Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. (DGAP) ist ein Netzwerk und eine Denkfabrik für Außenpolitik. Die 1955 in Zusammenarbeit mit dem Council on Foreign Relations und Chatham House gegründete Gesellschaft betreibt Forschungseinrichtungen für Fragen der internationalen Politik sowie der Außen- und Sicherheitspolitik. Die DGAP zählt heute über 2.800 Mitglieder, darunter führende Persönlichkeiten aus dem Bank- und Finanzwesen, der Wirtschaft, Politik, Medien und der Wissenschaft.[1] Sitz der DGAP ist das ehemalige Gebäude der Jugoslawischen Gesandtschaft im Botschaftsviertel in Berlin-Tiergarten.
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) | |
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Rechtsform | eingetragener Verein |
Gründung | 1955 |
Gründer | Hermann Josef Abs, Robert Pferdmenges |
Sitz | Berlin (⊙ ) |
Zweck | Denkfabrik für Außenpolitik |
Vorsitz | Präsident: Thomas Enders |
Geschäftsführung | Direktorin: Cathryn Clüver Ashbrook |
Umsatz | 6.433.404 Euro (2020) |
Beschäftigte | 81 (2020) |
Mitglieder | 2698 (2020) |
Website | dgap.org |
Verein und Zweck
Der Verein versucht, aktiv die außenpolitische Meinungsbildung auf allen Ebenen zu beeinflussen. Seine Arbeit richtet sich an Entscheidungsträger in der deutschen Politik, Wirtschaft, Verwaltung, in Nichtregierungsorganisationen, im Militär sowie an eine breite Öffentlichkeit. Die international als German Council on Foreign Relations bekannte Institution versteht sich als praxisorientierter Think Tank, der auf wissenschaftlicher Basis nachfrageorientierte Politikberatung anbietet.
Präsident der DGAP ist seit 2019 Thomas Enders, zuvor hatte der Industrielle Arend Oetker von 2005 bis 2019 das ehrenamtliche Präsidentenamt inne. Im Juni 2021 übernahm Cathryn Clüver Ashbrook das Amt der Direktorin und CEO der DGAP[2] von Daniela Schwarzer.
Die DGAP ist Mitglied im Netzwerk Europäische Bewegung.
Geschichte
Der Verein wurde 1955 in Bonn gegründet. Vorbild bei der Gründung war in vielen Belangen der Council on Foreign Relations in New York und das Chatham House in London.[3] In Bonn hatte die DGAP von 1956 bis 1959 ihren Sitz in der Villa Joachimstraße 7 und anschließend bis 1965/1966 in der Villa Schaumburg-Lippe-Straße 6. 1965 erwarb sie mit dem vormaligen Haus des Deutschen Handwerks in Bonn einschließlich der Villa Adenauerallee 131, die in späteren Jahren auch als Signet der DGAP diente, erstmals ein eigenes Gebäude. Es diente von April 1966 bis 1999 als Sitz der DGAP. 1. Präsident der neu gegründeten DGAP wurde der CDU-Politiker, Diplomat und Unternehmer Günther Henle.[4]
Anhand der Funktionen und Tätigkeiten der DGAP-Gründungsväter ist bereits 1955 eine Verzahnung von Entscheidungsträgern aus Finanzwesen, Industrie, Medien, Politik und Justiz nach dem Beispiel der Strukturen des Council on Foreign Relations und des Chatham House wahrnehmbar:
- Hermann Josef Abs (Vorstand Deutsche Bank AG)
- Robert Pferdmenges (Bankhaus Sal. Oppenheim)
- August Oswalt (Mitinhaber des Frankfurter Bankhauses Georg Hauck & Sohn)
- Hans Karl von Mangoldt-Reiboldt (Präsident des Direktoriums der Europäischen Zahlungsunion)
- Hans Goudefroy (Allianz AG)
- Richard Merton (Rüstungskonzern Metallgesellschaft)
- Fritz Berg (1. Präsident des BDI)
- Ernst Friedlaender (Chefredakteur Die Zeit und Mitbegründer der Atlantik-Brücke)
sowie die Bundespolitiker
- Heinrich von Brentano (CDU, Bundesaußenminister a. D.)
- Walter Hallstein (Staatssekretär im Auswärtigen Amt)
- Thomas Dehler (FDP, Bundesjustizminister a. D.)
- Hans-Joachim von Merkatz (CDU, Bundesjustizminister a. D.)
- Ernst Lemmer (Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen)
- Wilhelm Grewe (1955 Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes; später (1958–1962) deutscher Botschafter in Washington, D.C.)
- Andreas Hermes (Mitbegründer der CDU)
- Erich Ollenhauer (SPD-Vorsitzender)
- Theodor Steltzer (CDU, Ministerpräsident Schleswig-Holstein)
- Hermann Weinkauff (1. Präsident des Bundesgerichtshofs)
verfassten gemeinsam den Aufruf zur Gründung der DGAP.[5]
Aktivitäten
Forschungsinstitut
Das Forschungsinstitut (auch als Think Tank bezeichnet) der DGAP betreibt eine handlungs- und praxisorientierte Forschung an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien. Mehr als 40 außenpolitische Experten arbeiten in zehn Forschungsprogrammen zu den thematischen Schwerpunkten der DGAP.
Unter Beteiligung von hochrangigen Entscheidern aus Politik und Wirtschaft organisiert und moderiert die DGAP in zahlreichen Fachkonferenzen, Gesprächskreisen sowie Studien- und Projektgruppen die Diskussion in der außenpolitischen Community. Die Experten der DGAP veröffentlichen jährlich zahlreiche Studien und Analysen zu aktuellen außenpolitischen Themen und entwickeln konkrete Lösungsansätze zu den thematischen Schwerpunkten der DGAP: Europäische Union, Geoökonomie, Internationale Ordnung & Demokratie, Klimapolitik, Migration, Sicherheit, Technologie & Digitalisierung. Das Forschungsinstitut der DGAP versteht sich in diesem Sinne als moderner Think Tank, als Berater und Impulsgeber der operativen Außenpolitik.[6]
Informationsaustausch
Im Rahmen exklusiver Vorträge, Podiumsdiskussionen und Kamingespräche tauschen sich die Mitglieder der DGAP mit hochrangigen Entscheidern aus dem In- und Ausland über Grundfragen und aktuelle Themen der Außenpolitik aus – am Hauptsitz in Berlin und bundesweit in den Regionalforen DGAPforum NRW, Hansestädte, München, Frankfurt, Sachsen und Baden-Württemberg.
Bis zum Jahr 2009 richtete die DGAP das EU-Russland Forums aus.
Nachwuchsförderung
Im Jahr 2008 wurde die „Junge DGAP“ gegründet, die für ihre ca. 1000 Mitglieder jährlich etwa 120 Veranstaltungen organisiert und ein Mentoring-Programm anbietet.[7]
Zusammen mit dem Institut français des relations internationales (Ifri) und der Robert-Bosch-Stiftung organisiert die DGAP den „Deutsch-Französischen Zukunftsdialog“.[8] Damit soll ein Netzwerk für Nachwuchskräfte geschaffen werden. Der Dialog fand zuletzt im Jahr 2019 statt.[9]
Bibliothek
Das Informationszentrum, eine Bibliothek und Dokumentationsstelle der DGAP, ist eine der ältesten und bedeutendsten öffentlich zugänglichen Spezialbibliotheken zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Ihr Bestand geht bis auf das Jahr 1945 zurück und umfasst mehr als 250 nationale und internationale Zeitschriften, über 85.000 Bücher sowie zahlreiche elektronische Publikationen. Durch die Kooperation mit dem Fachinformationsverbund „Internationale Beziehungen und Länderkunde“ (IBLK) bietet die Bibliothek darüber hinaus die größte Fachdatenbank ihrer Art in Europa.[10]
Publikationen
Die Zeitschrift Internationale Politik wurde 1945 von Wilhelm Cornides unter dem Namen „Europa-Archiv“ gegründet. Die hat sich die IP unter Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien als Deutschlands führende außenpolitische Zeitschrift etabliert. Die IP erscheint alle zwei Monate und ist sowohl im Abonnement als auch bundesweit im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel erhältlich. Eine englische Ausgabe erscheint vierteljährig online unter dem Namen Internationale Politik Quarterly (IPQ).[11]
aussenpolitik.net war das Wissensportal der DGAP für internationale Beziehungen und globale Fragen. Angelehnt an die Schwerpunkte der DGAP präsentierte es ausgewählte Analysen aus dem Internetangebot von Fachzeitschriften und Think Tanks weltweit. Das Portal wurde im Herbst 2012 eingestellt.
Struktur
Die Gremien der DGAP sind zusammen mit den entsprechenden Mitgliedern (Stand Februar 2022) im Folgenden aufgelistet:[12][13]
Vorstand
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Ex officio Mitglieder des Vorstandes:
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Präsidium
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Finanzausschuss
- Stephan Goetz
- Klaus Mangold
- Herbert J. Scheidt[12]
Wissenschaftlicher Beirat
- Thomas Risse (Vorsitz)
- Armin Grunwald
- Mikkel Vedby Rasmussen
- Natasha Wunsch
- Fiona Hill[12]
Mitglieder
Zu den rund 2800 persönlichen Mitgliedern der DGAP zählen viele namhafte Fachleute aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien, darunter u. a.:
Ehrenmitglieder
Derzeitige Ehrenmitglieder:[12]
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Ehemalige Ehrenmitglieder:[14]
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Finanzierung
Die DGAP finanziert sich über Projektmittel (34%), Bundeszuschüsse (27%), Mittel aus dem Förderkreis des DGAP e.V. (21%), Mitgliedsbeiträgen (8%), Umsatzerlösen (7%) und sonstigen Erträgen (3%).[15] Dies stelle nach einigen Angaben die Unabhängigkeit der DGAP sicher.
Die konkreten Förderbeträge der DGAP stellen sich im Jahresbericht 2020/2021 folgendermaßen dar:[16]
Spenden von | |||
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100.000 € und mehr | 25.000 € und mehr | 10.000 € und mehr | 5.000 € |
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mehr als 5.000 €:
bis 5.000 €: |
Kritik
Im Oktober 2015 berichteten deutsche Medien, dass das zur DGAP gehörende „Berliner Forum Zukunft“ über mehrere Jahre Luxusexkursionen zu verschiedenen Standorten von Rüstungskonzernen für insgesamt 350 Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten organisiert hatte. Finanziert wurden diese Reisen größtenteils von den Rüstungsfirmen Krauss-Maffei Wegmann, MBDA und Airbus Helicopters.[17] Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Thomas Gamke kritisierte dies als intransparente Einflussnahme von Rüstungsunternehmen auf die Politik.[17] Das „Berliner Forum Zukunft“ wird von Airbus und Eurojet Turbo gefördert. Zu den Mitgliedern des Förderkreises der DGAP gehören außerdem die im Rüstungsbereich agierenden Unternehmen Airbus Defence and Space, Rheinmetall und Rolls-Royce Group.[18]
Die Initiative Lobbycontrol führt in ihrem lobbykritischen Onlinelexikon Lobbypedia die DGAP auf und benennt den Einfluss von Lobbyorganisationen und der Wirtschaft auf die Gremien der DGAP.[19]
Literatur
- Daniel Eisermann: Außenpolitik und Strategiediskussion, Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972. Oldenbourg, München 1999, ISBN 3-486-56338-6.
- Estelle Bunout: Vertrauensbildende Gespräche als Werkzeug der Sicherheit? Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik als Gesprächskanal zwischen der Sowjetunion und Westdeutschland (1955-1990) In: Sicherheitskulturen im Vergleich: Deutschland und Russland/UdSSR seit dem späten 19. Jahrhundert = Kul'tury bezopasnosti: sravnitel'noe izmerenie : Germanija i Rossija / SSSR v konce XIX - načale XXI vv. - Paderborn: Schöningh, (2014), S. 193–216
Weblinks
- Website der DGAP
- Portal Aussenpolitik.net (Memento vom 12. Juli 2012 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- 50 Jahre DGAP, S. 26 ff. (PDF; 1,6 MB).
- DGAP Pressemitteilung: Clüver Ashbrook neue Direktorin der DGAP. 26. April 2021, abgerufen am 19. Juli 2021.
- Daniel Eisermann in „Außenpolitik und Strategiediskussion“, „Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972“, Oldenbourg Verlag, München 1999, Band 66, S. 62ff, ISBN 3-486-56338-6.
- Daniel Eisermann in „Außenpolitik und Strategiediskussion“, „Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972“, S. 79f.
- Aufzählung nach Daniel Eisermann in „Außenpolitik und Strategiediskussion“, „Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik 1955–1972“, S. 78.
- Webauftritt der DGAP: Wir über uns, Think Tank
- Junge DGAP | DGAP. Abgerufen am 22. Februar 2022.
- Deutsch-Französischer Zukunftsdialog | DGAP. Abgerufen am 22. Februar 2022.
- Deutsch-Französischer Zukunftsdialog | IFRI - Institut français des relations internationales. Abgerufen am 22. Februar 2022.
- DGAP: Das Informationszentrum
- DGAP: Das Netzwerk für Außenpolitik
- Die Organe der Gesellschaft | DGAP. Abgerufen am 4. Januar 2021.
- Gremien und Struktur der DGAP, Jahresbericht 2020/21, S. 20, dgap.org
- Jubiläumsbroschüre 50 Jahre DGAP
- DGAP: Förderer.
- DGAP Jahresbericht 2020/2021 | DGAP. S. 32, abgerufen am 23. Februar 2022.
- Für Abgeordneten-Mitarbeiter: Rüstungsindustrie finanziert Luxusreisen, t-online.de, 17. Oktober 2015.
- DGAP Jahresbericht 2020/2021 | DGAP. S. 33, abgerufen am 22. Februar 2022.
- Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik – Lobbypedia. Abgerufen am 22. Februar 2022.