Drehgestell
Ein Drehgestell ist ein Laufwerk eines Schienenfahrzeuges, bei dem Radsätze in einem gegenüber dem Wagenkasten drehbaren Rahmen (Gestell) gelagert werden. Fahrzeuge mit relativ kurzen Drehgestellen können im Vergleich zu solchen mit starr am relativ langen Wagenkasten angebrachten Achsen engere Bögen durchfahren, weil sich der Rahmen gegenüber dem Wagenkasten ausdrehen kann und dadurch die Räder in einem kleineren Winkel an der Schiene anlaufen. Außerdem verbessern Drehgestelle die Laufruhe, da sie Stöße in Hoch- und Querrichtung nur halbiert auf den Wagenkasten weitergeben (beide Achsen erhalten nicht gleichzeitig einen Stoß).
Drehgestelle werden in verschiedenen Bauformen und Ausführungen gebaut. Neben der Achsanzahl kann auch nach dem Einsatz zwischen Drehgestellen für Lokomotiven, Güter- und Reisezugwagen unterschieden werden, die bezüglich Tragkraft, Geschwindigkeit und Komfort unterschiedliche Anforderungen an die Konstruktion stellen.
Aufbau
Drehgestelle bestehen aus einem Rahmen, an dem alle weiteren Teile wie Radsätze, Federung und Dämpfer befestigt sind. Bei angetriebenen Drehgestellen sind meist auch die Motoren und Getriebe im Drehgestell untergebracht.
Teile eines Reisezugwagen-Drehgestells: 1: Bremsklotzträger mit Bremsklotz • 2: Primärfeder • 3: Seitliche Abstützung für den Wagenkasten • 4: Drehpfanne • 5: Rahmen • 6: Achslager • 7: Sekundärfeder • 8: Sekundärdämpfer |
Rahmen
Der Drehgestellrahmen besteht meist aus zwei über den Achslagern verlaufenden Längsträgern und einem oder mehreren Querträgern. Vor oder hinter den Achsen verlaufende Querträger werden Kopfträger genannt, Drehgestellrahmen ohne steifen Kopfträger werden H-Rahmen genannt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sich die über den Achslagern liegenden Enden des H gegeneinander verwinden können. Rahmen ohne Querträger zwischen den Achsen werden manchmal als O-Rahmen bezeichnet. Der Rahmen ist heute meist eine geschweißte Stahlkonstruktion, seltener enthält er auch Gussteile oder ist als Ganzes gegossen. Früher wurden auch genietete Rahmen verwendet.
- H-Rahmen
- O-Rahmen
- gegossener Rahmen
- geschweißter Rahmen
- genieteter Rahmen
Achslager
Die Achslager dienen der Lagerung des Radsatzes. Sie können in Längsrichtung gegenüber dem Drehgestellrahmen beweglich oder starr angeordnet sein. Bewegliche Achslager lassen unter geeigneten Bedingungen eine radiale Einstellung der Achsen in Bögen zu.
Die Achslager befinden sich meist außerhalb der Radscheiben, wo sie für die Wartung leicht zugänglich sind, seltener zwischen den Radscheiben (innengelagertes Drehgestell). Bei außengelagerten Drehgestellen werden die Achslager meist von Achslagerträgern gehalten, auf welchen die Primärfedern und deren Dämpfer angebracht sind. Innengelagerte Drehgestelle waren lange insbesondere als Laufdrehgestelle von Lokomotiven üblich. Ihr Vorteil besteht darin, den Raum außerhalb der Radscheiben, der für Stangenantriebe benötigt wird, freizuhalten. Zusätzlich sind sie bei Straßenbahnwagen mit begrenzter Wagenbreite verbreitet.
Die meisten europäischen Güterwagen-Drehgestelle haben einen Radstand zwischen 1,8 und 2,3 Metern. Schnellfahrende Fahrzeuge sind mit Radsatzständen bis 3 Meter ausgeführt, um eine größere Laufruhe zu erreichen.
- Drehgestell mit Außenlagerung
- Drehgestell mit Innenlagerung
Federung
Für einen besseren Fahrkomfort und um Verwindungen des Gleises befahren zu können, sind die Drehgestelle mit einer Federung versehen, wobei sowohl die Achsen gegenüber dem Drehgestell gefedert sein können (Primärfederung) als auch der Drehgestellrahmen gegenüber dem Wagenkasten gefedert sein kann (Sekundärfederung). Bei Güterwagendrehgestellen ist meist nur eine der genannten Federstufen ausgeführt, Reisezugwagen- und Lokomotivdrehgestelle haben meist beide Federstufen.
Primärfederung
Die Achslagerträger sind über die Primärfedern mit dem Drehgestellrahmen verbunden. Früher wurden Blattfedern verwendet, mittlerweile meist Schraubenfedern oder Gummischicht-Federn. Die Achslager gleiten in Führungsgabeln (Achshalter) am Rahmen (siehe Bild) oder werden über Achslenker geführt, die gelenkig mit dem Rahmen verbunden sind. Bei achshalterlosen Drehgestellen erfolgt die Führung nur durch vergleichsweise steif ausgelegte Primärschraubenfedern.
Die Schraubenfedern der Primärfederung sind meist senkrecht angeordnet, außer bei den Wegmann-Drehgestellen oder Achslenkerdrehgestellen. Sie haben dreieckige Achslagerträger, an deren äußeren Ecken sich die Achslager befinden. Die inneren Ecken sind drehbar mit dem Rahmen verbunden und an den oberen Ecken durch horizontal auf dem Rahmen liegende Schraubenfedern abgestützt.
- Bewegung des Achslagerträgers in der Primärfederung
- Achslagerträger
- Achslager mit Achslagerträger, zwei Schraubenfedern für die Primärfederung und parallelem Schwingungsdämpfer
- Achslager mit Achslenker und einer Schraubenfeder für die Primärfederung
- Blattfedern an einem Güterwagendrehgestell
- Primärfederung mit Gummischichtfedern
- Wegmann-Drehgestell mit waagerechten Primärfedern
Sekundärfederung
Die Sekundärfederung bei Reisezugwagen besteht im Allgemeinen aus Schraubenfedern oder Luftfedern, bei Lokomotivdrehgestellen aus Schraubenfedern, Güterwagen haben in Europa meist keine Sekundärfederung.
Früher wurde die Sekundärfederung meist mit Blattfedern ausgeführt. Sekundärfederungen mit Flexicoil-Schraubenfedern oder Luftfedern können auch die seitliche Führung des Drehgestells und dessen Drehung zum Wagenkasten übernehmen, so dass die Wiege mit den seitlichen Gleitstücken entfällt. Werden insbesondere bei Triebdrehgestellen die Längskräfte durch Zug- und Druckstangen übertragen, ist auch der Drehzapfen bzw. die Drehpfanne entbehrlich.
- Sekundärfederung mit Luftfedern
- Ausgelenkte Flexicoil-Federn
- Zug- und Druckstange an einem ICE1-Drehgestell.
Wiege
Bei Drehgestellen mit einer Sekundärfederung ist die Wiege ein über Federn mit dem Drehgestellrahmen verbundener Querträger, der den Drehzapfen trägt. Drehgestelle mit Wiegen können im Gegensatz zu wiegenlosen Bauarten größere Ausdrehwinkel gegenüber dem Wagenkasten erreichen, was besonders bei engen Bogenradien wichtig ist.
- Drehgestell mit schraubengefederter Wiege
- Drehgestell mit Wiege aus Blattfedern
Drehzapfen
Der Drehzapfen, auch Drehpfanne genannt, verbindet das Drehgestell mit dem Wagenkasten und überträgt meist auch die Längskräfte zwischen Wagenkasten und Drehgestell. Das Drehgestell bewegt sich um die vom Drehzapfen gebildete vertikale Achse. Meist stützt sich der Wagen zusätzlich über seitliche Gleitplatten auf der Wiege ab, die aber keine Längs- und Querkräfte übernehmen. Anstelle des Drehzapfens können auch Konstruktionen mit Lemniskatenlenker zum Einsatz kommen.
- Drehpfanne an einem Reisezugwagendrehgestell
- Gleitplatte zur seitlichen Abstützung des Wagenkastens
Schwingungsdämpfer
Schwingungsdämpfer verhindern zu starke Bewegungen der Teile im Drehgestell, sowie des Drehgestells zwischen dem Wagenkasten. Blattfedern benötigen in der Regel keine besonderen Schwingungsdämpfer, da ihre Bewegung durch die Reibung zwischen den Blättern bereits gedämpft ist. Für die Schwingungsdämpfung von Schrauben- oder Luftfedern sind meist zusätzliche Bauelemente notwendig. Bei Güterwagen kommen einfache Reibungsdämpfer zum Einsatz, bei Fahrzeugen für höhere Geschwindigkeiten muss die Primärfederung sehr steif ausgelegt und das Ausdrehen des Drehgestellrahmens gegenüber dem Wagenkasten mit Schlingerdämpfern behindert werden, um einen Sinuslauf mit möglichst tiefer Frequenz zu erreichen.
- Schlingerdämpfer an einem ICE3-Drehgestell
Wankstütze
Bei Fahrzeugen mit hoher Schwerpunktlage kann zusätzlich eine Wankstütze eingebaut werden, welche verhindert, dass der Wagenkasten zu große Drehbewegungen um die Längsachse ausführt. Die Wankstütze besteht typischerweise aus einem im Drehgestell zur Fahrzeugquerrichtung gelagerten Torsionsstab, der über Lenker auf beiden Seiten mit dem Wagenkasten verbunden ist. Alternativ kann der Torsionsstab auch am Wagenkasten gelagert sein und über Lenker mit dem Drehgestell verbunden werden.
- Wankstütze an einem Triebwagen. Der Pfeil zeigt auf das Zentrum des am Wagenkasten angebrachten Torsionsstabes.
Antriebsausrüstung
Drehgestelle mit angetriebenen Achsen werden als Triebdrehgestelle (TDG) bezeichnet, solche ohne Antrieb werden als Laufdrehgestelle (LDG) bezeichnet. Bei Fahrzeugen mit elektrischen Fahrmotoren sind diese meist ebenfalls im Drehgestell untergebracht, ebenso die Fahrgetrieben bei Kraftübertragung über Gelenkwelle. Triebdrehgestelle von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotorantrieb, die zusätzlich zur Antriebseinheit auch den Motor selbst enthalten, werden als Maschinentriebdrehgestell bezeichnet.
- Maschinentriebdrehgestell eines Schnelltriebwagens
- Schematische Darstellung eines Triebdrehgestelles mit Elektromotoren:
blau – Fahrmotor,
rot – Kupplung,
rosa – Ritzel,
gelb – Großrad
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Aufgaben sind Lauf- und Triebdrehgestelle konstruktiv unterschiedlich gestaltet. So haben Triebdrehgestelle neben ihrer Trag- und Führungsfunktion auch noch die Aufgabe der Kraftübertragung des Vortriebs. Dies bedingt, dass bei diesen eine Tiefanlenkung realisiert werden muss, um die Radsatzlasten gleichmäßig auf die Achsen zu verteilen. Weiter muss der Drehgestellrahmen mit Drehmomentstützen ausgerüstet sein, an denen die Kräfte des Antriebs in den Rahmen geleitet werden.[1] Zur Vereinheitlichung sind beispielsweise bei Triebwagen Trieb- und Laufdrehgestelle trotzdem häufig baugleich aufgebaut.
Radiale Steuerung der Radsätze
Bei den meisten Drehgestellen sind die Radsatzlager in Längsrichtung fest im Rahmen gelagert, so dass die beiden Achsen genau parallel zueinander geführt werden. Je nach Achsstand können die Radsätze solcher Drehgestelle in Bögen immer noch erheblich anlaufen.
Bei einigen Drehgestellbauarten sind die Radsatzlager in Längsrichtung elastisch gelagert, sodass sich die Radsätze in Bögen radial zum Zentrum des Bogens einstellen können. Die radiale Einstellung wird durch die äquivalente Konizität bewirkt, kann aber bei langsamer Fahrt, bei Übertragung von Zugkraft oder anderen Störeffekten aufgehoben werden oder aber die Radsätze stellen sich sogar verkehrtherum ein. Wenn die Achslager mit Kreuzanker diagonal miteinander verbunden sind, ist gewährleistet, dass sich die Achsen wenigstens immer gegenläufig einstellen. Zusätzlich kann die Radialeinstellung der Radsätze auch durch einen Zwangslenkungsmechanismus über den Ausdrehwinkel des Drehgestellrahmens gegenüber dem Wagenkasten erreicht werden, wie dies zum Beispiel bei den Liechty-Drehgestellen oder beim SIG Navigator angewendet wird. Die Radialeinstellung kann auch durch rechnergestützte Aktuatoren erreicht werden.
- in Längsrichtung elastisch gelagerte Achsen
- mit Kreuzanker verbundene Achsen
- durch Wagenkasten zwangsgesteuerte Achsen
- Steuerung mit Aktuatoren
Bildergalerie
- Drehgestell Typ Y25 in Schweißbauart mit Radsätzen für eine Achslast von 22,5 t
(häufigstes Güterwagendrehgestell in Europa) - Drehgestell Typ TVP 2007 mit kreuzankergesteuerten, radial einstellbaren Radsätzen für eine Achslast von 25 t
(abgeleitet aus Typ Y25) - Württemberger Drehgestell in Kompositbauweise von 1845
- dreiteiliges Gussdrehgestell ohne Primärfederung (Three Piece Bogie) mit Abhebesicherungen an den Achslagern
(häufige Bauart für Güterwagen außerhalb Europas) - amerikanisches Güterwagendrehgestell (Three Piece Bogie, auch Bauart Bettendorf) mit Gleitachslagern
- dreiteiliges Gussdrehgestell ohne Primärfederung (Three Piece Bogie), Schnittdarstellung
- US-amerikanisches Gleitachslager, Schnittdarstellungen
Sonderbauarten
Mehrachsige Drehgestelle
Der größte Teil aller heute eingesetzten Drehgestelle ist zweiachsig, es gibt aber auch solche mit drei und mehr Achsen.
Dreiachsige Drehgestelle kommen vor allem bei Lokomotiven und Güterwagen für schwere Lasten zum Einsatz. Bei Reisezugwagen kamen sie vor allem bei schweren Schlaf-, Speise- und Salonwagen zum Einsatz, damit die zulässigen Achslasten der befahrenen Streckenabschnitte nicht überschritten wurden. Für einen zwangfreien Bogenlauf ist bei dreiachsigen Drehgestellen in der Regel die mittlere Achse seitenverschiebbar.
Für besonders schwere Lasten, vor allem für Tiefladewagen, sind Drehgestelle auch mit bis zu sieben Radsätzen gebaut worden. Es handelt sich nicht mehr um bloße Laufwerke, sondern quasi komplett ausgerüstete vielachsige Wagen, auf die eine Ladebrücke aufgelegt wird. Die Federung benachbarter Radsätze sind mit Ausgleichshebel untereinander verbunden, damit sie möglichst gleichmäßig belastet werden.
- dreiachsiges Schwanenhalsdrehgestell eines Reisezugwagens
Einachsige Drehgestelle
In seltenen Fällen wurden auch einzelne Achsen in einem gegenüber dem Wagenkasten ausdrehbaren Rahmen gelagert. Um Fehleinstellungen zu vermeiden, sind einachsige Drehgestelle meist mit einer Zwangsanlenkung gebaut worden, die entweder vom Wagenkasten oder einem benachbarten Fahrwerk gesteuert wird. Bei den Lenkdreiachsern steuerte eine mittlere Laufachse die Auslenkung der beiden angetriebenen Einzelachsdrehgestelle an den Wagenenden.
- Einachsiges Drehgestell eines Dieseltriebwagens
Drehgestelle mit Losrädern
Drehgestelle können auch mit Losradsätzen ausgerüstet sein, bei denen die Radscheiben unabhängig voneinander rotieren können. Das lauftechnische Verhalten solcher Einzelradfahrwerke oder Einzelraddrehgestelle ist jedoch anders als die herkömmlicher Radsatzdrehgestelle. Durch die fehlende Verbindung zwischen den beiden seitlichen Rädern entstehen im Bogenlauf keine Schlupfkräfte in Längsrichtung, so dass in der Geraden auch kein Sinuslauf entsteht. Allerdings entfällt bei Losradsätzen zugleich die Selbstzentrierung im Gleis. Schon kleine Abweichungen von der Parallelstellung der Achsen führt dazu, dass ein Rad dauerhaft mit dem Spurkranz am Schienenkopf anläuft. Losradsätze verursachen dadurch, sofern nicht aufwändige Gegenmaßnahmen getroffen werden, einen erhöhten Spurkranz- und Schienenseitenverschleiß.
Jakobsdrehgestelle
Speziell für längere, fest verbundene Güterzüge oder Triebwagen wurde das Jakobs-Drehgestell entwickelt. Hierbei stützen sich zwei Wagenkästen zusammen auf ein Drehgestell, wobei das Drehgestell mittig zwischen ihnen sitzt. Bei längeren Zugeinheiten reduziert sich somit die Anzahl der Drehgestelle, jedoch kann die Zugeinheit betrieblich nicht getrennt werden und bei gleicher Länge der Wagenkästen erhöht sich die Radsatzlast. Dem wird häufig dadurch entgegengewirkt, dass die Wagenkästen kürzer sind als bei Wagen mit konventionellen Drehgestellen. Auch z. B. beim Stadtbahntypen Tw 6000 in Hannover werden zwischen den Wagenteilen Jakobsdrehgestelle verwendet.
Maximumdrehgestelle
Bei Straßenbahn-Triebwagen um 1900, beispielsweise in München, Nürnberg, Augsburg, Berlin und Wien[2] sowie bei der Filderbahn-Gesellschaft, fanden aus antriebstechnischen Gründen Maximumdrehgestelle Verwendung. Die konstruktiven Ursprünge gehen auf die sogenannten Maximumtrucks der J. G. Brill Company aus dem Jahr 1891 zurück. Die Maximumdrehgestelle besitzen Radsätze mit unterschiedlichen Raddurchmessern. Die Hauptlast des Wagens liegt dabei auf dem größeren, angetriebenen Radsatz. Der kleinere Laufradsatz dient vor allem der Führung im Gleis. Die höhere Belastung des großen Treibradsatzes durch Fahrmotor und verschobenen Stützpunkt bewirkt, dass man das „Maximum“ an Kraft über eine Achse übertragen kann, und durch das Anlenken können sehr kleine Bogenradien befahren werden (in München 15 Meter). Damit war es möglich, einen vierachsigen Triebwagen mit einer konventionellen Steuerung und nur zwei Fahrmotoren auszurüsten und trotzdem nicht 50 Prozent der Reibungsmasse für den Antrieb zu verlieren. Maximumtriebwagen konnten in den Bauformen Laufachsen innen angeordnet, Laufachsen außen angeordnet oder mit gleicher Achsfolge ausgeführt werden, jedoch war die Bauform mit innenliegenden Laufachsen am weitesten verbreitet. Der erste Maximumtriebwagen in Deutschland war der Wagen Nr. 2080 der GBS aus dem Jahr 1901.[3] Einen echten Drehzapfen gibt es bei Maximumdrehgestellen nicht, durch die Form der Gleitstücke liegt der Drehpunkt auf der angetriebenen Achse. Nachteilig sind die schlechteren Laufeigenschaften gegenüber gewöhnlichen Drehgestellen, da die auf die Treibachsen wirkenden Stöße nicht halbiert werden. Außerdem neigen Maximumdrehgestelle mit vorauslaufender Laufachse wegen ihrer geringen Achslast bei schlechter Gleislage zu Entgleisungen. Durch die Weiterentwicklung der Steuerungstechnik und der daraus resultierenden Möglichkeit, mit vergleichbarem Aufwand vier Fahrmotoren in einen Wagen zu nutzen, wurden nach dem Ersten Weltkrieg nur noch wenige Wagen mit Maximumdrehgestellen gebaut. Eine Ausnahme bildete die Straßenbahn München, für die sie bis in die 1930er Jahre beschafft wurden. Triebwagen mit Maximumdrehgestellen blieben bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts im Einsatz.
Eine vergleichbare Konstruktion wurde noch einmal in den 1990er Jahren bei den Kurzgelenk-Niederflur-Triebwagen GTxN/M/S von AEG bzw. Adtranz verwendet. Auch hier sind im Drehgestell ein Lauf- und ein Treibradpaar angeordnet. Der Auflagerpunkt des Wagenkastens ist wie beim Maximum-Drehgestell zum Treibradpaar hin versetzt, so dass die Treibräder mit rund zwei Drittel der Fahrzeugmasse belastet werden.
Auch die Brüsseler Straßenbahn hat mit den Tram 2000 Fahrzeuge mit asymmetrischen Drehgestellen im Einsatz, deren Treib- und Laufräder unterschiedliche Raddurchmesser aufweisen.
Siehe auch
Literatur
- Drehgestelle. In: Victor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Auflage. Band 3: Braunschweigische Eisenbahnen–Eilgut. Urban & Schwarzenberg, Berlin/Wien 1912, S. 421 ff.
- Karl Gerhard Baur: Drehgestelle – Bogies. EK-Verlag Freiburg 2006, ISBN 3-88255-147-X.
- Ivo Köhler, Uwe Poppel: Maximum-Drehgestelle – was ist das? In: Berliner Verkehrsblätter. Nr. 8, 2013, S. 152 f.
- Gerhard Bauer: Straßenbahn-Archiv 1. Transpress-Verlag 1983.
Weblinks
Einzelnachweise
- Johannes Feihl: Die Diesellokomotive – Aufbau, Technik, Auslegung. Kapitel: 6.2 Triebdrehgestelle und deren Anlenkung. Transpress-Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-613-71060-9.
- Type T (Wien, 1901–1956) im Stadtverkehr-Austria-Wiki
- Gerhard Bauer: Straßenbahn-Archiv 1. Transpress-Verlag 1983, S. 179.