Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj (ukrainisch Володимир Олександрович Зеленський, russisch Владимир Александрович Зеленский ‚Wladimir Alexandrowitsch Selenski‘; * 25. Januar 1978 in Kriwoi Rog, Ukrainische SSR, Sowjetunion) ist ein ehemaliger ukrainischer Schauspieler, Regisseur, Komiker und seit dem 20. Mai 2019 der sechste Präsident der Ukraine.
Kyrillisch (Ukrainisch) | |
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Володимир Олександрович Зеленський | |
Transl.: | Volodymyr Oleksandrovyč Zelensʹkyj |
Transkr.: | Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj |
Kyrillisch (Russisch) | |
Владимир Александрович Зеленский | |
Transl.: | Vladimir Aleksandrovič Zelenskij |
Transkr.: | Wladimir Alexandrowitsch Selenski |
Nach seinem Jurastudium wurde er Schauspieler, Synchronsprecher, Drehbuchautor, Fernsehmoderator sowie Filmproduzent und gründete 2003 das Filmstudio „Студия Квартал-95“ (Studija Kwartal-95). Nachdem Selenskyj am 31. März 2019 den ersten Wahlgang[1] und am 21. April die Stichwahl der Präsidentschaftswahl in der Ukraine mit etwa 73 % der abgegebenen Stimmen klar vor dem amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko gewonnen hatte,[2] wurde er am 20. Mai 2019 in Kiew in das Amt des Präsidenten eingeführt.[3]
Herkunft und Ausbildung
Selenskyj kam in der Industriestadt Krywyj Rih (russisch Kriwoi Rog) im Südosten der damals noch sowjetischen Ukraine (Oblast Dnipropetrowsk) in einer russischsprachigen jüdischen Familie zur Welt.[4][5] Seine Familie hat drei Mitglieder im Holocaust verloren.[6]
Sein Vater, Oleksandr Selenskyj (* 1947), ist ehemaliger Kybernetik-Professor, der die akademische Abteilung für Kybernetik und Computerhardware am Krywyj-Rih-Institut für Ökonomie der Staatlichen Universität für Wirtschaft und Technologie Kryvyi Rih leitete;[7] die Mutter, Rimma Selenska (* 1950), ist Ingenieurin.[8] Die Familie lebte vier Jahre in Erdenet in der Mongolei, wohin der Vater versetzt worden war.
Nach der Rückkehr nach Krywyj Rih beendete er 1995 erfolgreich das Gymnasium Nr. 95[9] und absolvierte ein Diplomstudium der Rechtswissenschaft am Institut der Nationalen Wadym-Hetman-Wirtschaftsuniversität in Kiew, war jedoch im Anschluss nie als Jurist tätig. 1997 gründete Selenskyj die nach seinem Stadtviertel benannte Kabarettgruppe Kwartal 95 („95. Wohnblock“) mit. Die Truppe tourte fünf Jahre von Moskau aus durch Staaten der ehemaligen Sowjetunion.[9]
Selenskyj ist seit 2003 mit Olena Selenska (geb. Kijaschko) verheiratet und Vater zweier Kinder.[10][11]
Karriere
Landesweit bekannt wurde er 2006 durch seine Teilnahme an der ukrainischen Version von Dancing with the Stars.[7] In den Jahren 2010 bis 2013 erhielt er mehrmals den Nationalen Fernsehpreis der Ukraine Телетріумф (Teletriumph).[12]
Mit seiner Kabaretttruppe gründete er eine Fernsehproduktionsgesellschaft. 2015 trat Selenskyj auf dem meistgesehenen Fernsehsender der Ukraine 1+1 in der satirischen Fernsehserie Diener des Volkes als Geschichtslehrer Wassilyj Petrowytsch Holoborodko auf. Die Figur Holoborodko ist von der Korruption ukrainischer Politiker angewidert, macht über Social Media Wahlkampf, sammelt Geld über eine Crowdfunding-Kampagne und wird unversehens zum Präsidenten gewählt. Als ehrlich bleibender Präsident räumt Holoborodko dann in der notorisch korrupten ukrainischen Politik auf. Die Fernsehserie wurde zum Grundstein für Selenskyjs politischen Durchbruch.[13]
Im September 2016 verursachte Selenskyj in der Ukraine einen Skandal, als er in einer Parodie auf Petro Poroschenko den ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch und den Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko „Bettler“ sowie die Ukraine „eine Schauspielerin eines deutschen Films für Erwachsene“ nannte, die „bereit ist, jede beliebige Nummer auf einer beliebigen Seite zu akzeptieren“. Der Journalist und Politikanalyst Witalij Portnykow bezeichnete daraufhin Selenskyjs Humor als „minderwertig, geschmacklos, bürgerlich und beschränkt“.[14]
Politische Laufbahn
Vor Amtsantritt als Präsident
Seit der Ausstrahlung der Fernsehserie Diener des Volkes und des gleichnamigen Films Ende 2016 begannen Gerüchte zu Selenskyjs Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Ukraine. 2017 ließ der Anwalt von Studio Kvartal 95 Iwan Bakanow die nach der Fernsehserie benannte Partei Sluha narodu registrieren. Obwohl er offiziell noch nicht als Präsidentschaftskandidat für die Präsidentschaftswahl in der Ukraine 2019 nominiert war,[10] lag er Mitte November 2018, Umfragen zufolge, mit 11 Prozent Zuspruch in der ukrainischen Bevölkerung, nach Julija Tymoschenko und noch vor dem amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko auf Platz zwei der Bewerber um das Präsidentenamt;[15] später lag er auf Platz eins mit 24 Prozent vor den beiden Erwähnten mit 16 Prozent.[16]
Selenskyj gab am Silvesterabend 2018 im Fernsehsender 1+1 seine Kandidatur für die Wahl bekannt. Ihm wurde eine gewisse Abhängigkeit vom ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskyj nachgesagt, da er für den Fernsehsender 1+1 arbeitet und bis 2022 einen Vertrag hat, an dem über die Central European Media Enterprises, neben WarnerMedia mit 49,9 %, auch Kolomojskyj mit 50,1 % beteiligt ist.[17][18]
Als Präsidentschaftskandidat wurde Selenskyj massiv von Kolomojskyj gefördert.[9] Radio Free Europe deckte auf, dass Selenskyj in den Jahren 2017/2018 mindestens 14 Mal erst zu Kolomojskyjs damaligem Wohnort im Exil nach Genf flog und dann nach Tel-Aviv – die letzten Male im Herbst 2018 nach der Entscheidung zur Präsidentschaftskandidatur. Kolomojskyjs langjähriger Anwalt Andrij Bohdan[19] spielte eine prominente Rolle im Wahlkampfstab und wurde von ihm schon zu Gesprächen mit dem Leiter des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (NABU) geschickt.[9] Seine Leibwächter, die zuvor Kolomojskyj schützten, als dieser noch in der Ukraine lebte, sorgten außerdem für Selenskyjs Sicherheit und wurden von dem Oligarchen bezahlt.[20] Kolomojskyj kündigte seine Rückkehr in die Ukraine an, sollte Selenskyj gewinnen.[21] In einem Interview antwortete Selenskyj auf die Frage des TV-Journalisten Dmitry Gordon, ob die Ukraine von Kolomojskyj regiert wird, wenn Selenskyj die Präsidentschaftswahlen gewinnt – da er nur ein von ihm gesetzter Bauer im Schach sei:
„Ich bin eine absolut unabhängige Person. Ich möchte niemanden beleidigen, aber derjenige, der mich kontrollieren wird, ist noch nicht geboren.“
In seinem politischen Programm blieb Selenskyj vage und bot damit eine Projektionsfläche für die Hoffnungen vieler Ukrainer.[23] Die ukrainische Öffentlichkeit war von der mangelhaften Korruptionsbekämpfung und der „Dominanz der alten Kräfte“ in der Ukraine seit langem enttäuscht, so Diskussionsteilnehmer der Bertelsmann Stiftung.[24] Bei einem Treffen im Januar 2019 mit verschiedenen Botschaftern der EU-Länder nach seinem politischen Programm gefragt, verwies er auf seine Berater. Selenskyj forderte daraufhin seine Anhänger auf, ihm über Social Media Programmvorschläge zu machen, und veröffentlichte Ende Januar ein Vier-Seiten-Programm. Das Programm reichte von der Einführung Direkter Demokratie und Volksabstimmungen über eine Beteiligung aller Ukrainer am nationalen Reichtum, von Geburt an, über freie Universitätswahl für herausragende Abiturienten bis hin zum Straßenbau auf europäischem Niveau.[20] Zu seinem Kompetenzteam von Technokraten bzw. Personen mit politischer Erfahrung gehören der ehemalige Finanzminister Oleksandr Danyljuk, der ehemalige Wirtschaftsminister Aivaras Abromavičius sowie der Journalist und Werchowna-Rada-Abgeordnete Serhij Leschtschenko.[25][26] Der Politologe des US-amerikanischen außenpolitischen Thinktanks Carnegie Endowment for International Peace (CEIP) Balázs Jarábik kommentierte den Wahlausgang: „In Zeiten, in denen Versprechen ständig gebrochen werden, scheint es eine gute Strategie zu sein, erst gar keine Versprechen zu machen.“[27] Erst nach dem Wahlsieg erklärte Selenskyj das Aufräumen mit Korruption und Elitenherrschaft zu seinen Zielen.[28]
Die Wahl von Selenskyj ist laut Nowaja Gaseta eine Demonstration für die ganze postsowjetische Region, dass eine Macht ersetzt werden kann, dass sie also nicht heilig ist und Präsidenten bei einer Wahl nicht schon lange vor deren Termin feststünden.[29] Im besten Fall breche die Wahl ein schlechtes System auf.[16] Die Neue Zürcher Zeitung schrieb, Russland blicke skeptisch und mit viel Argwohn auf den „lebendigen politischen Prozess im Nachbarland“.[30] Auf Wedomosti schrieb Wladimir Ruwinski darüber, ob die Ukraine für Russland ein Vorbild werde und die in Russland übliche Phrase „Willst du es wie in der Ukraine?“ ihre negative Konnotation verlieren könnte.[31] Die Tel Aviver Tageszeitung Haaretz stellte fest, die Ukraine sei nun das einzige Land außer Israel, das sowohl einen jüdischen Präsidenten als auch einen jüdischen Premier habe.[32]
Nach seinem Wahlsieg erhielt er zahlreiche Gratulationen aus dem Ausland: So gratulierten ihm Emmanuel Macron, Donald Trump, Jens Stoltenberg, Justin Trudeau, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk und Linas Linkevičius zu seinem Erfolg. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte ebenfalls und lud Selenskyj nach Berlin ein.[33]
Aus Russland erhielt Selenskyj nach seiner Wahl herablassende Ratschläge von Ministerpräsident Medwedew, aber keine Gratulation – dafür „sei es zu früh“.[30] Die Präsidialverwaltung riet den russischen Staatsmedien offensichtlich, Selenskyj nicht zu loben, und dementsprechend hielt sich Dmitri Kisseljow nach früherem Herausstreichen von Selenskyjs „Aufrichtigkeit“ beim zweiten Wahlgang sehr zurück.[34] Auch bei der Amtseinführung gab es keine Gratulation aus Moskau.[31]
Ein erst drei Tage nach seinem Wahlsieg durch die Werchowna Rada verabschiedetes Sprachengesetz, das vorsieht, künftig in Behörden verpflichtend Ukrainisch zu sprechen, wurde von Selenskyj kritisiert, der statt zu strafen lieber Anreize schaffen würde, die ukrainische Sprache zu fördern.[35]
Gesellschaftspolitik
Kurz nach seiner Amtseinführung am 20. Mai 2019 als neuer Präsident der Ukraine löste Selenskyj das Parlament auf. Er kündigte Neuwahlen innerhalb der nächsten zwei Monate an. Selenskyj hatte über keine eigene Mehrheit im Parlament verfügt.[36]
Selenskyj kündigte außerdem an, die Immunität von Abgeordneten aufzuheben und eine Initiative gegen Bereicherung im Amt einleiten zu lassen. Zusätzlich strebe er die Entlassung des Generalstaatsanwalts und des Geheimdienstchefs an und legte der gesamten Regierung den Rücktritt nahe. Ranghohe Politiker, darunter Außenminister Pawlo Klimkin und Verteidigungsminister Stepan Poltorak, folgten der Aufforderung. Auch der Ministerpräsident der Ukraine Wolodymyr Hrojsman kündigte seinen Rückzug an.[36]
In den ersten Jahren seiner Präsidentschaft versuchte Selenskyj die ukrainischen Oligarchen (darunter Rinat Achmetow, Igor Kolomojski, Wiktor Pintschuk, Dmytro Firtasch) zu überzeugen, freiwillig Macht abzugeben, sich für das Gemeinwohl einzusetzen und dem Staat bei einzelnen Projekten zu helfen. Als dies nicht gelang, verabschiedete Selenskyj mit Hilfe des Parlamentes ein Lobbygesetz, das den Einfluss der Oligarchen offenlegte und etwas beschnitt. Seit dem Gesetz ist es Oligarchen in der Ukraine verboten, Parteien zu finanzieren. Amtspersonen müssen zudem jedes nicht öffentliche Treffen mit Oligarchen deklarieren. Außerdem gründete Selenskyj im selben Jahr einen Nationalen Sicherheitsrat, der Sanktionen gegen Oligarchen verhängen kann (und dies auch sofort nach Gründung gegen Wiktor Medwedtschuk tat). Damit wurde Selenskyj der erste Präsident in der Geschichte der Ukraine, der eine konfrontative Politik gegenüber Oligarchen einging.[37]
Im Oktober 2021 wurden jedoch durch Veröffentlichungen zu den Pandora Papers bekannt, dass Selenskyj eine Briefkastenfirma in einer Steueroase unterhalten haben soll, eine Praxis, für die er seinen Vorgänger vor Amtsantritt noch kritisiert hatte.[38][39]
2020 ließ Selenskyj Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest, zum nationalen Feiertag erklären.[40] Im Jahr 2021 ließ Selenskyj drei prorussische TV-Sender verbieten, die, laut Angaben seiner Pressesprecherin, ein „Werkzeug im Krieg gegen die Ukraine“ waren.[41]
Rolle in der Ukraine-Affäre Präsident Trumps
Bereits im Mai 2019 diskutierte Selenskyj mit seinen Beratern, wie mit dem Druck seitens des US-Präsidenten Donald Trump und dessen Beraters Rudolph Giuliani umgegangen werden solle.[42] Am 25. Juli 2019 soll Trump Selenskyj in einem Telefonat aufgefordert haben, als Gegenleistung für dringend benötigte Militärhilfe Ermittlungen gegen Joe Biden, den möglichen Gegenkandidaten Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen 2020, einzuleiten. Biden soll in seiner früheren Position als US-Vizepräsident angeblich die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin veranlasst haben, um seinen Sohn Hunter, der von 2014 an im Verwaltungsrat des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma Holdings tätig war, vor Korruptionsermittlungen zu schützen. Selenskyj äußerte gegenüber einem Reporter des Fernsehsenders Rossija 24, dass ihn niemand unter Druck setzen könne, da er der Präsident eines unabhängigen Landes sei.[43] Allerdings hielt die US-Regierung zum Zeitpunkt des Telefonats bereits vom Kongress genehmigte Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von fast 400 Millionen Dollar zurück.[44] Das Bekanntwerden des Telefonats löste im August 2020 die Ukraine-Affäre aus. Die amerikanische Demokratische Partei nahm den Anruf als Anlass, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump vorzubereiten.[45]
Friedensgespräche 2019
Am 9. Dezember 2019 nahm Selenskyj an einem Treffen im Normandie-Format teil, zu dem der französische Präsident Emmanuel Macron nach Paris eingeladen hatte. Die Verhandlungen im Élysée-Palast mit Macron, der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dem Selenskyj hier erstmals zusammentraf, führten zur Vereinbarung eines Gefangenenaustauschs, eines Waffenstillstands in der Ostukraine bis Ende des Jahres und einem weiteren Truppenrückzug in drei weiteren Gebieten an einer Demarkationslinie bis Ende März 2020. Des Weiteren wurde in Paris ein Bekenntnis zur sogenannten Steinmeier-Formel, einem auf den damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zurückgehenden Vorschlag, den ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk einen Sonderstatus zu verleihen und dort Wahlen unter Beobachtung der OSZE durchzuführen, formuliert.[46][47]
Russischer Überfall auf die Ukraine
In seiner teilweise auf Russisch gehaltenen Antrittsrede nannte Selenskyj die Beendigung des Krieges im Land als vorrangige Aufgabe. Einen Dialog mit Russland könne es nur geben, wenn die Krim zurückgegeben und Kriegsgefangene freigelassen würden.[36]
Während des Ukraine-EU-Gipfels am 8. Juli 2019 in Kiew, bei dem auch EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker teilnahmen,[48] schlug Selenskyj in einer Videobotschaft an Wladimir Putin direkte gemeinsame Gespräche im belarussischen Minsk zur Friedenslösung im Ukraine-Krieg vor, an denen, neben ihm und Putin, der amerikanische Präsident Donald Trump, die britische Regierungschefin Theresa May, der französische Präsident Emmanuel Macron sowie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen sollten. Der Kremlsprecher Dmitri Peskow teilte daraufhin mit, dass Russland die Idee Selenskyjs als neue Initiative prüfe,[49] und am 11. Juli 2019 kam es zu einem ersten Telefongespräch zwischen Selenskyj und Putin.[50] Nach der für seine Partei erfolgreichen Parlamentswahl begann er mit innenpolitischen Reformen und Anfang September 2019 kam es zu einem Gefangenenaustausch mit Russland, was für Selenskyj als außenpolitischer Erfolg gewertet wird.[51]
Seit dem Frühjahr 2021 begann Russland damit, Streitkräfte aus Sibirien und der Umgebung von Moskau an die ukrainische Grenze zu verlegen, zum Teil auch auf dem Gebiet des benachbarten Belarus. Im darauf folgenden Herbst begannen diese Truppen mit umfangreichen Militärmanövern.[52] Im November 2021 erklärte Selenskyj, er habe Kenntnis erhalten, wonach ein von Russland initiierter Staatsstreich stattfinden solle und es diesbezüglich Tonaufnahmen von Vertretern der russischen Administration mit Rinat Achmetow gebe. Selenskyj gab an, Achmetow zur Rede stellen zu wollen, da nicht ausgeschlossen sei, dass Achmetow in die Putschabsichten „nur hereingezogen“ werden sollte und nicht involviert sei.[53]
Als Reaktion auf eine Unterrichtung der Regierungschefs der NATO-Staaten durch die USA (bzw. den US-amerikanischen Geheimdienst CIA), wonach Russland möglicherweise am 16. Februar 2022 einen Angriff auf die Ukraine beginnt,[54] erklärte Selenskyj diesen Tag per Dekret zum nationalen Feiertag.[55]
Unter Bruch des Minsker Abkommens erkannte Russland am 21. Februar 2022 die separatistischen, so genannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten an und schloss Freundschaftsabkommen mit ihnen, denen zufolge es Truppen dorthin verlegen konnte. Dies veranlasste Selenskyj zu einer Teileinberufung von Reservisten im Alter von 18 bis 60 Jahren.[56] Keine drei Tage später, am frühen Morgen des 24. Februar, befahl Putin seinem Militär den Einmarsch in die Ukraine. Selenskyjs eigener Aussage zufolge hatte er noch in der Nacht zuvor versucht, Putin telefonisch zu erreichen. Als dies nicht gelang, richtete er sich in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung Russlands und rief zum Frieden auf.[57][58][59] Nach dem Beginn des russischen Angriffs verhängte er per Dekret das Kriegsrecht über die Ukraine.[60] Zudem wandte er sich in einer Videobotschaft an die ukrainische Bevölkerung.[61] Am 25. Februar berichtete er ebenfalls in einer Fernsehansprache über die Verluste des ersten Kriegstages und erklärte, dass er die politischen Führer der NATO-Staaten um einen Beitritt gefragt habe und dass Russland durch Eliminierung des Staatsführers die politische Führung der Ukraine beschädigen wolle. Für Russland sei er „Ziel Nummer eins“ und seine Familie „Ziel Nummer Zwei“. Selenskyj erklärte, er und seine Familie würden die Ukraine nicht verlassen, und gab bekannt, dass er mehrere ukrainische Gefallene posthum mit der höchsten Auszeichnung des Landes ehren werde.[62]
Aufgrund seines Auftretens unmittelbar vor und nach dem Beginn des russischen Überfalls im Februar 2022 gewann Selenskyj zusehends an Ansehen. Neben seiner Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2022[63] wurde seinen selbst aufgenommenen Videos aus Kiew, mit denen er Falschinformationen widerlegte, die behaupteten, er sei aus der Ukraine geflüchtet, international Aufmerksamkeit zuteil.[64][65][66] In der ersten Kriegswoche überlebte er drei von Gruppe Wagner und Kadyrowszy ausgehende Attentatsversuche.[67]
Filmografie
Als Schauspieler[68]
- 2005: Tri muschketjora (Fernsehfilm)
- 2009: Ljubow w bolschom gorode
- 2010: Ljubow w bolschom gorode 2
- 2011: Sluschebnyj roman. Nasche wremja
- 2012: Rschewskij protiw Napoleona
- 2012: 8 erste Dates
- 2012: Skasotschnaja Rus (Fernsehserie)
- 2014: Ljubow w bolschom gorode 3
- 2014: Ljubow w bolschom gorode 3 (Fernsehserie)
- 2015: 8 novych swidanij
- 2015: Diener des Volkes (Sluha narodu, Fernsehserie)
- 2016: 8 lutschschich swidanij
- 2016: Diener des Volkes 2 (Sluha narodu 2, Fernsehserie)
- 2018: Me You He She (post-production)
Als Produzent[69]
- 2009: Swaty 2 (Fernsehserie)
- 2009: Swaty 3 (Fernsehserie)
- 2010: Swaty 4 (Fernsehserie)
- 2009–2010: Swaty (Fernsehserie, 3 Episoden)
- 2011: Nowogodnie swaty (Fernsehfilm)
- 2011: Sluschebnyj roman. Nasche wremja
- 2011: Swaty 5 (Fernsehserie)
- 2012: Rschewskij protiw Napoleona
- 2012: Papaschi (Fernsehserie)
- 2012: 8 erste Dates
- 2012: Tschempiony is podworotni (Fernsehserie)
- 2012: Ja budu rjadom
- 2013: 1+1 doma (Fernsehen)
- 2013: Swaty 6 (Fernsehserie)
- 2014: Ljubow w bolschom gorode 3 (Fernsehserie, 8 Episoden)
- 2016: Diener des Volkes 2 (Sluha narodu 2, Fernsehserie)
Als Drehbuchautor[70]
- 2005: Tri muschketjora (Fernsehfilm)
- 2006: Kuschat podano!
- 2008: Swaty (Fernsehserie)
- 2009: Ljubow w bolschom gorode (idea)
- 2011: Sluschebnyj roman. Nasche wremja
- 2011: Legenda. Ljudmila Gurtschenko (Fernsehfilm)
Als Synchronsprecher
- 2008: Horton hört ein Hu!
- 2014: Paddington
- 2016: Angry Birds – Der Film
- 2017: Paddington 2
Weblinks
- Wolodymyr Selenskyj in der Internet Movie Database (englisch)
- Eigene Webpräsenz von Wolodymyr Selenskyj und Team (ukrainisch)
Einzelnachweise
- Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine 2019. Stimmenzählung online in der Ukraine-Prawda vom 31. März 2019, abgerufen am 1. April 2019 (ukrainisch)
- Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine 2019 (zweiter Wahlgang) auf der Webseite der Zentralen Wahlkommission der Ukraine vom 21. April 2019; abgerufen am 21. April 2019 (ukrainisch)
- Wolodymyr Selenskyj-Neuer ukrainischer Präsident löst Parlament auf spiegel.de; abgerufen am 20. Mai 2019
- Jewish comedian who plays Ukrainian president on TV runs for the job. 8. Januar 2019, abgerufen am 24. Februar 2019 (englisch).
- Корреспондент: Как живут украинские евреи. Abgerufen am 24. Februar 2019 (russisch).
- Russia-Ukraine conflict updates: Biden unveils more sanctions after Russia takes Chernobyl. In: nbcnews.com. 24. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- Biografie Wolodymyr Selenskyj auf informationcradle.com; abgerufen am 26. April 2019 (englisch).
- TV-Star, Top-Manager, Komiker: Dieser Mann will neuer ukrainischer Präsident werden. In: Focus, 22. März 2019; abgerufen am 24. März 2019.
- Der volksnahe Millionär und Komiker. In: Der Bund. 22. April 2019, abgerufen am 14. Dezember 2021.
- Wenn Zelensky zur Präsidentschaft der Ukraine geht: Was sollte man über einen möglichen Kandidaten wissen? 22. Oktober 2018; abgerufen am 16. November 2018 (ukrainisch).
- Ehefrau von Wolodymyr Selenskyj auf bez-makiyazha.ru, 28. März 2013; abgerufen am 16. November 2018 (russisch).
- Teletriumph
- Matthias Schwartz: Der »Diener des Volkes«. Wolodymyr Selenskyjs Präsidentschaft in der Ukraine. Abgerufen am 6. Juni 2020.
- По праву хама: Володимир Зеленський відмовився від участі в пітчингу держкіно. In: Ukrajina Moloda, 14. September 2016; abgerufen am 25. April 2019 (ukrainisch)
- Umfrage Ukraine: Timoschenko liegt vor Poroschenko. In: Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 16. November 2018; abgerufen am 16. November 2018.
- Ukraine am Vorabend der Wahlen: Jeder folgt jedem. Nowaja Gaseta, 28. März 2019.
- Der ukrainische Top-Comedian bewirbt sich als Präsident. atlanticcouncil.org, 2. Januar 2019; abgerufen am 25. Februar 2019.
- Poroschenko droht die Abwahl: Ein Komiker könnte die Ukraine führen. n-tv, 9. März 2019.
- Gerhard Gnauck: Der Mann, der Selenskyj zur Kandidatur überredet hat. Frankfurter Allgemeine, faz.net, 26. April 2019.
- Dieser Schauspieler will ukrainischer Präsident werden. In: Süddeutsche Zeitung. 4. Februar 2019, abgerufen am 24. Februar 2022.
- Pavel Lokshin: Der Strippenzieher hinter Poroschenkos Herausforderer. In: www.welt.de. 20. April 2019, abgerufen am 20. April 2019.
- Эксклюзив «Гордона». Зеленский: Если меня выберут президентом, сначала будут обливать грязью, затем – уважать, а потом – плакать, когда уйду Больше читайте тут. gordonua.com, 26. Dezember 2019, abgerufen am 31. März 2019.
- Kein Jux: TV-Komiker Wolodymyr Selenskyj neuer Präsident der Ukraine. In: Profil. 23. April 2019, abgerufen am 24. Februar 2022.
- Miriam Kosmehl: Korruptionsbekämpfung in der Ukraine – eine vorläufige Bilanz. Bertelsmann Stiftung, 26. Februar 2019, abgerufen am 15. April 2019.
- Vladimir Zelensky sprach die Namen seiner Teammitglieder aus, barometr.info vom 20. März 2019
- Michael Bociurkiw: In Ukraine’s election, a comedian might be voters’ best choice. CNN Opinion, 1. April 2019.
- Simone Brunner: Ukraine: Er lacht Krise, Krieg und Korruption weg. zeit.de, 1. April 2019.
- Selenskyj sagt Korruption den Kampf an. ZDF Nachrichten, 22. April 2019.
- Der Kreml sucht Freunde. Nowaja Gaseta, 23. März 2019.
- Die Ukraine wünscht einen Neustart. In NZZ, 23. April 2019, Titelseite.
- Хотим как на Украине – 2. Wedomosti, 21. Mai 2019.
- Was Selenskyjs Sieg über die Ukraine aussagt. In: Der Spiegel. 26. April 2019, abgerufen am 24. Februar 2022.
- Unterstützung des Westens: Die Staats- und Regierungschefs der Welt gratulieren Wolodymyr Selenskyj zum Sieg auf der offiziellen Website von Wolodymyr Selenskyj und Team, abgerufen am 25. April 2019 (ukrainisch)
- „Projekt (Magazin)“: Der Kreml riet den föderalen Kanälen, „Zelensky nicht zu preisen“. Nowaja Gaseta, 24. April 2019.
- Nicht Moskaus Mann. In: zeit.de, 26. April 2019; abgerufen am 26. April 2019.
- Selenskij kündigt Neuwahlen an. In: tagesschau.de, 20. Mai 2019; abgerufen am 20. Mai 2019.
- Christian Esch: Ukraine: Warum spricht Wolodymyr Selenskyj von einem Putsch in Kiew? In: Der Spiegel. 1. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
- Thomas Balbierer et al.: Neues Steueroasen-Leak belastet Hunderte Politiker. In: Süddeutsche Zeitung. 3. Oktober 2021, abgerufen am 3. Oktober 2021.
- Mauritius Much, Frederik Obermaier: Pandora Papers: Der Oligarch und sein Präsident. In: Süddeutsche Zeitung. 3. Oktober 2021, abgerufen am 3. Oktober 2021.
- Ukraine erklärt Rosch Haschana zum nationalen Feiertag. Jüdische Allgemeine, 19. August 2020. Abgerufen am 23. August 2020.
- Deutsche Welle (www.dw.com): Ukraine: Zelenskiy bans three opposition TV stations | DW | 03.02.2021. Abgerufen am 3. März 2022 (britisches Englisch).
- Ukrainian leader felt Trump pressure before taking office. 20. April 2021, abgerufen am 10. Dezember 2021 (englisch).
- Demokraten leiten Schritte für Trumps Amtsenthebungsverfahren ein. In: tagesschau.de. Abgerufen am 25. September 2019.
- Wolodymyr Selenskij äußert sich zu umstrittenem Telefonat. In: Zeit online, 25. September 2019; abgerufen am 26. September 2019.
- Gesprächsprotokoll veröffentlicht: Trump forderte von Selenskyj Ermittlungen zu Biden. In: Spiegel Online. 25. September 2019 (spiegel.de [abgerufen am 25. September 2019]).
- Ukrainegipfel in Paris: Teilnehmer vereinbaren Waffenstillstand in Ostukraine bis Ende 2019. In: Spiegel Online. 10. Dezember 2019 (spiegel.de [abgerufen am 10. Dezember 2019]).
- Christina Hebel, Alexander Sarovic, Christoph Schult: Ostukraine-Konflikt: Wie Frank-Walter Steinmeier Frieden schaffen will. In: Spiegel Online. 9. Dezember 2019, abgerufen am 10. Dezember 2019.
- Gipfeltreffen EU-Ukraine, Kyjiw, Ukraine, 8. Juli 2019 auf der Webseite des Europäischen Rates; abgerufen am 9. Juli 2019.
- Ukrainischer Präsident Selenskyj bietet Putin Treffen an. Deutsche Welle, 8. Juli 2019; abgerufen am 9. Juli 2019.
- Ukrainekonflikt – Putin und Selenskyj sprechen erstmals miteinander. In: spiegel.de, 11. Juli 2019; abgerufen am 13. Juli 2019.
- Wer Wandel in Russland will, muss jetzt in die Ukraine investieren. In: Handelsblatt, 9. September 2019.
- Alexander Chernychew u. a.: Chronik eines angekündigten Kriegs, in Der Spiegel, 9/2022, S. 8–16
- Selenskyj wirft Russland vor, Staatsstreich in der Ukraine zu planen. In: Der Spiegel. 26. November 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 26. November 2021]).
- Maik Baumgärtner, Matthias Gebauer, Martin Knobbe, Fidelius Schmid: Ukraine-Konflikt: CIA rechnet mit russischem Angriff kommende Woche. In: Der Spiegel. 11. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. Februar 2022]).
- Ukraine erklärt kommenden Mittwoch zum Nationalfeiertag – nach Warnung der USA vor einem Angriff. In: Der Spiegel. 14. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. Februar 2022]).
- Russland-Ukraine-News: Ukraine fordert Staatsbürger auf, Russland sofort zu verlassen. In: Der Spiegel. 23. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 23. Februar 2022]).
- Ukraine: Raketenangriffe und Explosionen in mehreren Städten. In: Der Spiegel. 24. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 24. Februar 2022]).
- Selenskis dramatischer Appell – Ukrainischer Präsident ruft vergeblich bei Putin an. In: 20min.ch. Abgerufen am 24. Februar 2022.
- Putin announces a military operation in the Donbas region of Ukraine. In: cnn.com. Abgerufen am 24. Februar 2022.
- Liveblog: ++ Russische Panzer rücken offenbar in Ostukraine ein ++. In: tagesschau.de. Abgerufen am 24. Februar 2022.
- Krieg in der Ukraine: Ansprache von Präsident Selenskyj »Wir sind stark, wir sind zu allem bereit«. In: Der Spiegel. 24. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 24. Februar 2022]).
- Wolodymyr Selenskyj macht dem Westen schwere Vorwürfe: »Alle haben Angst, niemand hat geantwortet«. In: Der Spiegel. 25. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. Februar 2022]).
- Michael Maier: Selenskyj sagt zwischen den Zeilen allen anderen: „F... you!“ Abgerufen am 4. März 2022.
- „Wir werden unseren Staat verteidigen“. In: Der Tagesspiegel Online. 26. Februar 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 4. März 2022]).
- Ukraine's Volodymyr Zelensky: The comedian president who is rising to the moment. In: BBC News. 26. Februar 2022 (bbc.com [abgerufen am 4. März 2022]).
- Wolodymyr Selenskyj auf den Straßen von Kiew: »Alle sind hier«. In: Der Spiegel. 25. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 4. März 2022]).
- Manveen Rana: Volodymyr Zelensky survives three assassination attempts in days. ISSN 0140-0460 (thetimes.co.uk [abgerufen am 4. März 2022]).
- Vladimir Zelenskiy Producer imdb.com, abgerufen am 19. April 2019.
- Vladimir Zelenskiy Producer imdb.com, abgerufen am 19. April 2019.
- Vladimir Zelenskiy Writer imdb.com, abgerufen am 19. April 2019.