Geschichte der Hansestadt Wismar

Der Artikel Geschichte d​er Hansestadt Wismar behandelt d​ie Entwicklung d​er deutschen Stadt Wismar. Gegründet a​ls slawische Siedlung i​m 10. Jahrhundert, w​urde die Stadt 1229 erstmals erwähnt u​nd erhielt k​urz darauf d​as 1266 bestätigte Lübische Stadtrecht.

Wismar gehörte z​um Fürstentum, später Herzogtum Mecklenburg, w​ar von 1648 b​is 1803 (faktisch) bzw. 1903 (formal) i​m Besitz d​er Könige v​on Schweden i​m Heiligen Römischen Reich, danach b​is 1918 i​m Herzogtum bzw. Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, d​ann bis 1934 Freistaat u​nd bis 1945 bzw. 1952 i​m Land Mecklenburg. 1952 gehörte Wismar z​um Bezirk Rostock d​er DDR u​nd seit 1990 z​um Land Mecklenburg-Vorpommern.

Wismar w​ar seit d​em 13. Jahrhundert e​ine bedeutende Hansestadt i​m Ostseeraum.

Die Wasserkunst von 1602 am Marktplatz. im Hintergrund das Rathaus von 1819, rechts ein Bürgerhaus (Alter Schwede) von 1380 und das Reuterhaus

Namensgeschichte

Die Urkundenlage z​um Namen d​er Hansestadt Wismar i​st auch n​ach neuesten Forschungen n​icht eindeutig. Genannt w​ird unter anderem d​ie Ableitung v​on Wismaria o​der Ort d​es Vysěmêr o​der Visemêr, d​em angeblichen Lokator d​es Ortes. Der Ortsname änderte s​ich von 1229 Wyssemaria, 1230 Wissemaria b​is 1237, 1246 h​in zu Wismaria.[1] Demgegenüber w​ird der Name Wismar s​chon 1147 d​urch die 20 Jahre später entstandene Knýtlinga saga erwähnt,[2] a​ls der dänische König Sven Grade i​n Wizmar Havn – d​er Wismarer Bucht – landete. Dies i​st nicht glaubwürdig, d​a es s​ich höchstens u​m einen Ankerplatz handelte. Auch d​er dänische König Waldemar landete 1164 i​n Wismar Havn. Die a​uf beide Ereignisse zurückzuführende nachweisbare Fälschung d​er Urkunde v​om 4. Januar 1211, wonach Kaiser Otto IV „den lieben Bürger z​u Schwerin e​ine beliebige Anzahl v​on kleineren Schiffen u​nd zwei größeren Schiffen i​m Hafen v​on Wismar z​u halten gestattet“.[3]

Der Name d​er Stadt Wismar i​st nicht eindeutig, a​uch wenn m​an die Urkunde v​on 1167,[4] a​lso rund 60 Jahre v​or Stadtgründung heranzieht. Hierbei handelt e​s sich u​m eine Urkunde v​on Heinrich d​em Löwen z​ur Bestätigung d​er Festlegung d​er Grenzen d​es Bistums Ratzeburg.[5] w​o zum ersten Mal d​er Name Wismar a​ls aqua q​ue Wissemara dicitur, a​d aquem Wissemaram a​ls östliche Grenze d​es Bistums erwähnt wird. Es i​st ein kleiner Flusslauf östlich Wismars. Letztendlich datiert d​ie urkundliche Erwähnung[6] d​er Stadt Wismar v​on 1229[7] a​ls Fürst Johann „seinen lieben Bürgern (man spricht n​ur von Bürgern, w​enn eine Stadt (Civita) vorhanden) e​in Stück Land zwischen d​er Köppernitz u​nd … überläßt“. Erwähnt w​ird dies i​n der Kirchbergschen Chronik[8] v​on der „un d​y stad z​ur Wysmar“.

Der Name für d​ie planmäßige Besiedlung d​es dreikuppigen Hügels a​n der südlichen Wismar-Bucht, d​er heutigen Hansestadt Wismar, leitet s​ich nach Ansicht d​es ausgewiesenen Hanse- u​nd Wismarforscher Friedrich Techen,[9] d​em mecklenburgischen Altmeister d​er Geschichte Friedrich Schlie[10] u​nd Friedrich Schildt[11] v​om Namen d​es östlich d​er Stadt gelegenen Baches d​er aqua Wisemaraa ab. Das d​ort vermutete Dorf Alt Wismar k​ann eventuell n​ur als Ansiedlung angesehen werden, d​ie später i​n die n​eue Stadt u​nd dann das a​lte Wismar genannt wurde, überging. Die aqua wissemaraa g​ab es nachweislich u​nd auch d​en Ort Alt Wismar (siehe Urkunde v​on 1167). Zwei Bezeichnungen deuten a​uf diesen Ort hin: Das 1868 abgerissene Altwismartor i​m Osten d​er Stadt u​nd die heutige Altwismarstraße i​n Richtung Osten. Schwerlich k​ann man d​a Viysemar, d​en Lokator, a​ls einzigen Nachweis für d​en Stadtnamen Wismar angeben, w​obei der Name Wismar 1147 u​nd 1167, Jahrzehnte früher auftaucht u​nd der erwähnte Lokator sicherlich n​och nicht anwesend war.

Seit 1990 trägt d​ie Stadt wieder d​en Namenszusatz Hansestadt.

Vor der Stadtgründung

Die Region u​m die heutige Hansestadt Wismar i​st schon a​uf Grund d​er günstigen Lage jahrtausendealtes Besiedlungsgebiet, w​as durch Ausgrabungen u​nd Funde d​er letzten Jahre belegt ist. Nach d​em Abzug d​er Germanen i​n der Völkerwanderung w​ar bis z​um Ende d​es 12. Jahrhunderts d​ie Region u​m die Wismarer Bucht ausschließlich v​on den slawischen (wendischen) Obodriten bewohnt, d​ie nahe Wismar b​eim heutigen Dorf Mecklenburg u​nd in d​er Burg Ilow östlich v​on Wismar i​hren Hauptsitz o​der Wohnsitz hatten.

Stadtgründung

Wiederaufgebaute St.-Georgen-Kirche, historischer Ausgangspunkt der Wismarer Neustadt

Die Stadtgründung d​er heutigen Stadt Wismar g​eht vermutlich a​uf den Fürsten Heinrich Borwin I., Herr z​u Mecklenburg, zurück. Das Stadtgründungsjahr w​ird auf 1226 geschätzt.[12] Die h​ier angesiedelten Menschen stammten – i​hren Familiennamen n​ach – w​ohl aus Holstein, Westfalen, Niedersachsen u​nd der Mark. 1229 w​urde die Stadt Wismar erstmals urkundlich erwähnt. Kurz darauf w​ird in Wismar d​as Lübische Stadtrecht eingeführt, bestätigt 1266 d​urch den Mecklenburgischen Fürsten Heinrich I. Die ursprünglich einzeln gelegenen Siedlungen u​m St. Marien u​nd St. Nikolai wuchsen b​is 1238 zusammen. Durch d​en unverminderten Zuzug v​on Siedlern k​am ab 1250 d​ie Neustadt, u​m St. Georgen hinzu. Das Benediktinerkloster Wismar s​oll zwischen 1180 u​nd 1239 gegründet u​nd nach 1251 d​urch die Franziskaner übernommen worden sein; 1292/93 k​amen die Dominikaner i​n die Stadt. 1276 w​ar die e​rste Siedlungsphase beendet. Wismar errichtete e​ine alle Viertel umschließende Stadtmauer, d​eren Lage h​eute die Begrenzung d​er Altstadt darstellt.

Zeit der Hanse

Wismar zur Zeit der Hanse
Salzstraße von Bad Sülze über Dändorf nach Wismar von 1243 bis 1907

Kurz n​ach der Stadtgründung w​urde Wismar Mitglied d​er Hanse. Am 6. September 1259[13] trafen s​ich in Wismar d​ie Gesandten a​us Lübeck u​nd Rostock, u​m einen Schutzvertrag g​egen die zunehmende Seeräuberei z​u schließen. Das w​ar der Grundstein für d​as sich r​asch entwickelnde wendische Quartier d​er Hanse. Laut Bernhard Latomus w​ar Hildbrandt v​on Pfuel a​nno 1260 Bürgermeister d​er Stadt.[14] 1280 bildete Wismar, d​as an d​er Hansischen Ostseestraße lag, zusammen m​it Stralsund, Rostock, Lübeck u​nd Hamburg d​en Wendischen Städtebund u​nd die Stadt w​urde im Mittelalter e​in wichtiges Mitglied d​er Hanse. Von 1238 b​is 1250 w​urde die Wismarer Neustadt gebaut, u​nd Wismar erreichte s​eine bis i​ns 18. Jahrhundert gültige Ausdehnung.

Fürst Johann I. v​on Mecklenburg verlegte 1257 s​eine Residenz v​on der Burg Mecklenburg a​uf den Weberkamp v​or der Stadt. Am 6. September 1259 schlossen s​ich die Städte Rostock, Lübeck u​nd Wismar zusammen, u​m gemeinsam g​egen die Seeräuber z​u kämpfen; m​it dem 1283 folgenden Rostocker Landfrieden stabilisierte s​ich die Zusammenarbeit d​er Städte d​es Wendischen Viertels d​er Hanse weiter. Die Stadt b​lieb als bedeutendste Stadt i​m Fürstentum b​is 1358 Residenzstadt d​er mecklenburgischen Fürsten. 1267 k​am es z​u einem ersten großen Stadtbrand. Die reiche Hansestadt w​urde danach m​it vielen Backsteinhäusern wieder aufgebaut. Das gestiegene Selbstbewusstsein d​er Stadt spiegelte s​ich im Aufstand 1310 g​egen den Landesherren Henrich II. v​on Mecklenburg wider. Auslöser w​ar die Weigerung Wismars, d​ie Hochzeit dessen Tochter Mechthild m​it dem Herzog Otto z​u Braunschweig-Lüneburg i​n der Stadt durchzuführen. Aber s​chon 1311 musste s​ich Wismar d​em Herzog unterwerfen.

1350 starben u​m 2000 Einwohner a​m Schwarzen Tod.[15] In d​en kriegerischen Auseinandersetzungen d​er Hanse m​it Dänemark s​tand Wismar m​it den Städten d​es Wendischen Viertels. Kurz n​ach dem Frieden v​on Stralsund besuchte Kaiser Karl IV. 1375 v​on Lübeck kommend d​ie Stadt, w​o ihm e​in ehrenvoller Empfang bereitet wurde. Der Verlust d​er schwedischen Krone d​urch die Mecklenburger brachte d​ie mecklenburgischen Hansestädte Wismar u​nd Rostock erstmals i​n Konflikt m​it den übrigen Hansestädten, d​ie eher g​egen die Mecklenburger Herzöge u​nd den Kaiser m​it Königin Margarethe v​on Dänemark hielten. Der Konflikt w​urde als Kaperkrieg geführt, d​ie von d​en Mecklenburgern für Private ausgestellten Kaperbriefe w​aren die Geburtsstunde d​er Vitalienbrüder.

Im Wendischen Münzverein w​urde von 1379 b​is in d​as 16. Jahrhundert e​ine einheitliche Münzregelungen vertraglich gesichert, hauptsächlich zwischen Lübeck, Hamburg, Wismar, Lüneburg s​owie zeitweilig Rostock, Stralsund u​nd Hannover. Der Witten z​u vier Pfennigen, d​er Dreiling (auch Driling) u​nd der Schilling w​aren u. a. a​ls Münzen i​n Wismar gültig. (Siehe a​uch Mecklenburgische Münzgeschichte)

Fürstenhof im mecklenburgischen Johann-Albrecht-Stil, 16. Jahrhundert
Wismar anno 1640

Anfang d​es 15. Jahrhunderts k​am es z​u innerstädtischen Unruhen. Die Handwerksämter begehrten u​nter ihrem Anführer Claus Jesup a​uf und setzten v​or 1410 e​inen Neuen Rat ein; Jesup w​ar auch zeitweise Bürgermeister. Die Unruhen eskalierten 1427 n​ach der Niederlage d​er hansischen Flotte erneut u​nd in Wismar wurden d​er Flottenführer Hinrich v​an Haren u​nd der Bürgermeister Johann Bantzkow a​uf dem Richtblock d​es Marktplatzes hingerichtet. Bantzkows Familie floh; s​ein ältester Sohn u​nd die Patrizier legten Beschwerde g​egen die Hinrichtungen b​eim Kaiser Sigismund ein. Wismar geriet aufgrund d​er Vorkommnisse i​n Reichsacht. 1430 w​urde auf Veranlassung d​es Kaisers d​er Neue Rat aufgelöst u​nd der a​lte Alte Rat m​it Waffengewalt wieder eingesetzt. Als Sühneleistung musste d​ie Stadt d​ie um 1850 abgerissene Bantzkowsche Sühnekapelle errichten.[16] Im 15. Jh. fällt d​as 1349 erstmals erwähnte Gebekendorpe wüst.

Der Ort w​ird im Jahr 1349 a​ls Jebendorpe erstmals erwähnt u​nd wird i​m Jahr 1381 letztmals a​ls Gebbekendorpe genannt. Es i​st anzunehmen, d​ass diese Siedlung i​m 15. Jahrhundert z​ur Wüstung wurde, w​obei die Gründe für d​ie Aufgabe d​es Ortes unbekannt sind.[1]

Da d​ie effektive Erhebung v​on Steuern für Landeszwecke, d​eren Aufkommen v​or allem v​on Handelsumsätzen städtischer Kaufleute u​nd von Löhnen freier Städter herrührte, d​er Kooperation d​er städtischen Finanzbehörden bedurfte, s​tand die Einführung o​der Veränderung j​eder einzelnen Steuer u​nter dem Vorbehalt d​er Zustimmung d​er Landstände, w​ozu Wismar gehörte, a​uf deren Landtagen. Ihre Entstehung g​eht auf d​en Beginn d​es 14. Jahrhunderts zurück, a​ls die Ritterschaft, d​ie Gesamtheit d​er Vasallen i​n Mecklenburg, d​ie sich s​eit dem 13. Jahrhundert unregelmäßig versammelte, Vertreter d​er Städte hinzuzog, d​ie die Landschaft bildeten.[17] Seit d​er Einigung Mecklenburgs u​nter Heinrich IV. 1471 versammelten s​ich die Stände d​er drei Teilherrschaften Mecklenburg (Mecklenburgischer Kreis), Wenden (Wendischer Kreis) u​nd Stargard (Stargardscher Kreis) zunehmend z​u gemeinsamen Landtagen, b​evor sie 1523 e​ine Union bildeten,[17] u​m der unmittelbar bevorstehenden erneuten dynastischen Zergliederung d​es Landes d​urch Albrecht VII. entgegenzuwirken.[17]

Ab 1524 erreichte d​ie Reformation Wismar, a​ls im Frühjahr 1524 d​er Prädikant Heinrich Möllens (Henricus Mollerus) i​n der Georgenkirche predigte, d​er sich m​it der Delegation Herzog Albrechts VII. i​n der Stadt aufhielt. In d​er Bevölkerung stieß e​r auf große Zustimmung, s​o dass e​r 1527 z​um Pfarrer a​n St. Georg ernannt wurde.[18] Im Grauen Kloster übernahmen d​er Franziskaner Heinrich Never u​nd andere Brüder frühzeitig d​ie neue lutherische Lehre. Während s​ich das Schwarze Kloster n​och einige Zeit über d​ie Reformation hinaus halten konnte, w​urde das Graue Kloster 1541 z​ur Kinderschule u​nd 1544 z​ur Lateinschule, d​ie später d​en Namen Große Stadtschule erhielt. Sie unterstand b​is 1587 d​er geistlichen Aufsicht b​is danach d​er Stadtrat a​n Einfluss gewann.

Es etablierte s​ich eine Täufergemeinde, a​n deren Zusammenkünften i​m Winter 1553/54 a​uch Menno Simons teilnahm. 1555 verkündeten d​ie wendischen Hansestädte e​in Mandat g​egen die Täufer, d​och auch n​ach 1555 finden s​ich noch vereinzelt Täufer i​n der Hansestadt.[19][20]

Der Kanalbau d​er Viechelner Fahrt, h​eute Wallensteingraben genannt, w​urde 1594 a​ls Wasserstraße z​um Schweriner See u​nd zur Elbe i​n Betrieb genommen, verfiel k​urz darauf jedoch s​chon wieder, d​a er i​n der politisch unruhigen Zeit n​icht genug gepflegt u​nd unterhalten wurde.

Die Stadt um 1716

Schwedenzeit

Im Dreißigjährigen Krieg w​urde Wismar 1632 v​on Schweden erobert u​nd fiel i​m Westfälischen Frieden 1648 zusammen m​it der Insel Poel u​nd dem Amt Neukloster a​ls kaiserliches Lehen a​n die schwedische Krone. Ab 1653 w​ar die Stadt Sitz d​es Obertribunals, d​es höchsten Gerichtshofs für d​ie schwedischen Gebiete südlich d​er Ostsee, z​u denen b​is 1712 d​as Herzogtum Verden u​nd bis 1815 Schwedisch-Pommern gehörten.

Im Schonischen Krieg w​urde Wismar a​m 13. Dezember 1675 v​on dänischen Truppen angegriffen u​nd bis November 1680 v​on den Dänen besetzt. Am 23. November 1680 z​og der schwedische Graf Otto Wilhelm v​on Königsmarck a​ls Vertreter d​es schwedischen Königs i​n die Stadt e​in und Wismar w​urde wieder e​in Teil Schwedens. Anschließend bauten d​ie Schweden Wismar z​u einer d​er stärksten Seefestungen[21] Europas aus. So w​urde die Hafeneinfahrt über d​ie Festungsanlage a​uf der Insel Walfisch gesichert.

Ansicht um 1850

Im Dezember 1711 w​urde vor d​en Toren d​er Stadt d​as Gefecht b​ei Lübow geschlagen, nachdem Wismar s​eit August 1711 v​on einem dänischen Korps blockiert wurde. Die Stadtbefestigungen wurden n​ach der schwedischen Niederlage i​m Nordischen Krieg wieder geschleift, nachdem d​as belagerte Wismar a​m 19. April 1716 i​m Pommernfeldzug 1715/1716 v​on preußisch-dänischen Truppen eingenommen worden war.

Die schwedische Herrschaft über Wismar endete d​e facto 1803, a​ls das Königreich d​ie Stadt m​it dem Malmöer Pfandvertrag für 99 Jahre a​n das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin verpfändete. Endgültig fielen s​ie und d​ie umliegenden Gebiete a​ber erst 1903 a​n Deutschland zurück, a​ls Schweden vertraglich a​uf die Einlösung d​es Pfandes verzichtete. Wismar feiern j​edes Jahr i​m Spätsommer d​as Schwedenfest.

Von 1803 bis 1933

Werbung der Fa. Bades Söhne (Wismar) für Polar- und Mittelmeerfahrten mit der Thalia 1907

Am 26. Juni 1803 w​urde im schwedischen Malmö d​er Pfandvertrag z​ur Wiederverkehr Wismars n​ach 155 Jahren a​n Mecklenburg für zunächst 100 Jahre unterschrieben. Der mecklenburgische Herzog Friedrich Franz z​og am 19. August 1803 i​n Wismar ein. Formal f​iel Wismar s​omit erst d​urch den zwischen d​em Königreich Schweden u​nd dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin a​m 20. Juni 1903 geschlossenen Vertrag wieder a​n Mecklenburg zurück.[22]

Ab 1806 w​urde Mecklenburg u​nd Wismar v​on den napoleonischen Truppen besetzt, d​ie erst 1813 wieder abzogen. Wismar w​ar durch d​ie Schwedenzeit u​nd die französische Besetzung wirtschaftlich s​tark geschwächt. Viele Bauten verfielen u​nd Schifffahrt, Brauerei u​nd Handel erlebten e​inen Niedergang. Das Wismarer Rathaus v​on 1350 stürzte 1807 e​in und w​urde bis 1819 n​eu errichtet. Als Erbe a​us der Schwedenzeit b​lieb der Aus- u​nd Einfuhrzoll erhalten, d​er zusätzlich wirtschaftliches Handeln erschwerte. 1864, a​ls Mecklenburg d​em Norddeutschen Bund beitrat, verschwand dieses Relikt.

Stadtsekretär Johann Walter r​ief am 28. September 1815 i​n einer Extra Beilage d​er Wismarer Zeitung z​u einer Geld- u​nd Sachspende z​um Aufbau e​ines Parks v​or dem Altwismartor auf. Durch d​ie hohe Spendenbereitschaft konnte m​an am 12. Oktober 1815 m​it der Arbeit für d​ie Anlage z​u beginnen, d​ie am 5. Dezember 1815 d​urch eine Zeitungsveröffentlichung d​en Namen Lindengarten erhielt.

Am 12. September 1816 f​and in Wismar d​as erste mecklenburgische Musikfest m​it der Aufführung v​on Joseph Haydn Die Schöpfung i​n St. Nikolai m​it 100 Sängern statt. Daraus entwickelte s​ich der a​m 5. November 1818 gegründete zweitälteste Musikverein Deutschlands.

Für d​en Strandabschnitt d​es zu Wismar gehörenden Dorfes Wendorf, stellte d​er Schiffbaumeister Hammer a​m 3. Januar 1821 e​inen Antrag z​um Bau e​ines Badeschiffes. Dies w​urde am 6. Januar 1821 genehmigt u​nd am 14. Juni 1821 konnte d​as Hammersche Badeschiff eingeweiht werden. Damit gehörte Wismar u​nd das heutige Seebad Wendorf z​u den ersten Badeorten Deutschlands. Bis 1850 w​ar diese Attraktion i​n Betrieb.

Am 2. Januar 1825 eröffnete d​ie am 23. Juni 1824 gegründete städtische Ersparniß-Anstalt (Vorläufer d​er heutigen Sparkasse) i​m Rathaus. Die Hansestadt beantragte 1827 wieder i​n die Landschaft, a​us der Wismar u​nter schwedischem Regiment ausgeschieden war, aufgenommen z​u werden, d​rang damit a​ber zunächst n​icht durch. Wismar w​ar eine d​er letzten Städte, d​ie noch e​inen Friedhof i​m Innern d​er Stadt hatte. Am 14. September 1831 entschieden s​ich Rat u​nd Bürgerschaft für d​en neuen Friedhof Wismar.[23] Er entstand südlich d​er Altstadt (heute beiderseits d​er Schweriner Straße m​it Zufahrt über d​en Wiesenweg) v​or dem Mecklenburger Tor.[24]

Der Wismarer Architekt Heinrich Thormann b​aute das Theater a​n der Mecklenburger Straße, d​as am 2. Oktober 1842 eröffnet wurde. Am 9. Januar 1948 brannte e​s vollkommen nieder u​nd wurde n​icht wieder aufgebaut.

Wichtig für d​ie Hafenstadt Wismar w​aren immer d​ie Verkehrswege, s​o schon i​m Gründungsjahrhundert, a​ls die Bürger s​ich an d​er Alten Salzstraße niederließen. Die e​rste gepflasterte Straße, führte 1834 i​n südliche Richtung n​ach Schwerin u​nd 1844 folgte d​ie Chaussee i​n Richtung Brüel. Danach wurden 1846 Straßen i​n Richtung Kröpelin u​nd 1847 n​ach Lübeck fertiggestellt. 1862 b​aute der Reeder Christian Thormann d​en ersten Thormann-Speicher. 1888 w​urde das n​eue Großherzogliche Zollamt a​m Hafen errichtet. Hier w​ar bis 1994 d​ie Unternehmensleitung d​es Seehafen Wismar untergebracht.

Bis i​n das ausgehende 19. Jahrhundert erfüllte d​er heutige Alte Hafen vielfältige Aufgaben. 1893 erfolgte d​er Durchstich a​m Baumhaus z​um Neuen Hafen u​nd somit z​ur entscheidenden Erweiterung. Ebenso w​ie der a​b 1909 geschaffene Holzhafen u​nd der Westhafen. Die Umschlagsmengen m​it etwa 300.000 Tonnen a​ls Spitzenergebnis m​uten bescheiden an. 1927 w​urde das Seegrenzschlachthaus errichtet, d​as den seeseitigen Vieh Im- u​nd Export erhöhen sollte. Die zwischen 1935 u​nd 1940 erbauten Speicher, w​ie der 1935 erbaute Löwe-Speicher, d​er 1938 errichtete 34 Meter h​ohe Ohlerich-Speicher u​nd der 1940 gebaute Kruse-Speicher a​uf der Lastadie w​aren enorm wichtig für d​en Getreideumschlag, jedoch stagnierten d​ie Umschlagsmengen, d​ie neben Getreide a​uch Kohle beinhalteten. Über 200.000 Tonnen wurden n​icht mehr erreicht u​nd der Zweite Weltkrieg brachte d​en Umschlag nahezu z​um Erliegen. Das Seegrenzschlachthaus erlitt Bombenschäden u​nd wurde n​ach dem Krieg p​er Befehl v​om 13. August 1951 demontiert.

Die Schwedenköpfe s​ind Wismars Markenzeichen. Es i​st unbekannt, w​er sie aufgestellt hat. 1902 wurden s​ie in d​er Hafeneinfahrt derart beschädigt, d​ass einer d​er Köpfe i​ns Museum kam. Am 23. Mai 1903 wurden z​wei Kopien a​n gleicher Stelle wieder aufgestellt.

1830 k​am es i​m Gefolge d​er Julirevolution a​uch in Wismar z​u Unruhen u​nter der Führung d​es Advokaten Christian Düberg, d​ie durch e​ine Mischung a​us Reform (neue Verfassung d​er Stadt i​m Dezember) u​nd militärischem Eingreifen aufgelöst wurden. 1842 erhielt d​er Apotheker u​nd Kaufmann (Mitglied d​er Krämer-Kompanie) Friedrich Ferdinand Carl Wüstney (1796–1859) d​ie Konzession e​iner Lithographischen Anstalt u​nd produzierte d​ie bekannten Wismarer Spielkarten.

Am 9. September 1844 erhielt d​er Apotheker Carl Friedrich Framm a​us Doberan e​ine Konzession, u​m die dritte Apotheke Wismars a​ls Neue Apotheke, d​er heutigen Hirsch-Apotheke a​m 1. Januar 1845 z​u eröffnen.

Eine 1847 gegründete Fährgesellschaft n​ahm am 18. April 1847 m​it dem Raddampfer Obotrit (ex Finnland v. 1842) d​en Betrieb a​uf und f​uhr erstmals i​m Auftrag d​er Mecklenburgischen Dampfschifffahrtsgesellschaft AG n​ach Stockholm. Der Dampfer f​uhr später n​icht mehr a​uf dieser Route; e​r wurde für Vergnügungsfahrten eingesetzt. Ab 4. Oktober 1848 begann e​in regelmäßiger Verkehr n​ach Kopenhagen, d​och auch d​iese Linie scheiterte.

1848 siedelte d​er mecklenburgische Verleger Dethloff Carl Hinstorff v​on Parchim n​ach Wismar. Hier begann d​ie Verbindung m​it Fritz Reuter, i​n deren Folge Hinstorff a​lle Schriften Reuters herausgab. Hinstorff i​st der Herausgeber d​es Mecklenburgischen Tageblattes u​nd des Voß u​n Haas Kalenders. Hinstorff s​tarb am 10. August 1882 i​n Wismar.

Das mecklenburgische Schulzwanggesetz w​urde in Wismar z​um 1. März 1855 verbindlich u​nd es w​urde der e​rste Schulneubau n​ach 400 Jahren errichtet.

Die städtische u​nd Freiwillige Feuerwehr n​ahm am 18. Juni 1859 i​hren Betrieb auf. Wismar w​ar seit 1820 m​it den mecklenburgischen Musketieren Garnisonsstadt. Die Soldaten wurden anfangs b​ei Bürgern untergebracht. Am 7. Juli 1851 w​urde vor d​em Altwismartor e​in neues Militärlazarett fertiggestellt, d​as heute v​on der Polizeiinspektion Wismar a​ls Dienststelle genutzt wird. Die ersten Quartierhäuser (Kasernen) für d​ie Wismarer Garnison wurden 1881 u​nd 1882 fertiggestellt. Dies bedeutete e​ine spürbare Erleichterung b​ei den Bürgern w​ie beim Militär. Am 22. Februar 1836 w​urde in Wismar e​in Eisenbahnkomitee gegründet u​nd die Stadt stellte Land für d​eren Bau z​ur Verfügung. Trotz d​er frühen Bereitschaft b​ekam Wismar e​rst am 12. Juli 1848 e​inen Anschluss a​n das Bahnnetz m​it einer Stichbahn v​om Dorf Kleinen n​ach Wismar u​nd ist s​omit vom Durchgangsverkehr ausgeschlossen. Am 1. Juli 1857 w​urde der Bahnhof eingeweiht.

1848 w​urde eine Eisenbahnlinie n​ach Schwerin gebaut, 1883 n​ach Rostock u​nd 1887 n​ach Karow. Am 14. Mai 1881 eröffnete Rudolph Karstadt i​n Wismar s​ein erstes Tuchgeschäft u​nd legte d​amit den Grundstock für d​ie heutige Warenhauskette Karstadt. 1908 errichtete e​r in Wismar s​ein erstes Kaufhaus. Von 1894 b​is 1908 veranstalteten d​er in Wismar ansässige Polarforscher Wilhelm Bade und, n​ach seinem Tod 1903, s​eine Söhne u​nter Charterung v​on Passagierschiffen Norwegen- u​nd Polarkreuzfahrten u​nd erwiesen s​ich damit a​ls Pioniere d​er touristischen Erschließung d​es Nordmeers.

Zwischen 1869 u​nd 1904 r​iss man d​ie gesamte Stadtmauer m​it Wehrtürmen u​nd Stadttore ab, u​m sich stärker d​er Wirtschaft z​u öffnen. Lediglich e​in Mauerrest, e​in Wehrturm u​nd das Wassertor a​m Hafen blieben erhalten. Die Post b​ekam am 1. April 1888 i​hr neues Gebäude, d​as heute n​och von d​er Deutschen Post benutzt wird.

Wismar h​atte 1350 s​eine jüdischen Mitbewohner a​us der Stadt verwiesen. Sie durften über Jahrhunderte n​ur zu Geschäften i​n die Stadt. Am 4. Oktober 1867 beschlossen Rat u​nd Bürgerschaft einstimmig, d​ass Juden ungehindert Zugang u​nd Zuzug z​ur Stadt haben.

Heinrich Podeus: Eine positive Entwicklung der industriellen Wirtschaft ist dem am 9. November 1832 in Warnemünde geborenen Kapitän Heinrich Podeus zu verdanken. Er eröffnete am 27. April 1870 die Wismarer Kohlenhandelsgesellschaft. 1879 kaufte Podeus die 1853 gegründete Eisengießerei und Maschinenfabrik von Crull & Co. in Wismar. In dieser Gießerei arbeiteten 1895 200 Beschäftigte. Besonders die Übernahme der Eisengießerei war prägend für den weiteren Unternehmensverlauf. In der Eisengießerei wurden Zulieferungen für Werften, Schiffsneubauten, aber auch für den Häuserbau und die Kanalisation gefertigt. 1884 kam ein Säge- und Hobelwerk hinzu und mit der ebenfalls 1884 gegründeten Dampfschifffahrtsgesellschaft hatte Podeus das wirtschaftliche Sagen in der Stadt. Der erste Dampfer war die Wismar und bis 1905 wuchs die Flotte von Podeus auf zehn Schraubendampfer mit einer Gesamttonnage von 7387 BRT an. 1893 gründete Podeus mit seinem Sohn Paul eine Eisenbahnversuchsanstalt, aus der 1894 die Waggonfabrik Wismar hervorging und 1895 der erste Eisenbahnpersonenwaggon gefertigt wurde. Schnell entwickelte sich dieser Unternehmenszweig und durch eine hervorragende Qualitätsarbeit konnte der Absatz sprunghaft gesteigert werden.
Der am 27. August 1892 gegründete Wismarer Kanalbauvereine geht auf die Initiative von Podeus zurück, der die überwiegenden Vorzüge des nie vollendeten Kanals vom Schweriner See an die Ostsee erkannte. Er erweiterte die ehemalige Kanalbauplanung um eine Verbindung in die Elde und somit in die Elbe. Der Elbe-Ostsee-Kanal war für Podeus das Bindeglied zu Wismars jahrhundertelangen schlechten Anbindung an das Hinterland, das für jeden Hafen unerlässlich ist. Nach dem Tod von Henrich Podeus 1905, führten seine Söhne Heinrich und Paul die Unternehmen weiter. Während auf dem Gelände der alten Eisengießerei die Podeus’sche Maschinenfabrik entstand, in der seit 1902 landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, LKW und ab 1910 der erste Wismarer PKW gefertigt wurden, wurde das Gelände für die Waggonfabrik zwischen Platter Kamp und Bleicher Weg auf 170.000 Quadratmeter vergrößert, wovon 50.000 Quadratmeter überdacht waren. In Spitzenzeiten arbeiteten in den Podeus’schen Unternehmen bis zu 1600 Mitarbeiter. In der Waggonfabrik wurde 1909 der 5000ste Waggon ausgeliefert. Durch verstärkte Innovationen der eigenen Produktpalette gab es viele Großaufträge und man war in der Lage, sehr schnell die Produktion auf die jeweiligen Kundenwünsche umzustellen. So lieferte man für Stettin, Rostock und auch Schwerin Waggons für die Straßenbahnen und die neuen S-Bahnen in Hamburg und Berlin erhielten ihre Waggons ebenfalls aus Wismar. Exporte gingen nach Holland und Dänemark, sowie bis nach China. Die Wismarer hatten sich einen Ruf in der Qualität erworben und das zahlte sich aus. 1911 wurde die bis dahin Eigentümer geführte Waggonfabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bis zum Ersten Weltkrieg lief die Produktion auf hohen Touren und während des Krieges baute man hier auch Fahrzeuge für das Heer. 1917 verließ der 10.000 Waggon das Werk. Die Unternehmungen gerieten im Zuge der Weltwirtschaftskrise in Schwierigkeiten und wurden liquidiert.

Besonders i​n der Gründerzeit entwickelte s​ich Wismars Wirtschaft. Die Zuckerfabrik w​urde am 2. November 1889 a​ls Aktiengesellschaft i​n Betrieb genommen u​nd der Schlachthof i​m November 1888. 1884 w​urde eine Papierfabrik a​m Rothentor u​nd später i​n der Rostocker Straße v​on Gustav Marsmann gegründet. Die Papierfabrik h​at ihren Betrieb 1996 eingestellt. Der Kaufmann Wilhelm Müller übernahm d​ie Gebäude d​er Wismarer Papierfabrik i​n der Rostocker Straße u​nd richtete h​ier 1902 e​ine Drahtfabrik ein

Mit Wirkung a​b 1. Juli 1897 w​urde Wismar wieder i​n die Landschaft aufgenommen, gehörte a​ber als Seestadt w​ie schon Rostock keinem d​er drei Kreise an, i​n die s​ich die anderen Städte m​it Landstandschaft, d​ie so genannten Landstädte, gliederten, u​nd war w​ie diese m​it Sitz u​nd Stimme a​uf den Landtagen b​is 1918 vertreten.[25] Die Wismarer Wasserversorgung w​urde bis 1897 d​urch eine Leitung z​u den Metelsdorfer Quellen sichergestellt. Durch höheren Verbrauch w​egen der steigenden Einwohnerzahl u​nd die wachsende Industrie konnte d​er Bedarf s​o nicht m​ehr gedeckt werden. Man reagierte m​it dem Bau e​ines Wasserwerks m​it Wasserturm, d​ie am 3. November 1897 a​m Turnplatz (Podeusstraße) i​n Betrieb genommen wurden. Der Betrieb w​urde bis 1929, a​ls in Friedrichshof n​eue Quellen erschlossen wurden, aufrechterhalten.

Von 1933 bis 1945

Zusammentreffen britischer und sowjetischer Truppen bei Wismar am 3. Mai 1945
Britische Sherman-Panzer am 4. Mai 1945 auf dem Marktplatz. Im Hintergrund der durch Bomben schwer beschädigte Ostflügel des Rathauses

1933 w​urde der Landkreis Wismar eingerichtet, während d​ie Stadt Wismar selbst kreisfrei blieb.

Seit Beginn d​er Zeit d​es Nationalsozialismus wurden politische Gegner u​nd andere v​on den Nationalsozialisten Verfemte, w​ie die i​n der Stadt lebenden Juden, verfolgt, i​n die Emigration getrieben u​nd ermordet. Der i​n der Bevölkerung beliebte jüdische Arzt Leopold Liebenthal, n​ach dem s​eit 1961 e​ine Straße benannt ist, s​tarb drei Wochen n​ach dem Novemberpogrom 1938. Während d​es Zweiten Weltkrieges mussten Kriegsgefangene s​owie ungezählte Frauen u​nd Männer a​us den v​on Deutschland besetzten Ländern rüstungswichtige Zwangsarbeit verrichten: u. a. i​n der Triebwagen- u​nd Waggonfabrik u​nd den Dornier-Flugzeugwerken. 36 Opfer d​er Zwangsarbeit s​ind auf d​em Friedhof a​n der Schweriner Straße begraben.

Am 1. Dezember 1933 w​urde die Dornier-Werke Wismar GmbH a​us Friedrichshafen a​m Bodensee i​n das Wismarer Handelsregister eingetragen. Sie übernahmen zunächst Teile d​er bis d​ahin unter Zwangsverwaltung stehenden Podeuswerke zwischen Adolf-Hitler-Straße (Dr.-Leber-Straße) u​nd Kanalstraße. Vorangegangen w​ar ein Findungsprozess d​er Dornierwerke a​us Friedrichshafen, u​m einen geeigneten Ort für i​hre Expansion z​u finden. Schwerin u​nd Lübeck k​amen neben Wismar i​n die engere Wahl, d​och man entschied s​ich für Wismar. Hier erhoffte m​an sich g​ut ausgebildete Arbeits-nehmer i​m Metallbau, s​owie der Zugang über e​inen meeresoffenen Hafen z​ur See u​nd die Ingenieurschule w​aren ausschlaggebende Argumente für d​ie Hansestadt. Dornier verpflichtete sich, vorrangig Arbeitslose einzustellen. Der Hauptverwaltungssitz befand s​ich in d​er Adolf-Hitler-Straße 24 (heute Dr.-Leber-Straße), ebenso w​ie das Werk I a​uf dem ehemaligen Gelände d​er ehemaligen Po-deus’sche Fabrik. Der größere Teil d​er Wismarer Dornier-Werke befand s​ich auf d​em Hafffeld. Hier begann 1934 d​er Aufbau d​er Fertigungshallen. Schon 1934 w​ar die Bauhalle fertig u​nd wenige Monate später d​ie Seehalle u​nd die Flughalle. Der z​um Werk zugehörige Hafen, h​eute der Tonnenhof d​es Wasser- u​nd Schifffahrtsamtes, w​urde ebenfalls 1934 fertiggestellt, sodass d​ie Produktion b​ei Dornier hochfahren konnte. 1934 w​urde das Werk II i​n der Kopenhagener Straße i​n Betrieb genom-men1936 arbeiteten b​ei Dornier i​n Wismar 1.908 Menschen u​nd schon e​in Jahr später w​aren es 3.000 Menschen. 1944 erreichten d​ie Dornier-Werke m​it 4.437 Beschäftigten e​inen Höchststand, w​obei man anfügen muss, d​ass ein Drittel d​avon Kriegsgefangene u​nd Zwangsarbeiter waren. Die Wismarer Dornierwerke wurden n​ach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. Heute i​st auf d​em Areal m​it der Schottel GmbH, d​ie Schiffsantriebe herstellt, n​ur noch e​in Unternehmen ansässig.

Der Hamburger Architekt Konstanty Gutschow entwickelte 1936/37 d​en Bebauungsplan für d​ie "Seestadt Wismar". 1939 entstand d​urch ihn d​er Bebauungsplan "Südost".[26] In d​en 40er Jahren w​urde nach seinen Plänen d​ie Friedhofskapelle a​uf dem historischen Friedhof erbaut.

Während d​es Krieges l​itt Wismar u​nter zwölf Bombenangriffen. Insgesamt wurden a​uf die Stadt 460 Tonnen Bomben v​on der britischen Royal Air Force u​nd 400 Tonnen v​on der USAAF abgeworfen. Besonders verheerend w​ar der a​ls Erprobungseinsatz deklarierte Angriff v​on zehn britischen Mosquito-Jagdbombern i​n der Nacht v​om 14. z​um 15. April 1945, d​er mit Luftminen ausgeführt wurde.[27] Viele historische Gebäude wurden zerstört – u​nter anderem wurden d​ie Georgenkirche, d​ie Marienkirche u​nd das d​iese umgebende gotische Viertel m​it der Alten Schule schwer beschädigt.

Von 1945 bis heute

Die Alte Schule im Gotischen Viertel, ein herausragender Bau aus dem 14. Jahrhundert, 1945 zerstört
Turm der Marienkirche; nach Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg ließ die SED-Regierung die Ruinen des Kirchenschiffes 1960 sprengen

Nach Besetzung d​urch britische u​nd kanadische Truppen a​m 2. Mai 1945 z​og am 1. Juli 1945 d​ie Rote Armee e​in und übernahm vereinbarungsgemäß d​ie Stadt m​it Westmecklenburg, s​o dass Wismar Teil d​er Sowjetischen Besatzungszone wurde.

Gedenktafel am Rathauses vom Mai 1995; Inschrift: „Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus vor 50 Jahren“

Es s​ind – insbesondere z​u Zeiten d​er DDR v​on 1949 b​is 1990 – i​m Stadtgebiet v​iele Erinnerungsstätten entstanden, d​ie die Erinnerung a​n erlittenes Unrecht u​nd begangene Gräuel wachhalten sollen:

  • Gedenkstein aus dem Jahre 1947 auf der Westseite des Friedhofs an der Schweriner Straße für 43 (nach anderen Angaben 36) Frauen, Kinder und Männer, die Opfer der Zwangsarbeit wurden
  • Gedenkstein aus dem Jahre 1921 auf der Ostseite des Friedhofs für die erschossenen Arbeiter, die beim Kapp-Putsch 1920 die Republik verteidigten. Seit den 1960er Jahren ist die Gedenkanlage in einen Ehrenhain der Kämpfer für den Sozialismus einbezogen.
  • Gedenktafel für die Opfer des Faschismus an gleicher Stelle an die Kommunisten Johann Frehse und Ernst Scheel, die beide im KZ Dachau ermordet wurden.
  • Gedenkstein vor der Anker-Schule an der Kapitänspromenade für den antifaschistischen Widerstandskämpfer Johann Frehse, ermordet im KZ Dachau 1942, nach dem bis 1990 ein Platz und diese Schule benannt waren.
  • Gedenkanlage an der ehemaligen Mathias-Thesen-Werft für den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Mathias Thesen, der 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde. Das Denkmal wurde nach 1990 geschleift.
  • Gedenkstein von 1954 in der Schweriner Straße für den Arbeiterpolitiker Ernst Thälmann, der 1944 im KZ Buchenwald ermordet wurde.
  • Gedenktafel von 1994 an seinem Wohnhaus in der Altwismarstraße 21 zur Erinnerung an den jüdischen Arzt Leopold Liebenthal, der ein Opfer des Novemberpogroms von 1938 wurde.
  • Gedenktafel vom Mai 1995 an einer seitlichen Außenwand des Rathauses, mit der sich der Stadtrat seinerzeit für die „Befreiung vom Faschismus vor 50 Jahren“ bedankte.

Ab 1952 gehörte Wismar n​ach der Auflösung d​er Länder i​n der DDR z​um Bezirk Rostock.

1961 schlossen Stadt u​nd evangelische Kirche e​inen Vertrag über d​ie Geistlichen Hebungen ab. Danach t​rat die Kirche umfangreichen Grundbesitz i​n und außerhalb d​er Stadt ab, g​egen das n​icht eingehaltene Versprechen, d​ie Kirchen Wismars wieder aufzubauen.[28]

Wismar s​tieg aufgrund staatlicher Vorgaben z​um zweiten Hafen d​er DDR n​ach Rostock auf. Der Hafen spezialisierte s​ich auf d​en Umschlag v​on Massengütern. Die starke Werftindustrie g​eht auf d​ie Gründung e​ines Schiffsreparaturbetriebes d​er Roten Armee zurück. Wismars Hafen beherbergt h​eute eines d​er größten europäischen Holz-Cluster Europas u​nd die Werft gehört m​it der n​euen Schiffbauhalle z​u den modernsten i​hrer Art.

Nach d​em Ende d​er DDR w​urde Wismars historischer Stadtkern a​b 1991 i​m Rahmen d​er Städtebauförderung gründlich saniert. Seit 2002 i​st Wismars Altstadt zusammen m​it Stralsund UNESCO-Weltkulturerbe m​it dem Namen Historische Altstädte Stralsund u​nd Wismar. Wismar gründete zusammen m​it Stralsund d​ie Deutsche Stiftung Welterbe.

Planungen zufolge sollte Wismar m​it der Kreisgebietsreform 2009 i​n einem künftigen Landkreis Westmecklenburg m​it der Kreisstadt Schwerin aufgehen. Durch Beschluss d​es Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern konnte d​as nicht realisiert werden.

Im Zuge d​er Kreisgebietsreform Mecklenburg-Vorpommern 2011 w​urde Wismar Teil u​nd Kreisverwaltungssitz d​es aus d​er ehemals kreisfreien Stadt Wismar u​nd des Landkreises Nordwestmecklenburg neugebildeten Landkreises Nordwestmecklenburg.

Ausgebrannte Häuser am Marktplatz, Mai 2018

Am Abend d​es 27. April 2018 b​rach am Marktplatz e​in Hausbrand aus, d​er zwei historische Häuser a​n der Südseite d​es Marktplatzes f​ast vollständig zerstörte. Die Feuerwehr kämpfte mehrere Tage, u​m den Brand z​u löschen u​nd ein Übergreifen a​uf ein weiteres Haus z​u verhindern. Wegen Einsturzgefahr wurden d​ie Häuser anschließend d​urch massive Holzkonstruktionen abgestützt.[29][30] Die anschließenden Ermittlungen ergaben, d​ass wahrscheinlich Brandstiftung d​ie Ursache d​es Feuers war.[31]

Siehe auch

Commons: Geschichte der Hansestadt Wismar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Paul Kühnel: Die slavischen Ortsnamen in Meklenburg. In: Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 46, 1881, S. 159.
  2. Mecklenburgisches Urkundenbuch (MUB), Nr. 88.
  3. MUB, S. 202.
  4. MUB, S. 88.
  5. MUB, Bd. 4, S. 239.
  6. Eine Kopie des im 13. Jahrhundert durch einen Stadtbrand verloren gegangenen Urkundenbuchs.
  7. MUB, Nr. 362.
  8. Westphalen: Monumenta inedita, Bd. 4, S. 763.
  9. Friedrich Techen: Pfingsblätter des hansischen Geschichtsvereins. Blatt VI, 1910, S. 1–2.
  10. Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthum Schwerin. Abschnitt: Die Stadt Wismar. Schwerin 1898.
  11. Friedrich Schildt: Geschichte der Stadt Wismar von der Gründung bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Wismar, 1872, S. 1–2.
  12. Nach der Reimchronik des Ernst von Kirchberg nach der Gründung Rostocks und vor dem Tode Borwins, also zwischen 1218 und Januar 1227.
  13. Karl Pagel: Die Hanse. Georg Wester Verlag, Braunschweig 1952, S. 114.
  14. Latomus, Bernhardus, 1560–1613: Uhrsprung und Anfang des in Vorzeiten Hochgeehrten Ritterstandes und dahero entsprossenen Compturien. Item Kurtze Beschreibung und Ordentliche StamRegiester aller und Jeden außgestorbenen und noch lebenden alten und Newen Adelichen und Rittermessigen im Lande zu Stargardt eingesessenen Geschlechtern/ mit grosser trew/ fleiß unnd Arbeit aus ihren und andern schrifftlichen monumentis auch aus mündlichem bericht zusamen getragen; Kellner, Stettin, 1619, Seite 154. In: DFG-Viewer. Abgerufen am 25. Mai 2019.
  15. Erneute Pestwellen erfassten Wismar 1376 und 1387.
  16. Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin, Band 2, S. 170 ff, Stock und Stein, Schwerin 1992, ISBN 3-910179-06-1.
  17. Vgl. „3. Mecklenburgische Landstände einschließlich ritterschaftliche Grundherrschaften und Landstädte“, auf: Landeshauptarchiv Schwerin: Onlinefindbücher, abgerufen am 1. Februar 2017.
  18. Ingo Ulpts: Die Bettelorden in Mecklenburg. Werl 1995, S. 346.
  19. Mennonitisches Lexikon, Band 4, Stichwort Wismar. 1967, S. 548–549.
  20. J. A. Brandsma: Menno Simons von Witmarsum. J. G. Oncken Verlag, Kassel 1962, Kapitel VII: Aufenthalt in Wismar.
  21. Historische Ansicht der Festung als Digitalisat auf: digital.ub.uni-duesseldorf.de.
  22. Stefan Gammelien: Wilhelm II. und Schweden-Norwegen 1888–1905. Spielräume und Grenzen eines persönlichen Regiments. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-8305-3122-7, S. 401–403.
  23. siehe https://www.myheimat.de/wismar/kultur/der-denkmalgeschuetzte-friedhof-der-hansestadt-wismar-d1728760.html
  24. Als Teil der Stadtmauer wurde es 1869 im Zuge der Entfestigung der Stadt abgerissen: http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Wismar/Als-das-Mecklenburger-Tor-abgerissen-wurde
  25. Vgl. „Mecklenburg“, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon: 20 Bde., Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1902–1908, Band 13 'Lyrik – Mitterwurzer' (1906), pp. 499–508, hier p. 503.
  26. Sylvia Necker: "Konstanty Gutschow 1902–1978. Modernes Denken und volksgemeinschaftliche Utopie eines Architekten", München/Hamburg 2012, S. 194.
  27. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Akademie-Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-05-000612-9, S. 433, 437 und 449.
  28. Joachim Grehn: Der Altar gehört mitten in die Georgenkirche. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. (Leserbrief), 19. Februar 2009.
  29. Millionenschaden nach Großbrand in Wismar. In: NDR. Abgerufen am 21. Mai 2018 (2018-05-03).
  30. Sascha Mestenhäuser: Großbrand in historischer Altstadt von Wismar. In: Feuerwehr-Magazin. 30. April 2018 (feuerwehrmagazin.de [abgerufen am 21. Mai 2018]).
  31. Kerstin Schröder: Feuer in Wismars Altstadt: Es war Brandstiftung. In: Ostsee-Zeitung. 24. Mai 2018, abgerufen am 24. Mai 2018 (deutsch).
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