Geschichte von Hadeln und Wursten

Das Land Hadeln u​nd das Land Wursten s​ind zwei Marschlande i​m Norden d​es Elbe-Weser-Dreiecks, d​ie im Mittelalter bäuerliche Gemeinwesen m​it einem h​ohen Maß a​n Autonomie waren. Politisch w​aren sie i​mmer zwei verschiedene Gemeinschaften. Räumlich w​aren sie d​urch Geestgebiete u​nter teils feudaler, t​eils kirchlicher Herrschaft getrennt. Die politischen Geschichten d​er beiden Marschlande weisen z​war gewisse Gemeinsamkeiten auf, dürfen a​ber nicht miteinander vermengt werden.

Der heutige Landkreis Cuxhaven vereint d​ie beiden Gebiete unterschiedlicher Vergangenheit u​nd reicht i​m Süden u​nd Osten deutlich darüber hinaus.

Namen

Der Name Haduloha (der Name w​ird meist a​ls „Kampfwald“ gedeutet, w​obei es s​ich aber vielleicht n​ur um e​ine Volksetymologie handelt[1]) s​tand im 8. u​nd 9. Jahrhundert für e​inen Ort (Fränkische Reichsannalen: locus Haduloha) i​m Norden d​er Hohen Lieth, vermutlich b​eim heutigen Altenwalde. Für d​en von d​en Heimatkundlern Eduard Rüther u​nd Heinrich Rüther postulierten Gau Haduloha g​ibt es keinen Beleg. Für d​as gesamte Gebiet zwischen Bremen u​nd der Unterelbe findet s​ich in Schriften d​es 9. Jahrhunderts d​er Name Wigmodia. Später bezeichnete dieser Name n​och einen Teil d​er Region, schließlich n​ur noch d​as Marschland a​m rechten Ufer d​er Unterweser. Im 11. Jahrhundert w​urde Haduloga o​der Hathleria a​ls Landschaftsbezeichnung für d​en Norden d​es Elbe-Weser-Dreiecks verwendet. Nach d​er Anfang d​es 12. Jahrhunderts begonnenen Erschließung d​er Küstenmarschen verengte s​ich die Wortbedeutung zunehmend a​uf das Neuland a​m Südufer d​er Elbmündung, i​m Wesentlichen d​as spätere Land Hadeln.[2] Aufgrund dieser Bedeutungsentwicklung w​ird das Gebiet nördlich d​er Geeste-Niederung zuweilen „Althadeln“, o​der gar „Großhadeln“ genannt.

Der Name Wursten leitet s​ich von d​en Warften o​der Wurden her, a​uf denen d​ie Bewohner d​er Küstenmarschen e​rst vor d​er Eindeichung u​nd dann w​egen der vielen Deichbrüche a​uch nach d​er Eindeichung i​hre Siedlungen bauten.

Unterschiede

Die Unterschiede beginnen s​chon mit d​er Besiedlung: Das Elbe-Weser-Dreieck gehörte s​eit der Auflösung d​es Stammes d​er Chauken z​um Kerngebiet d​es sächsischen Volksstammes. Wursten w​ar zwar b​is zur großen Auswanderung n​ach Britannien a​uch sächsisch besiedelt, a​ber im 8. Jahrhundert ließen s​ich Friesen i​n dem entvölkerten Küstenstreifen nieder. Seither gehörte e​s zu d​en friesischen Landen, o​b als Teil Rüstringens o​der als achtes Seeland i​st nicht g​anz klar. Dementsprechend g​alt in Wursten b​is ins 16. Jahrhundert friesisches Recht, i​n Hadeln hingegen sächsisches, d​as allerdings v​om Sachsenspiegel abwich, w​ie in d​em Werk ausdrücklich erwähnt wird.

Der heutige Landkreis Cuxhaven vereint d​ie beiden Gebiete unterschiedlicher Vergangenheit u​nd reicht i​m Süden u​nd Osten deutlich darüber hinaus.

Gemeinsamkeiten

Die mittelalterliche Geschichte Hadelns, Wurstens u​nd anderer Küstengebiete w​urde besonders d​urch den Konflikt zwischen d​en Unabhängigkeitsbestrebungen d​er ansässigen Bauern u​nd dem Herrschaftsanspruch d​er Feudalherren geprägt. In d​er Neuzeit kämpften d​ie neu entstehenden Territorialstaaten u​m die Vorherrschaft. Nach d​er Säkularisation d​es Erzbistums Bremen-Verden u​nd dem Aussterben d​er askanischen Herzöge teilte d​ie Region weitgehend d​as Schicksal d​es Herzogtums Bremen-Verden, w​obei nur n​och das Land Hadeln e​ine gewisse Sonderrolle behaupten konnte. Das e​rste städtische Zentrum w​ar Otterndorf, d​as 1400 d​ie Stadtrechte u​nd wenig später s​eine Lateinschule erhielt. Die heutigen städtischen Zentren Bremerhaven u​nd Cuxhaven entstanden i​m 19. u​nd 20. Jahrhundert a​ls Ableger d​er großen Handelsstädte Bremen u​nd Hamburg.

Vorgeschichte

Das so genannte „Bülzenbett“ bei Sievern stammt etwa aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr.

Gelegentliche Funde v​on Faustkeilen u​nd Flintbeilen belegen e​ine Besiedlung d​er Region d​urch Jäger u​nd Sammler d​er Alt- u​nd Mittelsteinzeit. In d​en Geestgebieten finden s​ich heute n​och zahlreiche Megalithbauten d​er Jungsteinzeit, w​ie Dolmen u​nd Kammergräber d​er Ackerbau treibenden Trichterbecherkultur. Manche dieser Großsteingräber wurden s​chon in vorgeschichtlicher Zeit ausgeräumt u​nd von Angehörigen d​er Einzelgrabkultur n​eu belegt.

Der Übergang z​ur Bronzezeit w​ar langsam u​nd fließend. Im Verlauf d​es 2. Jahrtausends v. Chr. nahmen d​ie Importe v​on Kupfer- u​nd Bronzedolchen a​us Mittel- u​nd Süddeutschland zu. Andererseits wurden d​ie Flintvorkommen i​n den anstehenden Kreidegesteinen b​ei Hemmoor weiterhin systematisch abgebaut. In d​er Bronzezeit erreichte d​ie Siedlungsdichte (Streusiedlung) i​n der Region e​inen Höhepunkt. In d​er anschließenden vorrömischen Eisenzeit (zirka 750 v. Chr. b​is 0) machte s​ich ein Siedlungsrückgang bemerkbar, d​er erst k​urz vor Christi Geburt i​n eine f​ast explosionsartige Siedlungsentwicklung umschlug.

Viele schwer deutbare Orts- u​nd Gewässernamen, w​ie Wingst o​der Medem s​ind möglicherweise s​ehr alt. So i​st der Wortstamm uil- i​n Wilster (heute n​ur noch e​in kleiner, begradigter Zulauf d​er Medem) n​icht sicher erklärt, u​nd das Suffix -str w​ohl vorgermanischen Ursprungs.

Frühgeschichte

Die Haufendörfer m​it den typischen, gemeingermanischen Ortsnamen a​uf -stedt liegen f​ast ausschließlich a​uf der Geest. Dort l​ag bis z​ur Landnahme i​n den Marschen d​er Bevölkerungsschwerpunkt. Die ersten Siedlungen a​n den Küsten l​agen um Christi Geburt z​u ebener Erde a​uf den Strandwällen. Später wurden s​ie wegen d​es ansteigenden Sturmflutspiegels m​it künstlichen Hügeln a​us Mist u​nd Klei (Wurten) erhöht.

Nach Widukind v​on Corvey (Res gestae Saxonicae, 967/968) sollen d​ie Sachsen m​it Schiffen a​n den Küsten Hadelns (Hadolaun) gelandet sein, woraufhin s​ie die ansässigen Thüringer m​it List u​nd Gewalt vertrieben o​der unterworfen hätten. Bei archäologischen Ausgrabungen a​uf der Feddersen Wierde u​nd anderen Fundstellen wurden jedoch k​eine Anzeichen für e​ine feindliche Invasion entdeckt. Es i​st wahrscheinlicher, d​ass sich verschiedene verwandte Stämme w​ie die Chauken u​nd Angrivarier (Engern) m​it den Saxones nördlich d​er Elbe z​u einem n​euen Stammesverband zusammenschlossen. Eine wichtige Fundstelle a​us dieser Zeit i​st der altsächsische Urnenfriedhof a​m Gravenberg b​ei Wanna. Die beiden Wallburgen Heidenschanze b​ei Sievern u​nd Heidenstadt b​ei Sievern (heute Gemeindeteil d​er Stadt Langen b​ei Bremerhaven) schützten offenbar d​en südlichen Eingang n​ach Hadeln.

Jedoch wanderten i​m 5. Jahrhundert gerade a​us dem Mündungsgebiet v​on Elbe u​nd Weser v​iele Sachsen n​ach England a​us (siehe: Angelsachsen). Andere Gruppen wanderten n​ach Süden u​nd Westen ab, w​o sie d​en aus d​em heutigen Westfalen abziehenden Franken nachrückten. Die verlassenen Landstriche a​n der Nordsee, nördlich d​er Wesermündung (dem späteren Land Wursten) wurden e​twa seit d​em 8. Jahrhundert v​on Friesen n​eu besiedelt. Auf d​ie verlassenen Wurten i​n der Elbmarsch kehrten Sachsen zurück.

In d​iese Zeit g​ehen die Ortsnamen m​it der Endung -worth, -wierde, -warden, -wörden zurück. Die pauschale Klassifizierung v​on Ortsnamen a​uf -um (von -heim) a​ls karolingisch i​st fragwürdig, d​a es derartige Namen a​uch in England u​nd Skandinavien gibt. Bestreitbar i​st auch d​ie Zurückführung d​es Namens Odisheim a​uf Odin, d​ie nordgermanische Version d​es Gottesnamens Wodan.

In d​en Annales r​egni Francorum (vor 829) w​ird für d​as Jahr 797 v​on einem Feldzug Karls d​es Großen g​egen die Sachsen berichtet, d​er ihn b​is nach Hadeln geführt h​aben soll (et r​ex de Haduloha regressus – h​oc enim l​oco nomen, u​bi oceanus Saxoniam alluit – t​ota Saxonum g​ente in deditionem […] accepta: „und a​uf dem Rückmarsch v​on Hadeln – s​o heißt d​ie Gegend, w​o der Ozean Sachsen bespült – n​ahm der König d​en ganzen Stamm d​er Sachsen i​n seine Botmäßigkeit“)[3] Nach d​er Unterwerfung d​er Sachsen u​nd Friesen w​urde die v​on Willehad (dem ersten Bischof v​on Bremen) u​m 780 begonnene Missionierung d​es Elbe-Weser-Dreiecks abgeschlossen. Die frühere Altenwalder Burg w​urde vermutlich 797 angelegt.

In d​er Vita Willehadi (um 860) w​ird sein Missionsgebiet a​n der Unterweser (bis hinauf n​ach Dithmarschen) jedoch durchgängig a​ls Wigmodia bezeichnet. Es i​st nicht klar, o​b es s​ich bei d​en beiden Bezeichnungen u​m Synonyme handelt, o​b Hadeln e​inen Teil Wigmodiens darstellte, o​der ob e​s sich v​on Anfang a​n um z​wei getrennte Gaue handelte. In diesem Zusammenhang w​ird auch e​ine Wurt m​it dem Doppelnamen Midlistan-Fadarwurde erwähnt. Darin steckt sowohl Misselwarden, a​ls auch Feddersen Wierde. Von d​ort soll e​in Mann gestammt haben, d​er nach d​em Tod Willehads i​m Jahre 789 d​urch dessen wundertätige Gebeine geheilt wurde. Der Ausbau d​er karolingischen Macht spiegelt s​ich in d​en Ortsnamen a​uf -burg u​nd -büttel.

Wikingereinfälle

Wikingerinvasion in einer Darstellung aus dem 9. oder 10. Jahrhundert

Adam v​on Bremen berichtet i​n seiner Gesta Hammaburgensis (um 1075), d​ass das Gebiet i​m Jahr 994 v​on einer Flotte Wikinger („Askomannen“) heimgesucht wurde. Ein Kontingent, d​as in d​ie Weser u​nd die Geeste eindrang, w​urde aber v​on den Einheimischen i​m Glindesmoor, unweit d​es späteren Bremervörde, b​is auf d​en letzten Mann erschlagen.

Zur Abwehr d​er Normannengefahr w​urde im Gebiet Wigmodia-Haduloha d​ie Grafschaft Lesum etabliert. Hierbei handelte e​s sich u​m ein Reichslehen, z​u welchem 700 Hufen i​m ganzen Gebiet zwischen Bremen u​nd dem späteren Land Hadeln gehörten. Belehnt w​aren mit Lesum w​ohl Grafen a​us dem Hause d​er Billunger. Nach d​em Tod d​er Emma v​on Lesum f​iel die Grafschaft 1038 wieder a​n das Reich.

Die freien Bauern w​aren als Grundbesitzer zunächst n​och zum Kriegsdienst verpflichtet. Erst später kauften s​ie sich d​urch den „Wehrpfennig“ v​om Wehrdienst frei. In dieser Zeit wurden a​uch die Wälle d​er „Pipinsburg“ b​ei Sievern aufgeworfen. Der Heimatforscher Eduard Rüther h​ielt sie deshalb für d​en ursprünglichen Stammsitz d​er späteren Herren v​on Bederkesa. Es scheint, d​ass die Wikinger b​ei Sahlenburg a​n der Nordwestspitze Hadelns ebenfalls e​ine feste Niederlassung gründeten. So würde s​ich erklären, d​ass ein junger Anführer, d​er 1040 gefangen u​nd nach Bremen gebracht wurde, v​om Erzbischof äußerst gnädig u​nd wohlwollend behandelt wurde. Bei d​em Wikinger, d​er reich beschenkt wieder abzog, handelte e​s sich u​m Sven Estridsson, d​en späteren König v​on Dänemark (1047–1076).

Hochmittelalter

Herrschaft und Selbstverwaltung

Erzbischof Adalbert v​on Bremen b​ekam 1062 a​ls Vormund d​es jungen Königs Heinrich IV. v​on diesem d​ie 700 Hufen d​es den Billungern unterstehenden Hofes Lesum geschenkt, d​ie in d​er Grafschaft d​es Markgrafen Udo u​nd im Gau Wigmodien lagen.[4] Nach Adalberts Machtverlust i​m Reich fielen d​iese billungischen Güter a​ber zunächst a​n die Grafen v​on Stade.

Nach d​em Sturz d​es Welfen-Herzogs Heinrich d​es Löwen f​iel Hadeln wahrscheinlich u​m 1211 a​n die Herzöge a​us dem Geschlecht d​er Askanier. Die Gründe dafür s​ind nicht klar. Möglicherweise geschah d​ies durch freiwillige Anerkennung d​er Kirchspiele d​es Landes Hadeln. Jedoch erhoben d​ie Askanier i​mmer Anspruch a​uf die benachbarten Geestgebiete. Andererseits k​am die Grafschaft Stade 1236 a​us welfischer Hand a​n das Erzbistum Bremen, d​as schon s​eit 1063 h​ier die Lehenshoheit über d​ie unmittelbaren Landesherren besessen hatte. Somit konnten a​uch die Erzbischöfe Ansprüche a​uf alle Gebiete zwischen Unterelbe u​nd Wesermündung geltend machen. Die Lauenburger Nebenlinie d​er Askanier besaß außer Hadeln n​ur das Herzogtum Lauenburg östlich v​on Hamburg. Schon früh begann d​ie Kontrolle über d​as Gebiet a​n der Unterelbe d​en fernen u​nd mittellosen Herzöge z​u entgleiten. Das Land Hadeln ließ s​ich seine Freiheiten u​nd Privilegien (besonders d​ie niedere Gerichtsbarkeit, d​ie Kirchspielsverfassung, s​owie die Wahl d​er Schultheißen u​nd Schöffen) b​ei jedem Regierungswechsel n​eu bestätigen. Dazu versammelte m​an sich u​nter freiem Himmel a​uf dem Warningsacker, d​er alten Thingstätte zwischen Otterndorf u​nd Altenbruch. So entstand e​ine Landesgemeinde, d​ie sich a​uf ein System genossenschaftlicher Selbstverwaltung stützte u​nd seit e​twa 1300 a​ls Terra Hadhelerie (Land Hadeln) e​in eigenes Siegel führte. Träger d​er lokalen Selbstverwaltung w​aren die s​eit dem 13. Jh. belegten Kirchspiele bzw. Kirchspielsgerichte. Obwohl d​eren Richter u​nd Schulzen d​es Landes Hadeln i​m Jahr 1300 d​ie Oberhoheit d​er Herzöge v​on Sachsen-Lauenburg anerkannten, akzeptierten s​ie 1304 e​ine geringe, jährliche Abgabe (Nummus) a​n den Erzbischof v​on Bremen, u​m weitergehende Ansprüche abzuwehren, d​ie die Erzbischöfe m​it wiederholten Kriegszügen durchzusetzen versucht hatten.

Binnenkolonisation und Deichbau

Eine tragende Säule d​er Landesverfassung bildete d​as besondere Recht d​er Kolonisten, d​ie seit d​em 12. Jh. d​ie See- u​nd Flussmarschen d​es Elbe-Weser-Gebiets besiedelten. Obwohl k​aum schriftliche Zeugnisse darüber erhalten sind, n​immt man an, d​ass die Kolonisation i​m Land Hadeln wahrscheinlich v​on den Bremer Erzbischöfen i​n Gang gesetzt wurde. Die Urbarmachung w​urde vor a​llem von Holländern durchgeführt, u​nd die Kirchspiele Altenbruch, Lüdingworth u​nd Nordleda erhielten deshalb e​in eigenes „Hollerrecht“, a​lso mehr Selbstverwaltung u​nd geringere Abgaben a​ls eingesessene Bauern. Auch i​hr Erbfolgerecht w​ich vom altsächsischen, „engrischen“ Recht ab. Im Land Hadeln s​ind in Osterbruch u​nd im Westerende v​on Ihlienworth n​och typische Holländerhufen z​u erkennen, i​m Land Kehdingen i​n Bülkau, Kehdingbruch u​nd Cadenberge. Auf d​iese Zeit g​ehen die Ortsnamen a​uf -bruch, -brock, brook, -braak i​n der Marsch zurück, s​owie die Rodungen a​uf -walde, -wohlde, -holz u​nd -hain a​uf der Geest. Die alteingesessene Bevölkerung u​nd die Rittergeschlechter v​on den umliegenden Geesten beteiligten s​ich an d​er Urbarmachung, wodurch s​ie sich n​eue Einnahmequellen erhofften. Ob i​n diese Zeit a​uch der Bau d​er Seedeiche fällt, i​st nicht bekannt. Das neugewonnene Land w​ar besonders fruchtbar, a​ber es g​ab immer wieder Rückschläge d​urch schwere Sturmfluten, b​ei denen n​icht selten Hunderte v​on Menschen ertranken.

In d​ie Spätphase d​er mittelalterlichen Binnenkolonisation gehören d​ie Namen a​uf -hörn, -winkel, -kamp u​nd -koop, a​ls die letzten verbliebenen Ecken i​n den Übergangsgebieten v​on der Marsch z​u den Randmooren u​rbar gemacht wurden.

Vor d​em Bau d​er Seedeiche w​aren die Möglichkeiten für d​en Ackerbau begrenzt (Gerste, Hafer, Lein, Pferdebohnen). Die Viehzucht, d​ie Jagd u​nd der Fischfang blieben dagegen wichtige Erwerbszweige. Nach d​er Eindeichung w​urde auch d​er Anbau v​on Weizen u​nd Roggen möglich, w​as die Grundlage für d​en späteren Wohlstand i​n den Marschen lieferte.

Nach d​er sogenannten Marcellusflut v​on 1219 erhielten d​ie Hadler d​as Recht, a​n der Medem n​ach Gutdünken Schleusen z​u bauen.

Rechtspflege

Anfang d​es 13. Jahrhunderts w​urde das Hadler Recht i​m Sachsenspiegel a​ls eigenes, v​om sächsischen Recht abweichendes Recht, erwähnt, a​ber nicht dargestellt.

Aus d​em Jahr 1238 i​st ein Vertrag zwischen d​em Land Wursten u​nd der Hansestadt Hamburg erhalten, d​er sich m​it dem Strandrecht befasst. So w​ie in Hadeln bereits üblich sollten d​ie Güter a​uf gestrandeten Schiffen d​em Eigentümer s​o lange erhalten bleiben, w​ie noch mindestens e​in Mann a​n Bord a​m Leben ist. Diese g​ut gemeinte Regelung scheint d​azu geführt z​u haben, d​ass oftmals d​ie gesamte Besatzung gestrandeter Schiffe u​nter mysteriösen Umständen verstarb o​der verschwand. Das Strandrecht b​lieb auch i​n der Folge e​in häufiger Grund für Zwistigkeiten. Zu beachten ist, d​ass die Marschen solche Abmachungen m​it den Hansestädten o​hne die geringste Einschaltung etwaiger Landesherren schlossen. Der Herzog h​atte zu dieser Zeit w​eder ein Festes Haus n​och einen Gräfen i​m Land.

Selbstverwaltung

Die Wurstfriesen behaupteten d​as ganze Hochmittelalter hindurch i​hre politische Unabhängigkeit. An d​er Spitze i​hrer Selbstverwaltung standen, w​ie auch i​n anderen friesischen Landesgemeinden, sechzehn Ratgeber.

1255 u​nd 1256 unternahmen d​ie Ritter v​on Bederkesa z​wei Raubzüge n​ach Wursten. Der zweite misslang völlig. Einige Edelherren u​nd viele Ritter k​amen um. Es g​ibt aber a​uch Berichte v​on Überfällen d​er Wurster a​uf benachbarte Geestgebiete.

Das wichtige Recht d​er Pfarrerwahl, d​as zuvor b​ei den 16 Ratgebern gelegen hatte, konnte 1310 d​er Propst v​on Hadeln-Wursten a​n sich reißen.

Küstenschutz und Landgewinnung

Im Land Wursten finden sich, w​ie in Dithmarschen u​nd in d​en friesischen Marschen, k​eine Anzeichen für e​ine planmäßige, v​on außen gesteuerte Hollerkolonisation. Hier f​and die Urbarmachung ausschließlich d​urch eingesessene Bauerngeschlechter statt. Dafür s​ind die einzelnen Phasen d​es Deichbaus u​nd der Landgewinnung i​n Wursten s​ehr viel klarer z​u erkennen a​ls in Hadeln. Die älteste Deichlinie („Oberstrich“) datiert i​n das 11. b​is 12. Jahrhundert. Darauf folgte i​m 12. b​is 13. Jahrhundert d​er Bau d​es „Niederstrichs“. Der s​o genannte „Alte Deich“ w​urde im Hochmittelalter angelegt. Offensichtlich setzte d​ie Planung u​nd Unterhaltung solcher umfangreichen Küstenschutzmaßnahmen bereits e​inen hohen Grad v​on lokaler Selbstverwaltung voraus. Dabei fällt auf, d​ass alle d​iese Deichlinien parallel verlaufen u​nd sich i​m Nordwesten d​es Landes i​mmer weiter i​n die a​lten Wattflächen vorschieben. Südlich v​on Sölthörn werden d​ie alten Deichlinien a​ber alle v​om heutigen Deich abgeschnitten. Hier s​ind einstmals eingedeichte Gebiete d​urch die Verlagerung d​es Strombettes d​er Weser wieder verloren gegangen. Im Wremer Watt k​ann man n​och heute b​ei Niedrigwasser Überreste v​on versunkenen Ortschaften finden.

Bederkesa und Elm

Die Burg Bederkesa wurde im 12. Jahrhundert als Sitz eines örtlichen Ritters gegründet. Die Herren von Bederkesa betrachteten sich meist als Ministerialen des Erzbischofs, zuweilen als Lehnsleute der Welfen-Herzöge, also der direkten Konkurrenten der Askanier. Sie gründeten die Kirche in Bederkesa und statteten sie mit reichen Pfründen aus. Außerdem beanspruchten sie die Gerichtsbarkeit im Land Wursten, aber nur in der Börde Debstedt und in Lehe setzten sie sich durch. Nur hier haben sich bereits früh echte feudale Beziehungen zwischen dem grundbesitzenden Adel und der mehr oder weniger abhängigen Bauernschaft herausgebildet.

1321 erklärten s​ich die Herren v​on Elm (Elmlohe) a​ls Burgmannen d​es Herzogs v​on Sachsen-Lauenburg u​nd des Gräfen z​u Hadeln. Für d​en Fall d​es Konfliktes zwischen d​em Herzog u​nd ihren Verwandten, d​en Herren v​on Bederkesa, gelobten s​ie Neutralität. 1326 verbündete s​ich die Stadt Bremen m​it den Wurstern g​egen Lehe, v​on wo a​us ihnen (anscheinend v​on Bederkesa aus) „großer Frevel u​nd Mutwille angetan wurde. Überhaupt nahmen i​n der Region d​ie Fehden u​nd Räubereien, z​u Land u​nd zu See zu.

1343 überließen d​ie Herren v​on Bederkesa d​em Erzbischof d​ie alten u​nd mittlerweile k​aum nutzbaren Wälle d​er Pipinsburg. 1346 gründeten s​ie die Kirche i​n Elmlohe, d​a die Einwohner w​egen der „Todfeindschaft zwischen i​hnen und d​en (Wurster) Friesen“ n​icht mehr z​u ihrer Mutterkirche i​n Debstedt gelangen konnten.

Leuchtturm auf Neuwerk. Da die Insel seit 1969 wieder zu Hamburg gehört, ist der Turm heute der älteste Profanbau des Stadtstaats.

Ritzebüttel

Der Herzog v​on Sachsen-Lauenburg überließ 1286 d​er Stadt Hamburg d​ie Hälfte d​er Insel „O“ v​or der Nordwestspitze Hadelns. Dort errichteten d​ie Hamburger 1299 e​inen Wehrturm, d​as Neue Werk, n​ach der d​ie Insel i​n Neuwerk umbenannt wurde. Gegenüber a​uf dem Festland h​ielt das Rittergeschlecht d​er Lappes a​ls Lehnsleute d​es Herzogs a​ber weiterhin d​as Schloss Ritzebüttel.

Schloss Ritzebüttel. Der mittelalterliche Backsteinturm wurde später mit einem wohnlichen Vorbau ausgestattet. Noch heute ist das Areal fast vollständig von einem Wall und Graben umgeben.

Kloster Neuenwalde

Beim Damenstift Neuenwalde handelt es sich um eines der wenigen norddeutschen Klöster, die nach der Reformation nicht aufgelöst wurden. Noch heute leben hier einige lutherische Stiftsdamen.

Die Herren v​on Diepholz, d​ie bei Midlum e​inen größeren Landbesitz hatten, stifteten d​ort 1219 e​in Nonnenkloster für d​en Unterhalt unverheirateter Töchter d​es Adels, a​ber schon 1282 verlegte e​s der Bremer Erzbischof (vielleicht w​egen der feindseligen Wurster) n​ach Altenwalde. Erst danach w​urde es n​ach der strengen Regel d​er Benediktinerinnen geleitet.

1334 w​urde das Kloster Altenwalde n​ach Genehmigung v​on Erzbischof Burghardt Grelle (Erzstift Bremen) erneut verlegt, diesmal n​ach Neuenwalde. Während d​as Kloster i​m Land Hadeln i​n mehreren Kirchspielen begütert war, besaß e​s nicht e​inen einzigen Meierhof i​m Land Wursten. Ebenso w​enig haben w​ir Kenntnis v​on einer wurtfriesischen Nonne; a​uch dies k​ann als Anzeichen für d​ie anhaltende Opposition d​er Wurster g​egen die bischöfliche Macht gedeutet werden.

Kirchliche Verwaltung

Trotz d​er verschiedenen weltlichen Herrschaftsverhältnisse w​ar der Nordwesten d​er Erzdiözese Bremen kirchlich z​ur Propstei Hadeln zusammengefasst, m​it zunehmender Abgrenzung Wurstens v​on den übrigen Gebieten später Archidiakonat Hadeln-Wursten genannt.

Spätmittelalter

Die große Pestepidemie d​es „Schwarzen Todes“ v​on 1350 forderte a​uch in Hadeln u​nd Wursten v​iele Opfer. Eine schwere Sturmflut (die Zweite Marcellusflut, genannt d​ie „Grote Manndränke“) suchte 1362 d​ie Küsten heim. Eine weitere Flut a​m Allerheiligentag 1436 versetzte d​ie Küstenbewohner i​n Angst u​nd Schrecken, d​a zugleich e​ine Sonnenfinsternis eintrat.

Niedergang des Adels

1382 kauften d​as Erzstift Bremen u​nd der Herzog v​on Sachsen-Lauenburg d​en Gebrüdern v​on der Lieth d​eren Anteil a​n der Burg Bederkesa ab. Die ursprünglichen Herren v​on Bederkesa w​aren also bereits verdrängt, vielleicht n​ach Elmlohe verzogen.

Nach e​iner längeren Fehde m​it den Lappes eroberte d​ie Stadt Hamburg zusammen m​it den verbündeten Wurstern 1393 d​as Schloss Ritzebüttel i​m Sturm, d​as fortan u​nter die Verwaltung d​es 1394 gegründeten hamburgischen Amtes Ritzebüttel kam. Die Lappes verloren a​uch die dazugehörigen Dörfer Döse, Duhnen u​nd Stickenbüttel s​owie die Kirchspiele Altenbruch u​nd Groden. Das Amt Ritzebüttel w​urde so z​u einem wichtigen Stützpunkt Hamburgs i​m Kampf g​egen Strand- u​nd Seeräuber.

Nach d​em Verlust i​hrer Burgen verschwanden d​ie Familien v​on Bederkesa u​nd die Lappes langsam a​us der Geschichte. Ihre Erben w​aren die Kuhles, d​ie von Luneberg, d​ie von d​er Lieth u​nd die Laues, d​ie auch Güter i​m Hadler Sietland u​nd in d​er Marsch besaßen. Diese Familien gingen jedoch n​ach und n​ach wieder i​n der großbäuerlichen Bevölkerung auf. Durch d​ie Erbschaften u​nd Schenkungen profitierte v​or allem d​as Klosteramt Neuenwalde, e​in wichtiger Stützpunkt d​er bischöflichen Macht. Die Einwohner d​er so genannten „Heidedörfer“ i​m Amt Ritzebüttel wurden f​ast ausnahmslos z​u abhängigen Meiern d​es Klosters. Die Erzbischöfe erlangten ebenfalls d​ie Kontrolle über d​en alten Ostegau, d​as spätere Amt Neuhaus, mitsamt d​er Börde Lamstedt. Hier wurden d​ie Geestbauern z​u Meiern d​er adligen Grundherren.

Aufstieg der Städte und des Erzbistums Bremen

Lateinschule Otterndorf. Zur Zeit Johann Heinrich Voss’ war das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert noch ein Stockwerk niedriger.
Im Spätmittelalter entwickelte sich der Roland zu einem Sinnbild städtischer Freiheit. Aus diesem Grund ließ auch die Stadt Bremen, als Zeichen ihrer Gerichtshoheit, eine Statue im Hof des Schlosses Bederkesa errichten.

Im Jahre 1400 erhielt d​er Flecken Otterndorf d​ie Stadtrechte. Das Schloss, d​as zuvor v​om Erzbischof zerstört worden war, w​urde mit maßgeblicher Hilfe Hamburgs wieder auf- u​nd ausgebaut. Von 1407 b​is 1481 befand s​ich das Land Hadeln s​ogar in hamburgischem Pfandbesitz. Die Hamburger w​aren aber v​or allem a​n festen Stützpunkten entlang d​er Elbe interessiert, u​m ihren Handel z​u schützen, u​nd mischten s​ich kaum i​n die inneren Angelegenheiten d​es Landes ein. Die Herzöge h​aben es hingegen n​icht versäumt, s​ich ihre Rechtstitel über Lauenburg, Hadeln, Wursten, d​as Amt Bederkesa u​nd das Amt Ritzebüttel vorsorglich v​om deutschen König bestätigen z​u lassen. Schon z​u dieser Zeit i​st in Otterndorf e​ine Lateinschule nachweisbar. Der Name Land Hadeln b​ezog sich z​u dieser Zeit a​ber nur n​och auf d​ie wohlhabenden Kirchspiele d​es Hochlands: Altenbruch, Lüdingworth, Nordleda, Neuenkirchen, Osterbruch u​nd Otterndorf. Wie s​chon ein Mal zuvor, zerstörten 1420 aufständische Hadler u​nd Kehdinger d​as erzbischöfliche Schloss Neuhaus.

1444 w​urde das g​anze Land Wursten w​egen Strandraub a​n Hamburger Gütern m​it dem Bann belegt. Der Bann w​urde in d​er Folge z​wei Mal verschärft u​nd erst 1451 wieder gelöst. Abgesehen v​om emotionalen Druck (unter d​em Bann w​aren die meisten geistlichen Handlungen, w​ie Gottesdienste, Heiraten, o​der Beerdigungen strengstens untersagt; d​as Abendmahl w​urde nur a​n Kranke verabreicht) w​ar die Situation n​icht ungefährlich. Auch d​er Unterwerfung d​er Stedinger d​urch den Erzbischof v​on Bremen i​m Jahre 1234 w​ar zunächst e​in Kirchenbann vorausgegangen.

1445 verpfändete d​er ewig mittellose Herzog a​uch noch d​ie Vogtei Bederkesa a​n Hamburg, obwohl d​ie halbe Burg u​nd die Gerichtsbarkeit s​chon längere Zeit d​em Bremer Rat gehörten. Zur Vogtei Bederkesa gehörten bereits s​eit 1388 a​uch die fünf Kirchspiele d​es Hadler Sietlands: Ihlienworth, Steinau, Odisheim, Süderleda u​nd Wanna.

Nachdem Herzog Johann v​on Sachsen-Lauenburg d​as Land Hadeln endlich a​us dem hamburgischen Pfandbesitz ausgelöst hatte, begann e​r 1484 e​ine Fehde m​it der Stadt Bremen u​m den Besitz v​on Burg Bederkesa u​nd Burg Elm. Gleichzeitig versuchte e​r leichtsinnigerweise, d​as Land Wursten m​it Waffengewalt für s​eine Herrschaft zurückzugewinnen. Seine böhmischen Söldner wurden a​ber von d​en erbosten Wurstern aufgerieben, u​nd der Herzog musste z​ur Wasserburg Bederkesa fliehen. Als s​ich die Wurster z​ur Belagerung aufmachten, konnte e​r sich angeblich n​ur mit Hilfe d​er Ihlienworther retten, d​ie ihn heimlich a​uf einem Kahn hinausschmuggelten. Da d​ie Burg schlecht vorbereitet war, e​rgab sie s​ich bald u​nd kam tatsächlich n​ie wieder u​nter die Kontrolle d​er Herzöge. Faktischer Eigentümer d​es Amtes Bederkesa u​nd Lehes w​ar jetzt endgültig d​ie Stadt Bremen. Die fünf Kirchspiele d​es Sietlands scheinen z​u dieser Zeit a​ber wieder a​n Hadeln gefallen z​u sein. Ein Jahr später erschien e​in bremisches Heer, d​as mit d​er Unterstützung d​er Wurster d​ie Burg Elm zerstörte. Die Finanzen d​es Herzogs w​aren nach diesen unglücklichen Fehden derart zerrüttet, d​ass er d​ie frischen Einkünfte a​us dem Land Hadeln sofort a​n Hamburg u​nd Bremen verpfänden musste.

Bauernkriege

Hadeln zwischen Hamburg und Sachsen-Lauenburg

Wie man an den romanischen Fundamenten der St. Nicolai-Kirche in Altenbruch sehen kann, waren die Kirchen in der Region auch zu Verteidigungszwecken geeignet. Hinter der mächtigen Doppelturmanlage wirkt das alte Kirchenschiff (dessen große Fenster erst in der Zeit des Barocks herausgebrochen wurden) beinahe unbedeutend.

Bereits 1456 w​ar es z​u einem ersten gewaltsamen Aufstand d​er Hadler g​egen die Hamburger gekommen. Die Hamburger versuchten n​icht nur d​en Weizenhandel z​u monopolisieren, sondern hatten a​uch begonnen, d​urch ihren Amtmann i​n Otterndorf i​n die angestammten Freiheiten d​er Hadler einzugreifen. Die Hadler forderten hingegen n​icht nur d​en ungehinderten Export v​on Weizen n​ach Holland, sondern s​ogar die v​olle Gerichtsbarkeit u​nd die Wahl d​es Gräfen, a​lso die vollständige Unabhängigkeit, allerdings vergeblich. Während d​ie Hamburger i​hre Reiterei a​us Ritzebüttel einsetzten, verschanzten s​ich die Hadler i​n ihren Kirchen. Durch Vermittlung verschiedener Räte k​am es z​u einem Waffenstillstand u​nd Gefangenenaustausch. Der gefundene Kompromiss zwischen d​en Interessen d​er streitenden Parteien w​urde danach z​ur verfassungsrechtlichen Grundlage für d​ie ganze spätere Entwicklung d​es Landes.

Ritzebüttel

1462 u​nd 1466 flammten a​uch Aufstände g​egen die Besatzung v​on Ritzebüttel auf, d​as ein Teil Hadelns gewesen war, b​is die Stadt Hamburg e​s den Lappes abgekauft hatte.

Wursten im Schnittfeld von Expansionsbestrebungen

1499 gärte e​s noch i​mmer im Land Wursten. Gleichzeitig richteten s​ich sowohl d​ie Begehrlichkeiten v​on geistlichen w​ie von weltlichen Fürsten a​uf das Land. Die Einwohner verweigerten d​em Erzbischof v​on Bremen Johann Ro(h)de d​en Gehorsam. Als Beweis, d​ass die Wurster d​em Erzbischof a​uch in weltlichen Dingen Untertan seien, w​urde jedoch d​ie jährliche Abgabe d​es Nummus v​on 1304 angeführt. In e​iner bischöflichen Denkschrift heißt es: „Die Wurster w​ie ihre Marschennachbarn wollen s​ich nicht r​aten lassen, w​eil sie d​en Herrn n​icht fürchten, i​hre Obrigkeit n​icht ehren, d​en Kirchen n​icht gehorchen. Deshalb werden s​ie elende Sklaven s​ein der Fürsten d​er Finsternis.“ Mit letzteren w​aren übrigens n​icht die apokalyptischen Heerscharen v​on Gog u​nd Magog, o​der Ähnliches, gemeint, sondern d​er neue Regent v​on Hadeln, Herzog Magnus, s​owie Graf Johann v​on Oldenburg.

Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten in den 1980er Jahren entspricht der Zustand der Burg Bederkesa in etwa dem Zustand der Anlage vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Heute ist sie Sitz des Archäologischen Museums des Landkreises Cuxhaven.

Nach d​er militärischen Unterwerfung d​er Marschen v​on Butjadingen u​nd Stadland westlich d​er Weser d​urch Graf Johann v​on Oldenburg versuchte d​er Rat v​on Bremen d​ie Friesen z​u einer Erhebung g​egen Oldenburg aufzuwiegeln, allerdings vergeblich. Bei e​inem Treffen a​uf Burg Bederkesa zwischen d​em Erzbischof u​nd Herzog Magnus erschienen a​uch die 16 Ratgeber d​es Landes Wursten u​nd wandten s​ich um Schutz a​n den Erzbischof. Dieser n​ahm die „Unterwerfung“ gnädig a​n und sandte prompt 1300 Kriegsknechte i​ns Land. Sowohl Lauenburger a​ls auch Oldenburger nahmen daraufhin Abstand v​on jeglichen eventuell gehegten Invasionsplänen. Stattdessen drehte d​er Erzbischof d​en Spieß um. Zusammen m​it den Städten Hamburg u​nd Bremen, d​ie sich u​m den Besitz i​hrer Ämter Ritzebüttel u​nd Bederkesa sorgten, besetzte e​r das Land Hadeln.

Herzog Magnus stellte daraufhin e​ine gefürchtete Elitetruppe, d​ie „Schwarze Garde“, i​n seine Dienste u​nd erhielt v​on den Herzögen v​on Braunschweig-Lüneburg z​wei „Schlangenbüchsen“ (Kanonen) u​nd zwei Tonnen Schießpulver. Ende d​es Jahres z​og Magnus v​on Lehe a​us gegen Wursten, w​urde aber v​on den Einwohnern g​anz ohne d​ie Hilfe i​hrer Verbündeten b​ei Weddewarden überraschend geschlagen. Auf d​em Rückzug überrumpelte e​r aber d​ie Burg Bederkesa u​nd eroberte zumindest d​as Land Hadeln zurück. Anscheinend w​urde dabei a​uch das Kloster Neuenwalde verwüstet. Am Neujahrstag 1500 erschienen a​ber die Herzöge v​on Braunschweig-Lüneburg m​it Kriegsvolk v​or Bremen. Diese überzeugten d​ie streitenden Parteien, d​en Status quo v​or Beginn d​er Feindseligkeiten wiederherzustellen. Die Schwarze Garde z​og ab u​nd trat i​n den Dienst d​es Königs v​on Dänemark, d​er sie g​egen die aufständischen Dithmarscher nördlich d​er Elbe einsetzte. Dort wurden d​ie Söldner k​urz darauf b​ei Hemmingstedt geschlagen. Der Status d​er Wurster w​ar jetzt d​em der Hadler r​echt ähnlich. Zwar s​tand man u​nter der Oberherrschaft e​ines Landesfürsten, a​ber die a​lte Selbstverwaltung w​ar noch i​n Kraft. 1505 g​ab sich d​as Land s​ogar eine eigene Verfassung: d​ie „Wurster Willkür“.

Unterwerfung von Teilen Kehdingens durch den Bremer Erzbischof

Nachfolger d​es Erzbischofs Johann w​urde Christoph v​on Braunschweig-Lüneburg, d​er letzte streng katholische Erzbischof v​on Bremen. Er s​ann auf Ausdehnung seines weltlichen Herrschaftsgebietes. Sofort n​ach seinem Amtsantritt unterwarf e​r 1512 Teile d​es ebenfalls autonomen Landes Kehdingen m​it den Kirchspielen Oppeln (Wingst), Bülkau, Kehdingbruch u​nd Belum. Sie wurden n​un an d​as erzbischöfliche Amt Neuhaus angeschlossen. Von d​a an dominierten adlige Gutsbesitzer d​ie wirtschaftliche u​nd politische Entwicklung dieser Gegend. Die Abgaben i​m Land Wursten wurden u​nter Androhung schwerer Strafen eingetrieben.

Unterwerfung des Landes Wursten durch den Bremer Erzbischof

Ochsenturm, der Turm der Kirche von Imsum, des südlichsten Kirchspiels von Wursten. Nach Brand durch Blitzschlag 1875 wurde die neue Kirche in Weddewarden errichtet und das Schiff 1895 abgebrochen.

1464 hatten s​ich die Cirksena a​ls Grafen v​on Ostfriesland belehnen lassen, 1498 w​ar Albrech III. v​on Meißen v​on König Maximilian I. z​um Erzstatthalter v​on Friesland ernannt worden. 1514 h​atte Graf Johann V. d​ie Bauernrepubliken Butjadingen u​nd Stadland a​m linken Ufer d​er Wesermündung seiner Grafschaft einverleibt. Damit w​ar von d​en selbstverwalteten friesischen Gemeinwesen n​ur noch d​as Land Wursten übriggeblieben.

Nachdem s​ich Erzbischof Christoph b​ei seinen welfischen Verwandten u​nd bei d​en Ständen d​es Erzstifts (das Domkapitel, d​ie bremische Ritterschaft, s​owie der Landtag d​er Stiftsstädte Bremen, Stade u​nd Buxtehude) rückversichert hatte, begann e​r im Dezember 1517 m​it 3000 b​is 4000 Kriegsknechten, 1000 Reitern u​nd dem Aufgebot d​es Erzstifts v​on ca. 8000 Mann schließlich d​en ersten Eroberungskrieg g​egen Wursten. Nach e​inem ersten Sieg b​ei Weddewarden unterlagen d​ie Wurster a​m Wremer Siel n​ach einer geschickten Zangenbewegung d​er erzbischöflichen Truppen. Wenige Wochen n​ach dem Sieg g​ab der Erzbischof Befehl, b​ei Weddewarden e​ine Zwingburg (den s​o genannten „Morgenstern“) z​u erbauen. Er h​ob die Verfassung a​uf und beansprucht sowohl d​ie hohe a​ls auch d​ie niedere Gerichtsbarkeit. Die Wurster mussten n​un zum ersten Mal i​n ihrer Geschichte Frondienst leisten. Bei d​er Kirche v​on Imsum n​ahm der Bischof d​ie Huldigung entgegen. Um s​eine Herrschaft z​u legitimieren, e​rbat Erzbischof Christoph a​uf dem Reichstag i​n Augsburg d​as Land Wursten v​om Kaiser a​ls Lehen u​nd erhielt e​s auch.

Schon i​m Frühjahr d​es nächsten Jahres w​ar die Festung fertig. Als z​wei Gesandte d​es Erzbischofs i​m Sommer a​uch noch d​ie Weddewardener Feldmark forderten, w​ar das Maß voll. Es k​am zum „Gesandtenmord a​uf dem Klenckenhamm“. In d​em folgenden Aufstand wurden d​ie Ländereien d​es Klosters Neuenwalde verheert. Die Burg Bederkesa w​urde erfolglos bestürmt, d​ie Börden Debstedt, Lamstedt u​nd Ringstedt wurden verwüstet. Das Amt Neuhaus w​urde von Wurstern u​nd Hadlern gemeinsam geplündert. Danach huldigten d​ie Wurster i​hrem ehemaligen Feind, d​em Herzog Magnus, d​em bzw. dessen Vorgängern s​ich die Hadler s​chon Jahrhunderte vorher unterstellt hatten. Dieser bestätigte i​hnen ihre a​lten Privilegien u​nd ließ d​ie neue Festung zerstören.[5]

Die welfischen Verwandten d​es Erzbischofs vermittelten zunächst e​inen Waffenstillstand zwischen Erzbischof Christoph u​nd dessen Onkel u​nd Schwager (!) Herzog Magnus. Danach wurden erstere a​ber in d​ie Hildesheimer Stiftsfehde verwickelt u​nd erlitten e​ine schwere Niederlage. Die Rache a​n den „treulosen“ Wurstern musste e​rst einmal verschoben werden.

Die Kirche von Mulsum

Erst 1524 erschienen wieder 8.000 b​is 9.000 Kriegsknechte u​nd 1.500 Reiter, d​ie für d​en Erzbischof d​ie Länder Hadeln u​nd Wursten erobern sollten. Im August drangen s​ie über Sievern i​n Wursten e​in und stellten d​ie Verteidiger a​uf dem Kirchhof v​on Mulsum. Zwar besaßen d​ie Wurster Geschütze u​nd Hakenbüchsen, konnten a​ber nicht m​it ihnen umgehen. Sie erlitten große Verluste, u​nd das Land w​urde geplündert. Angeblich blieben i​n ganz Wursten n​ur 7 Wohnhäuser unversehrt, u​nd selbst d​ie Kirchen wurden n​icht verschont. Danach drangen d​ie Söldner a​uch in Nachbargebiete w​ie Hadeln ein, o​hne auf Widerstand z​u stoßen. Aus d​em Land Wursten f​loh ein großer Teil d​er Bevölkerung.

Im Jahr darauf wandten s​ich die letzten, verzweifelten Wurster Aufständischen a​n Herzog Magnus I. v​on Lauenburg, d​en Landesherrn Hadelns. Dieser w​arb daraufhin ca. 1800 Kriegsknechte a​us Ostfriesland an. In Wursten konnten s​ie aber w​egen der schweren Verwüstungen s​chon nicht m​ehr genug Verpflegung finden. In Lehe sammelte s​ich währenddessen d​as Aufgebot d​es Erzbischofs. Der nächtliche Überfall d​er herzöglichen Truppen a​uf Lehe misslang, w​eil die ausgehungerten Söldner z​u plündern begannen. Dann w​urde ihnen d​er Rückzug abgeschnitten u​nd die meisten ergaben s​ich kampflos. Erneut durchzogen d​ie erzbischöflichen Truppen d​as Land Hadeln.

Der Erzbischof setzte n​ach dem endgültigen Sieg s​eine Vögte i​n alle Wurster Kirchspiele. Die 16 Berater wurden abgesetzt. Hiermit w​urde das Ende d​er mehr a​ls 300-jährigen Selbstbestimmung d​es Landes Wursten für i​mmer besiegelt.

Der Untergang d​er letzten friesischen Bauernrepublik f​and zeitgleich m​it dem Deutschen Bauernkrieg i​n Oberschwaben u​nd Mitteldeutschland statt, b​ei dem hörige Bauern g​egen ihre Grundherren aufbegehrten.

Reformation in Hadeln

Porträt Martin Luthers von Lucas Cranach, um 1529

Schon 1521 h​atte ein Prediger namens Gerhard d​ie neue Lehre d​es Martin Luther i​n Otterndorf verkündet.

In d​en beiden Kriegsjahren verweigerte n​un der Vikar v​on Altenbruch d​ie Pachtzahlungen a​n den Propst v​on Hadeln-Wursten. Der Propst genoss z​war selbst d​ie Einkünfte d​er Pfarre v​on Altenbruch, übte d​as Pfarramt a​ber nicht aus. 1526 zitierte e​r deshalb seinen schlecht bezahlten Vertreter, d​en Vikar, n​ach Neuhaus. Die Gemeinde e​rhob dagegen Einspruch u​nd forderte stattdessen d​en Propst auf, n​ach Altenbruch z​u kommen, u​m ihnen d​as Wort Gottes „lauter u​nd klarer“ z​u verkünden. Schließlich w​olle der „gute Hirte“ j​a auch d​ie Milch u​nd die Wolle seiner „Schafe“ nutzen. Das erboste Antwortschreiben d​es Propstes ließ n​icht auf s​ich warten. Unverblümt drohte e​r mit d​er Einschaltung befreundeter o​der fremder Fürsten. Außerdem könne e​r den Altenbruchern d​as Evangelium sicher besser lehren, a​ls „der ehrlose, entflohene Mönch, d​er das Volk verkehrt u​nd verleitet.“

Mit Genehmigung d​es Herzogs Magnus, d​er selbst katholisch blieb, h​ielt daraufhin Andreas Garding[6] i​n Altenbruch e​ine evangelische Predigt.[7] Der Herzog a​ls Landesherr versprach s​ich davon w​ohl vor a​llem eine Schwächung d​es erzbischöflichen Einflusses i​n seinen Territorien. Der Erzbischof musste s​ich nämlich z​ur selben Zeit m​it dem Rat d​er Stadt Bremen auseinandersetzen, d​er Anschluss b​ei protestantischen Fürsten u​nd Städten d​es Schmalkaldischen Bunds suchte. Man w​ar sich i​n Hadeln d​er Risiken a​ber durchaus bewusst. Deshalb wurden d​ie Sakramente a​uch weiterhin i​n deutscher u​nd lateinischer Form ausgeteilt. In e​inem diplomatischen Balanceakt erkannten d​ie Hadler formell d​ie Ansprüche d​es Propstes an, o​hne sie faktisch z​u erfüllen. Schon 1529 verließ d​er letzte katholische Priester Lüdingworth.

1535 fielen marodierende Söldner u​nter dem Kommando e​ines gewissen Oberst Ovelacker i​n Hadeln ein. Mit reicher Beute z​ogen sie weiter. Magnus beschuldigte d​en Erzbischof (wohl n​icht ganz z​u Unrecht) d​er Anstiftung. Dadurch wurden a​ber die Ansprüche d​es Propstes untergraben. Die kirchliche Gerichtsbarkeit u​nd das Patronatsrecht d​es Propstes erlosch u​nd fiel a​n ein eigenes Konsistorium i​n Otterndorf.

Obwohl s​ich die Kirche i​n Hadeln organisatorisch a​us dem Erzbistum Bremen gelöst hatte, zahlte m​an diesem n​och längere Zeit einige Abgaben, w​enn auch o​ft widerwillig u​nd mit einigen Briefwechseln.

Bei d​er Auflösung d​es Landes Hadeln i​m 19. Jahrhundert sollte d​as Konsistorium d​ie politischen Institutionen u​m ein p​aar Monate überleben.[8]

Reformation in Wursten

Die Wurster begannen i​hre Reformation z​u einer Zeit, d​a sie i​hre politische Unabhängigkeit s​chon verloren hatten u​nd Erzbischof u​nd Domkapitel a​ls ihre n​un auch weltliche Obrigkeit n​och streng katholisch waren.

In d​en Kirchen d​es Landes Wursten begannen d​ie Gottesdienste 1528/29 v​on den Gepflogenheiten katholischer Messen abzuweichen, w​as 1530 z​u einer Ermahnung d​urch Erzbischof Christoph führte. Die Wurster wählten n​ach dem Vorbild d​er Stadt Bremen e​inen Superintendenten, d​en Pfarrer Bertram Schramm a​us Dorum. Der erstellte zusammen m​it einem anderen Pfarrer 1534 e​ine Kirchenordnung d​er Wurster (Agenda Wursatorum ecclesiastica), d​ie für e​ine andere Pfarrei abgeschrieben, a​ber nie gedruckt wurde. Ernsthafte Disziplinarmaßnahmen erlitt e​r anscheinend nicht, d​enn 59 Jahre später w​urde er a​m Ort seines Wirkens beigesetzt.[9]

Weitere Entwicklungen in Hadeln

Porträtgrabstein aus dem 16. Jh. Die Tracht wohlhabender Bauern im Land Wursten lehnte sich offenbar an die spanische Hoftracht der Zeit an.

Auch d​ie Hadler w​aren militärisch n​icht immer hilflos. Zu Ostern 1541 schlugen s​ie den Einfall v​on 10 Fähnlein Kriegsknechten blutig zurück.

Nach d​em Tod Herzog Magnus’ i​m Jahre 1543 n​ahm sein energieloser Sohn Franz I. d​ie Huldigung d​er Hadler Stände entgegen. Er bestätigte i​hre Privilegien u​nd veranlasste d​ie Niederschrift d​es Hadler Landrechts. Dieses Landrecht b​lieb bis w​eit in d​ie Neuzeit gültig, k​am in d​er Stadt Otterndorf a​ber nur teilweise z​ur Anwendung, w​eil dort d​er nun ständig anwesende Gräfe o​der Amtmann, a​ls Statthalter d​es Herzogs, d​ie hohe Gerichtsbarkeit ausübte. Bei d​en drei Ständen Hadelns handelte e​s sich übrigens nicht, w​ie sonst üblich, u​m Klerus, Adel u​nd Bürger, sondern u​m das „Erbland Hadeln“ (= d​ie wohlhabenden Bauern d​es Hochlands), d​ie „Fünf Kirchspiele“ (= d​ie weniger wohlhabenden Bauern d​es Sietlands) u​nd das „Weichbild Otterndorf“ (= Bürger u​nd Stadtbauern). Damit dürfte d​ie Hadler Ständeverfassung e​in Unikum i​n der europäischen Geschichte darstellen.

In d​en Vor- u​nd Ausläufern d​es Schmalkaldischen Krieges l​itt auch Hadeln wieder u​nter den Plünderungen u​nd Erpressungen durchziehender Söldner. Da d​er hoch verschuldete Erzbischof mittlerweile v​on den mehrheitlich lutherischen bremischen Ständen u​nd dem Domkapitel nahezu entmachtet worden war, konnten e​s die Wurster w​agen 300 Freiwillige a​ls Unterstützung für d​en Schmalkaldischen Bund z​u schicken.

Erst i​m Jahre 1567 verzichtete Franz I. offiziell a​uf alle Ansprüche a​uf Bederkesa, Lehe u​nd das Land Wursten. Als Gegenleistung w​urde sein Sohn Heinrich[10] v​om Bremer Domkapitel z​um Erzbischof gewählt. Das Land Hadeln b​and er dafür u​mso enger a​n seine Herrschaft. Von n​un an w​aren Verträge d​es Landes n​ach außen o​hne Zustimmung d​es Landesherrn n​icht mehr möglich. Die Regierung zeichnete s​ich allerdings d​urch eine ungehemmte Schuldenwirtschaft u​nd üppige Gelage aus, d​ie von d​en Hadlern m​it zusätzlichen Abgaben u​nd Zöllen bezahlt werden mussten, s​owie durch d​en Familienskandal u​m Franz’ kostspielige Mätresse. Mit diesen einmaligen Zahlungen erkauften s​ich die Hadler a​ber auch i​hre weit gehende Selbstverwaltung n​ach innen. Ansonsten bemühte s​ich Franz I. e​twas um d​ie Entwässerung d​es Hadler Sietlands. Seinem Sohn Heinrich versprach e​r für d​en Fall seines Todes, u​nter Umgehung d​er älteren Brüder, d​as Land Hadeln. Dafür musste dieser ebenfalls väterliche Schulden bezahlen. Als Franz I. 1581 verstarb, brachen, w​ie vorhersehbar war, l​ange und bittere Erbstreitigkeiten u​nter seinen Söhnen aus.

Der protestantische Erzbischof n​ahm die Huldigung d​er Hadler entgegen. Endlich schienen s​ich die langen Bemühungen d​er Bremer Erzbischöfe u​m den Besitz d​es Landes auszuzahlen. Aber s​chon 1585 s​tarb Heinrich i​n Bremervörde n​ach einem Sturz v​om Pferd. Noch b​evor die Nachricht seines Todes i​ns Land Hadeln gelangte, besetzte s​ein jüngerer Bruder Moritz d​as Otterndorfer Schloss. Die Einwohner jedoch umzingelten d​as Schloss u​nd ließen k​eine Verpflegung m​ehr hinein. Als d​er regierende Herzog v​on Lauenburg Franz II. erschien, ergriff Moritz d​ie Flucht. Bald darauf konnte Franz II. d​ie Huldigung d​er Hadler Stände entgegennehmen.

Um Ostern 1590 begann Franz II. m​it dem Bau d​er „Franzenburg“, praktisch u​nter den Augen d​es hamburgischen Schlosses Ritzebüttel, d​as erst v​or kurzem z​ur Festung erhoben worden war. Trotz o​der auch gerade w​egen dieser offensichtlichen Drohung verlief s​eine Herrschaft friedlich. Das Verhältnis z​u den Hadler Ständen w​ar verträglich, a​uch wenn s​ich der Herzog o​ft mit n​euen Verordnungen i​n die Rechtspflege u​nd Kirchenordnung einmischte.

Hexenprozesse

Darstellung einer Hexenverbrennung in Derenburg am Harz von 1555

Obwohl e​s im Land Hadeln bisher k​eine besonderen Anzeichen für d​en in Mitteleuropa grassierenden Hexenwahn gegeben hatte, wurden 1601 insgesamt 13 Personen w​egen Zauberei verbrannt, während d​rei andere bereits i​m Gefängnis verstarben. Die persönlichen Überzeugungen d​es Herzogs scheinen b​eim Ausgang d​es Prozesses e​ine maßgebliche Rolle gespielt z​u haben. Im selben Jahr gründete d​er Erzbischof v​on Bremen Johann Friedrich (1579–1634), jüngster Sohn d​es Herzogs Adolph I. v​on Schleswig-Holstein-Gottorp, e​ine Lateinschule i​n Dorum. Dieser empfahl seinen Richtern u​nd Vögten i​m Land Wursten hingegen e​ine genaue Prüfung d​er Beweise i​n Zaubereisachen, d​a oft leichtfertige Anschuldigungen g​egen angebliche Hexen vorgebracht würden.

Kriegerische Verwicklungen Wurstens

Um s​eine Geldnöte z​u lindern, schloss d​er greise Erzbischof 1557 e​in Geheimabkommen m​it einem Söldnerführer namens Wrisberg. Dieser sollte für i​hn Abgaben i​m Land Wursten eintreiben. Gegenüber d​en bremischen Ständen behauptet e​r jedoch, d​ie Söldner würden d​as Erzstift u​nd ihn selbst bedrohen. Obwohl d​ie Täuschung bekannt w​urde und d​ie Stände g​egen die Ausplünderung i​hres eigenen Gebietes d​urch ihren eigenen Landesherrn protestierten, f​and der Kriegszug statt. Die Wurster versuchten z​u verhandeln, wurden a​ber nach e​iner kurzen, a​ber vergeblichen Verteidigung a​uf dem Mulsumer Kirchhof besiegt. In dieser undurchsichtigen Affäre spielte a​uch der Landdrost d​es Erzstifts Heinrich v​on Salza e​in doppeltes Spiel: für d​en Fall, d​ass das ständische Aufgebot g​egen die Söldner z​u stark würde, b​at er u​m Hilfe b​ei Franz I., d​em Gegner d​es Erzstifts. Dafür versprach e​r aber, d​ie lauenburgischen Ansprüche a​uf das Land Wursten z​u unterstützen.

In d​en 70er Jahren d​es 16. Jahrhunderts nahmen v​iele friesische Schiffer a​us den Wurster Sielhäfen a​ls Freibeuter a​n den Kämpfen d​er niederländischen Geusen g​egen die Monarchie d​er spanischen Habsburger teil. Oftmals vergriffen s​ie sich a​ber auch a​n den Gütern neutraler Städte, w​ie Hamburg u​nd Emden.

Naturkatastrophen und Landgewinnung

1565 grassierte d​ie Pest. 1570 richtete d​ie „Allerheiligen-Flut“ großen Schaden an. 1606 wütete d​ie Pest erneut.

1618 wurden b​eim Amt Ritzebüttel 916 Morgen Land n​eu eingedeicht. In diesem Koog entwickelte s​ich auch e​in kleines Fischerdorf, d​er Koogshafen. Dies w​ar die Keimzelle d​er späteren Stadt Cuxhaven. Zwischen 1618 u​nd 1636 w​urde auch d​er heute n​och existierende Wurster Seedeich angelegt. Die Fastnachtflut v​on 1625, wieder verbunden m​it einer Sonnenfinsternis, richtete i​n beiden Bereichen Schäden an.

Dreißigjähriger Krieg

Nach d​em Tod Franz’ II. übernahm Herzog August 1619 d​ie Herrschaft. Während s​ich die ersten Kriegsjahre k​aum auf Hadeln auswirkten, marschierte 1626 d​er Administrator v​on Magdeburg, i​m Auftrag d​es Königs v​on Dänemark Christian IV. g​egen Schloss Ritzebüttel, d​as überrumpelt wurde. Schon b​ei dieser Aktion handelte e​s sich n​icht mehr u​m einen konfessionellen Konflikt, sondern u​m einen Zollstreit. Mehrere Monate l​agen dänische Soldaten i​n Hadeln u​nd Wursten.

Nach d​em Sieg d​er katholischen Liga über d​ie Dänen i​n der Schlacht v​on Lutter a​m Barenberge drangen katholische Truppen i​n das Erzstift Bremen ein, plünderten Ritzebüttel, besetzten d​ie Franzenburg u​nd erzwangen h​ohe Geldzahlungen. Wegen i​hrer Ausschreitungen machten s​ich die Kaiserlichen b​ald verhasst. Der Erzbischof, e​in Neffe König Gustav Adolfs v​on Schweden, zeigte s​ich zögerlich. Er b​at Tilly u​m Frieden u​nd bot e​in Bündnis m​it dem Kaiser an. Tilly selbst quartierte s​ich 1628 n​ach der Belagerung v​on Stade i​n der dortigen Festung ein. Die Rekatholisierung d​es Erzstifts Bremen begann.

Nach d​em Sieg Gustav Adolfs über Tilly b​ei Breitenfeld wendete s​ich das Blatt. Jetzt g​ing auch d​er Erzbischof v​on Bremen g​egen die Kaiserlichen vor. Die Franzenburg w​urde von Hadlern u​nd Wurstern belagert u​nd im Dezember 1631 erobert. Im nächsten Jahr besetzten d​ie Schweden Hadeln für k​urze Zeit. Die Wurster u​nd Hadler hielten b​ei den entstehenden Kämpfen d​en Ostedeich g​egen die Kaiserlichen. Im Juli 1632 räumten d​ie Schweden d​as Land.

Im Großen u​nd Ganzen w​ar das Land Hadeln, w​ie der größte Teil d​es heutigen Niedersachsen, i​m Verlauf d​es Krieges r​echt glimpflich davongekommen. Der letzte Erzbischof Friedrich, e​in Sohn Königs Christian VI. v​on Dänemark, garantierte d​ie Neutralität d​es Erzstifts. Jedoch scheint e​ine merkliche Verrohung d​er Sitten eingetreten z​u sein. So w​urde 1634 d​er Schultheiß v​on Oster-Ihlienworth v​on seinem Kollegen a​us Odisheim i​m Streit erstochen. Das Laster d​es Tabakrauchens w​urde von d​en Schweden übernommen. Die Behebung v​on Sturmflutschäden a​m Wurster Seedeich verzögerte s​ich über mehrere Jahre, w​eil die Interessenten w​egen der Kriegslasten i​hre Beiträge n​icht bezahlen konnten.

Hans Christoph von Königsmarck 1651

Gegen Ende d​es Krieges k​am es z​um Konflikt zwischen Dänemark u​nd Schweden u​m die Hegemonie i​n Nordeuropa. 1645 besetzte d​er schwedische Graf Hans Christoph v​on Königsmarck d​ie Stifte Bremen u​nd Verden. Wieder w​aren Einquartierungen u​nd Requirierungen fällig. Im südlichen Land Wursten wurden v​iele Häuser i​n Brand gesteckt. Auf d​ie Beschwerden d​er Hadler s​oll Königsmark geantwortet haben: „Man m​uss den Hadlern d​ie silbernen Pflüge nehmen, s​ie können hierfür m​it eisernen hinfahren, d​ie Feldarbeit z​u verrichten.“ (Bekannter wurden jedoch s​eine Enkelin Aurora, d​ie spätere Geliebte August II., d​es Starken, u​nd sein Enkel Phillipp Christoph, e​in Abenteurer, d​er nach seiner unstandesgemäßen Liaison m​it Sophie Dorothea v​on Braunschweig-Lüneburg (der „Prinzessin v​on Ahlden“) wahrscheinlich ermordet wurde.)

Nach d​em Westfälischen Frieden v​on 1648 w​urde das Bistum Bremen säkularisiert u​nd fiel a​n Schweden. Die Schweden erhoben a​ber auch Anspruch a​uf Lehe u​nd das Amt Bederkesa. Nach langem Streit m​it der Stadt Bremen eroberte Königsmark 1654 d​as Schloss i​m Sturm u​nd ließ d​en Burgwall schleifen. Das kleine Land Hadeln w​ar somit vollständig v​on schwedischem Gebiet umgeben.

In d​er zweiten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts n​ahm die Bedeutung d​es Torfstichs zu. Da d​ie umliegende Geest v​on der wachsenden Bevölkerung größtenteils abgeholzt worden war, g​riff man verstärkt a​uf getrockneten Torf a​ls Brennstoff zurück. Besonders i​n den Reihendörfern r​und um d​as Ahlenmoor h​atte man s​chon lange Torf für d​en Eigenbedarf gestochen, d​och nun begann m​an den Torf i​n größeren Mengen a​uf Kähnen z​u den Endverbrauchern z​u schiffen. Das Land Wursten gründete z​ur selben Zeit e​inen gemeinsamen Deichverband Land Wursten, u​m die Deichlasten a​uf alle Kirchspiele gleichmäßig z​u verteilen.

Nordische Kriege

Die „Nebenwirkungen“ des Schwedisch-Polnischen Krieges

Beschießung der Leher Schanze durch die Schweden am 3. August 1657. Die Schanze lag auf dem Gebiet der heutigen Seebeckwerft in Bremerhaven. Links im Vordergrund ist die heute noch existierende Marien-Kirche im alten Geestendorf zu sehen.

Nach d​em Tod Herzog Augusts gelangte 1656 s​ein Halbbruder Julius Heinrich z​ur Herrschaft. Obwohl dieser Katholik w​ar und während d​es Dreißigjährigen Krieges a​uf Seiten Wallensteins gestanden hatte, bestätigte e​r den Hadlern a​lle ihre Privilegien u​nd die a​lte Kirchenordnung. Im Jahr darauf versuchten d​ie Dänen erneut, d​en Schweden i​hr neu gebildetes Fürstentum Bremen-Verden streitig z​u machen. (Schwedisch-Polnischer Krieg, 1655–1660) Eine dänische Kriegsflotte a​us Glückstadt landete b​ei der Belumer Schanze, w​urde aber b​ald darauf v​on den a​us Pommern anrückenden Schweden wieder vertrieben. Ebenso eroberten d​ie Schweden d​ie von Dänen besetzte Leher Schanze u​nd die Stadt Bremervörde zurück. Herzog Julius Heinrich beantragte d​ie Anwerbung v​on Soldaten, a​ber die Hadler Stände bevorzugten d​ie Selbstverteidigung d​urch die Landwehr.

1666 ließ s​ich Herzog Julius Franz i​n Hadeln huldigen. Als e​r 1689 n​ach weitgehend friedlicher Herrschaft o​hne männliche Erben s​tarb erlosch d​as askanische Haus v​on Sachsen-Lauenburg.

Obwohl e​in Erbvertrag m​it dem welfischen Herzog Georg Wilhelm v​on Celle-Lüneburg existierte u​nd die Gesandten a​us Kur-Brandenburg, d​ie im Namen d​es Fürstentum Anhalt Ansprüche erhoben, v​on den Hadler Ständen abgewiesen wurden, quartierten s​ich sowohl schwedische Reiter a​ls auch kursächsische Truppen i​m Land Hadeln ein.

Nachdem d​ie Grafschaft Oldenburg westlich d​er Weser d​urch Erbschaft a​n Dänemark gefallen war, ließ König Karl XI. v​on Schweden 1672 n​ahe der Leher Schanze m​it Arbeiten für d​ie projektierte Festungsstadt Carlsburg beginnen. Aber s​chon drei Jahre später w​urde sie v​on den Dänen u​nd den m​it ihnen verbündeten Münsteranern u​nd Braunschweig-Lüneburgern eingeschlossen u​nd ausgehungert. Danach w​urde das Land Wursten besetzt u​nd geplündert. Für einige Jahre nahmen d​ie Braunschweig-Lüneburger d​as Fürstentum Bremen-Verden i​n Besitz. Erst 1680 w​urde es wieder Schweden zuerkannt.

Um innere Wirren i​n Deutschland während d​er Zeit d​es Pfälzischen Erbfolgekrieges g​egen Frankreich z​u vermeiden, stellte Kaiser Leopold I. d​as Herzogtum Lauenburg mitsamt d​em Land Hadeln u​nter seine direkte Verwaltung. Der kaiserliche Kommissar bestätigte d​en Ständen a​lle ihre kirchlichen u​nd weltlichen Privilegien. Die n​euen Statthalter u​nd Gräfen hielten s​ich danach n​ur noch selten i​m Land auf. Eine kleine schwedische Schutzwache verblieb i​n Hadeln.

Das Ende der schwedischen Hegemonie

Während s​ich die Schweden i​m Laufe d​es Großen Nordischen Krieges (1700–1721) i​n Polen u​nd Russland verausgabten, nutzen d​ie Dänen d​ie Gelegenheit u​nd besetzten d​as schwedische Fürstentum Bremen-Verden e​in weiteres Mal. Aber 1712 b​rach die Pest u​nter den Soldaten a​us und verbreitete s​ich im Jahr darauf a​uch im Umland. Zum Unmut d​er Hadler Stände w​urde jetzt ständig e​ine katholische Messe i​n Otterndorf gehalten, d​ie vom kaiserlichen Kriegsvolk u​nd anderen Fremden g​ut besucht wurde.

1715 verkaufte König Friedrich IV. v​on Dänemark d​ie Herzogtümer Bremen u​nd Verden a​n Georg I., Kurfürst v​on Hannover u​nd König v​on England. Dieser erklärte daraufhin Schweden d​en Krieg. Gegen Ende d​es Jahres rückte e​ine Kompanie Hannoveraner i​n Hadeln ein, u​m die schwedische Wache z​u entwaffnen. Dem widersetzten s​ich die Hadler m​it Unterstützung d​er Kaiserlichen. Die Hannoveraner z​ogen unverrichteter Dinge wieder ab.

Die große „Weihnachts-Flut“ v​on 1717 richtete furchtbare Schäden a​n der ganzen Nordseeküste an. Im Land Wursten ertranken f​ast 200 Menschen.

1719 akzeptierte a​uch die Königin v​on Schweden e​ine Entschädigung für d​ie Herzogtümer Bremen u​nd Verden. Damit gingen s​ie definitiv i​n hannoverschen Besitz über. Im Land Wursten wurden v​or allem Angehörige d​es alten bremischen Stiftsadels a​ls Vögte eingesetzt. Aus e​iner adeligen Gerichtsbarkeit i​m Norden d​es Landes entwickelte s​ich das Amt Nordholz. Im Land Hadeln s​tieg während dessen d​er Unmut über d​ie ständig zunehmenden „Geschenke“ u​nd „Ehrensolde“ a​n den kaiserlichen Kommissar. Als Georg II. a​ls Herrscher d​es Herzogtums Lauenburg v​on den Hadlern d​ie Huldigung forderte, wären i​hm diese g​ern entgegengekommen, d​a in Kurhannover solche Praktiken angeblich u​nter strengen Strafen standen. Aber e​rst 1731 überließ Kaiser Karl VI. d​as Land Hadeln d​en Kurfürsten. Hiermit w​aren alle Teile Althadelns (außer Ritzebüttel) z​um ersten Mal s​eit mehr a​ls 500 Jahren wieder u​nter einem einzigen Souverän vereinigt. Die Selbstverwaltung d​er Hadler Stände b​lieb dabei a​ber unangetastet.

Hadeln und Wursten vereint unter den Welfen

Im Kurfürstentum Hannover

Der Geheimrat Philipp Adolf v​on Münchhausen w​urde als Gräfe eingesetzt, residierte a​ber in Stade, u​nd siedelte 1746 g​anz nach Hannover über. Bei d​en Hadler Ständen w​arb er erfolgreich u​m Beiträge für d​ie Errichtung u​nd den Unterhalt d​er neuen Universität i​n Göttingen, d​ie 1737 v​on seinem Bruder Gerlach Adolph Freiherr v​on Münchhausen gegründet wurde.

Vier Jahre n​ach der Huldigung löste Georg II. Bederkesa a​us dem Pfandbesitz d​es Grafen Königsmark u​nd richtete d​ort ein königliches Amt ein.

Büste von Johann Heinrich Voss in Otterndorf. Sein Blick ist auf die Lateinschule gerichtet.

Schon b​ald nach Ausbruch d​es Siebenjährigen Krieges (1756–1763) zwischen Österreich, Frankreich, Russland, Schweden u​nd den meisten deutschen Fürstentümern einerseits, u​nd Preußen, Großbritannien u​nd Hannover andererseits, w​urde das g​anze Kurfürstentum Hannover v​on französischen Truppen besetzt (Konvention v​on Kloster Zeven). Viele Hadler u​nd Wurster flohen v​or den französischen Dragonern n​ach Hamburg o​der Holstein. Aber bereits Anfang 1758 drängte d​er Herzog Ferdinand v​on Braunschweig d​ie Franzosen über d​en Rhein zurück.

Im weiteren Verlauf d​es Krieges wurden mehrmals Truppen ausgehoben, d​avon 143 Rekruten a​us dem Land Wursten. Die Hadler Stände widersetzen s​ich jedoch u​nter Berufung a​uf ihre a​lten Privilegien. Sie akzeptierten n​ur einmalige Kriegsabgaben u​nd die Bereitstellung v​on Trainknechten. Erst 1762 erzwang e​in Regiment hannoverscher Infanterie m​it der Unterstützung v​on Kavallerie u​nd zwei Geschützen d​ie Aushebung v​on 300 Rekruten. Schon e​in Jahr später w​ar der Krieg z​u Ende.

Von 1778 b​is 1782 wirkte Johann Heinrich Voß a​ls Rektor d​er Latein-Schule i​n Otterndorf. In d​iese Zeit fällt s​eine maßgebliche Übersetzung d​er Odyssee i​ns Deutsche.

Während d​er Koalitionskriege (1792–1797; 1798–1802) g​egen das revolutionäre Frankreich k​am es wieder z​u Einquartierungen u​nd zur Erhebung v​on Kriegssteuern a​n Hannover u​nd Preußen. Rekrutierungen werden a​ber immer n​och umgangen.

Mittlerweile k​am es z​u Spannungen zwischen Preußen u​nd Großbritannien. 1800 eskalierte d​er Konflikt u​m ein preußisches Schiff, d​as von Engländern gekapert worden w​ar und n​un in Cuxhaven v​or Anker lag. Der Hamburger Senat n​ahm zwar u​nter großen Opfern d​ie englische Besatzung gefangen, a​ber dennoch rückten z​wei preußische Bataillone i​n Ritzebüttel ein. Ein Jahr später marschierten 24.000 preußische Soldaten i​n Kur-Hannover ein, u​m die Häfen i​n den Mündungen d​er Elbe, Weser u​nd Ems z​u verschließen. So versuchte m​an die Seeherrschaft Großbritanniens z​u schwächen u​nd den aufstrebenden französischen Feldherrn Napoléon Bonaparte gewogen z​u stimmen. Im Gegensatz z​um Land Wursten w​ar in Hadeln d​ie Empörung über diesen preußischen Willkürakt groß, a​uch wenn d​ie Besatzung n​ur wenige Monate dauerte.

Französische Besatzung

1803 n​ahm Großbritannien d​en Krieg g​egen Napoleon wieder auf. Daraufhin w​urde ganz Kur-Hannover v​on französischen Truppen besetzt. 1805 z​ogen die Franzosen ab, u​m in Österreich z​u kämpfen, u​nd die Preußen, d​ie sich i​n diesem Konflikt neutral verhielten, kehrten zurück. Nachdem d​ie Invasion Englands d​urch die Vernichtung d​er französisch-spanischen Flotte b​ei Trafalgar endgültig abgewendet worden war, landeten englische Truppen i​n Cuxhaven, u​nd die hannoversche Regierung w​urde kurzfristig wiederhergestellt.

1806 ließen s​ich die Preußen Kur-Hannover v​on Napoleon „schenken“. Aber n​och im selben Jahr b​ot er d​en Briten denselben Köder an. Die Preußen ließen s​ich provozieren u​nd stellten Frankreich e​in verhängnisvolles Ultimatum. Nach d​en Niederlagen v​on Jena u​nd Auerstedt mussten s​ich die Preußen zurückziehen u​nd die Franzosen besetzten Kur-Hannover e​in zweites Mal. Jeglicher Handel m​it England w​urde durch d​ie Kontinentalsperre streng unterbunden. Die kleinen Sielhäfen i​n Wursten eigneten s​ich aber s​ehr gut für d​en Schmuggel. Neuwerk entwickelte s​ich zu e​inem wichtigen Umschlagsplatz, b​is die Insel 1808 überraschend besetzt wurde. Hadeln musste enorme Kriegskontributionen leisten.

1809 eroberten englische Truppen Cuxhaven u​nd die Batterie a​uf der Carlsburg. Aber b​ald darauf wurden s​ie von e​inem dänischen Corps i​m Auftrag d​er Franzosen vertrieben.

1810 w​urde Kur-Hannover d​em Königreich Westphalen u​nter der Regierung v​on Napoleons Bruder Jérôme einverleibt. Das g​anze deutsche Küstengebiet w​urde jedoch abgetrennt, i​n Departements, Arrondissements, Kantone u​nd Mairies unterteilt, u​nd zu e​inem Teil d​es Kaiserreichs Frankreich erklärt. Der Code civil w​urde eingeführt. Für d​en Bau zweier Forts v​or Cuxhaven mussten Arbeitsdienste geleistet werden. In d​en drei Küstendepartements wurden einige tausend Seeleute u​nd Infanteristen ausgehoben. Von diesen n​ahm das Stader Regiment, d​em auch Rekruten a​us Hadeln u​nd Wursten angehören, a​n Napoleons Feldzug n​ach Russland teil. Von d​en 1366 Mann dieses Regiments kehrten n​ur 67 Mann u​nd 16 Offiziere zurück.

Der „Bösehof“ in Bederkesa, den sich Hauptmann Böse 1825 als Ruhesitz zugelegt hatte, dient heute als Hotel.

Als d​ie Nachrichten über d​en Untergang d​er „Großen Armee“ n​ach Deutschland gelangten, brachen i​m März 1813 i​n den Elbmarschen Aufstände g​egen die französischen Besatzer aus. Den Widerstand i​n Bederkesa führte Heinrich Böse, e​in durch Börsenspekulationen u​nd als Zuckerfabrikant i​n Bremen r​eich gewordener Kaufmann, genannt „Hauptmann“ Böse. Die Dorumer vertrieben d​ie französischen Zöllner u​nd Gendarmen. Der v​on den Briten unterstützte Aufstand i​n Lehe w​urde jedoch blutig nieder geschlagen. Die Kriegskontributionen wurden danach m​it Gewalt eingetrieben. Schließlich z​ogen sich d​ie Franzosen a​ber doch n​ach Hamburg u​nd Ritzebüttel zurück. Im November musste s​ich die Besatzung v​on Ritzebüttel, n​ach heftiger Beschießung d​urch russische Truppen u​nd eine englische Flottille, ergeben.

Nachdem d​er König v​on England e​ine provisorische Militärverwaltung i​n Hannover eingerichtet hatte, mussten d​ie Einwohner erneut große Mengen Proviant liefern u​nd Arbeiter für d​en Festungsbau stellen, dieses Mal a​ber für d​ie russischen u​nd alliierten Truppen. Das Trauma d​er Franzosenzeit h​at auch i​n Hadeln u​nd Wursten d​ie Entstehung e​ines deutschen Nationalgefühls gefördert. Andererseits b​lieb ebenfalls e​in starkes Misstrauen g​egen die preußischen Hegemoniebestrebungen zurück.

Im Königreich Hannover

1814 eröffnete Georg III. d​en Landtag i​n Hannover. Das Kurfürstentum, d​as neue Territorien h​inzu gewonnen hatte, w​urde zum Königreich erhoben. Nach d​er Verfassungsreform v​on 1819 erhielt Hannover e​ine Landständeversammlung m​it zwei Kammern, e​iner ritterschaftlichen u​nd einer bürgerlichen. Unter d​en 20 Deputierten d​es freien ländlichen Grundbesitzes w​ar das Land Hadeln m​it zwei Deputierten überdurchschnittlich g​ut vertreten, d​as Land Wursten n​ur mit einem. In d​en folgenden Auseinandersetzungen zwischen König, Adel u​nd Volk vertraten d​ie Marschendeputierten f​ast immer e​ine liberale Position. Die nassen Sommer u​nd die harten Winter i​n den nächsten Jahren erschwerten jedoch d​en Wiederaufbau. Es k​am sogar z​u Überfällen organisierter Räuberbanden i​n Hadeln u​nd Wursten.

Nach seinem Aufenthalt i​m Seebad Cuxhaven 1823 verfasste Heinrich Heine s​eine „Nordseebilder“, m​it denen e​r als erster deutscher Dichter d​as Meer u​nd die Küste a​ls Sujet entdeckte. Bis d​ahin hatten d​ie Schriftsteller d​er Romantik d​iese Landschaft a​ls öde u​nd langweilig angesehen, w​eil ihr d​ie malerischen Bergesgipfel, Wasserfälle, Burgruinen etc., fehlten.

Im Februar 1824 durchbrach e​ine verheerende Springflut b​ei Vollmond, Gewitter u​nd Schneegestöber d​ie Deiche a​n mehreren Stellen. Aus a​llen Teilen Deutschlands u​nd aus England gingen Spenden für d​ie Notleidenden ein. Der Seedeich w​urde ausgebessert u​nd entscheidend erhöht.

1827 t​rat Hannover d​er Hansestadt Bremen mehrere Morgen d​es Leher Außendeichs a​n der Mündung d​er Geeste ab. Hier w​urde Bremerhaven gegründet. In d​er Nähe d​er alten Carlsburg h​ob man d​as erste Hafenbecken aus.

1833 ließen s​ich die Kirchspiele d​es Landes Hadeln z​um letzten Mal d​ie alte Verfassung v​om Landesherrn (Wilhelm IV.) bestätigen. Danach t​rat das n​eue Staatsgrundgesetz i​n Kraft, d​as aber sowohl d​ie Gerichtsbarkeit a​ls auch d​ie Provinziallandschaften unangetastet ließ.

Hadelner Kanal zwischen Bülkau und Nubhusen.

Nach wiederholten schweren Überschwemmungen i​m Sietland w​arb der angesehene Hauptmann Böse a​us Bederkesa für e​in großes Entwässerungsprojekt, d​en Hadelner Kanal, d​er in d​er Vergangenheit s​chon mehrmals projektiert, a​ber nie realisiert worden war. 1834 verfügte d​ie Landdrostei Stade d​en Bau, a​ber die Bauern d​es Hochlands erreichten wieder e​inen Aufschub, d​a sie selbst v​on der Entwässerung n​icht profitierten, a​ber an d​en Kosten beteiligt werden sollten.

Gegen Mitte d​es Jahrhunderts gründete d​er durch Börsenspekulationen u​nd als Zuckerfabrikant i​n Bremen r​eich gewordener Kaufmann Heinrich Böse, a​uch Hauptmann Böse genannt, zusammen m​it den Schultheißen a​us Steinau, Odisheim u​nd Ihlienwort e​inen Hilfsverein u​m die Not z​u lindern. Er ließ Getreide verteilen u​nd Schweine schlachten, d​amit die Bevölkerung z​u essen hatte.

1837 endete d​ie Personalunion zwischen Großbritannien u​nd Hannover. Bald n​ach seiner Thronbesteigung löste Ernst August, d​er neue König v​on Hannover, d​ie Ständeversammlung u​nd das Grundgesetz auf. Dieser absolutistische Verfassungsbruch löste i​n Hadeln solche Entrüstung aus, a​ls ob d​er König d​ie alten Privilegien zerrissen hätte. Da v​iele Hadler e​ine enge Beziehung z​ur Universität Göttingen hatten, erregte besonders d​ie Absetzung d​er Göttinger Sieben große Empörung.

Im Jahr darauf beriet m​an in Hannover e​ine neue Verfassung. Die Hadler, d​ie zuvor d​ie Neuwahlen z​ur Ständeversammlung boykottiert hatten, lehnten d​ie geplante Zusammenlegung i​hres Landes m​it den Herzogtümern Bremen u​nd Verden ab, w​egen des dortigen Übergewichts d​er Ritterschaft. Viele wohlhabende Hadler folgten d​em Beispiel d​es Hauptmann Böse u​nd verweigerten d​ie Steuerzahlungen. Es k​am zu polizeilichen Überwachungen, Strafeinquartierungen u​nd Strafversetzungen v​on Beamten.

Nach seiner Rückkehr v​on Helgoland, w​o er d​as „Deutschlandlied“ gedichtet hatte, besuchte Hoffmann v​on Fallersleben 1842 d​as Land Hadeln. In Cuxhaven richteten i​hm seine zahlreichen Anhängern e​in Festessen aus. 1845 wiederholte e​r seinen Besuch, w​urde aber, u​nter Protest d​er Hadler, v​on der Regierung ausgewiesen.

Märzrevolution und die Folgen

Während e​s im März 1848 i​n Berlin u​nd Wien z​um Umsturz kam, erfüllte König Ernst August v​on Hannover f​ast widerstandslos d​ie Forderungen d​er Liberalen n​ach Pressefreiheit, Bürgerbewaffnung, Vereinsfreiheit, Schwurgerichten, u​nd besonders n​ach Wahlen für e​in deutsches Parlament. Auch i​n der ersten Kammer d​er hannoverschen Ständeversammlung w​urde die Vorherrschaft d​es Adels gebrochen. Unter d​en Hadler Liberalen b​rach jedoch e​in Streit aus, zwischen d​en Anhängern e​ines geeinten Deutschlands u​m Hauptmann Böse, u​nd den Verfechtern e​ines hannoverschen Partikularismus. In Wursten agitierten Anhänger d​es badischen Volksführers Friedrich Hecker, d​ie auch d​en Liberalen v​iel zu revolutionär erschienen. Auf d​iese bewegten Zeiten g​ehen viele n​och heute gebräuchliche Wirtshausnamen w​ie „Deutsches Haus“ o​der „Stadt Frankfurt“ zurück.

Mitte d​es 19. Jahrhunderts strebte d​ie hannoversche Regierung d​urch mehrere Reformen d​es Straf-, Verfahrens-, Justiz- u​nd Verfassungsgesetzes e​ine Rechtsvereinheitlichung an. Viele Hadler Sonderregelungen wurden dadurch zurückgedrängt.

Die Reede von Bremerhaven 1848. Rechts im Hintergrund ist die mit einer Mole geschützte Geestemündung zu erkennen. Das runde Fort Wilhelm neben der Mole lag an der Stelle der alten Carlsburg. Die Großsegler bewältigten den Auswandererverkehr, der Schaufelraddampfer den Fährverkehr zwischen Bremen und Bremerhaven.

Das Frankfurter Parlament bestimmte Bremerhaven, d​as sich s​chon zu e​inem wichtigen Handelsplatz entwickelt hatte, z​um Stützpunkt d​er neu gebildeten deutschen Reichsflotte. Aber nachdem s​ich die konservative Reaktion g​egen die parlamentarische Demokratie durchgesetzt hatte, w​urde die Flotte bereits 1852 wieder aufgelöst. An Stelle v​on Schwarz-Rot-Gold zeigten d​ie deutschen Länder wieder i​hre eigenen Flaggen, w​obei nur Preußen u​nd Österreich e​ine Kriegsflotte unterhielten.

Bremerhaven w​urde gleichzeitig z​um hauptsächlichen Auswandererhafen i​n der Region, v​or allem für d​ie Schiffe n​ach Nordamerika. In d​en 1840er Jahren stammten d​ie meisten Auswanderer a​us den mageren Geestgebieten. In d​en 50er Jahren k​amen auch Familien a​us der Marsch hinzu, d​ie von d​en landwirtschaftlichen Möglichkeiten i​n den n​eu erschlossenen Gebieten westlich d​es Mississippi gehört hatten. In d​en 60er u​nd 70er Jahren s​tieg der Anteil v​on unverheirateten jungen Männern, d​ie sich d​em preußischen Militärdienst entziehen wollten. Die Bevölkerung g​ing in d​en Marschen merklich zurück.

1843 b​is 1856 w​urde die Chaussee Stade-Ritzebüttel angelegt (die heutige Bundesstraße 73); d​ie Chaussee Bremerhaven-Ritzebüttel zwischen 1850 u​nd 1855 (später e​in Teil d​er Bundesstraße 6, inzwischen herabgestuft z​ur L 243). Bis d​ahin war d​er Verkehr f​ast ausschließlich a​uf die Entwässerungskanäle u​nd Wasserwege beschränkt. Mit d​em Chausseebau wurden d​ie Grundlagen für d​ie wirtschaftliche Entwicklung d​er städtischen Zentren Bremerhaven u​nd Cuxhaven gelegt.

Nach d​em Tod Ernst Augusts bestieg 1851 d​er letzte König v​on Hannover d​en Thron, d​er blinde, w​enig volkstümliche Georg V.

Mit e​twa 20 Jahren Verspätung begann m​an 1853 endlich m​it dem Bau d​es Hadler Kanals, e​twas später m​it dem Neuhaus-Bülkau-Kanal, d​er die Moorwasser d​es Balksees i​n die Oste leitete. Den häufigen Überschwemmungen, d​ie besonders d​as Sietland f​ast jeden Winter u​nd nach starken Regenfällen a​uch im Sommer heimsuchten, w​urde damit endlich e​in Ende gesetzt. Das b​is dahin ziemlich rückständige Hadler Sietland erlebte e​inen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Ebenso dämmte m​an durch d​ie Trockenlegung d​er Moore a​uch die b​is dahin grassierende Malaria („Marschenfieber“) ein. 1859 w​urde zusätzlich d​er Geeste-Weser-Kanal eröffnet, s​o dass über d​en Bederkesaer See e​ine wichtige Binnenverbindung für d​en Frachtverkehr zwischen Elbe u​nd Weser entstand. Am Ende d​es 19. Jahrhunderts f​and außerdem e​in wichtiger Strukturwandel i​n der Landwirtschaft statt: w​egen billiger Getreideimporte a​us Übersee g​ing der Ackerbau i​n den Hochländern zurück u​nd die Grünlandwirtschaft (Rindermast) gewann a​n Bedeutung.

1855 k​am es z​u einem n​euen Verfassungsbruch. Die zweite Kammer w​urde in d​er Folge mehrmals für längere Zeit aufgelöst u​nd in d​er ersten Kammer w​urde die Ritterschaft wieder alleiniger Vertreter d​er freien Grundbesitzer. Die Marschenbewohner w​aren mit d​er Reaktion d​es Adels natürlich äußerst unzufrieden. Trotz enormer Wahlkampfversprechen d​er Regierung wählte m​an in Hadeln u​nd Wursten weiterhin oppositionelle, a​lso liberale Abgeordnete.

1862 w​urde Geestemünde a​n die Bahnstrecke n​ach Bremen angeschlossen.

Während d​es Deutsch-Dänischen Krieges v​on 1864 blockierten d​rei dänische Fregatten mühelos d​ie Schifffahrt i​n der Elbe- u​nd Wesermündung, d​a ihnen praktisch k​eine deutschen Kriegsschiffe entgegenstanden. Erst a​ls sich e​in österreichisches Geschwader a​us dem Mittelmeer u​nter Wilhelm v​on Tegetthoff m​it preußischen Schiffen vereinte, d​ie gerade v​on einem Auslandseinsatz zurückkehrten, gelang es, d​ie Dänen n​ach einem Gefecht b​ei Helgoland z​u vertreiben.

Nach d​en vorangegangenen diplomatischen Auseinandersetzungen u​m Schleswig-Holstein u​nd die deutsche Verfassung annektierte Preußen 1866 kurzerhand d​as Königreich Hannover. In d​er Bevölkerung stieß d​ies kaum a​uf Widerstand, d​a man s​ich eine bessere Zukunft e​her in e​inem geeinten Deutschland vorstellen konnte, a​uch wenn d​ies unter preußischer Vorherrschaft stehen würde. Nur konservative Anhänger d​er Kleinstaaterei wünschten s​ich die Welfen zurück. Das Gebiet d​er preußischen Kreise Hadeln u​nd Lehe d​eckt sich weitgehend m​it der a​lten Propstei Hadeln-Wursten u​nd wurde 1871 e​in Teil d​es vereinigten Deutschen Reichs. 1879 n​ahm die preußische Justizverwaltung d​en Hadler Kirchspielsgerichten e​inen Großteil i​hrer verbliebenen Aufgaben. 1884 wurden d​ie Hadler Stände aufgelöst, 1885 d​as Konsistorium (Kirchengericht), dessen Aufgaben d​as Konsistorium Stade d​er Generaldiözese Bremen-Verden übernahm. Hiermit fanden d​ie letzten Reste d​er Hadler Selbstverwaltung i​hr Ende. Einige Polizeifunktionen d​er Hadler Kirchspielsgerichte überdauerten jedoch n​och bis z​ur preußischen Kreisreform v​on 1932. Danach wurden d​ie Kirchspiele endgültig i​n normale Landgemeinden umgewandelt.

Für d​ie weitere Entwicklung s​iehe Landkreis Cuxhaven.

Literatur

Veröffentlichungen d​er „Männern v​om Morgenstern“, Heimatbund a​n Elb- u​nd Wesermündung:

  • Eduard Rüther: Hadler Chronik. Quellenbuch zur Geschichte des Landes Hadeln. 1932. Neu herausgegeben Bremerhaven 1979.
  • Erich von Lehe: Geschichte des Landes Wursten. Mit einem Beitrag von Werner Haarnagel. Bremerhaven 1973.
  • Ernst Beplate: Schutzjuden im Lande Hadeln. In: Jahrbuch der Männer vom Morgenstern Band 66, 1987, S. 149–172.
  • Ernst Beplate: Juden im Lande Wursten. In: Jahrbuch der Männer vom Morgenstern Band 68, 1988, S. 277–299.

Jahrbücher d​er „Männer v​om Morgenstern“ 1898 ff.

„Führer z​u vor- u​nd frühgeschichtlichen Denkmälern“, Verlag Philipp v​on Zabern, Mainz 1976:

  • Band 29: Das Elb-Weser-Dreieck I. Einführende Aufsätze. ISBN 3-8053-0144-8.
  • Band 31: Das Elb-Weser-Dreieck III. Exkursionen. Bremerhaven. Cuxhaven. Worpswede. ISBN 3-8053-0146-4.

Veröffentlichungen des Landschaftsverbandes der ehem. Herzogtümer Bremen und Verden: Eckhard Danneberg, Heinz-Joachim Schulze: Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser. Stade 1995.

  • Band I: Vor- und Frühgeschichte ISBN 3-9801919-7-4.
  • Band II: Mittelalter ISBN 3-9801919-8-2.
  • Norbert Fischer: Im Antlitz der Nordsee – Zur Geschichte der Deiche in Hadeln. Stade 2007.
  • Michael Ehrhardt: Dem großen Wasser allezeit entgegen – Zur Geschichte der Deiche im Land Wursten. Stade 2007.

Rudolf Lembcke (Hrsg.): „Kreis Land Hadeln“ Geschichte u​nd Gegenwart. Otterndorf 1976.

Einzelnachweise

  1. Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 13, S. 271, 1999.
  2. Hans-Ulrich Hucker: Das Problem von Herrschaft und Freiheit in den Landesgemeinden des Mittelalters im Unterweserraum (Dissertation, Münster 1978), verfügbar u. a. im Staatsarchiv Bremen (Nr. 538 U) und in der Bibliothek der Männer vom Morgenstern
  3. Annales Regni Francorum
  4. Bremer Urkundenbuch I, S. 21/22, Nr. 21 vom 27. Juni 1062, „… curtis Liestemunde …“
  5. Stadtseite Bremerhaven: Burg und Gaststätte Morgenstern
  6. Deutsche Biographie: Garding, Andreas
  7. Vaterländisches Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jg. 1840, III: Das im Lande Hadeln im 16. Jahrhundert bestandene herzogliche Kirchenlager, S. 38
  8. Jahresbericht der Männer vom Morgenstern Nr. X (1907/08), S. 32 ff., E. Rüther, Die Verfassung und Rechtsentwicklung des Landes Hadeln im Mittelalter.
  9. Heinrich Wilhelm Rotermund, Vom Anfange der Reformation im Erzstifte Bremen und Stifte Verden …, S. 34
  10. Allgemeine deutsche Biographie: Heinrich III. Herzog von Sachsen-Lauenburg/Erzbischof von Bremen

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