9K32 Strela-2

Die 9K32 Strela-2 (russ.: Стрела-2 Pfeil) i​st eine schultergestützte Kurzstrecken-Boden-Luft-Rakete a​us sowjetischer Produktion. Der NATO-Codename lautet SA-7 Grail. Sie i​st das sowjetische/russische Pendant z​ur amerikanischen FIM-43 Redeye. Sie i​st bis h​eute im Einsatz u​nd die weltweit a​m weitesten verbreitete u​nd genutzte Flugabwehrrakete.

Strela-2


9K32M Strela-2M

Allgemeine Angaben
Typ Flugabwehrrakete
Heimische Bezeichnung 9K32 Strela-2, 9K32M Strela-2M, 9K32MF Strela-2MF
NATO-Bezeichnung SA-7A Grail, SA-7B Grail, SA-N-5 Grail
Herkunftsland Sowjetunion 1955 Sowjetunion
Hersteller Konstruktionsbüro KBM
Entwicklung 1960
Indienststellung 1968
Technische Daten
Länge 1,443 m
Durchmesser 72,2 mm
Gefechtsgewicht Strela-2: 9,2 kg[1]
Strela-2M: 9,6 kg[2]
Spannweite 300 mm
Antrieb Feststoff-Raketentriebwerk
Geschwindigkeit 430 m/s
Reichweite Strela-2: 0,6–3,4 km[1]
Strela-2M: 0,5–4,2 km[2]
Dienstgipfelhöhe Strela-2: 50–1500 m[1]
Strela-2M: 50–2300 m[2]
Ausstattung
Zielortung passiv-IR
Gefechtskopf 1,17 kg FRAG-HE
Zünder Aufschlagzünder
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Entwicklung

Ursprungsland ist die Sowjetunion, wo die Luftabwehrrakete ab 1968 als Strela-2 hergestellt wurde. Der Infrarotsuchkopf war nicht sehr zuverlässig und wurde oft durch die Sonne oder Bodenwärme abgelenkt. Ab 1972 wurde sie von der besseren Strela-2M (NATO-Codename: SA-7B, GRAU-Index 9K32M) abgelöst, die das am weitesten verbreitete Modell wurde. Dabei wurde der Raketenantrieb verbessert, der eine höhere Geschwindigkeit sowie effektive Reichweite ermöglichte und auch ein neuer IR-Suchkopf eingeführt. Die Strela-2 gilt inzwischen als veraltet, ist aber weiterhin weltweit in verschiedenen Variationen zu finden. Mit der 9K34 Strela-3 (NATO-Codename: SA-14 Gremlin) existiert seit 1978 ein modernerer und etwas leistungsfähigerer Nachfolger, der sich in Bauweise und Erscheinung aber nicht von der Strela-2 unterscheidet. Weitere ähnliche Nachfolgeentwicklungen sind 9K310 Igla-1 und 9K38 Igla.

Funktion

Polnischer Soldat mit einer Strela-2 und einem IFF-Empfänger auf der Helm-Vorderseite

Das System besteht a​us der Rakete (9M32 o​der 9M32M), e​inem Startrohr inklusive Visier u​nd einem Griffstück m​it integrierter Elektronik (GRAU-Index 9P54 u​nd 9P54M) u​nd einer Thermalbatterie (GRAU-Index 9B17). Außerdem k​ann ein IFF-Empfänger (Identification Friend o​r Foe Freund-Feind-Erkennung) a​n den Helm d​es Schützen montiert werden, u​m Eigenbeschuss z​u vermeiden. Eine passive Antenne, d​ie akustische Signale i​n den Kopfhörer d​es Schützen abgibt, d​ient dem Entdecken u​nd Erfassen e​ines Zieles.

Die Rakete ist innerhalb von sechs Sekunden feuerbereit: Nach dem Einschalten der Stromversorgung verfolgt der Schütze das Ziel mit dem optischen Sucher und betätigt den Abzug am Griff. Damit wird der Suchkopf aktiviert und die Elektronik versucht, auf das Ziel aufzuschalten. Ist das Signal stark genug und die Winkelgeschwindigkeit im zulässigen Bereich, wird dies durch eine rote Lampe und ein Summsignal angezeigt. Der Schütze muss nun weitere 0,8 Sekunden das Ziel verfolgen, bis die Rakete zündet. Eine gescheiterte Aufschaltung wird durch einen anderen Ton markiert, wonach der Schütze erneut zielen kann. Beim Start brennt der Booster-Motor im Startrohr komplett ab; er beschleunigt die Rakete auf 30 m/s (108 km/h) und eine Rotation von 20 Umdrehungen pro Sekunde (U/s). Nach dem Verlassen des Rohres klappen die vorderen und hinteren Leitflächen von 30 cm Spannweite aus. Weiterhin wird ein Selbstzerstörungs-Mechanismus aktiviert, der einen Aufschlag am Boden verhindert, wenn nach 17 Sekunden kein Ziel getroffen wurde. Nach etwa 0,3 Sekunden zündet in etwa 5 Metern Entfernung der Raketenmotor, der den Flugkörper auf 430 m/s (1548 km/h) beschleunigt und dann auf dieser Geschwindigkeit hält. Nach etwa 120 Metern wird der letzte Sicherheitsmechanismus abgeschaltet und der Sprengkopf scharfgeschaltet.

Der Infrarot-Suchkopf verwendet einen Bleisulfid-Halbleiter und reagiert auf IR-Strahlung zwischen 0,2 und 1,5 µm Wellenlänge. Er hat einen Sichtwinkel von 1,9 Grad und kann dem Ziel mit 9 Grad pro Sekunde folgen. Die Elektronik errechnet die Winkelgeschwindigkeit des Ziels und sendet Steuerbefehle, um die Differenz auf Null zu bringen. Der Sprengkopf zündet beim Aufschlag auf das Ziel. Er kann ein Luftfahrzeug nicht im Ganzen zerstören, sondern nur Tanks, Steuerelemente oder den Antrieb so beschädigen, dass dieses flugunfähig wird oder der Einsatz kurzfristig abgebrochen werden muss.

Die Marine-Version d​er Strela-2 MF (SA-N-5 Grail) i​st auf zahlreichen Schiffen a​ls Zusatzabwehr vorhanden (z. B. Landungsschiffe d​es Projekts 775, 4× vierrohrige Werfer), w​obei durch d​en kleinen Gefechtskopf u​nd die Aufschaltzeit e​ine Eignung z​ur Flugkörperabwehr e​her nicht gegeben ist.

Einsatz

Sowjetsoldat mit Strela-2
Auswirkungen eines Treffers auf eine F/A-18. Getroffen wurde die linke Triebwerksdüse, wobei das Flugzeug allerdings flugfähig blieb.

Die Strela-2 i​st vor a​llem in ehemaligen Staaten d​es Warschauer Paktes w​eit verbreitet u​nd wurde o​ft nachgebaut u​nd modifiziert. Die Armeen e​iner Reihe v​on Staaten verwenden s​ie bis heute. So wurden d​ie Bestände d​er NVA i​m Zuge d​er Wiedervereinigung Deutschlands v​on der Bundeswehr v​or allem für d​ie Heeresflugabwehrtruppe übernommen.[3] Die Bundeswehr nutzte d​ie Waffe für Übungszwecke u​nd gab i​hr die Bezeichnung „Fliegerfaust 1 Ost/9K32 Strela-2“.[4]

Die Waffe w​urde in e​iner ganzen Reihe v​on Konflikten eingesetzt. Der e​rste Einsatz w​ird vom Jahre 1969 i​m Abnutzungskrieg a​ls Teil d​es Nahostkrieges berichtet – b​is Juni 1970 feuerte d​ie ägyptische Armee 99 Raketen a​b und erzielte 36 Treffer a​uf israelische Kampfflugzeuge. Im Jahre 1974 erzielten syrische Streitkräfte e​lf Treffer g​egen israelische Luftfahrzeuge, w​obei die Zahl d​er eingesetzten Waffen n​icht bekannt ist.

Strela-2 stand auch nordvietnamesischen Kräften in der Spätphase des Vietnamkriegs zur Verfügung, wo die modernere Strela-2M zwischen 1972 und 1975 gegen US-Kampfflugzeuge 204 Treffer bei 589 Einsätzen erreichte. Ebenfalls wurde die Waffe gegen Ende des Portugiesischen Kolonialkrieges eingesetzt. In Guinea-Bissau gelang es Rebellen-Verbänden im März 1973, mit Strela-2-Raketen zwei Fiat-G.91-Jagdbomber sowie zwei Dornier-Do-27-Aufklärer und eine North American T-6 abzuschießen, was die portugiesische Luftüberlegenheit beendete und schließlich zum Kollaps der Kolonialherrschaft führte. Während der Belagerung von Sarajevo wurde ein Transportflugzeug der Luftwaffe vom Typ Transall C-160 beschossen und schwer beschädigt, ein Besatzungsmitglied wurde schwer verletzt. Die Besatzung konnte sicher in Zagreb landen.[5]

Am 28. November 2002 entkam eine Boeing 757 der israelischen Luftfahrtgesellschaft Arkia Israeli Airlines knapp einem Angriff: Kurz nach dem Start in Mombasa, Kenia, wurden zwei Strela-2-Raketen auf das mit 271 Menschen besetzte Flugzeug abgefeuert. Die Raketen verfehlten das Ziel jedoch.[6] Am 2. November 2003 wurde ein US-amerikanischer Transporthubschrauber vom Typ CH-47 „Chinook“ bei Falludscha, Irak von zwei irakischen Strela-2 getroffen. Der Hubschrauber stürzte ab und 15 US-Soldaten starben. Wegen der Bedrohung der Zivilluftfahrt wurde in den USA mehrfach diskutiert, den Fluglinien Abwehrsysteme wie Flares gesetzlich vorzuschreiben. Diese haben sich dagegen jedoch bisher mit der Begründung gewehrt, dass die hohen Kosten Wettbewerbsnachteile bedeuten würden.

Als Reaktion a​uf den Russischen Überfall a​uf die Ukraine 2022 kündigte d​ie deutsche Bundesregierung a​m 2. März an, 2700 Flugabwehrraketen v​om Typ Strela a​us ehemaligen NVA-Beständen a​n die Ukraine z​u liefern.[7] Am 3. März stellte s​ich heraus, d​ass 700 Raketen völlig veraltet u​nd nicht m​ehr zu gebrauchen waren. Es g​ab teilweise Mikrorisse i​m Treibsatz d​er Rakete, w​as zu Korrosion bzw. Oxidation führte. Die Raketen-Lager dürfen n​ur noch m​it Schutzkleidung betreten werden, d​a die Holzkisten m​it den Raketen s​tark verschimmelt sind.[8]

Eingesetzte Versionen

Russland

  • 9K32 Strela-2 (SA-7A Grail): 1. Serienversion
  • 9K32E Strela-2E (SA-7A Grail): Vereinfachte Exportversion der 9K32
  • 9K32M Strela-2M (SA-7B Grail): 2. Serienversion mit verbessertem Suchkopf
  • 9K32ME Strela-2ME (SA-7B Grail): Vereinfachte Exportversion der 9K32M
  • 9K32MW Strela-2MW (SA-7B Grail): Version für den Luft-Luft-Einsatz ab Hubschraubern
  • 9K32M2 Strela-2M2 (SA-7C Grail): Version mit dem Suchkopf der 9K34 Strela-3
  • 9K32MF Strela-2MF (SA-N-5 Grail): Version für Marinestreitkräfte

China

  • HN-5A: Version der 9M32M mit gekühltem Suchkopf und neuem Sprengkopf
  • HN-5B: Version der 9M32M mit verbessertem, gekühlten Suchkopf
Anza Mk.2

Pakistan

  • Anza Mk.1: Lizenzfertigung der 9K32
  • Anza Mk.2: Lizenzfertigung der 9K32M
  • Anza Mk.3: Version der 9M32M mit verbessertem, gekühlten Suchkopf

Ägypten

  • SAKR EYE: Version der 9K32M mit einem neuen digital arbeitenden Suchkopf der franz. Firma Thomson-CSF

Rumänien

  • CA-94: Lizenzfertigung der 9K32
  • CA-94M: Version der 9K32M mit einem neuen, digital arbeitenden Suchkopf, der vom rumänischen Rüstungsunternehmen Electromecanica Ploiești entwickelt wurde[9]

Serbien

  • Strela-2MA: Version der 9M32M mit verbessertem, gekühlten Suchkopf und neuem Sprengkopf

Nutzerstaaten

Die Strela-2 wurde von der Bundeswehr als Fliegerfaust 1 Ost/9K32_Strela-2 aus DDR-Beständen übernommen; insbesondere zur Schießausbildung (Gewöhnungsschießen)

Siehe auch

Literatur

  • Land-Based Air Defence Edition 2005. Jane’s Verlag.
  • Das Boden-Luft-Lenkwaffensystem SA-17 GRAIL. DTIG – Defense Threat Informations Group.
  • Michal Fiszer, Jerzy Gruszczynski: On Arrows and Needles. Journal of Electronic Defense (JED), Dezember 2002.
Commons: Strela-2 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Michal Fiszer & Jerzy Gruszczynski: On Arrows and Needles. Journal of Electronic Defense (JED), Dezember 2002.
  2. Fla-Raketenkomplex 9K32M Strela-2M. In: rwd-mb3.de. Raketen- und Waffentechnischer Dienst im Kdo. MB III, abgerufen am 24. Oktober 2019.
  3. Strela auf Übungsplatz Todendorf. (Nicht mehr online verfügbar.) In: streitkraeftebasis.de. Bundesministerium der Verteidigung, ehemals im Original; abgerufen am 3. März 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.streitkraeftebasis.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
    Infoflyer Todendorf. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) In: streitkraeftebasis.de. Bundesministerium der Verteidigung, ehemals im Original; abgerufen am 3. März 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.streitkraeftebasis.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  4. Gerhard Hegemann: „Jetzt werden alte Munitionslager durchkämmt“ – das zweite Leben der DDR-Raketen. In: Die Welt. Axel Springer SE, 3. März 2022, abgerufen am 4. März 2022.
  5. Hans-Werner Ahrens: Die Luftbrücke nach Sarajevo 1992 bis 1996. 1. Auflage. Rombach, Freiburg im Breisgau, Berlin, Wien 2012, ISBN 978-3-7930-9695-5, S. 149–163.
  6. Arie Egozie: Arkia 757 avoids missile attack. In: flightglobal.com. 3. Dezember 2002, abgerufen am 3. März 2022 (englisch).
    Kenyan police find Mombasa missiles. In: BBC News. 6. Dezember 2002, abgerufen am 3. März 2022 (englisch).
  7. Ukraine: Deutschland liefert offenbar Flugabwehrraketen. In: tagesschau.de. ARD, 3. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
  8. Matthias Gebauer und Konstantin von Hammerstein: »Strela«-Raketen der Bundeswehr weisen erhebliche Mängel auf. In: Der Spiegel. Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, 3. März 2022, abgerufen am 4. März 2022.
  9. Darstellung auf der Herstellerseite Electromecanica Ploiesti S.A. In: elmecph.ro. Abgerufen am 4. März 2022 (rumänisch).
  10. Joerg Rockstroh: Waffen und Ausrüstung der NVA – wo sind sie geblieben? In: thetideturned.wordpress.com. The Tide Turns, 31. Juli 2018, abgerufen am 3. März 2022 (Laut Quelle 1896 Stück am 3. Oktober 1990 von der NVA übernommen – später wurde berichtet, dass 2700 Stück aus ehemaligen NVA-Beständen an die Ukraine geliefert werden sollten).
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