9K38 Igla
Die 9K38 Igla (russisch: 9К38 Игла ‚Nadel‘) ist eine schultergestützte Kurzstrecken-Boden-Luft-Rakete aus sowjetischer Produktion. Sie dient zur Bekämpfung von Hubschraubern und Kampfflugzeugen in niedriger Flughöhe. Der NATO-Codenamen lautet SA-18 Grouse. Die neueste Variante 9K338 Igla-S trägt den NATO-Codename SA-24 Grinch.
Entwicklung
Am 12. Februar 1971 erteilte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion den Auftrag zur Entwicklung einer neuen tragbaren Flugabwehrlenkwaffe, die Ende der 1970er Jahre die Systeme 9K32 Strela-2 und 9K34 Strela-3 ersetzen sollte. Bei der Entwicklung kam es immer wieder zu Verzögerungen. Als die Entwicklung im Jahre 1978 immer noch nicht abgeschlossen war, entschied man sich für eine Zwischenlösung. Der bereits fertiggestellte Rumpf und Raketenmotor der neuen Lenkwaffe sollte mit dem bewährten Suchkopf der 9K34 Strela-3 zu einem Interim-System weiterentwickelt werden. Dieses System bekam die Bezeichnung 9K310 Igla-1. Es wurde im Jahre 1981 bei den sowjetischen Landstreitkräften eingeführt und bekam von der NATO die Bezeichnung SA-16 Gimlet. Nach zwölf Jahren Entwicklungszeit wurde die 9K38 Igla (NATO-Codename: SA-18 Grouse) schließlich 1983 bei den sowjetischen Landstreitkräften eingeführt.
Varianten
- Grundversion 9K38 Igla
- Exportversion 9K38E Igla-E
- 9K38D Igla-D für Fallschirm- und Gebirgstruppen. Das System lässt sich in zwei Traglasten zerlegen.[1]
- 9K38W Igla-W für den Luft-Luft-Einsatz mit Kampfhubschraubern.
- 9K38N Igla-N mit neuem Suchkopf und größerem Sprengkopf.
- 9K38M Igla-M (NATO: SA-N-10 Grouse und SA-N-14 Grouse) für die Marine
- 9K338 Igla-S (NATO: SA-24 Grinch) mit komplett neuer Elektronik, neuem Zündsystem und neuem Sprengkopf[1]
Technik
Das 9K38-System besteht aus den folgenden Komponenten:
- 9P39 Transport- und Startbehälter
- 9M39 Lenkwaffe
- 9P519 Start- und Visiergerät
- 9P238 Behälter mit Thermalbatterie und Kühlmittel für den Suchkopf
Die 9K38 Igla ist eine mit einem passiven Zielsuchkopf ausgerüstete Fliegerabwehrlenkwaffe, deren Detektor im IR/UV-Bereich arbeitet. Sie funktioniert nach dem Fire-and-Forget-Prinzip – nach dem Abfeuern verfolgt die Rakete ihr Ziel selbstständig, der Schütze muss es nicht wie bei anderen Modellen weiterhin anvisieren, und nach dem Start besteht keine Verbindung mehr zwischen der Startplattform und der Rakete.
Als Antrieb dient ein Feststoff-Raketenmotor, der gezündet wird, nachdem die von einer Gasladung ausgestoßene Rakete das Startrohr einige Meter verlassen hat. Der Splitter-Sprengkopf wird ausschließlich durch Aufschlag gezündet, d. h. die Rakete muss das Ziel direkt treffen.
Beim verbesserten System 9K338 Igla-S wurde eine modernere digitale Steuerelektronik eingebaut. Dadurch konnte im Lenkwaffenrumpf Platz eingespart werden, der für den neuen Sprengkopf, einen Annäherungszünder und einen vergrößerten Raketentreibsatz verwendet wird.[1] Igla-S wurde primär für den Exportmarkt entwickelt.
Nutzer
- Armenien
- Ägypten
- Brasilien
- Bulgarien
- Deutschland: 75 Stück am 3. Oktober 1990 übernommen.[2]
- Deutsche Demokratische Republik: 75 Stück am 3. Oktober 1990 im Bestand.[2]
- Eritrea
- Finnland
- Irak (Autonome Region Kurdistan)
- Indien
- Indonesien
- Jordanien
- Kasachstan
- Kuwait
- Malaysia
- Marokko
- Mazedonien
- Mexiko
- Myanmar
- Nicaragua
- Peru
- Russland
- Serbien
- Singapur
- Slowakei
- Sri Lanka
- Südkorea
- Syrien
- Thailand
- Ungarn
- Ukraine
- Venezuela
- Vietnam
- Belarus
Neben den offiziellen Nutzern der 9K38 Igla werden noch eine Reihe von Systemen in den Händen von Separatisten und Extremisten vermutet.
Einsätze
Die 9K38 Igla kam bei den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan und im Kaukasus zum Einsatz. In Tschetschenien sollen russische Hubschrauber mit 9K38-Lenkwaffen der Widerstandskämpfer abgeschossen worden sein.
Im Frühjahr 2007 kamen Berichte in die Medien, wonach Widerstandskämpfer im Irak-Krieg neuerdings über moderne schultergestützte SAMs russischen Typs verfügen, nachdem binnen vier Wochen acht US-Hubschrauber mit Lenkraketen abgeschossen wurden, die nach US-Darstellung nicht aus Beständen der irakischen Armee stammten. Zur detaillierten Analyse beschafften die Vereinigten Staaten laut Aviation Week einige der neuesten 9K38-Systeme.
Eine Iljuschin Il-76 der ukrainischen Luftwaffe wurde am 14. Juni 2014 beim Anflug auf den Flughafen von Luhansk vermutlich mit einer 9K38 Igla abgeschossen, wobei 9 Besatzungsmitglieder und 40 Fallschirmjäger getötet wurden.[3]
Technische Daten
System | 9K38 Igla | 9K38N Igla-N | 9K338 Igla-S |
---|---|---|---|
Lenkwaffe | 9M38 | 9M38N | 9M342 |
Einführungsjahr | 1983 | 1992 | 2002 |
Länge | 1,708 m | ||
Rumpfdurchmesser | 72,2 mm | ||
Flügelspannweite | 160 mm | unbekannt | |
Gewicht | 10,6 kg | 13,1 kg | 11,0 kg |
Antrieb | 1 Stufe Feststoff | ||
Gefechtskopf | 1,27 kg FRAG-HE | 3,2 kg FRAG-HE | 2,3 kg Continuous-Rod |
Zünder | Aufschlagzünder | Laser-Näherungs- und Aufschlagzünder | |
Fluggeschwindigkeit | 570 m/s | unbekannt | 600 m/s |
Einsatzreichweite | 0,5–5,2 km | 0,5–4,2 km | 0,5–6,0 km |
Einsatzhöhe | 10–3.500 m | 10–3.000 m | 10–3.500 m |
Lenksystem | passiv IR plus Fotokontrast | passiv IR plus UV | passiv IR plus Fotokontrast |
Siehe auch
Literatur
- Land-Based Air Defence Edition 2005. Jane’s Verlag.
- Das Boden-Luft-Lenkwaffensystem SA-18 GROUSE. DTIG – Defense Threat Informations Group, Mai 2005.
- Michal Fiszer, Jerzy Gruszczynski: On Arrows and Needles. Journal of Electronic Defense (JED), December 2002.
- RUSSIA’S ARMS 2004 CATALOG. Military Parade Publishing House.
- RUSSIA’S ARMS AND TECHNOLOGIES. THE XXI CENTURY ENCYCLOPEDIA Volume 9 – Air and ballistic missile defense. The Publishing House – Arms and Technologies.
- 9K38 Igla (Beschreibung und technische Daten, russisch)
Weblinks
- SA-18 auf www.warfare.ru (englisch)
- SA-18 auf www.globalsecurity.org (englisch)
- SA-24 auf www.globalsecurity.org (englisch)
- Detaillierte Systembeschreibung von DTIG (deutsch)
Einzelnachweise
- Tomasz Szulc: Russian Surface-to-Air Missiles by 2005. Military Technology Magazine. Volume 28, Issue 8, August 2004, S. 60–62.
- Waffen und Ausrüstung der NVA – wo sind sie geblieben? In: thetideturned.wordpress.com. Abgerufen am 3. März 2022.
- sha/dpa: OSZE-Beobachter in Ukraine: Angeblich Wissenschaftlerin aus Regensburg unter den Geiseln. Spiegel Online, 14. Juni 2014, abgerufen am 9. September 2014.