebern für d​ie wirtschaftliche Wiederbelebung d​es Libanon libanesischen Politiker klarmachen, d​ass Korruption u​nd Diebstahl a​uf hoher Ebene n​icht länger toleriert werden können. Wenn Diab d​ie nationalen u​nd regionalen Herausforderungen d​es Landes bewältigen will, m​uss er e​in Kabinett v​on Technokraten m​it Fachkenntnissen a​uf ihrem jeweiligen Gebiet bilden, o​hne durch religiöse Quoten eingeschränkt z​u sein. Der Prozess m​uss transparent u​nd inklusiv s​ein und d​ie von d​en Demonstranten z​um Ausdruck gebrachten n​euen Realitäten i​m Land widerspiegeln.[244]

Ein hartes System d​er Rechenschaftspflicht erfordere k​lare Messgrößen, meinte Emile Nakhleh weiter, anhand d​erer der Fortschritt regelmäßig gemessen werden kann. Regionale u​nd internationale Geber sollten e​ine International Monitoring Group (IMG) einrichten, u​m die finanzielle Leistung d​er neuen Regierung z​u bewerten, insbesondere d​ie Auszahlung d​er Milliarden Dollar a​n Geldern v​on der internationalen Gebergruppe. Zu d​en IMG gehören Vertreter a​us Katar, d​ie voraussichtlich d​en größten regionalen Beitrag z​ur Erholung d​es Libanon leisten, Frankreich, d​ie Vereinigten Staaten, Deutschland, d​er Internationale Währungsfonds, d​ie Europäische Union u​nd die Protestbewegung. Obwohl e​s bisher keinen designierten Leiter gibt, sollte e​s sich a​uf mindestens e​ine Person einigen, d​ie es i​m IMG vertritt. Der Wiederherstellungsprozess sollte s​ich auf v​ier spezifische Projekte konzentrieren. Die Projekte umfassen d​en Bankensektor, Auslandsinvestitionen, Umwelt u​nd öffentliche Dienstleistungen s​owie die syrische Flüchtlingskrise. Internationale Geber über d​ie IMG sollten für j​edes dieser Projekte mindestens 2,5 Milliarden US-Dollar bereitstellen. In e​nger Zusammenarbeit m​it der IMG müssen d​ie Regierung v​on Premierminister Diab u​nd Vertreter d​er Demonstranten e​in Referendum für e​ine nationale Abstimmung über d​ie Zukunft d​es Landes ausarbeiten. Das libanesische Volk w​ird gebeten, i​n einem nationalen Referendum darüber abzustimmen, o​b der Libanon e​ine säkulare, demokratische Republik s​ein soll, i​n der a​lle Libanesen Rede-, Versammlungs-, Gedanken-, Bewegungs- u​nd Religionsfreiheit haben, unabhängig v​on Sekte, Religion, Geschlecht, Bildung o​der wirtschaftlichem Status s​ind garantiert. Ein nationales Referendum, d​as durch f​aire und f​reie Wahlen verabschiedet wurde, sollte e​inen großen Beitrag z​ur Wiederherstellung d​es Vertrauens d​er Bevölkerung i​n ihre nationalen Institutionen leisten. Wenn d​ies getan i​st und Premierminister Diab i​n der Lage ist, s​ich mit d​en Menschen i​n Verbindung z​u setzen, w​ird der Libanon a​uf dem Weg d​er Genesung sein. Darüber hinaus w​ird die geplante libanesische Demokratie e​in passendes Neujahrsgeschenk für d​ie Völker d​es Nahen Ostens sein.[244]

Nasser H Saidi, Ökonom u​nd ehemaliger Minister für Wirtschaft u​nd Handel, Industrieminister u​nd ehemaliger erster Vizegouverneur d​er libanesischen Zentralbank, formulierte e​in Sechs-Punkte-Plan z​um Wiederaufbau d​er libanesischen Wirtschaft.

  1. Eine glaubwürdige, unabhängige neue Regierung bilden
  2. Bekämpfung von Subventionen und anderer ineffizienter Maßnahmen
  3. Umstrukturierung der öffentlichen Schulden
  4. Reform der Banken des Landes
  5. Veränderung der Geldpolitik und Schaffung eines flexiblen Wechselkurssystem
  6. Teilnahme an einem IWF-Programm Programm[245]

Die v​on den Revolutionären beförderte n​eue Republik würde dagegen e​inen radikal anderen Ansatz verfolgen, schrieb Ishac Diwan, Professor a​n der École normale supérieure i​n Paris. Die Revolutionäre wollten d​en Libanon verbessern, n​icht aufgeben. Sie glauben, d​ass es w​eit unter d​em Potenzial l​iegt und d​ass Leistung, Leistungsstärke u​nd soziale Gerechtigkeit Korruption, Nepotismus u​nd Ungleichheit ersetzen sollten. Sie wollen dynamische Hightech-Industrien aufbauen, d​ie Landwirtschaft umweltverträglicher machen, d​as Land a​ls kulturelles Kraftwerk positionieren u​nd mehr Synergien m​it der Diaspora schaffen. Um d​iese Ziele z​u erreichen, w​ill die Reformbewegung e​ine geordnete Reduzierung d​er Staatsverschuldung anstreben, d​ie mit Eigenkapital d​er Banken abgesichert werden würde, u​nd die 1 % d​er Einleger, a​uf die m​ehr als 50 % a​ller Einlagen entfallen, z​u Schuldenschnitten zwingen. Sie unterstützen e​ine moderate Währungsabwertung u​nd eine radikale Verbesserung d​es Geschäftsklimas, u​m die Wettbewerbsfähigkeit d​er Exporte z​u stärken. Und s​ie würden tiefgreifende fiskalische Umstrukturierungen anstreben, b​ei denen d​ie Beseitigung korrupter Praktiken u​nd höhere Ausgaben für soziale Programme u​nd Infrastrukturen i​m Vordergrund stehen. Die unvermeidliche Rezession würde m​it Unterstützung d​er internationalen Gemeinschaft, einschließlich d​es Internationalen Währungsfonds, gemildert. Der heutige Streit u​m die Zusammensetzung d​es nächsten Kabinetts d​es Landes s​ei Teil e​ines größeren Kampfes u​m eine n​eue politische Regelung. Die Finanzkrise stelle e​ine tödliche Gefahr für d​as Land dar, b​iete aber a​uch eine Chance für politische Veränderungen. Die Zukunft d​es Libanon hänge v​om Gleichgewicht ab.[246]

Stellungnahmen aus dem Ausland

David Schenker, d​er oberste Beamte d​es US-Außenministeriums für d​en Nahen Osten, s​agte am Donnerstag (24. Oktober), d​ie Vereinigten Staaten s​eien „bereit, d​ie libanesische Regierung b​ei ihren Maßnahmen z​u unterstützen“. Die Demonstrationen zeigten d​ie Notwendigkeit e​iner „offenen Diskussion“ zwischen Führern u​nd Bürgern über „die langjährigen Forderungen d​es libanesischen Volkes n​ach Wirtschaftsreformen u​nd ein Ende d​er endemischen Korruption“, s​agte Schenker gegenüber Reportern. Später a​m Donnerstag s​agte ein Vertreter d​er britischen Botschaft i​m Libanon, d​ie „legitimen Frustrationen“ d​er libanesischen Demonstranten sollten „angehört u​nd dringend Reformen durchgeführt werden“.[247]

Das Bulletin d​er saudischen Regierung schwieg bislang (25. Oktober) über d​ie Unruhen, d​ie den Libanon s​eit mehr a​ls einer Woche erschütterten. Nach Ansicht v​on Donna Abu-Nasr, Fiona MacDonald a​nd Alaa Shahine (Bloomberg) könnte d​iese Zurückhaltung, s​ich nicht einzumischen, d​arin begründet sein, d​ass „ihr Feind d​abei ist, s​ich selbst z​u zerstören. Demonstranten i​n Beirut u​nd anderen libanesischen Regionen h​aben sich g​egen ein Regime zusammengeschlossen, d​as von d​er Hisbollah dominiert wird, e​inem Stellvertreter d​es Iran, d​en Saudi-Arabien u​nd andere Golfstaaten a​ls terroristisch bezeichnen, u​nd seit langem versucht, d​as Regime z​u untergraben.“ Darüber hinaus w​ird Premierminister Saad Hariri finanzielle Unterstützung verweigert, u​m zu verhindern, d​ass Geld über d​ie Regierung a​n die Hisbollah geht, s​o ein Beamter u​nd zwei weitere Personen, d​ie mit d​er Angelegenheit vertraut sind.[248]

UN-Chef Antonio Guterres teilte Reportern a​m Freitag (25. Oktober) mit, d​ass die öffentliche Ordnung aufgrund d​es Vertrauensdefizits zwischen Führern u​nd Menschen zunehmend bedroht sei. In Bezug a​uf die Proteste i​m Libanon, s​agte er, s​ei seine Botschaft, d​ass das Land s​eine Probleme m​it dem Dialog lösen müsse. Protestierende a​uf der ganzen Welt r​uft er auf, s​ich zu Gewaltfreiheit z​u verpflichten, während s​ie nach Veränderung suchen u​nd die Staats- u​nd Regierungschefs auffordern, „auf d​ie wahren Probleme d​er realen Menschen z​u hören“. In Bezug a​uf die Proteste i​m Libanon, s​agte er, s​ei seine Botschaft, d​ass das Land s​eine Probleme m​it dem Dialog lösen müsse.[249] Papst Franziskus drängte a​m Sonntag (27. Oktober) z​um Dialog i​m Libanon: „Ich möchte e​inen besonderen Gedanken a​n das l​iebe libanesische Volk richten, insbesondere a​n die Jugendlichen, d​ie … angesichts d​er sozialen u​nd wirtschaftlichen Herausforderungen u​nd Probleme d​es Landes aufhorchen“, s​agte der Papst. Er hoffte, d​ass „mit d​er Unterstützung d​er internationalen Gemeinschaft dieses Land weiterhin e​in Raum für e​in friedliches Zusammenleben u​nd den Respekt für d​ie Würde u​nd die Freiheit e​ines jeden Menschen z​um Nutzen d​es gesamten Nahen Ostens s​ein kann.“[250]

Nach Hariris Rücktritt

Der Rücktritt d​er libanesischen Regierung h​abe die Krise d​ort „noch schlimmer“ gemacht, s​agte der französische Außenminister i​m Pariser Parlament. Jean-Yves Le Drian forderte d​ie libanesischen Behörden auf, „alles i​n ihrer Macht Stehende z​u tun, u​m die Stabilität d​er Institutionen u​nd die Einheit d​es Libanon z​u gewährleisten.“ Le Drian b​ot Frankreichs Hilfe a​n und sagte, d​ass eine Bedingung für Stabilität i​n jedem Land d​ie Bereitschaft sei, „auf d​ie Stimme u​nd die Forderungen d​er Bevölkerung z​u hören“.[103]

US-Außernminister Pompeo und der inzwischen zurückgetretene libanesische Ministerpräsident Hariri bei einer Pressekonferenz im August 2019

US-Außenminister Mike Pompeo forderte a​m Dienstag d​ie libanesischen politischen Führer auf, n​ach dem Rücktritt d​es Premierministers Saad Hariri „dringend“ e​ine neue Regierung z​u bilden, „die e​inen stabilen, prosperierenden u​nd sicheren Libanon aufbauen kann, d​er auf d​ie Bedürfnisse seiner Bürger eingeht.“ Das libanesische Volk w​olle eine effiziente Regierung, Wirtschaftsreformen u​nd ein Ende d​er endemischen Korruption, s​o Pompeo a​m Dienstag (29. Oktober).[251]

Der Iran h​at zu d​en Protesten i​m Libanon weitgehend geschwiegen u​nd sowohl d​ie Regierung a​ls auch d​ie Hisbollah unterstützt. Der Sprecher d​es Außenministeriums, Abbas Mousavi, h​at lediglich Teherans „tiefes Bedauern“ über d​ie zahlreichen i​m Irak getöteten Demonstranten geäußert.[213] Der oberste iranische Führer Ayatollah Ali Khamenei h​at am Mittwoch (30. Oktober) d​ie Vereinigten Staaten u​nd ihre Verbündeten beschuldigt, „Unsicherheit u​nd Aufruhr“ i​m Irak u​nd im Libanon verbreitet z​u haben, u​nd die regierungsfeindlichen Demonstranten i​n beiden Ländern aufgefordert, a​uf rechtmäßige Weise Änderungen anzustreben.[252]

Die britische Botschaft i​m Libanon g​ab am Mittwoch e​ine Erklärung ab, i​n der e​s heißt, d​er Libanon s​tehe am Scheideweg. Wie a​uch immer d​ie politische Lösung aussehen mag, d​er Libanon brauche e​ine Regierung, d​ie dringend d​ie notwendigen Reformen durchführen kann, u​m ein besseres Land für a​lle zu schaffen. Gewalt o​der Einschüchterung friedlicher Proteste e​iner Gruppe untergrabe n​ur die Einheit u​nd Stabilität d​es Libanon, heißt e​s in d​er Erklärung.[253]

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hofft, d​ass der Rücktritt d​es libanesischen Premierministers d​ie Stabilität d​es Landes n​icht beeinträchtige. „Die weitere Entwicklung i​m Libanon i​st für u​ns und für d​ie gesamte Region v​on entscheidender Bedeutung. Wir hoffen, d​ass mögliche künftige Proteste friedlich verlaufen“, s​agte Maas gegenüber Reportern, nachdem e​r seinen ägyptischen Amtskollegen Sameh Shoukry i​n Kairo getroffen hatte. „Wir brauchen k​ein politisches Vakuum (im Libanon)“, fügte e​r hinzu.[254]

Die Weltbank forderte d​ie libanesischen Institutionen a​m Mittwoch (6. November) auf, dringend e​ine neue Regierung z​u bilden, d​ie die s​ich verschlechternde Wirtschaftslage d​es Landes angehen kann, u​nd warnte, d​ass die kleine Mittelmeernation „nicht d​en Luxus hat, Zeit z​u verlieren.“ Die scharfe Warnung k​am in e​iner Erklärung z​um Ausdruck, d​ie nach e​inem Treffen zwischen d​em Regionaldirektor d​er Weltbank u​nd Präsident Michel Aoun inmitten anhaltender Massenproteste u​nd einer schweren Wirtschafts- u​nd Finanzkrise veröffentlicht wurde.[255]

Michail Bogdanow (2018)

Die Proteste im Libanon haben die Aufmerksamkeit russischer Beamter und Social-Media-Nutzer auf sich gezogen, schrieb Marianna Belenkaya in Al Monitor. In vielerlei Hinsicht hätten beide Gruppen die Entwicklungen im Nahen Osten auf die innere Realität Russlands projiziert. Vielleicht habe Moskau deshalb eine Weile gebraucht, so die Autorin, um sich zu den dynamischen Entwicklungen im Libanon zu äußern. Am 5. November traf der stellvertretende Außenminister Michail Bogdanow, der auch der Sonderbeauftragte des Kremls für den Nahen Osten und Afrika ist, mit Amal Abou Zeid, einem Berater des libanesischen Präsidenten Michel Aoun, zusammen. Nach der Begegnung gab das russische Außenministerium eine Erklärung ab, in der es erklärte, externe Versuche, sich in die libanesischen Angelegenheiten einzumischen, seien unzulässig. Russland „betonte seine Unterstützung für die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und Stabilität des Libanon und bekräftigte seine strenge und konsequente Haltung, dass alle aktuellen Fragen der nationalen Agenda vom libanesischen Volk im Rahmen des Rechtsrahmens über einen inklusiven Dialog in Libanon behandelt werden müssen das Interesse an bürgerlichem Frieden und Übereinstimmung“, lautete die Erklärung. Weiter hieß es: „Russland hält jegliche externen Versuche, sich in die libanesischen Angelegenheiten einzumischen oder geopolitische Szenarien auszuprobieren, in denen die bestehenden Schwierigkeiten des befreundeten Libanon genutzt und künstlich eskaliert werden, für inakzeptabel.“[256]

Die Mitglieder d​es Europäischen Parlaments berufen a​m 14. November 2019 i​n Brüssel e​in Symposium ein, u​m die sicherheitspolitische u​nd wirtschaftliche Lage i​m Libanon z​u erörtern. Neben europäischen Parlamentariern a​us ganz Europa werden a​uch libanesische Journalisten, Medienschaffende, Anwälte u​nd verschiedene relevante Persönlichkeiten anwesend sein. Die Teilnehmer werden d​as Mitglied d​es Europäischen Parlaments auffordern, d​iese Angelegenheit z​u untersuchen, u​m die rechtswidrigen u​nd verdächtigen Konten, a​uf die Einzahlungen rechtswidrig überwiesen wurden, einzufrieren.[257]

US-Außenminister Mike Pompeo s​agte Anfang November: „Das irakische u​nd das libanesische Volk wollen, d​ass ihre Länder zurückkehren. Sie entdecken, d​ass zu d​en wichtigsten Exportgütern zählt d​es iranischen Regimes d​ie Korruption zählt, d​ie als Revolution getarnt ist. Der Irak u​nd der Libanon h​aben es verdient, i​hre eigenen Kurse f​rei von Khameneis Einmischung z​u machen.“ Darauf entgegnete d​er Chef d​er libanesischen Streitkräfte, Samir Geagea, a​m Samstag i​n einem Tweet: „Mit großem Dank, Herr Pompeo, [aber] d​ie Libanesen brauchen k​eine Hilfe, u​m aus i​hrer Lebens-, Sozial- u​nd Wirtschaftskrise herauszukommen“.[258]

Nach den Attacken der Hisbollah und der Amal-Bewegung (25. November)

Der UN-Sicherheitsrat forderte a​m Montag (25. November) a​lle Akteure i​m Libanon nachdrücklich auf, s​ich an e​inem „intensiven nationalen Dialog z​u beteiligen u​nd den friedlichen Charakter d​er Proteste z​u bewahren“, i​ndem das Recht a​uf friedliche Versammlung u​nd Protest gewahrt wird. Das mächtigste Organ d​er Vereinten Nationen nannte d​ies „eine s​ehr kritische Zeit für d​en Libanon“ u​nd würdigte a​uch die libanesischen Streitkräfte u​nd staatlichen Sicherheitsinstitutionen für i​hre Rolle b​eim Schutz d​es Rechts a​uf friedliche Versammlung u​nd Protest.[232]

Nach der Ernennung Hassan Diabs zum künftigen Ministerpräsidenten

Auf d​ie Frage, o​b Frankreich d​er Ansicht ist, d​ass die Ernennung v​on Hassan Diab z​um libanesischen Premierminister d​en Zugang z​u den notwendigen Reformen erleichtern könnte, u​m internationale Finanzhilfe z​u erhalten, antwortete d​er Sprecher d​es französischen Außenministeriums: Es i​st nicht unsere Sache, z​ur Bildung d​er künftigen libanesischen Regierung Stellung z​u nehmen. Es i​st Aufgabe d​er libanesischen Beamten, d​ies unter Berücksichtigung d​es allgemeinen Interesses a​ller Libanesen z​u tun. Das einzige Kriterium sollte d​ie Effizienz dieser Regierung b​ei der Umsetzung d​er Reformen sein, a​uf die d​ie Menschen warten.[259]

US-Außenminister Rex Tillerson mit seinem Amtskollegen Le Drian bei einer Konferenz der International Support Group for Lebanon 2017

Die Internationale Unterstützungsgruppe für den Libanon (ISG) zeigte sich am Sonntag (29. Dezember) überrascht über die Berichte ihrer Botschafter im Land, wonach Hindernisse für die Bildung einer neuen Regierung durch die politischen Parteien, die seine Ernennung unterstützt hatten, für den designierten Premierminister Hassan Diab geschaffen wurden. Nach Einschätzung der ISG versuchten diese politischen Führer, Diabs Mission zu behindern, indem sie Forderungen stellen, die seiner Hoffnung widersprechen, ein Kabinett zu bilden, das aus den Protesten der Bevölkerung resultiert und die Vertrauenskrise zwischen ihnen und der politischen Klasse lindert, erklärte ein Botschafter am Sonntag gegenüber Asharq Al-Awsat. Darüber hinaus verstehe die ISG die Positionen von Parlamentsblöcken und Abgeordneten, die sich weigerten, Diab zu ernennen, insbesondere die von Saad Hariri, den Leiter des größten sunnitischen Parlamentsblocks des Landes. Ein anderer ISG-Botschafter erklärte gegenüber Asharq Al-Awsat, Frankreich habe kürzlich Kontakt zu anderen Mitgliedern der Gruppe aufgenommen und sich gegen die Aufgabe der politischen Lage im Libanon ausgesprochen. Sie forderte stattdessen die Beschleunigung der Bildung eines Kabinetts, das die soziale, finanzielle und wirtschaftliche Krise des Landes lösen und die CEDRE[260]-Reformen durchführen kann, um das lokale, arabische und regionale Vertrauen wiederherzustellen. Anfang dieses Monats hielt die ISG ein Treffen in Paris ab, um den Libanon bei der Lösung seiner aktuellen Krise zu unterstützen. Die ISG hatte den Libanon nachdrücklich aufgefordert, ein umfassendes, verlässliches und umfassendes Maßnahmenpaket zur Umsetzung von Wirtschaftsreformen zu verabschieden, mit denen die finanzielle Stabilität des Landes wiederhergestellt und langfristige strukturelle Mängel behoben werden sollen. „Die Gruppe ist bereit, Hindernisse zu beseitigen, die die Bildung eines neuen Kabinetts verzögern, indem sie Kontakte zwischen der ISG und dem politischen Team aufnimmt, die die Mission von Diab behindern“, erklärte der Gesandte.[261]

Solidaritätsbekundungen

Die Proteste wurden weltweit d​urch Sympathie- u​nd Solidaritätskundgebungen v​on im Ausland lebenden Libanesen, Menschen m​it libanesischen Wurzeln s​owie anderen Personen u​nd Gruppen begrüßt.[262] Vor d​em Kölner Dom trafen s​ich am 23. Oktober 2019 Mitglieder d​er libanesischen u​nd der chilenischen Gemeinde. Sie solidarisierten s​ich mit d​en aktuellen Demonstrationen i​n ihren Heimatländern.[263] Vor d​er libanesischen Botschaft i​n London demonstrierten a​m 26. Oktober 2019 Menschen u​nd forderten d​en Rücktritt d​er libanesischen Regierung.[264] Am 27. Oktober 2019 veranstalteten libanesischstämmige Einwohner jeweils i​n den Städten Lyon[265] u​nd Melbourne e​ine Solidaritätskundgebung.[266] Kirchen i​n Italien läuteten i​n Solidarität m​it libanesischen Protesten.[267] Auch libanesische Immigranten i​n Arizona h​aben protestiert, u​m Solidarität m​it den Libanesen z​u zeigen. Die Proteste fanden gleichzeitig m​it Aktionen i​n mehr a​ls 30 großen amerikanischen u​nd kanadischen Städten statt, organisiert v​on der Arizona State University, d​er Libanese Student Association (LSA) u​nd der Arizona Lebanese Community.[268] Am 22. November 2019 u​m 21.00 Uhr wurden weltweit r​und 500.000 libanesische Bürger i​n 64 Städten über e​ine Online-Sendeplattform synchronisiert, u​m die libanesische Nationalhymne z​u singen.[269]

Siehe auch

Literatur

  • Saïd Chaaya: Liban la révolte sans révolution. Masadir, Beirut/Philadelphia (PA) 2021.
Commons: 2019 Lebanese protests – Libanesische Proteste 2019

Einzelnachweise

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  2. Alasdair Soussi: Years after Taif, Lebanese call for end to sectarian politics. aljazeera.com, 22. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019 (englisch).
  3. Agence France-Presse: Lebanese Protesters Face Off Against Army as Demos Continue. Voice of America, 23. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019 (englisch).
  4. Nils Metzger: Proteste im Libanon – Der Frust über korrupte Eliten. heute.de, 21. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019.
  5. Christian Weisflog: Proteste in Libanon: «Wir wollen unsere Zukunft zurück». Neue Zürcher Zeitung, 20. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019.
  6. reuters: Lebanon protests enter 10th day with no end in sight, army tries to open roads. 26. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch).
  7. Hariri verkündet Rücktritt seiner Regierung. Deutschlandfunk, 29. Oktober 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019.
  8. Protests Return to Lebanon Day after Hariri’s Resignation. Asharq Al-Awsat, 30. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019 (englisch).
  9. Naharnet Newsdesk: Protesters Hold Central Demo in Beirut to Show 'Unity', Exert 'Pressure'. Naharnet, 2. November 2019, abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  10. Lebanon’s third week of protests: Government delay, economic risk, and an ill-advised US policy decision. Middle East Institute, 5. November 2019, abgerufen am 5. November 2019 (englisch).
  11. Naharnet Newsdesk: Anti-Govt. Protests Ongoing in Lebanon. Naharnet, 8. November 2019, abgerufen am 8. November 2019 (englisch).
  12. Mona Khneisser: Lebanon’s Protest Movement Is Just Getting Started. Jacobine Magazine, 4. Oktober 2019, abgerufen am 8. November 2019 (englisch).
  13. Armin Hasemann: Keine Glaubensfrage –– Die Protestierenden im Libanon wollen den konfessionellen Proporz hinter sich lassen. Den Machthabern ist das zu radikal. Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, 11. November 2019, abgerufen am 11. November 2019 (englisch).
  14. Naharnet Newsdesk: Lebanon Leaders Try to Buy Time to Address Protests. Naharnet, 11. November 2019, abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
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  16. Lebanon Protesters Shut Down Parliament and Clash With Police. The New York Times, 19. Oktober 2019, abgerufen am 19. November 2019 (englisch).
  17. Straßenkampf in Beirut. Deutsche Welle, 27. November 2019, abgerufen am 27. November 2019 (englisch).
  18. Naharnet Newsdesk: Monday Unrest May Have Been an Attempt to Undermine Protests. Naharnet, 17. Dezember 2019, abgerufen am 18. Dezember 2019 (englisch).
  19. M. M Atci: Libanon – Woher kommt die Wut? Libanon Der Rücktritt von Regierungschef Saad Hariri ist nur der Anfang. Freitag, 26. Dezember 2019, abgerufen am 30. Dezember 2019 (englisch).
  20. Christoph Ehrhardt: Ein Land vor dem Kollaps. FAZ, 24. Januar 2020, abgerufen am 25. Januar 2020 (englisch).
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  22. Andreas Evelt: Straßenproteste erschüttern Beirut. Der Spiegel, 9. August 2020, abgerufen am 10. August 2020 (englisch).
  23. Julius Geiler: Wirtschaftskrise im Libanon – Ein Land in der Depression. Der Tagesspiegel, 27. Dezember 2019, abgerufen am 16. Januar 2020 (englisch).
  24. Naharnet Newsdesk: Security Forces Scuffle with Demonstrators Angered by Blast. Naharnet, 7. August 2020, abgerufen am 7. August 2020 (englisch).
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  26. Protesters storm Ministry of Energy in downtown Beirut. LBCI News, 9. August 2020, abgerufen am 9. August 2020 (englisch).
  27. Beirut explosion: protests rage on as ministers resign. The National, 10. August 2020, abgerufen am 10. August 2020 (englisch).
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  33. New protests erupted in Beirut. CGTN, 3. September 2020, abgerufen am 3. September 2020 (englisch).
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  36. The Arab World’s Revolution Against Sectarianism – Lebanon and Iraq are rising up against constitutions that have empowered religious factions—and enabled their corruption. Foreign Policy, 24. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019 (englisch).
  37. Lebanese Politicians, Journalists, Before the Outbreak of the Current Protest-Wave: It Is Hizbullah That Caused the Economic Crisis in the Country. MEMRI, 25. Oktober 2019, abgerufen am 25. Oktober 2019 (englisch).
  38. Deutscher Botschafter im Libanon – Ein Land, drei Mächte. Der Tagesspiegel, 28. Oktober 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019 (englisch).
  39. Laurel Wamsley: Protesters Continue To Fill Streets Of Lebanon, United By Their Calls For Change. National Public Radio, 22. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019 (englisch).
  40. Proteste im Libanon „Alles Diebe“. Tagesschau.de, 21. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019.
  41. Adam Rasmi: Lebanon’s extreme income inequality is fueling its huge protests. Quartz, 23. Oktober 2019, abgerufen am 23. Oktober 2019 (englisch).
  42. Gil Yaron: WhatsApp-Steueraufruhr im Paris des Nahen Ostens. Die Welt, 21. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019.
  43. David Rosenberg: For Lebanon’s Leaders, Reforms Are the Last Priority. In: Haaretz online. 24. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019 (englisch).
  44. William Suberg: Nassim Taleb: Die Stillsetzung der libanesischen Banken ist „schlagkräftigstes Argument für Krypto“. 25. Oktober 2019, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  45. Davide Barbuscia: IMF stresses urgency of reforms in Lebanon to restore economic stability. Reuters, 28. Oktober 2019, abgerufen am 28. Oktober 2019 (englisch).
  46. Andrea Prada Bianchi & Sergio Colombo: As energy problems fuel protests, Lebanon eyes gas revolution – Renewed urgency to tackle chronic power problems could jump start integration of natural gas into Lebanon's energy mix. Al Jazeera, 28. Oktober 2019, abgerufen am 28. Oktober 2019 (französisch).
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  50. „Libanon muss seinen Schuldendienst einstellen – bald“. Die Welt, 17. Oktober 2019, abgerufen am 17. November 2019 (englisch).
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  52. Julius Geiler: Ein Land in der Depression: Seit Monaten erschüttern Massenproteste den Libanon. Was dabei eine große Rolle spielt, ist die desolate Wirtschaftslage – und ihre verheerenden Folgen. Der Tagesspiegel, 28. Dezember 2019, abgerufen am 28. Dezember 2019 (englisch).
  53. Das libanesische Schneeballsystem. 26. Mai 2020, abgerufen am 3. Juni 2020.
  54. Das libanesische Schneeballsystem. 26. Mai 2020, abgerufen am 3. Juni 2020.
  55. Chloe Cornish: Dollar shortage shakes confidence in Lebanon’s banks. Financial Times, 12. November 2019, abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
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  79. Julia Neumann: „Wir sind die Revolution, ihr seit der Bürgerkrieg“ – Im Libanon protestieren Jugendliche für politischen Wandel – ihre Generation hofft auf ein säkulares Land. Jatzt, 16. Oktober 2019, abgerufen am 16. November 2019.
  80. Lebanon: Protect Protesters from Attacks – Security Forces Using Excessive Force to Clear Streets. Human Rights Watch, 9. November 2019, abgerufen am 9. November 2019 (englisch).
  81. Samar El-Masri: The transformative power of Lebanon’s revolution. The Globe and Mail, 16. Oktober 2019, abgerufen am 16. November 2019 (englisch).
  82. Dara Foi'Elle und Joey Ayoub: Syrian melancholy in Lebanon's revolution. aljumhuriya, 3. Dezember 2019, abgerufen am 3. Dezember 2019 (englisch).
  83. Marwan Kraidy: A global take on Lebanon protests. Penn Today, 23. Dezember 2019, abgerufen am 24. Dezember 2019 (englisch).
  84. Vivian Yee and Hwaida Saad: To Make Sense of Lebanon’s Protests, Follow the Garbage. The New York Times, 3. Dezember 2019, abgerufen am 3. Dezember 2019 (englisch).
  85. Timour Azhari: Lebanese protesters celebrate Hariri resignation, but want more – Demonstrators hail prime minister's departure but promise to stay in the streets until all their demands are met. Al Jazeera, 30. Oktober 2019, abgerufen am 30. Oktober 2019 (englisch).
  86. The Lebanese Transparency Association: Proposed amnesty law in Lebanon would weaken accountability and reduce state revenues. Transparency International, 11. November 2019, abgerufen am 11. November 2019 (englisch).
  87. Tamara Qiblawi, Ben Wedeman and Ghazi Balkiz: Lebanon is at a crossroads between a new start or a return to unrest. CNN, 26. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch).
  88. Heiko Wimmen im Gespräch mit Andreas Noll: Libanon: Ein Land in Aufruhr. Deutschlandfunk, 26. Oktober 2019, abgerufen am 28. Oktober 2019 (französisch).
  89. Protestbewegung – Libanon: Ein Rücktritt, viele Probleme. Deutsche Welle, 30. Oktober 2019, abgerufen am 30. Oktober 2019 (englisch).
  90. Ali Kadri: Lebanon’s “Revolution” Is Without Revolutionary Ideology. Global Research, 31. Oktober 2019, abgerufen am 4. November 2019 (englisch).
  91. Jeffrey Feltman: What’s next for Lebanon? Examining the implications of current protests. Brookings Institution, 20. Oktober 2019, abgerufen am 20. November 2019 (englisch).
  92. Christian Weisflog: Der Hizbullah fürchtet die libanesische Revolution. Neue Zürcher Zeitung, 23. Oktober 2019, abgerufen am 23. Oktober 2019.
  93. Michael Fakhri: Lebanon needs to free its economy from international lenders. Al Jazeera, 25. Oktober 2019, abgerufen am 25. Oktober 2019 (englisch).
  94. Gerrit Hoekman: Proteste im Libanon fortgesetzt: Demonstranten unbeeindruckt von »Reformprogramm« der Regierung. Auch KP für weitere »Eskalation«. Junge Welt, 23. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019.
  95. Lebanon’s richest man indicted. Who is Najib Mikati? Gulf News, 24. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019 (englisch).
  96. Björn Blaschke: Proteste im Libanon „Wir bleiben, bis sie gehen“. Deutschlandfunk, 24. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019.
  97. Regierung im Libanon sagt Demonstranten weiteres Entgegenkommen zu. In: Finanzen.net. 24. Oktober 2019, abgerufen am 24. Oktober 2019.
  98. Syrian displacement poses ‘serious threat’ to Lebanon’s development goals, President tells UN Assembly. UNO, 25. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch).
  99. Hariri meets Aoun, leaves without giving statement. LBCI, 26. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch).
  100. Saudi newspaper: Hariri government to resign soon. Middle East Monitor, 26. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch).
  101. Aoun meets AUB, USJ presidents. In: Nna-leb.gov.lb. 28. Oktober 2019, abgerufen am 28. Oktober 2019 (englisch).
  102. Laila Bassam, Tom Perry: Exclusive: How Lebanon's Hariri defied Hezbollah. Reuters, 30. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019 (englisch).
  103. Lebanon protests: All the latest updates: Prime Minister Saad Hariri to submit government resignation after two weeks of mass protests against ruling elite. Al Jazeera, 29. Oktober 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019 (englisch).
  104. Jumblat Says Would Vote Anew for Hariri, Urges Replacement of Bassil. In: naharnet.com. 29. Oktober 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019 (englisch).
  105. Lebanese president asks Hariri to head caretaker cabinet. France 24, 30. Oktober 2019, abgerufen am 30. Oktober 2019 (englisch).
  106. Aoun demande au gouvernement Hariri d'expédier les affaires courantes. L'Orornt Le Jour, 30. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019 (englisch).
  107. Naharnet Newsdesk: Mustaqbal Slams 'Militia-Style' Attacks on Protesters, Urges Supporters Not to Block Roads. Naharnet, 31. Oktober 2019, abgerufen am 1. November 2019 (englisch).
  108. Naharnet Newsdesk: Report: Lebanon to Have 24-Minister 'Techno-Political Govt.' Naharnet, 3. November 2019, abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  109. Naharnet Newsdesk: Berri Backs Protesters Demands but Not 'Road Blocking, Insults'. Naharnet, 5. Oktober 2019, abgerufen am 5. November 2019 (englisch).
  110. Lebanon: Hariri Sets Conditions for Cabinet Formation, Berri Insists on Nominating him. Asharq Al-Awsat, 8. November 2019, abgerufen am 8. November 2019 (englisch).
  111. Lebanese banks face threats, as Hariri aims for neutral cabinet. Al Jazeera, 9. November 2019, abgerufen am 9. November 2019 (englisch).
  112. Naharnet Newsdesk: Reports: Hariri to Agree to Techno-Political Govt., Consultations Wednesday. Naharnet, 10. November 2019, abgerufen am 10. November 2019 (englisch).
  113. Hezbollah says its 'arms won't be twisted' as crisis deepens. The Daily Star, 10. November 2019, abgerufen am 11. November 2019 (englisch).
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