DB-Baureihe 111
Die Baureihe 111 ist eine Elektrolokomotiv-Baureihe der Deutschen Bahn. Von den vierachsigen Lokomotiven wurden zwischen 1974 und 1984 insgesamt 227 Maschinen hergestellt. Eingesetzt werden die 160 km/h schnellen Lokomotiven heute vorwiegend im Regional- und Nahverkehr, während bei der Indienststellung auch der schwere Personen-Fernverkehr zu ihrem Aufgabengebiet gehörte. Im Rhein-Ruhr-Gebiet wurde sie in den 1980er Jahren im S-Bahn-Verkehr eingesetzt, wofür die entsprechenden Bauserien abweichend lackiert und mit Zugzielanzeigern in Form von Rollbandanzeigen ausgestattet wurden.
DB-Baureihe 111 | |
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Nummerierung: | 111 001–227 |
Anzahl: | 227 gebaut, 116 im Bestand der DB, davon 65 abgestellt, 18 im privaten Besitz (Stand: Februar 2022) |
Hersteller: | AEG, BBC, Henschel, Krauss-Maffei, Krupp, Siemens |
Baujahr(e): | 1974–1984 |
Ausmusterung: | seit 2013 |
Achsformel: | Bo’Bo’ |
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) |
Länge über Puffer: | 16.750 mm |
Höhe: | 4.489 mm |
Breite: | 3.130 mm |
Drehzapfenabstand: | 7.900 mm |
Drehgestellachsstand: | 3.400 mm |
Gesamtradstand: | 11.300 mm |
Dienstmasse: | 83,0 t |
Radsatzfahrmasse: | 20,8 t |
Höchstgeschwindigkeit: | 160 km/h |
Stundenleistung: | 4×925 kW = 3.700 kW |
Dauerleistung: | 4×905 kW = 3.620 kW |
Anfahrzugkraft: | 274 kN |
Leistungskennziffer: | 44,6 kW/t |
Raddurchmesser: | 1.250 mm |
Stromsystem: | 15 kV 16,7 Hz AC |
Stromübertragung: | Oberleitung |
Anzahl der Fahrmotoren: | 4 |
Antrieb: | Gummiringfeder |
Bauart Fahrstufenschalter: | W29T von SSW mit Flachbahnwähler und 2 Thyristor-Lastschalter |
Bremse: | Knorr-Druckluftbremse; elektrische Bremse (Dauerleistung: 3.600 kW) |
Zugbeeinflussung: | Sifa/PZB90, teilweise LZB |
Geschichte
Die Baureihe 111 ist die Nachfolgerin der Schnellzuglok-Baureihe 110. Da nach Ende der 110er-Produktion noch immer Bedarf an weiteren schnellfahrenden E-Loks bestand, wurde Anfang der 1970er Jahre von der damaligen Deutschen Bundesbahn entschieden, auf Basis bewährter Teile der Baureihe 110 die Nachfolgereihe 111 zu entwickeln.
Besonderes Augenmerk wurde auf die Verbesserung der Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten durch neue Drehgestelle und verbesserte Arbeitsbedingungen für den Lokführer gelegt. Hierzu wurde vom Bundesbahn-Zentralamt in München und dem Hersteller Krauss-Maffei der DB-Einheitsführerstand entwickelt, der nach ergonomischen Erkenntnissen gestaltet wurde und auch bei anderen Neubau-Lokomotiven und bei Steuerwagen zum Einsatz kommt.
Die erste Lokomotive, 111 001, verließ das Krauss-Maffei-Werk im Dezember 1974. Bis 1984 folgten weitere 226 Fahrzeuge, an deren Bau neben Krauss-Maffei Henschel und Krupp sowie Siemens, AEG und BBC für den elektrischen Teil beteiligt waren. Die letzte Serie wurde von der DB eigentlich gar nicht benötigt, sondern sollte dazu dienen, in der deutschen Lokomotivbau-Industrie Arbeitsplätze zu sichern.
Es gab sechs Bauserien:
- 1. Serie: 111 001–070
- 2. Serie: 111 071–110
- 3. Serie: 111 111–146 (S-Bahn)
- 4. Serie: 111 147–178 (S-Bahn)
- 5. Serie: 111 179–210
- 6. Serie: 111 211–227
Die Baureihe 111 sollte die letzte neu beschaffte E-Lok-Baureihe der Bundesbahn in konventioneller Wechselstrom-Technik sein, danach sollten nur noch Loks in Drehstrom-Asynchrontechnik beschafft werden (die Baureihe 120, die erste deutsche Drehstromlokomotive, stand bereits in den Startlöchern). Nach der Wiedervereinigung entschied man sich jedoch 1991, wiederum aus politischen Gründen, zusammen mit der Deutschen Reichsbahn noch die Baureihe 112.1 in konventioneller Technik zu beschaffen.
S-Bahn-Verkehr
Bei der neuen S-Bahn Rhein-Ruhr sollten neue S-Bahn-Züge mit Toiletten und mehr Komfort für Langstrecken beschafft werden und aus industriepolitischen Gründen sollte die deutsche Lokomotivbauindustrie bis zum Erscheinen der 120 mit einem 'Minimalprogramm' beschäftigt werden. Deshalb wurde 1979 entschieden, anstelle einer geplanten Version der Baureihe 420/421 (422), die als Triebzüge mit Toiletten beschafft werden sollte, neue Wagenzug-S-Bahnwagen, die x-Wagen, zu konstruieren und mit der Baureihe 111 als lokbespannten Wendezüge einzusetzen.[1] Die Lokomotiven 111 111 bis 111 188 wurden daher ab Werk in den damals aktuellen S-Bahn-Farben reinorange/kieselgrau – der sogenannten Pop-Lackierung – gestrichen und mit einer S-Bahn-Ausstattung ausgerüstet, z. B. Zugzielanzeigern und der erstmals verwendeten zeitmultiplexen Wendezugsteuerung über die IS-Leitung des Zuges. Außerdem haben sie Mikrofone für Zugansagen und Bedien- und Überwachungseinrichtungen für die Türsteuerungsanlage.
Diese Loks wurden zur Unterscheidung von den anderen 111ern intern als Baureihe 113 geführt und es gab Überlegungen, sie offiziell umzuzeichnen.[2] Seitdem alle 111er vornehmlich im Regionalverkehr eingesetzt werden und daher auch die restlichen 111er mit Wendezugsteuerung ausgerüstet wurden, ist die Notwendigkeit zur Unterscheidung weggefallen.
Fernverkehr
Im gleichen Jahr 1979 wurde beim InterCity die zweite Wagenklasse eingeführt, um ihm zu größerem wirtschaftlichen Erfolg zu verhelfen. Zusätzlich sollte das InterCity-Netz erweitert und auf den wichtigsten Linien im Stundentakt gefahren werden. Es war bereits bekannt, dass die als reine Hochgeschwindigkeits-Lokomotive gebaute Baureihe 103 im mittleren Geschwindigkeitsbereich von 140 km/h bis 160 km/h zu Problemen neigte: Auf den Einsatz vor langsamen, aber schweren Zügen reagierten die hochgezüchteten Motoren der Baureihe 103 mit starkem Verschleiß. Zudem waren die 145 Exemplare der 103 zahlenmäßig zu wenig. Jetzt zahlte sich aus, dass man bei der Baureihe 111 konsequent die Laufgüte der Drehgestelle optimiert hatte und leistungsmäßig noch Luft nach oben hatte. Ab Mai 1980 wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit aller 111er von bisher 150 km/h auf 160 km/h heraufgesetzt, fortan kamen sie auch vor InterCity-Zügen (z. T. in Doppeltraktion) zum Einsatz.
Im Übrigen bespannten die Loks der Baureihe 111 südlich von München die Intercity-Züge, die über das IC-Stammnetz hinaus weiter in die oberbayerischen und österreichischen Fremdenverkehrsgebiete geführt wurden, zum Beispiel den Intercity Karwendel.
Mit der Einführung des Interregios im Schienenverkehr wurden eine ganze Reihe dieser Verbindungen mit Lokomotiven der Baureihe 111 bespannt, vornehmlich auf den Linien, bei denen die Höchstgeschwindigkeit 160 km/h nicht überstieg.
Ausmusterungen
1981 kam es in Österreich zu einem schweren Unfall, infolgedessen die erst drei Jahre alte 111 109 so schwer beschädigt wurde, dass sie noch an Ort und Stelle zerlegt wurde. Sie war lange Zeit der einzige Abgang in den Beständen der Baureihe 111.
111 004 stieß am 24. November 2006 auf einem Bahnübergang bei Eschenlohe mit einem LKW zusammen, der diesen zum Wenden mitbenutzte; ihre Wiederaufarbeitung wurde aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Die über 30 Jahre alte Maschine war lange Zeit im Bw München z-gestellt und wurde am 30. Mai 2008 verschrottet.
Am 16. Juni 2010 gegen 23:30 Uhr stieß die 111 090, die einen Regional-Express zog, in Peine in Niedersachsen mit mehreren entgleisten Güterwagen zusammen. Durch die Wucht durchbrach die Lok eine Lärmschutzwand und blieb im Garten eines Mehrfamilienhauses liegen. Bei dem Unfall wurden 15 Fahrgäste leicht sowie der Lokführer schwer verletzt.[3] Die Lok wurde dabei so stark beschädigt, dass sie am 28. Juni 2010 z-gestellt und nach Abschluss der Unfallermittlungen in Peine zerlegt wurde.
111 154 war an einem Rangierunfall in Aachen beteiligt und wurde am 12. Mai 2012 in ihrem Heimatwerk Köln verschrottet. Da die Lok als nicht mehr lauffähig befunden wurde, konnte sie nicht mehr zum sonst üblichen Zerlegeort in Opladen überführt werden.
Mit der z-Stellung der Münchner 111 034 am 16. April 2012 aufgrund von Fristablauf schien es so, als würde die reguläre Ausmusterung der Baureihe 111 beginnen. Zwar wurde noch eine Reaktivierung erwogen, bei der anstehenden Hauptuntersuchung wurden aber starke Rahmenschäden festgestellt, sodass die HU an der Lok abgebrochen wurde. Die Lok wurde am 13. August 2012 durch die MEG-Lok 315 nach Opladen zur Recycling-Firma Bender zur Verschrottung überführt.
Im Frühjahr 2012 wurde 111 001 ausgemustert und ins DB Museum Koblenz nach Koblenz-Lützel überführt, wo sie fortan Museumslok ist.
111 006 wurde am 16. Juli 2013 im Betriebsbahnhof Pasing durch einen Brand zerstört. Ursache war vermutlich ein technischer Defekt am Transformator. Nach Schleppen in das Bw München Hbf und Entnahme von Ersatzteilen wurde der mittlerweile stark rostende Rest der Lok am 15. Oktober für die Verschrottung zur Firma Thyssen Dück nach Aubing überführt. Der Gleisanschluss befindet sich zwischen dem Brandort im Betriebsbahnhofes Pasing und dem Wagenwerk Pasing.
Seit Ende des Jahres 2012 stehen nun mehrere Loks dieser Baureihe mit Fristablauf auf Abstellgleisen. Im Laufe des Jahres 2013 wurde mit der Verschrottung erster Loks begonnen. Allerdings bekamen 2014 einige Loks, vor allem in Nordrhein-Westfalen, noch Hauptuntersuchungen. Manche Maschinen werden auch bei Fristablauf nach Hamm (Westf.) zum Stillstandsmanagement überführt.
Im September 2017 wurden 111 210, 215 und 222 an das Eisenbahnunternehmen RailAdventure verkauft. Im Ausbesserungswerk Dessau sollen die drei Maschinen eine Hauptuntersuchung bekommen und im Laufe des Jahres 2018 in den Betriebsdienst übergehen.
Einsatz in der jüngeren Zeit
Nach der dritten Stufe der Bahnreform wurde die Baureihe 111 der DB Regio zugeordnet, so dass sich ihr Einsatz zunehmend auf den Regionalverkehr konzentriert. Etwa ab 1998 gingen die Einsätze im Fernverkehr insbesondere mit Interregio-Zügen stark zurück und beschränken sich mittlerweile auf seltene Ersatzleistungen für Fernverkehrsloks. Im strapaziösen S-Bahn-Verkehr wurde die 111 beginnend ab 1993 nach und nach durch für diese Zwecke umgerüstete E-Loks der Baureihe 143 der Ex-DR ersetzt; die letzten 111er konnten jedoch erst im Juni 1997 aus dem S-Bahn-Dienst freigesetzt werden. Von Dezember 2010 bis Anfang 2013 setzte die S-Bahn Nürnberg wieder 111er als Ersatz für die noch nicht zugelassenen Triebzüge der Baureihe 442 in ihrem S-Bahn-Netz ein.[4] Einsätze vor Güterzügen waren bei der 111 abgesehen von ihren ersten Betriebsjahren schon immer eine exotische Ausnahmeerscheinung. In den letzten Jahren fanden keine Einsätze im Güterverkehr mehr statt.
Insbesondere mit den ab Anfang der 1990er Jahre in großer Zahl gelieferten Doppelstockwagen prägt die 111 bis heute das Bild des modernen Schienenpersonennahverkehrs auf Hauptstrecken. In jüngster Zeit wurden zunehmend Leistungen an neu angelieferte Loks der Baureihe 146 sowie an andernorts frei gewordene Loks der Baureihe 114 abgegeben. Auch weiterhin ist sie häufig mit konventionellen, einstöckigen Wendezügen anzutreffen. Immer wieder profitiert sie dabei von ihrer technischen Vielseitigkeit und ihrer zulässigen Höchstgeschwindigkeit, welche ihre Einsatzmöglichkeiten beträchtlich erweitern. Seit Ende 2009 ist die Baureihe in Ludwigshafen stationiert.
Eine Ablösung der Baureihe 111 war lange nicht in Sicht, da Freisetzungen durch neu angelieferte Lokomotiven der Baureihe 146 zunächst nur Leistungsverschiebungen zu Ungunsten anderer Fahrzeugbaureihen – der Baureihe 141 und der Vorgänger-Baureihe 110, zuletzt der Baureihe 143 – zur Folge hatten. Seit Anfang 2013 wurden viele Lokomotiven bei Fristablauf ausgemustert und verschrottet. Mit dem Ende des Einsatzes auf dem Wupper-Express (RE 4) in Nordrhein-Westfalen wird das Bahnbetriebswerk München Hbf – jenes, das die Baureihe 111 als erstes beheimatete, – noch bis voraussichtlich 2026 zum Auslauf-Betriebswerk dieser Baureihe. Weitere Maschinen sollen auch im Jahre 2021 auf der Gäubahn in Baden-Württemberg mit einem Radexpress zum Einsatz kommen. Zudem sollen die drei beim Wupper-Express freigesetzten Maschinen 111 125, 111 169 und 111 012 in Baden-Württemberg für Sonderverkehre vorgehalten werden.
Konstruktion
Die Konstruktion der Baureihe 111 lehnt sich im wesentlich an die der Baureihe 110 an, wurde jedoch in Teilen entscheidend verbessert bzw. erweitert. Im mechanischen Teil ist dabei insbesondere auf die neuartigen Drehgestelle zu verweisen; die Radsätze werden hierin über Lemniskatenlenker geführt. Für die Abstützung des Lokkastens kommen Flexicoilfedern zum Einsatz. Im elektrischen Teil der Baureihe 111 wurden die Fahrmotoren WB 372 der Baureihen 110 und 140 und deren Transformator weiterverwendet. Nachdem die Antriebskräfte ursprünglich über einen Gummiring-Kardanantrieb ähnlich dem der Baureihe 103 übertragen werden sollten, blieb man nach Versuchen mit der dazu umgebauten 110 466 beim bewährten Gummiringfederantrieb der Baureihe 110, da der Antrieb der Baureihe 103 erst jenseits von 160 km/h wesentliche Vorteile hatte.
Auf dem Dach waren die neuen Einholm-Stromabnehmer Bauart SBS 65 vorgesehen, welche jedoch bei den Maschinen der ersten bis dritten Serie (111 001–146) nur zum Teil verwendet wurden und von vor der Auslieferung stehenden 111 abgebaut und durch auf BR 103 eingesetzten, bei hohen Geschwindigkeiten störungsanfälligen Scherenstromabnehmern der Bauart DBS 54 mit Wanisch-Wippe ersetzt wurden, da die für höhere Geschwindigkeiten geeigneten Einholmstromabnehmer für die Baureihe 103 benötigt wurden.[5] Deshalb fahren Loks der ersten Serien teilweise bis heute mit Scherenstromabnehmern DBS 54a. Ab 111 147 wurde ausnahmslos der SBS 65 verwendet, ab der fünften Bauserie (ab 111 179) dessen Weiterentwicklung SBS 81. Bei den vier Maschinen 111 103–105 und 109 wurde Anfang der 1980er Jahre mit dem WBL 79 ein neuer Stromabnehmer getestet, der anders als alle bis dahin verwendeten Einholmstromabnehmer sein Gelenk zur Lokmitte hin gerichtet hatte.[6]
Die Platzierung des Trafos aufrecht in der Mitte des Maschinenraums wurde beibehalten, die Aufteilung des Maschinenraums jedoch so modifiziert, dass es vor und hinter dem Transformator nur einen mittigen Maschinenraumgang gibt. Die Schaltung der Fahrmotoren erfolgt in bewährter Manier hochspannungsseitig mittels elektromotorisch betriebenen Schaltwerk in 28 Fahrstufen über Thyristor-Lastschalter. Die Motoren können als elektrische Bremse genutzt werden, sie arbeiten dann jeder auf einen eigenen Bremswiderstand. Bremsleistung und Bremskraft konnten im Vergleich zur Baureihe 110 gesteigert werden. Die entstehende Wärme wird über Dachlüfter abgeführt, welche nun vom Bremsstrom angetrieben werden. Geregelt wird die Bremse über einen Hallgenerator, wie er bereits bei der letzten 110er-Serie zum Einsatz kam. Neben der elektrischen Bremse sind eine mehrlösige Druckluftbremse, eine pneumatische, direkt wirkende Zusatzbremse sowie je Drehgestell eine Spindelhandbremse vorhanden. Bei Betriebsbremsungen werden über das Führerbremsventil die indirekte und über den gekuppelt mitgeführten Bremssteller die elektrische Bremse angesteuert, mit deren Wirksamkeit die indirekte Druckluftbremse der Lok deaktiviert wird. Lediglich bei Schnellbremsungen wirken sowohl Druckluft- wie auch die elektrische Bremse. Fällt die elektrische Bremse aus, steht sofort in vollem Umfang die indirekte Druckluftbremse zur Verfügung. Gegenwärtig wird bei den 111ern ein elektronischer Gleitschutz nachgerüstet, welcher sowohl auf die Druckluft- wie die elektrische Bremse wirkt, nachdem die 111 in den Herbstmonaten stets zur Flachstellenbildung neigte.
Das Steuerkonzept und die Hauptstromkreise wurden gegenüber der letzten 110-Serie kaum verändert, jedoch ermöglicht das neu hinzugekommene und zuvor schon in den Baureihen 103 und 151 verwendete Grenzwertüberwachungsgerät eine wesentlich komfortablere Bedienung der 111. Die Lok lässt sich damit wahlweise über eine Impulssteuerung (Auf-Ab-Steuerung) oder eine elektronische Zugkraftregelung steuern. Diese Z-Steuerung sorgt dafür, dass die vorgewählte Motorzugkraft bei steigender Fahrgeschwindigkeit ohne weitere Eingriffe des Triebfahrzeugführers annähernd konstant gehalten bzw. leicht reduziert wird, denn bei steigender Geschwindigkeit verringert sich der Reibwert zwischen Rad und Schiene etwas. Das auch als „Anfahrüberwachung“ bezeichnete Grenzwertüberwachungsgerät sorgt durch Schaltwerkseingriff weiterhin dafür, dass die zulässigen Maximalwerte für Motor- und Oberstrom sowie Fahrmotorspannung eingehalten werden. In die Anfahrüberwachung integriert ist ein selbsttätiger Schleuderschutz, welcher bei niedrigen Haftwerten und Schleuderneigung auf das Schaltwerk und die Schleuderschutzbremse wirkt. Sämtliche Maschinen verfügen über die konventionelle Wendezug- und Doppeltraktionssteuerung über das 36-polige Steuerkabel. Die für den S-Bahn-Verkehr vorgesehenen 111 111–188 erhielten teils ab Werk, teils erst später die dafür benötigte zeitmultiplexe Wendezugsteuerung (ZWS) sowie eine Funktionserweiterung (ZWS-Zusatz) zur Steuerung von Funktionen des Wagenzuges, die heutige frequenzmultiplexe Zugsteuerung (FMZ). Für die Bespannung von Doppelstockzügen in Triebkopftraktion erhielten einige ehemalige S-Bahn-Maschinen Mitte der 90er Jahre die zeitmultiplexe Doppeltraktionssteuerung (ZDS). Mittlerweile wurden auch fast alle anderen 111er mit ZWS/ZDS und FMZ sowie zum Teil mit Fahrgastinformationssystemen nachgerüstet. Die Vorserien-Loks 001 bis 005 hatten ab Anlieferung eine Automatische Fahr- und Bremssteuerung.
Ab Werk war Punktförmige Zugbeeinflussung der Bauform I 60 vorhanden. Da diese auf Relais-Schaltungen basierende Anlage die Geschwindigkeiten nur zeitabhängig überwacht, war bei Einsätzen der so ausgerüsteten Lokomotiven mit mehr als 140 km/h immer die Besetzung mit einem zusätzlichen Triebfahrzeugbegleiter erforderlich. Um dieses Personal einsparen zu können und die Sicherheit zu erhöhen, wurde eine Zugbeeinflussungsanlage in Rechnertechnik entwickelt, die I 60 R. Sie überwacht die Fahrweise des Triebfahrzeugführers wegabhängig und kann daher frühzeitiger auf eine drohende Signalüberfahrung reagieren. Erprobung und Sicherheitsnachweis erfolgten Anfang der 1990er Jahre auf den Loks 111 210 bis 219. Mit der neuen Zugbeeinflussung wurden danach als erste die im 160-km/h-Einsatz stehenden 111 des Betriebswerks Frankfurt ausgerüstet. Einige wenige 111er (055 bis 066) verfügen auch über die Linienzugbeeinflussung LZB 80.
Farbvarianten
Die Baureihe 111 hat in ihrem über 30-jährigen Einsatz mehrere Farbvarianten erlebt. Bei Auslieferung wurden die 111er-Lokomotiven in der damals üblichen Farbgebung in ozeanblau-beige geliefert.
Die der S-Bahn Rhein-Ruhr zugeteilten Maschinen 111 111 bis 111 188 wurden direkt in der S-Bahn-Lackierung in reinorange (RAL 2004) und kieselgrau in Dienst gestellt. 111 111 wurde, nachdem sie zwischenzeitlich verkehrsrot lackiert war, im Jahr 2021 wieder im ursprünglichen S-Bahn-Farbschema neu lackiert.[7]
Das neue, rote Farbschema der DB wurde zunächst 1985 an zwei Münchener 111 (068 und 069) getestet, an ihnen wurde dieses neue Farbschema für alle DB-Lokomotiven schließlich ausgesucht. In der Folge wurden nach und nach die ozeanblau/beigen Maschinen im Rahmen ihrer Hauptuntersuchungen in das Ende 1987 eingeführte orientrote Farbschema (RAL 3031) mit weißem Lätzchen als Kontrastfläche umgespritzt.
Mit dem neuen verkehrsroten Farbschema verschwanden die ozeanblau-beigen, orientroten und die in S-Bahn-Farben lackierten 111 ab Ende der 1990er Jahre allmählich. Eine Ausnahme stellen die vier Loks 111 156, 158, 175 und 176 dar, deren S-Bahn-Lackierung modernisiert wurde: Statt des reinorangenen Anstrichs wurde bei diesen S-Bahn-111ern die Bauchbinde verkehrsrot gestaltet. Die Lokomotiven waren so mehrere Jahre eingesetzt. Heute sind die Loks der Baureihe 111 (auch alle ehemaligen S-Bahn-Maschinen) durchweg im aktuellen verkehrsroten Farbschema anzutreffen.
Nach dem Verkauf an die DB Netz AG wurde 111 059 goldgelb (RAL 1004) mit basaltgrauer (RAL 7012) Kontrastfläche lackiert.[8]
111 049 fuhr Anfang der 1990er Jahre als Zuglok des Lufthansa-Airport-Express in den Lufthansa-Farben gelb-hellgrau. 111 030, die sogenannte Vampirlok, lief bis 2005 mit einer Ganzreklame (blau mit Schriftzug Tanz der Vampire).
Zum 850. Geburtstag der Stadt München wurde am 30. Mai 2008 die 111 027 in einer Jubiläumslackierung der Öffentlichkeit vorgestellt. Die silberfarbene Lok zeigt u. a. Abbildungen des Münchner Kindls und der Türme der Frauenkirche. Geplant war der Einsatz im DB Regio-Netz in Südbayern auf den Strecken nach Rosenheim, Traunstein, Mittenwald, Augsburg und Ulm. In jüngster Zeit sind in Bayern fünf 111-Werbeloks mit Werbung für die Bayerische Eisenbahngesellschaft („Bahnland Bayern“), den Deutschen Alpenverein („Mit der Bahn in die Berge“), den ADAC Automobilclub und Pannenhilfe, den Bayerischen Bierbrauerverband („500 Jahre Reinheitsgebot“) und die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 in München unterwegs.
- 111 224 ozeanblau-beige frisch ausgeliefert 1984 in München
- 111 in S-Bahn-Lackierung
- 111 111 im AW München-Neuaubing (April 1984)
- 111 068, die erste orientrote 111, in München Hbf
- 111 039 als Werbelok für den DAV: „Mit der Bahn in die Berge“ (2011)
- 111 017, Variante „Bahnland Bayern“
Andere Bahnen
Inzwischen wurden auch bei der DB ausgemusterte Lokomotiven an andere Bahnunternehmen verkauft. Seit 2018 sind 111 210, 215 und 222 bei RailAdventure im Einsatz. Sie wurden dazu untersucht und modernisiert, unter anderem mit einer Klimaanlage im Führerstand und Neulack in grau/weiß.[9] Ferner befinden sich die Lokomotiven 111 056 sowie 111 200 bei der Gesellschaft für Fahrzeugtechnik mbH in Crailsheim. Die Lokomotiven wurden dort im Sommer 2019 für Charter- und Ersatzverkehre reaktiviert.
Bestand
Bestand der Baureihe 111 bei Privatbahnen (Stand: November 2021):[10]
Fahrzeugnummer
(91 80 6xxx xxx-x) |
Betreiberbezeichnung | Betreiber
(VKM-Kürzel) |
Bemerkung |
---|---|---|---|
111 003-0 | / | verkehrsrot, nicht betriebsfähig | |
111 025-3 | 111 025-3 | TFT | ozeanblau/beige, Train4Train, betriebsfähig |
111 029-5 | / | RADVE | RADVE-Lackierung, betriebsfähig |
111 036-0 | 111 036-0 | BYB | verkehrsrot, betriebsfähig |
111 056-8 | 111 056-8 | GfF/GfE | verkehrsrot, betriebsfähig |
111 057-6 | 057 | ZUG | purpurrot/beige, smart rail GmbH, München, betriebsfähig |
111 082-4 | / | RADVE | RADVE-Lackierung, betriebsfähig |
111 185-5 | 111 185-5 | GfF/GfE | verkehrsrot, betriebsfähig |
111 198-8 | 111 198-8 | ZUG | verkehrsrot, Ersatzteilspender, nicht betriebsfähig |
111 200-2 | 111 200-2 | GfF/GfE | verkehrsrot, betriebsfähig |
111 207-7 | 111 207-7 | TFT | orientrot, betriebsfähig |
111 210-1 | / | RADVE | RADVE-Lackierung, betriebsfähig |
111 213-5 | 111 213-5 | ZUG | verkehrsrot, betriebsfähig |
111 215-0 | / | RADVE | RADVE-Lackierung, betriebsfähig |
111 216-8 | 111 216-8 | ZUG | verkehrsrot, betriebsfähig |
111 222-6 [11] | 111 222-6 | RADVE | RADVE-Lackierung, betriebsfähig |
111 223-4 | 223 | ZUG | ozeanblau/beige, betriebsfähig |
111 226-7 | 111 226-7 | ZUG | verkehrsrot, betriebsfähig |
Literatur
- Konrad Koschinski: Baureihe 111. Verlagsgruppe Bahn, Fürstenfeldbruck 2014 (Eisenbahn Journal Spezial 1/2014), ISBN 978-3-89610-391-8.
- Gustav Nagel: Baureihe 111. Im Führerstand. In: Lok Magazin. Jg. 41, Nr. 253. GeraNova Zeitschriftenverlag, München 2002, S. 54–57.
- Gerhard Scholtis: Die Schnellzuglokomotiven, Reihe 111 der DB. In: Lok Magazin. Nr. 87. Franckh’sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart 1977, S. 454–460.
Weblinks
Einzelnachweise
- G. Gleitsmann: x-Wagen bei der S-Bahn Rhein-Ruhr auf dem Rückzug. In: Eisenbahn Kurier. Nr. 441, 2009, S. 15.
- www.drehscheibe-foren.de
- Bericht der Peiner Zeitung, abgerufen am 18. Juni 2010 (Memento vom 24. August 2010 im Internet Archive)
- Drehscheibe online - Einsatz der BR 111 auf der S1
- Abschied von der Baureihe 103. Abgerufen am 1. Juli 2021 (deutsch).
- Die Stromabnehmer bei der Baureihe 111
- Drehscheibe Online Foren - 111 111 wieder kieselgrau-orange! Abgerufen am 28. April 2021.
- www.revisionsdaten.de - Die ONLINE - Fahrzeugdatenbank im Internet. Mario Fliege, abgerufen am 28. April 2021.
- Modernisierte 111 fertig. In: eisenbahn-magazin. Nr. 5, 2018, ISSN 0342-1902, S. 35.
- www.revisionsdaten.de - Die ONLINE - Fahrzeugdatenbank im Internet. Abgerufen am 5. November 2021.
- https://www.revisionsdaten.de/tfzdatenbank/tfz_detail.php?sa&id=25338&fahrzeugsuche=111+222&art=1&such_start=0