Die Schöpfung
Die Schöpfung ist ein Oratorium von Joseph Haydn, (Hob. XXI:2). Das Werk entstand ab 1796 bis 1798 als Drittes seiner vier Oratorien. Es thematisiert die Erschaffung der Welt, wie sie im ersten Kapitel der Genesis erzählt wird (Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift). Es folgt den dort genannten Werken Gottes an den Tagen eins bis sechs, führt aber statt des siebten Tags eine Betrachtung der ersten Menschen im Paradies aus (die letzten fünf von 34 Musiknummern).
Komposition und Premiere
Haydn wurde bei seinen England-Besuchen 1791 – 92 und 1794 – 95 zur Komposition eines großen Oratoriums angeregt, als er die Oratorien von Georg Friedrich Händel in großer Besetzung hörte. Es ist wahrscheinlich, dass er versuchen wollte, durch den Einsatz der Musiksprache der reifen Wiener Klassik ähnlich gewichtige Resultate zu erreichen.
Die Arbeit am Oratorium dauerte vom Oktober 1796 bis zum April 1798. Haydn fand sein Thema inspirativ, und seiner eigenen Aussage nach war die Komposition für ihn eine grundlegende religiöse Erfahrung. So äußerte er gegenüber seinem Biographen Georg August von Griesinger (1769–1845): „Ich war auch nie so fromm, als während der Zeit, da ich an der Schöpfung arbeitete; täglich fiel ich auf meine Knie nieder und bat Gott, daß er mir Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte.“[1] Er arbeitete an dem Projekt bis zur Erschöpfung, und tatsächlich erkrankte er nach der Uraufführung für längere Zeit. Die Kosten, einschließlich einer üppigen Gage für den Komponisten, wurden von einer aristokratischen Vereinigung getragen, deren künstlerischer Leiter Gottfried van Swieten war.
Die Schöpfung wurde erstmals am 29. und 30. April 1798 unter der Leitung des 66-jährigen Haydn im heute nicht mehr existierenden Stadtpalais Schwarzenberg am Neuen Markt in Wien aufgeführt. Diese Voraufführungen fanden vor einer geschlossenen Gesellschaft statt, doch hatten diese solches Interesse hervorgerufen, dass – wie Pieter Andriessen feststellte – 30 Gendarmen, darunter 18 Berittene, abgeordnet waren, um den Weg zum Schwarzenberg'schen Palais freizuhalten. Die Händler auf dem Neuen Markt sollen sogar ihre Stände abgebaut haben, wofür jeder von ihnen von Schwarzenberg mit 10 Gulden und 20 Kreuzern entschädigt worden sein soll. Diese Aufführungen erlaubten es Haydn, Korrekturen in Vorbereitung der öffentlichen Uraufführung anzubringen. Sie fand am 19. März 1799 im alten Burgtheater statt. Diese Aufführung des etwa eindreiviertelstündigen Werkes war ebenfalls sehr erfolgreich. Der Abend wurde in den Memoiren eines schwedischen Musikers wie folgt beschrieben: „Zwischen den Abschnitten brach jedes Mal stürmischer Applaus aus. Während der Abschnitte herrschte Todesstille. Am Ende der Aufführung riefen einige: ,Wir wollen Papa Haydn!‘ Schließlich kam der alte Mann auf die Bühne und wurde laut begrüßt: ,Es lebe Papa Haydn! Es lebe die Musik!‘ Alle kaiserlichen Majestäten waren anwesend und riefen zusammen mit der Menge: ,Bravo!‘“ Das Werk wurde in Wien noch während Haydns Lebzeiten häufig wiederaufgeführt.
Es folgte eine Rückübersetzung des Textes ins Englische. Die englische Erstaufführung fand im Jahr 1800 im Londoner Covent Garden statt. Anschließend autorisierte Haydn noch weitere Übersetzungen, und das Werk wurde überall in Europa aufgeführt. Seitdem ist Die Schöpfung weltweit Teil des klassischen Repertoires mit vielen Aufführungen und Aufnahmen bis heute.
Text
Der Text der Schöpfung hat eine lange Vorgeschichte. Die drei Quellen sind das Buch Genesis, das Buch der Psalmen und John Miltons Genesis-Epos Paradise Lost. Das Material wurde von einem ansonsten unbekannten Lidley (oder Linley) zu einem Oratorien-Libretto verarbeitet, der es ursprünglich für Händel gedacht haben soll. Händel jedenfalls setzte es nie in Musik um. Haydns Gastgeber in England, Johann Peter Salomon, gelangte in den Besitz einer Kopie von Lidleys Libretto und gab es an Haydn weiter. Als Haydn nach Wien zurückkehrte, händigte er es seinem Freund und Gönner Baron Gottfried van Swieten aus, der eine deutsche Übersetzung veranlasste sowie eine der Haydnschen Musik angepasste englische Rückübersetzung. Das Werk wurde 1800 zweisprachig veröffentlicht und wird auch heute noch in beiden Sprachen aufgeführt.
Van Swieten war offensichtlich des Englischen nicht vollständig mächtig, und die englische Version des Libretto hat Anlass zu Kritik und verschiedenen Versuchen der Verbesserung gegeben. Tatsächlich ist die Rückübersetzung so ungenügend, dass das Oratorium manchmal auch in englischsprachigen Ländern auf Deutsch aufgeführt wird.
Musik
Die Schöpfung wurde komponiert für drei Gesangssolisten (Sopran, Tenor und Bass), vierstimmigen Chor (Sopran, Alt, Tenor und Bass) und ein großes spätklassisches Orchester, bestehend aus: drei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotten, einem Kontrafagott, zwei Waldhörnern, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken, und der üblichen Streichergruppe mit erster und zweiter Violine, Viola, Cello, Kontrabass.
Ein Cembalo übernimmt die akkordische Ausführung des Basso continuo. Dieser begleitet, anders als in der nachromantischen Aufführungstradition, alle Stücke: nicht nur die Rezitative, sondern auch Arien und Chöre. Ein Hammerklavier wird bei heutigen Aufführungen häufig statt eines Cembalo verwendet. Das dürfte jedoch kaum den Wiener Gepflogenheiten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entsprechen. In groß besetzten Aufführungen wie Opern, Oratorien und Sinfonien hielt sich dort das Cembalo lange als tonstärkeres und obertonreicheres Instrument. Selbst Mozart dirigierte die Zauberflöte am Cembalo spielend.
Es gibt wenig Zweifel, dass Haydn, gemessen am Standard seiner Zeit, ein großes Klangvolumen wünschte. Zwischen den ersten privaten Aufführungen und der Uraufführung fügte Haydn weitere Instrumentalparts in das Werk ein. Bei der Uraufführung kamen 120 Instrumentalisten und 60 Sänger zum Einsatz.
Die drei Solisten repräsentieren Erzengel, die die sechs Tage der Schöpfung erzählen und kommentieren: Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass). Im 3. Teil wird die Rolle des Adam üblicherweise, Haydns Praxis folgend, von dem Solisten gesungen, der auch den Raphael singt, das Gleiche gilt für Eva und Gabriel. Einige Dirigenten ziehen es jedoch vor, die fünf Rollen mit fünf Solisten zu besetzen. Zwar gibt es in der Schöpfung auch eine Passage für eine Alt-Solistin, doch beschränkt sich diese auf vier Amen im Schlusschor.
Der Chor ist in einer Serie monumentaler Chorpassagen eingesetzt, von denen einige das Ende eines Schöpfungstages feiern. Das Orchester spielt häufig ohne Gesangsbegleitung, vor allem in Tonmalerei-Episoden: der Aufgang der Sonne, der Erschaffung der verschiedenen Tiere und in der Ouvertüre, der Beschreibung des Chaos vor der Schöpfung.
Form
Die Schöpfung besteht aus drei Teilen. Wie in anderen Oratorien, gehen auch hier den größeren Arien und Chorsätzen oft kurze Rezitative voran. Das Rezitativ folgt dabei meist dem Wortlaut der Genesis, während die folgende Musik die biblische Erzählung in Versen aufnimmt.
Solisten:
- Gabriel (Sopran)
- Uriel (Tenor)
- Raphael (Bass)
- Eva (Sopran)
- Adam (Bass)
Für die Bestandteile des Werks gibt es zwei etwas voneinander abweichende Nummerierungen.
Teil I
Der erste Teil feiert die Erschaffung des Lichts, der Erde, der Himmelskörper, des Wassers, des Wetters und der Pflanzen.
- Nr. 1a (1) Die Vorstellung des Chaos
- Die c-Moll-Ouvertüre in langsamem Tempo ist einer der berühmtesten Abschnitte der Komposition. Haydn beschreibt das uranfängliche Chaos, indem er die Kadenz zur Grundtonart bis zum Ende der Ouvertüre vermeidet.
- Nr. 1b (2) Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde
- Dieser Satz stellt eine Vertonung des Handlungsverlaufs aus Gen 1,1–4 dar. Er beginnt mit einem Rezitativ (Raphael) in c-Moll. Nach dem Einsatz des Chores sotto voce im Pianissimo und einem Pizzicato-Akkord der Streicher findet der Chor mit den Worten „Und es ward Licht“ zu einem ebenso gewaltigen wie überraschenden Fortissimo in C-Dur, das dann auch vom Orchester aufgenommen wird und eindrucksvoll ausgestaltet wird. Dieser zentrale Moment ist ein erster Hinweis auf den hier affirmierten normativen Gehalt der Aufklärung; ein zweiter findet sich im Sonnenaufgang in Nr. 12 (13). Die musikalisch gestaltete Geburt des Lichts wurde bei der öffentlichen Premiere zu einer Sensation. Ein Freund Haydns schreibt:
- „In dem Moment, als das Licht zum ersten Mal erschien, konnte man sagen, dass Strahlen aus den leuchtenden Augen des Komponisten schossen. Die Verzauberung der elektrisierten Wiener war so allgemein, dass das Orchester einige Minuten lang nicht weiterspielen konnte.“
- Mit dem folgenden Bibelvers „Und Gott sah das Licht, dass es gut war“ als Rezitativ leitet der Tenor (Uriel) über zu:
- Nr. 2 (3) Nun schwanden vor dem heiligen Strahle
- Arie (Uriel) mit Chor in A-Dur, in der die Niederlage der Heerscharen Satans (nach Paradise Lost) beschrieben wird.
- — Ende des ersten Tages —
- Nr. 3 (4) Und Gott machte das Firmament
- Langes Rezitativ (Raphael) in C-Dur nach Gen 1,6-7 . Anschließend ein orchestrales Tongemälde, in dem die Teilung von Wasser und Land und die ersten Stürme beschrieben werden.
- Nr. 4 (5) Mit Staunen sieht das Wunderwerk
- Solo (Gabriel) mit Chor in C-Dur. Die himmlischen Heerscharen preisen Gott und die Arbeit des zweiten Tages.
- — Ende des zweiten Tages —
- Nr. 5 (6) Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser
- Kurzes Rezitativ (Raphael, nach Gen 1,9–10 ), anschließend:
- Nr. 6 (7) Rollend in schäumenden Wellen
- Arie in d-Moll (Raphael), beschreibt mit einem Decrescendo-Effekt die Erschaffung des Meeres, der Berge, Flüsse und (in einer D-Dur-Coda) Bäche. Wie John Mangum ausführt, scheint die stilistische Eingebung hier einer „Revanche-Arie“ der Opera buffa des 18. Jahrhunderts zu entstammen, wie zum Beispiel in La vendetta aus Mozarts Le nozze di Figaro.[2]
- Nr. 7 (8) Und Gott sprach: Es bringe die Erde Gras hervor
- Kurzes Rezitativ (Gabriel, nach Gen 1,11 ), anschließend:
- Nr. 8 (9) Nun beut die Flur das frische Grün
- Arie (Gabriel) in B-Dur im Siciliano-Rhythmus, die die Erschaffung der Pflanzen feiert.
- Nr. 9 (10) Und die himmlischen Heerscharen verkündeten
- Kurzes Rezitativ (Uriel), anschließend:
- Nr. 10 (11) Stimmt an die Saiten
- Der Chor feiert den dritten Tag mit einer vierstimmigen Fuge zu den Worten „Denn er hat Himmel und Erde bekleidet“.
- — Ende des dritten Tages —
- Nr. 11 (12) Und Gott sprach: Es sei’n Lichter an der Feste des Himmels
- Rezitativ (Uriel) mit Teilen aus Gen 1,14–16 .
- Nr. 12 (13) In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne
- Das Orchester porträtiert – mit dem Tenor (Uriel) als Erzähler – einen glänzenden Sonnenaufgang und dann einen matten Mondaufgang. Die Melodie des ersten Sonnenaufgangs besteht aus zehn aufsteigenden, der D-Dur-Tonleiter entnommenen Tönen, die vielfältig harmonisiert sind; der Mondaufgang wird ebenfalls durch eine aufsteigende Tonleiterpassage, nun der Subdominante G-Dur folgend, wiedergegeben. Das Ende des Rezitativs spielt kurz auf die neugeschaffenen Sterne an und leitet dann über zu:
- Nr. 13 (14) Die Himmel erzählen die Ehre Gottes
- Terzett und Chor. Der mächtigste Chor aus der Schöpfung. Die Worte stammen zumeist aus Ps 19,1–3 . Die Himmel erzählen steht in C-Dur, der zentralen Tonart des ersten Teils. Es beginnt mit alternierenden feierlichen Choralpassagen und eher meditativen Sequenzen der drei Gesangssolisten, gefolgt von einer Choralfuge zu den Worten „Und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament“ und einem abschließenden homophonen Abschnitt. Die erstaunliche Intensität des Schlusses mag das Ergebnis der Anhäufung verschiedener Coden sein, jede an einem Punkt beginnend, an dem die Musik eigentlich schon zu Ende scheint.
- Haydns Jahrhundert erreichte – nach den Entdeckungen Isaac Newtons, besonders der mathematischen Vorhersagbarkeit der Bewegungen der Himmelskörper – ein Maximum an Zuversicht in die Existenz eines geordneten Universums, das gemäß der Überzeugung der Zeitgenossen die göttliche Weisheit bestätigte. Haydn, der ein neugieriger Mensch war, mag ein Amateurinteresse an Astronomie gehabt haben, zumal er, als er in England war, die Mühe auf sich nahm, Wilhelm Herschel, den ehemaligen Komponisten und Entdecker des Uranus, in seinem Observatorium in Slough bei Windsor zu besuchen.
- — Ende des vierten Tages —
Teil II
Der zweite Teil feiert die Erschaffung der Fische, Vögel, des Viehs und schließlich des Menschen.
- Nr. 14 (15) Und Gott sprach: Es bringe das Wasser in der Fülle hervor
- Rezitativ (Gabriel, nach Gen 1,20 ), anschließend:
- Nr. 15 (16) Auf starkem Fittiche schwinget sich der Adler stolz
- Arie (Gabriel) in F-Dur zur Erschaffung der Vögel. Die erwähnten Arten sind der Adler, die Lerche, die Taube und die Nachtigall. Der Liedtext enthält die Behauptung, dass in der Zeit unmittelbar nach der Schöpfung der Gesang der Nachtigall nicht melancholisch war.
- Nr. 16 (17) Und Gott schuf große Walfische
- Rezitativ (Raphael) in d-Moll. Es handelt sich um ein Rezitativ (nach Gen 1,21-22 ), dem eine kurze Arie folgt, letztere eine gereimte Paraphrase der biblischen Worte „Seid fruchtbar und mehret euch“. Die düstere Begleitung kommt ohne Violinen aus, nutzt lediglich die tieferen Streicher mit geteilten Violen und Celli.
- Haydns Musik rührt von einem Vorschlag van Swietens her, diesen Text von dem Bass-Solisten zu einer schmucklosen Basslinie singen zu lassen. Haydn folgte dem Vorschlag nur teilweise und fügte eine Schicht vierstimmiger Harmonien von Cello und Viola hinzu.
- Nr. 17 (18) Und die Engel rührten ihr’ unsterblichen Harfen
- Kurzes Rezitativ (Raphael).
- Nr. 18 (19a) In holder Anmut stehn
- Terzett in A-Dur. Haydn bricht die Regelmäßigkeit des Musters „Rezitativ-Ausarbeitung nur für Solo“ mit einer nachdenklichen Passage für die drei Sänger, die die Schönheit und den Reichtum der neu geschaffenen Welt betrachten. Ohne Übergang folgt:
- Nr. 19 (19b) Der Herr ist groß in seiner Macht
- Chor mit den drei Solisten, in A-Dur für den fünften Tag.
- — Ende des fünften Tages —
- Nr. 20 (20) Und Gott sprach: Es bringe die Erde hervor lebende Geschöpfe
- Rezitativ (Raphael, nach Gen 1,24 ), anschließend:
- Nr. 21 (21) Gleich öffnet sich der Erde Schoß
- Ein Tongemälde mit erzählendem Bass (Raphael). Haydns führt die neugeschaffenen Kreaturen mit humoristischer Untermalung ein: Löwe, Tiger, Hirsch, Pferd, Rind, Schaf, Insekten und Würmer. Wie stets bei Haydns Tonmalerei in diesem Oratorium, folgen die gesungenen Erläuterungen dem Orchesterporträt. Der Übergang von den herrschaftlichen Tieren (den ersten vier) zu den niederen (den letzten vier) wird durch eine unvorbereitete Modulation von Des- nach A-Dur markiert. Die zahmen Tiere werden im Siciliano-Rhythmus dargestellt, der (nicht nur) bei Haydn für eine ländliche Idylle steht.
- Nr. 22 (22) Nun scheint in vollem Glanze der Himmel
- Arie (Raphael) in D-Dur. Das Thema ist:
Doch war noch alles nicht vollbracht
Dem Ganzen fehlte das Geschöpf
Das Gottes Werke dankbar seh'n
Des Herren Güte preisen soll.
- Dieser Satz ist die Vorbereitung für die Erschaffung des Menschen.
- Der erste Teil dieses Satzes enthält eine weitere Tonmalerei, ein Fortissimo in Oktaven für Posaune, Kontrafagott und Kontrabass zu den Worten „den Boden drückt der Tiere Last“.
- Nr. 23 (23) Und Gott schuf den Menschen
- Rezitativ (Uriel, nach Gen 1,27 , 2,7 ), anschließend:
- Nr. 24 (24) Mit Würd’ und Hoheit angetan
- Eine glanzvolle Arie (Uriel) in C-Dur, die die Erschaffung des Mannes, dann der Frau feiert, oft auch außerhalb der Schöpfung gesungen. Obwohl die Arie eine biblische Geschichte erzählt, spiegeln die Tugenden, die Adam (und nicht Eva) zugeschrieben werden, die Werte der Aufklärung wider.
- Nr. 25 (25) Und Gott sah jedes Ding
- Kurzes Rezitativ (Raphael; der Text erweitert Gen 1,31 ), anschließend:
- Nr. 26 (26a) Vollendet ist das große Werk
- Chorsatz in B auf den sechsten Tag.
- Nr. 27 (26b) Zu dir, o Herr, blickt alles auf
- Eine weitere Meditation für die drei Erzengel (Terzett), diesmal in Es-Dur, auf Gottes Allmacht und Güte, nach Ps 145,15-16 . Direkt anschließend:
- Nr. 28 (26c) Vollendet ist das große Werk
- Dieser Chor beginnt mit den gleichen Worten und Noten wie Nr. 26 und in der gleichen Tonart (B). Er wechselt schnell in eine große Doppelfuge zu den Worten „Alles lobe seinen Namen, denn er allein ist hoch erhaben“. Zum Finale des Teils II passend, ist dieser wiederholte Chorsatz länger und intensiver als der erste.
Die drei letzten Bestandteile des zweiten Teils – mit zwei Chorsätzen zu einem identischen Thema, die einen langsameren, meditativen Satz flankierend – folgt dem Muster zahlloser Vertonungen der lateinischen Messe, in der für gewöhnlich zwei ähnliche oder identische Chöre auf die Worte „Hosanna in excelsis“ einen meditativen Teil zu „Benedictus qui venit in nomine Domini“ einrahmen.
Teil III
Der dritte Teil spielt im Garten Eden und erzählt die glücklichen ersten Stunden von Adam und Eva.
- Nr. 29 (27) Aus Rosenwolken bricht
- Orchesterpräludium in langsamem Tempo, das die Dämmerung im Garten Eden beschreibt, gefolgt von einem Rezitativ für Uriel. Adam und Eva gehen Hand in Hand.
- Die Tonart ist E-Dur, sehr entfernt von den Tonarten, die bisher dominiert haben. Verschiedene Kommentatoren meinen, Haydns Absicht damit sei gewesen, die Entfernung zwischen Himmel und Erde zu übermitteln, oder die Sündhaftigkeit des Menschen mit der Perfektion der Engel zu kontrastieren.
- Nr. 30 (28) Von deiner Güt, o Herr und Gott
- Adam und Eva sprechen ein Dankgebet in C-Dur, begleitet von einem Engelschor.
- Dieser Satz, der längste in der Schöpfung, hat drei Teile. Im ersten, einem Adagio, singen Adam und Eva ihr Gebet, begleitet vom Chor und sanft rollenden Pauken. Im zweiten Abschnitt zieht das Tempo an, und Adam, Eva und die Engel preisen die neu geschaffene Welt. Der letzte Abschnitt ist alleine für Chor und Orchester, ein Gesang auf die Worte „Wir preisen dich in Ewigkeit“.
- Nr. 31 (29) Nun ist die erste Pflicht erfüllt
- Rezitativ für Adam, anschließend:
- Nr. 32 (30) Holde Gattin, dir zur Seite
- Liebesduett für Adam und Eva in Es-Dur mit einer langsamen Einleitung, gefolgt von einem Allegro. Der Stil ist deutlich von der Oper beeinflusst, und einige Kommentatoren haben eine Parallele zwischen Adam und Eva und den Charakteren Papageno und Papagena aus Mozarts Zauberflöte erkannt.
- Nr. 33 (31) O glücklich Paar, und glücklich immerfort
- Uriel erklärt dem Paar kurz, dass sie immer glücklich sein werden, solange sie davon Abstand nehmen, mehr haben oder wissen zu wollen, als sie sollten. Eine dunkle Vorahnung auf den späteren Sündenfall.
- Nr. 34 (32) Singt dem Herren alle Stimmen!
- Schlusschor in B-Dur: eine langsame Einleitung, gefolgt von einer Doppelfuge auf die Worte „Des Herren Ruhm, er bleibt in Ewigkeit“, mit Passagen für die Solisten und einem abschließenden homophonen Abschnitt.
Zitate
“The pleasure of experiencing Haydn and van Swieten’s Die Schöpfung lies less in the inevitable trajectory of the plot – we all know the story, and it contains no real sense of conflict – than in the wide-eyed wonder with which the composer visits its familiar contours. A childlike quality pervades the work, as if Haydn were relating the narrative to young listeners who had never heard it before.”
„Die Freude am Erlebnis der Schöpfung von Haydn und van Swieten liegt weniger im unausweichlichen Ablauf der Handlung – wir alle kennen sie, und in ihr ist kein eigentlicher Konfliktstoff enthalten – als darin, wie der Komponist mit staunenden Augen das Vertraute bearbeitet. Eine kindliche Qualität durchdringt das Werk, so als ob Haydn die Geschichte jungen Hörern erzählen würde, die sie vorher noch nie gehört haben.“
„Die ›Schöpfung‹ und die ›Jahreszeiten‹ malen das Universum, wie Haydn es kannte. Die vom pastoralen Stil auferlegte Simplizität war die Voraussetzung dafür, daß Gegenstände von solcher Erhabenheit überhaupt angefaßt werden konnten. Ohne die Fiktion einer Naivität im tiefsten Sinn, als der spontanen und unaffektierten Reaktion des kindlichen Auges auf die Welt, könnten diese Werke gar nicht existieren.“
„Das Wiener Publikum im alten Burgtheater feierte den Komponisten mit ‚Papa Haydn‘-Rufen. Aber Joseph Haydns Oratorium ‚Die Schöpfung‘ hat so gar nichts Gemütlich-Altväterliches an sich, sondern ist ein Stück voll von versammelter, dabei behänder Kraft, kompositorischer Geschmeidigkeit und einem Bekenntnis zum Diesseits, zum Leben hier und jetzt ohne Frömmelei und Weihrauchdunst. Nach den undefinierbaren, ziellos mäandernden düsteren Modulationsnebeln des Chaosbeginns fährt beim Wort ‚Licht‘ durch Orchester, Chor und Zuhörer ein so gleißender Fortissimo-Blitzstrahl, dass sein feuriger Glanz alle drei Teile des Werks erleuchtet. ‚Die Schöpfung‘ gilt zu Recht als aufklärerisches Stück, als neuartiges Oratorium jenseits des Barock eines Händel. Der Textdichter Baron van Swieten und mit ihm Joseph Haydn wollten die Feier der Schöpfung mit der Erschaffung des Menschen als Zielpunkt, ganz ohne Sündenfall, Erbsünde und Schuld.“
Bearbeitungen
- Eine Neukomposition eines alternativen dritten Teils behandelnd den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies von Reinhard Fehling. Die Komposition nutzt auch Material von Joseph Haydn und basiert textlich - wie die anderen Teile auch - auf Miltons 'Paradise lost'. Vor dem Ende des ca. 30-minütigen 3. Teils werden über einem rund 6-minütigen Orgelpunkt, der unter einer sich verdichtenden Musik liegt, Ausschnitte eines Textes von Dorothee Sölle ('Tränen der Schöpfung') von den drei Solisten im Wechsel rezitiert, ehe auf dem Höhepunkt die Musik in den originalen Schlusschor des Oratoriums 'Singt dem Herrn alle Stimmen' mündet. Der neukomponierte Teil trägt den Titel 'Schöpfung - überarbeitet'.[6]
- Eine Neubearbeitung von Andreas Spörri und Thomas Rüedi für drei Solostimmen, Chor und Blechblasorchester erlebte am 19. Juli 2006 im Rahmen der Thurn-und-Taxis-Schlossfestspiele in Regensburg ihre Welturaufführung. Ausführende waren die Regensburger Domspatzen sowie die Swiss Army Brass Band unter der Leitung von Spörri. Auch in der Schweiz wurde das Werk im Rahmen einer Tournee mehrfach aufgeführt.[7][8]
Literatur
- H. C. Robbins Landon: Haydn: the Years of The Creation 1796–1800. Thames and Hudson Ltd, ISBN 0-500-01166-4
- Georg Feder: Joseph Haydn. Die Schöpfung, Bärenreiter: Kassel usw. 1999, ISBN 3-7618-1253-1
Weblinks
- Die Schöpfung: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- Komplettes Werk mit Musik (in 3 Fassungen) und Libretto (erstellt für das Haydn-Jahr 2009)
- Die Schöpfung: MIDI/MP3-Format, mit Übungsdateien für Choristen
- Das vollständige Libretto
- Libretto, gedruckt 1804
- Walter Eigenmann: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde – Über „Die Schöpfung“. Im Glarean-Magazin
Einzelnachweise
- Georg August Griesinger.Biographische Notizen über Joseph Haydn. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1810.
- John Mangum: Die Schöpfung (The Creation). (Nicht mehr online verfügbar.) Los Angeles Philharmonic Orchestra, archiviert vom Original am 19. September 2015; abgerufen am 3. Oktober 2012.
- James M. Keller: Joseph Haydn, Die Schöpfung (The Creation), Hob.XXI: 2. Notes on the program. (PDF, 254 kB) New York Philharmonic Orchestra, 21. Januar 2004, archiviert vom Original am 26. März 2004; abgerufen am 3. Oktober 2012 (englisch).
- Charles Rosen: Der klassische Stil. Bärenreiter, Kassel 1983, ISBN 3-7618-1235-3, S. 423
- Harald Eggebrecht, Haydns "Schöpfung" in Nürnberg: Raschelndes Gewürm, In: sueddeutsche.de vom 6. Januar 2022
- Die Schöpfung - überarbeitet (The Creation - revisited). Abgerufen am 23. Oktober 2021 (deutsch).
- Haydns «Schöpfung» als Brass-Band-Spiel, Neue Zürcher Zeitung, 9. Oktober 2006
- Domspatzen in der Kathedrale (Memento vom 29. Januar 2018 im Internet Archive), St. Galler Tagblatt, 14. Oktober 2006