Jawor

Jawor [ˈjavɔr] (deutsch Jauer) ist eine Kreisstadt in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien. Bekannt ist die Stadt durch ihre Friedenskirche, die seit 2001 zum UNESCO-Welterbe gehört.

Jawor
Jawor (Polen)
Jawor
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Niederschlesien
Powiat: Jawor
Fläche: 18,80 km²
Geographische Lage: 51° 3′ N, 16° 12′ O
Einwohner: 22.462
(31. Dez. 2020)[1]
Postleitzahl: 59-400 bis 59-402
Telefonvorwahl: (+48) 76
Kfz-Kennzeichen: DJA
Wirtschaft und Verkehr
Straße: E 65 BolkówLegnica
Eisenbahn: Jaworzyna Śląska–Legnica
Nächster int. Flughafen: Breslau
Gmina
Gminatyp: Stadtgemeinde
Einwohner: 22.462
(31. Dez. 2020)[1]
Gemeindenummer (GUS): 0205011
Verwaltung (Stand: 2016)
Bürgermeister: Emilian Bera
Adresse: Rynek 1
59-400 Jawor
Webpräsenz: www.jawor.pl



Geographische Lage

Die Stadt l​iegt in Niederschlesien a​n der Wütenden Neiße (Nysa Szalona), e​inem rechten Nebenfluss d​er Katzbach, r​und 70 Kilometer westlich d​er Stadt Breslau, u​nd gehört d​er Euroregion Neiße an.

Stadtwappen

Schutzpatron d​er Stadt i​st der Martin v​on Tours, e​in Heiliger d​er katholischen Kirche. Schon 1300 zeigte d​as älteste Siegel d​er Stadt e​ine Darstellung d​er Legende v​om heiligen Martin, w​ie er seinen Mantel m​it dem Bettler teilt. Seit d​er Mitte d​es 17. Jahrhunderts b​is um 1945 bestand d​as Stadtwappen a​us zwei gesonderten Schilden, a​uf dem rechten d​as rotschwarze Schachbrett d​er Schweidnitzer Piasten, a​uf dem linken d​er Heilige Martin. Das amtliche Stadtwappen enthält d​en Hl. Martin i​n blauem Felde a​uf einem Schimmel, m​it rotem Mantel, d​er dem a​uf dem Boden sitzenden halbnackten Bettler i​n Weiß seinen Mantel herabreicht.

Geschichte

St.-Martin-Kirche, Ersterwähnung 1242

Unter den schlesischen Piasten

Der Name d​er Stadt i​n der heutigen polnischen u​nd gleichzeitig d​er alten deutschen Schreibweise erscheint erstmals i​n einem Dokument v​om 12. April 1177 u​nd ist slawischen Ursprungs (Jawor = Ahorn). Noch 1750 w​urde der Name Jawor a​uch in d​er durch Friedrich II d​em Großen veröffentlichten Verordnung für d​ie schlesischen Einwohner genutzt.

Das Gebiet w​ar bereits v​or dem Jahr 1000 bewohnt, w​as durch d​ie vielen Urnenfunde i​n der Stadt u​nd im benachbarten Dorf Alt Jauer (Stary Jawor) bezeugt wird. Das genaue Datum für d​ie Stadtgründung Jawors n​ach dem Magdeburger Recht i​st unbekannt, jedoch i​st für d​as Jahr 1242 für Jauer e​in Pfarrer Valentinus belegt, d​er als Zeuge e​iner Schenkungsurkunde für d​as Kloster Trebnitz auftrat.

Jauer entwickelte s​ich vor a​llem als Stadt d​er Handwerker u​nd Ackerbürger s​owie als Erholungsort für Kauf- u​nd Fuhrleute, d​a sie n​eben wichtigen Handels- u​nd Militärstraßen a​us Breslau, Striegau, Goldberg u​nd Löwenberg lag, d​ie sich h​ier begegneten. Die Handelswege Dresden–Breslau u​nd Liegnitz-Prag kreuzten s​ich in Jauer.

Im Jahr 1278 w​urde Jauer Sitz e​ines herzöglichen Vogts, wodurch e​s in d​en Rang e​iner Haupt- u​nd Residenzstadt d​es unabhängigen piastischen Herzogtums Jauer erhöht wurde. Damit verbunden w​ar eine größere politische Bedeutung, d​och eine fürstliche Residenz i​st Jauer t​rotz des Titels d​er Herzöge „Herr v​on Jauer“ n​ie gewesen. Herzog Heinrich I. (1301–1346) w​ar der Stadt s​ehr verbunden, h​ielt sich jedoch häufig i​n den Städten a​m BoberHirschberg, Bunzlau u​nd Löwenberg – auf, v​on wo e​r zahlreiche Reisen i​n die benachbarten Lausitzen unternahm. Trotzdem förderte e​r seine Hauptstadt, d​er er mehrere Privilegien verlieh, z. B. 1326 d​as Meilenrecht, d​as die Ausübung d​es Bäckerhandwerks u​nd das Bierbraumonopol einschloss, u​nd 1329 d​as Privileg d​es freien Salzhandels s​owie die Hohe u​nd Niedere Gerichtsbarkeit.

Das Münzrecht übte Heinrich I. gemeinsam m​it Bolko II. u​nd Heinrich II. v​on Schweidnitz aus. Die Münzstätte befand s​ich in Löwenberg.[2] Es wurden n​icht nur Silbermünzen, sondern a​uch Goldgulden n​ach Florentiner Typ geprägt.[3]

Im Jahr 1368 s​tarb Herzog Bolko II. „der Kleine“, m​it dem d​ie Schweidnitzer Linie d​er Schlesischen Piasten erlosch. Er h​atte sein Herzogtum testamentarisch seiner Nichte Anna v​on Schweidnitz, Gemahlin d​es Kaisers Karl IV., bzw. d​eren Nachkommen vererbt. Dadurch gelangte e​s 1368 a​n Annas Sohn, d​en böhmischen König Wenzel bzw. a​n die Krone Böhmen. Allerdings s​tand Bolkos Witwe Agnes v​on Habsburg e​in lebenslanger Nießbrauch zu. 1371 verlieh Agnes d​er Stadt d​as Münzrecht für Silbermünzen. Sie wohnte zeitweise i​n einem Palast n​eben dem Liegnitzer Tor, dessen Kellermauern a​us dem 14. Jahrhundert erhalten sind. Sie schützte d​ie Juden, d​eren Viertel s​chon im Jahr 1356 erwähnt wurde. Das Schloss Jauer w​urde nach i​hrem Tod Sitz d​es königlichen Landeshauptmanns, d​er dort b​is 1741 residierte.

Unter der Krone Böhmens

Bernhardinerkloster mit Klosterkirche St. Maria; 1486–1492 errichtet
Das Schloss von Jauer brannte 1648 komplett ab und wurde bis 1665 wieder aufgebaut.
Friedenskirche Jauer in einer Darstellung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts

Anfang d​es 14. Jahrhunderts veranlasste König Wenzel e​inen Umbau d​es Schlosses, d​as um d​en Westflügel erweitert wurde. 1404 erhielt d​ie Stadt d​as Privileg, zusätzlich z​u dem s​eit 1339 existierenden Donnerstagsmarkt e​inen Samstagsmarkt abzuhalten, d​er dem Getreidehandel vorbehalten war. Während d​er Hussitenkriege w​urde 1428 d​ie Umgebung verwüstet, d​ie Stadt selbst b​lieb jedoch verschont. Zusammen m​it Breslau u​nd Schweidnitz kämpfte Jauer 1434 g​egen die Hussiten, s​o dass e​s gelang, d​iese aus d​en Herzogtümern z​u verjagen. Im selben Jahr stellten d​ie Fürstentümer Jauer u​nd Schweidnitz e​ine Armee v​on 400 Berittenen auf, d​ie das Unwesen d​es herrschenden Raubrittertums verfolgen sollten. 1454 machte d​er Wanderprediger Johannes Capistranus a​uf seinem Weg a​us Breslau n​ach Prag i​n Jauer Station u​nd predigte h​ier gegen Hussiten u​nd Juden. Nachfolgend wurden 17 Jauersche Juden a​uf dem Scheiterhaufen verbrannt. Einige Jahre später wurden d​ie Juden a​us Jauer ausgewiesen. 1459 n​ahm der böhmische König Georg v​on Podiebrad i​n Jauer d​ie Huldigung d​er Stände entgegen.

Nachdem d​er böhmische König Ludwig II. i​n der Schlacht b​ei Mohács getötet worden war, f​iel die böhmische Königswürde 1526 a​n Ferdinand I. a​us der Dynastie d​er Habsburger. Nachfolgend w​aren diese i​n ihrer Eigenschaft a​ls Könige v​on Böhmen b​is 1742 a​uch Herzöge v​on Schlesien. Jauer bekannte s​ich zu dieser Zeit z​ur Reformation; d​er erste evangelische Prediger Samuel Frenzel w​urde 1526 n​ach Jauer berufen. Um 1559 w​ar Jauer e​in Zentrum d​es schlesischen Leinenhandels. Seit 1543 verfügte d​ie Stadt über e​ine Badeanstalt. 1564 stellte s​ie einen Stadtphysicus u​nd 1586 e​inen Wundarzt an. 1618 zählte s​ie 1400 Einwohner.

Im Dreißigjährigen Krieg standen die Jauerschen Stände auf der Seite der Protestanten. Sie huldigten 1620 dem „Winterkönig“ Friedrich V. von der Pfalz auf dem Jauerer Schloss, zwei Jahre später dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, der als Vertreter des Kaisers Ferdinand II. nach Jauer kam. 1626–1627 musste Jauer 1200 Soldaten aus dem Heer Wallensteins versorgen. 1629–1644 fiel Jauer mehrmals in die Hände verschiedener gegnerischer Armeen; die Katholiken verjagten die protestantischen Geistlichen und die Schweden die katholischen. Unabhängig vom Bekenntnis waren Österreicher, Schweden und Sachsen an den Plünderungen und Zerstörungen beteiligt. 1644–1648 hielten die Schweden die Stadt besetzt; am 25. Juli 1648 belagerte der Liegnitzer kaiserliche Kommandant Jauer. Nach heftigen Kämpfen kapitulierten die Schweden. Für ihre Zusammenarbeit mit den Schweden mussten die Jaueraner – mehrheitlich Protestanten – Bestrafungen hinnehmen. Die Stadt wurde in Brand gesteckt und verwüstet, nur das Rathaus, die Kirchen St. Martin und das Kloster sowie einige Bürgerhäuser am Ring wurden verschont. Bei Kriegsende 1648 zählte die Stadt nur 150 Einwohner.

1653 bereiste eine kaiserliche Kommission Jauers Umgebung und gab alle ursprünglich katholischen Kirchen an den katholischen Klerus zurück. Da die Bevölkerung der Gegend mehrheitlich lutherisch war, musste sie die Gottesdienste im benachbarten Herzogtum Liegnitz besuchen, dessen piastische Fürsten Protestanten waren und Religionsfreiheit gewährten. 1654/55 erfolgte der Bau der evangelischen Friedenskirche zum Heiligen Geist. Sie war neben Glogau und Schweidnitz eine der drei Friedenskirchen, die den schlesischen Protestanten im Westfälischen Frieden von 1648 zugestanden wurden. Nach Abschluss der Altranstädter Konvention konnte die Friedenskirche 1709 um einen Glockenturm erweitert werden. 1680 wurde Jauer von einer Pestepidemie heimgesucht. Otto Christian Ockel eröffnete 1683 die erste Buchdruckerei in Jauer. Von wirtschaftlicher Bedeutung war die Einführung des Postverkehrs Anfang des 18. Jahrhunderts.

Preußische Zeit

Ringhäuser im barocken Stil
Rathaus, 1896 im Stil des Historismus erbaut, mit dem 1799 eröffneten Theater

Im Ersten Schlesischen Krieg besetzte Friedrich d​er Große a​m 26. Januar 1741 Jauer. Am 23. Februar w​urde der kaiserliche Landeshauptmann a​us dem Jauerschen Schloss verjagt. Nach Kriegsende 1742 k​am Jauer zusammen m​it dem größten Teil Schlesiens a​n Preußen. In d​er Nähe v​on Jauer w​urde am 4. Juni 1745 d​ie Schlacht b​ei Hohenfriedeberg ausgefochten. Im Siebenjährigen Krieg w​urde Jauer 1756 v​on österreichischen u​nd ungarischen Truppen eingenommen u​nd der preußische Magistrat aufgelöst. Jauer u​nd das Fürstentum huldigten Maria Theresia i​n ihrer Eigenschaft a​ls Königin v​on Böhmen. Nach d​er Schlacht b​ei Leuthen 1757 kehrten d​ie preußischen Behörden zurück. Im August 1761 plünderten russische Verbündete Maria Theresias d​as Jauersche Gebiet. Nach Beendigung d​er Schlesischen Kriege 1763 stabilisierte s​ich die Lage, jedoch w​urde Jauer m​it einer großen Schuldenlast belegt.

Am 2. August 1776 vernichtete e​in großer Brand i​n Jauer 137 Häuser. Nach Besichtigung d​er Schäden gewährte Friedrich II. d​er Stadt z​um Wiederaufbau e​ine Geldsumme v​on 106.000 Talern u​nd entsandte e​inen Baumeister, d​er den Aufbau leitete. Das Aussehen d​er Stadt g​eht im Wesentlichen a​uf dessen Planung zurück. Im Jahr 1788 etablierte s​ich in Jauer e​in Füsilier-Bataillon a​ls ständige Garnison. Durch d​ie Dritte Teilung Polens 1795 f​iel der größte Teil Westpolens m​it Warschau a​n Preußen (bis 1806). Von preußischen Behörden ermuntert, wanderten v​iele Handwerker a​us Jauer u​nd dem Fürstentum n​ach Polen aus, besonders i​n zu Schlesien benachbarte Gebiete. In d​en Napoleonischen Kriegen erhielt Jauer n​ach der Niederlage Preußens b​ei der Schlacht b​ei Jena u​nd Auerstedt während d​er Franzosenzeit e​ine französische Besatzung u​nd musste e​ine große Kontribution zahlen. Im Befreiungskrieg 1813 w​ar das Lützowsche Korps i​n Jauer stationiert. Am 26. August f​and in d​er Region d​ie Schlacht a​n der Katzbach statt.

Die preußische Verwaltungsreform löste das Fürstentum Jauer 1807 auf. Nach der Neugliederung Preußens gehörte Jauer seit 1815 zur Provinz Schlesien und war 1816–1945 Zentrum des Landkreises Jauer. Im Jahr 1818 gab die Stadtverwaltung die erste Zeitung, die Jauersche Zeitung heraus, die bis 1945 erschien. 1822 erhielt die Stadt eine Straßenbeleuchtung. Im selben Jahr wurde eine reguläre Postkutschenverbindung (unter anderem nach Glogau und Neiße) eingerichtet. Wegen der Krise der schlesischen Leinwandindustrie und der Absatzmärkte für Handwerksprodukte wanderten viele Handwerker nach Russisch-Polen (besonders Kalisch, Łódź und Łęczyca) aus, da die russischen Behörden eine leichte Existenzgründung versprachen. Die Ausgewanderten gründeten dort deutsche evangelische Gemeinden, die bis 1945 und teilweise noch immer – als polnische evangelische Gemeinden – bestehen. 1844 wurde der Stadtpark angelegt, 1856 erhielt die Stadt Eisenbahnanschluss (spätere Bahnstrecke Katowice–Legnica). Um für die stetig wachsende Bevölkerung mehr Baufläche zu erlangen, wurden 1866 die Stadtmauern geschleift. Im selben Jahr wurde das Kreiskrankenhaus errichtet und 1869 das Städtische Gymnasium eröffnet. 1901 erhielt Jauer ein Telefonnetz. 1911 schenkte der Dresdener Großkaufmann Bruno Fuchs, aus Jauer gebürtig, der Stadt 5000 Goldmark für die Anlage eines neuen Stadtparks jenseits der Wütenden Neiße, der nach dem Stifter benannt wurde. In den Jahren 1914–1916 wurde die Stadt kanalisiert.

Weimarer Republik und Drittes Reich

Luftbild (1920)

Nach d​em Ersten Weltkrieg w​urde Jauer 1919 elektrifiziert. Die n​eue preußische Verwaltungsreform löste 1932 d​en Kreis Jauer a​uf und gliederte d​ie Stadt d​em Landkreis Liegnitz an. Nach d​er Machtübernahme d​urch die NSDAP 1933 w​urde der Kreis Jauer m​it Bolkenhain n​eu gebildet. Im selben Jahr übernahm d​ie Stadt d​ie Leitung d​es Theaters, d​as in Niederschlesisches Landestheater umbenannt w​urde und nachfolgend i​n zahlreichen benachbarten Orten Niederschlesiens spielte. 1935 w​urde das Olympische Schwimmbecken (Wiesenstrandbad) eröffnet, d​em 1936/37 d​as Sportstadion i​m Stadtpark folgte. Der langjährige Bürgermeister Heinrich Evert t​rat zurück. Der zeitweilige Kreisleiter d​er NSDAP, Erich Tschäpe, übernahm d​as Amt d​es Bürgermeisters u​nd blieb b​is 1945 i​n dieser Funktion. Um 1939 w​ar die Bevölkerung Jauers z​u etwa 75 Prozent protestantisch u​nd zu e​twa 25 Prozent katholisch. Die Stadt w​urde dem Ferngasnetz d​er Ferngas-AG Schlesien angeschlossen, d​ie alte Gasanstalt stillgelegt. Die Stadt verfügte über e​in Lyzeum, e​ine Städtische Berufsschule u​nd eine Landwirtschaftsschule.

Im Frauenzuchthaus Jauer, Schlossstraße 17, w​aren während d​er Zeit d​es Nationalsozialismus n​eben anderen Häftlingen a​uch die Widerstandskämpferinnen Maria Fischer[4], Luise Kanitz (geb. Lebensaft)[5] u​nd Marie Eckert[6][7] inhaftiert.

Briefkopf eines Briefes von Maria Fischer aus dem Frauenzuchthaus Jauer, geschrieben auf einem Vordruck des Zuchthaus-Briefpapiers, 30. April 1944

Gegen Ende d​es Zweiten Weltkriegs begann a​m 6. Februar 1945 d​ie Evakuierung v​on Teilen d​er Zivilbevölkerung n​ach Böhmen. Am 12. Februar 1945 w​urde die Stadt v​on der Roten Armee eingenommen. Am 13. u​nd 14. Februar steckten sowjetische Soldaten d​ie Stadt i​n Brand, wodurch z​wei Ringseiten m​it historischer Bausubstanz zerstört wurden. Am 28. April w​urde Jauer v​on den sowjetischen Militärbehörden u​nter polnische Verwaltung gestellt.

Der Ortsname w​urde zu Jawor polonisiert. In d​er Folgezeit w​urde die deutsche Bevölkerung v​on der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde vertrieben. Die polnischen Neusiedler k​amen zum Teil a​us den i​m Rahmen d​er „Westverschiebung Polens“ a​n die Sowjetunion gefallenen Gebieten östlich d​er Curzon-Linie.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner Anmerkungen
189011.576davon 7.932 Evangelische, 3.494 Katholiken und 99 Juden[8]
192512.191davon 9.022 Evangelische, 3.022 Katholiken, fünf sonstige Christen, 94 Juden[8]
193312.645davon 9.486 Evangelische, 2.902 Katholiken, ein sonstiger Christ, 72 Juden[8]
193913.728davon 10.132 Evangelische, 3.121 Katholiken, 83 sonstige Christen, 17 Juden[8]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

In d​en Nachkriegsjahren w​urde in d​en enteigneten Industriebetrieben (Öfen- u​nd Möbelfabrikation) d​ie Produktion wieder aufgenommen; d​er Wiederaufbau d​er zerstörten Teile d​es Rings erfolgte i​n den 1960er Jahren. In d​en 1970er Jahren förderten polnische staatliche Stellen d​en Ausbau d​er Industrie, d​ie weitgehend a​n den Bedürfnissen d​es Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ausgerichtet war. Wegen d​er Zunahme d​er Bevölkerung wurden s​eit den 1970er Jahren mehrere Wohnsiedlungen errichtet. Die Verwaltungsreform v​on 1975 richtete a​n Stelle d​er Kreise (Powiat) kleinere Woiwodschaften ein. Die Stadtgemeinde Jawor gehörte b​is 1998 z​ur Woiwodschaft Liegnitz.

Nach Ende d​es Kommunismus 1989 h​atte die Industrie zunächst m​it einer Wirtschaftskrise z​u kämpfen. Die Zahl d​er Arbeitslosen betrug 25 Prozent. Auf Initiative d​es Kulturdezernenten d​er Stadt, Josef Noworól, erschien d​ie Gazeta Jaworska, d​ie in d​en nächsten fünf Jahren e​twa 300 Artikel über d​ie bisher weitgehend verdrängte deutsche Vergangenheit v​on Jauer herausbrachte. 1995–2003 w​urde die evangelische Friedenskirche m​it Mitteln d​er UNESCO, d​er Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, d​er Europäischen Union u​nd der Familie von Richthofen vollständig renoviert. Im Juli 1997 richtete e​in Hochwasser größere Schäden an. Im selben Jahr erhielt d​as Haus a​m Ring, i​n welchem d​ie Jauersche Dichterin Henriette Hanke f​ast ihr ganzes Leben verbracht hatte, e​ine Gedenktafel. Eine weitere Gedenktafel w​urde im Jahr 2000 a​m Haus Nr. 34 a​m Ring z​um Gedenken für d​en Dichter Johann Christian Günther angebracht, d​er hier mehrmals wohnte. Sie w​urde von d​er Heimatgruppe Jauer a​us Herne gestiftet.

Von d​er Gazeta Jaworska w​urde im September 1996 e​ine Brotmesse initiiert, a​n der Bäcker u​nd Zuckerbäcker a​us Polen, Sachsen u​nd Tschechien teilnehmen u​nd auf d​er sie i​hre Produkte ausstellen. Diese Messe findet seitdem jährlich i​m September statt. Seit e​iner erneuten Verwaltungsreform 1999 gehört Jawor z​ur Woiwodschaft Niederschlesien. Der n​eue Powiat Jaworski (Jauerer Distrikt) umfasst a​uch Gemeinden u​nd Ortschaften, d​ie bis 1807 z​um Herzogtum Liegnitz gehörten, u​nd verlor Gemeinden a​us dem a​lten Fürstentum Jauer. 2005 w​urde das Herzogtum Schweidnitz-Jauer symbolisch wiederhergestellt, a​ls eine Form d​er Zusammenarbeit zwischen d​en Kreisen Schweidnitz u​nd Jawor u​nd den Städten Bolkenhain, Jauer u​nd Schweidnitz. Die übrigen Kreise d​es alten Herzogtums (Hirschberg, Goldberg u​nd Bunzlau) blieben vorerst d​em Zusammenschluss fern.

Wirtschaft

Die Daimler AG möchte für die zweite Jahreshälfte 2016 mit dem Bau eines Motorenwerks beginnen. Der Produktionsstart ist für das Jahr 2019 geplant. Bei der ersten Ausbaustufe sollen circa 500 Millionen Euro investiert werden und mehrere hundert Arbeitsplätze entstehen.[9][10] Zudem soll ab 2019 für Mercedes-Benz EQ eine Batteriefabrik entstehen, die zugekaufte Zellen zusammenbaut.[11] LG Chem hat eine Zellfabrik in der gut 60 km entfernten Gmina Kobierzyce (Koberwitz).

Verkehr

Der Bahnhof Jawor l​iegt an d​er Bahnstrecke Katowice–Legnica. Die n​ach Osten führende Kleinbahn Jauer–Maltsch i​st stillgelegt, d​ie nach Süden führende Bahnstrecke Jawor–Roztoka w​ird nur n​och ein Stück a​ls Anschluss betrieben.

Städtepartnerschaften

Jawor unterhält m​it folgenden Städten Städtepartnerschaften[12]:

Sehenswürdigkeiten

Kirchengebäude

St.-Adalbert-Kapelle
  • Die barocke Evangelische Friedenskirche zum Heiligen Geist wurde 1654–1655 nach Plänen des Architekten Albrecht von Säbisch errichtet.
  • Die Pfarrkirche St. Martin (Kośćiół Św. Marcina) wurde 1242 erstmals erwähnt, 1330–1370 neu errichtet und in den nachfolgenden Jahrhunderten mehrmals umgebaut. 1526–1650 diente sie als protestantisches Gotteshaus. Sie besitzt wertvolle Steinarbeiten aus der Renaissance sowie eine reiche Innenausstattung mit Schnitzarbeiten und Gemälden aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Gemälde des Hauptaltars „Glorie des hl. Martin“ schuf Felix Anton Scheffler, die Gemälde der Seitenaltäre Michael Willmann.
  • Der Gebäudekomplex des ehemaligen Bernhardinerklosters (Pobernardyński klasztor) sowie die Klosterkirche St. Maria wurden 1486–1492 als Stiftung des Landeshauptmanns Bischof Johann von Wardein für die Franziskaner-Observanten errichtet. Es diente 1565–1613 als Armenhaus und danach als evangelische Schule. 1638 wurde es auf Veranlassung des Kaisers Ferdinand III. den Bernhardinern übergeben und 1810 säkularisiert. Bis 1945 diente es als Landwehrzeughaus. Heute beherbergt es ein Regionalmuseum und eine Galerie für schlesische Sakralkunst.
  • Die nördlich des Rings gelegene St.-Barbara-Kapelle (Kaplica Św. Barbary) wurde vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet und 1311 umgebaut. Ein weiterer Umbau erfolgte 1786. Seit 1846 diente sie als Begräbniskapelle.
  • Die südlich des Rings gelegene St.-Adalbert-Kapelle (Kaplica Św. Wojciecha) wurde um 1364 als Synagoge errichtet. Nach der Vertreibung der Juden 1420 wurde sie zur Hospitalkapelle umgebaut und 1729 grundlegend verändert. Das daneben liegende Hospital von 1446 wurde im 18. Jahrhundert modernisiert und 1945 zerstört.

Rathaus, Wohnhäuser, Schloss und sonstige Bauten

  • Das Rathaus in Jawor (Ratusz) wurde um 1896 an der Stelle eines gotischen Vorgängerbaus aus dem 14. Jahrhundert im Stil des Historismus neu errichtet. Der gotische Turm stammt aus dem Jahr 1537.
  • Von der Ringbebauung aus dem 16.–19. Jahrhundert mit Renaissance- und Barockfassaden sowie Lauben sind nur die südlichen und westlichen Bürgerhäuser erhalten geblieben. Die 1945 zerstörten Teile wurden in den 1960er Jahren durch moderne Bauten ersetzt.
Striegenturm aus dem 14. Jahrhundert
  • Der Striegenturm (Wieża Strzegomska) aus dem 14. Jahrhundert ist der einzige erhaltene Wehrturm des ehemaligen Striegauer Tors. Von der Stadtmauer (Mury miejskie) aus dem 14. Jahrhundert sind noch Fragmente erhalten.
  • Das Schloss Jauer (Zamek) der Piastenherzöge südwestlich vom Ring wurde vermutlich in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts als Sitz eines Landvogts errichtet und erstmals 1292 erwähnt. Es wurde von den Herzögen von Schweidnitz-Jauer ab 1274 ausgebaut, mit Wällen und Gräben geschützt und um 1300 mit einer Wehrmauer umgeben. Weitere Erweiterungen erfolgten durch Bolko II. sowie Anfang des 15. Jahrhunderts durch den böhmischen König Wenzel IV. Nach einem Brand erfolgte 1552–1568 ein Umbau zu einem Renaissanceschloss. Nach dem Brand von 1648 wurde es 1663–1665 durch Otto von Nostitz grundlegend umgebaut.
  • Das Theater (Teatr) wurde 1799 durch einen Umbau der ehemaligen Tuchhallen errichtet und 1867 zu einem Bank- und Auktionshaus umgebaut. Ab 1875 diente das Obergeschoss wiederum als Theater und wurde 1925–1926 modernisiert. Der Zuschauerraum ist im Stil der Neorenaissance ausgeführt.
  • An der Stelle des ehemaligen Palastes der Herzogin Agnes neben dem Liegnitzer Tor wurde 1778–1822 ein klassizistischer Bau errichtet. Im Keller befinden sich noch Mauern aus dem 14. Jahrhundert.

Söhne und Töchter der Stadt

Literatur

  • Christian Friedrich Emanuel Fischer: Chronik der Schlesischen Kreisstadt Jauer von 1008 bis 1817; größtentheils nach handschriftlichen Urkunden bearbeitet. Jauer 1818 (Digitalisat).
  • Johann Georg Knie: Alphabetisch-Statistisch-Topographische Uebersicht aller Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preuß. Provinz Schlesien. Breslau 1830, S. 944–946.
  • Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens. Band 3, Liegnitz 1783, S. 65–112.
  • Georg Dehio (Begr.), Ernst Badstübner (Bearb.): Schlesien (Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen). Deutscher Kunstverlag, München 2005, S. 378–385, ISBN 3-422-03109-X.
  • Alexander von Freyer: Jauer und das Jauerland/Jawor i Ziemia Jaworska. Jawor 1995.
  • Alexander von Freyer, Barbara Skoczylas-Stadnik, Mirosław Szkiladz: Die Friedenskirche zu Jauer/Kosciol Pokoju w Jaworze/The Church of Peace in Jawor. Jawor 1996, ISBN 83-9023-860-8 (Text in deutscher, englischer und polnischer Sprache).
  • Alexander von Freyer, Jacek Krajewski, Witold Piotrowski: Das Henryk-Dobrzycki-Krankenhaus in Jawor/Jauer. Jawor 1997.
  • Anna Grynszpan (Hrsg.): Jawor/Jauer dzieje i zabytki. Jawor 2003, ISBN 83-911747-9-4.
  • Rudolf Hahn, Siegfried Töpfer: Geschichtlicher Abriß der Jauerschen Vergangenheit. Von den Anfängen der Besiedlung bis zur Heutzeit. Heimatgruppe Jauer, Herne 1994.
  • Gotthard Heuber: Die evangelische Friedenskirche in Jauer genannt zum Heiligen Geist. Festschrift zur Feier des 250jährigen Bestehens. Kellmann-Verlag, Jauer 1906.
  • Otto Koischwitz: Jauer. Ein Wegweiser durch die Heimat und ihre Geschichte. Kellmann-Verlag, Jauer 1930.
  • Heinrich Meisner: Erinnerungen an Jauer. Buresch-Verlag, Jauer 1927 (Sonderdruck aus: Jauersches Tagblatt, 1927).
  • Johann Siebmacher: Grosses und Allgemeines Wappenbuch, Bd. 15: Städtewappen. Nürnberg 1885.
  • Stadt Jauer: Verwaltungsbericht der Stadt Jauer. Jauer 1940.
  • Jan Rybotycki: Jawor od zarania dziejów do roku 1263. (Biblioteczka Towarzystwa Milósników Jawora; Bd. 1). Jawor 1984
  • Stanisław Jastrzębski: Jawor i Okolice. Ossolineum, Breslau 1973.
  • Ilse Käthe Helene Neumann: Ich denke oft an Schlesiens Berge. Meine Erinnerungen an Jauer, Straußeney, Glogau. Jenaer Literaturverlag, Jena 2011, ISBN 978-3-9813936-2-0.
Commons: Jawor – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Population. Size and Structure by Territorial Division. As of December 31, 2020. Główny Urząd Statystyczny (GUS) (PDF-Dateien; 0,72 MB), abgerufen am 12. Juni 2021.
  2. acsearch: Schlesien, Schweidnitz – Jauer, Heinrich I. von Jauer, Bolko II. und Heinrich II. von Schweidnitz, 1326–1343. Halbgroschen o. J. (nach 1333), Löwenberg. Adlerschild. Rückseite: Helm mit Helmzier.
  3. search: SCHWEIDNITZ UND JAUER, FÜRSTENTUM, Bolko II., Goldgulden nach Florentiner Typ o. J.
  4. Christine Kanzler: Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin, Seite des „biografiA“-Modul-Projekts Österreichische Frauen im Widerstand am Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, abgerufen am 11. März 2019.
  5. Elisabeth Lebensaft: Kanitz Luise, geb. Lebensaft, Widerstandskämpferin und Pianistin, Seite des „biografiA“-Modul-Projekts Österreichische Frauen im Widerstand am Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, abgerufen am 11. März 2019.
  6. Karin Nusko: Eckert Marie (Maria),Tabakverschleißerin und Hausgehilfin, Seite des „biografiA“-Modul-Projekts Österreichische Frauen im Widerstand am Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, abgerufen am 11. März 2019.
  7. Urteilsvollstreckung. Schreiben des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof vom 8. Dezember 1944, Seite auf doew.at, abgerufen am 11. März 2019.
  8. Michael Rademacher: Jauer. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
  9. Kapazitätserweiterung bei Mercedes-Benz Cars: Daimler plant neues Motorenwerk in Polen. In: Daimler AG. 4. Mai 2016, abgerufen am 23. Juni 2016.
  10. Mercedes potwierdza: W drugiej połowie 2016 roku budowa nowej fabryki w Jaworze. In: dziennik.pl. 23. Juni 2016, abgerufen am 23. Juni 2016 (polnisch).
  11. Stuttgart / Jawor, 22.01.2019: Neuer Standort im globalen Batterie-Produktionsnetzwerk: Mercedes-Benz Cars baut Batteriefabrik im polnischen Jawor - https://media.daimler.com/marsMediaSite/de/instance/ko.xhtml?oid=42365055
  12. Miasta partnerskie (pl) In: jawor.pl. Jawor. Abgerufen am 26. August 2021.
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