Renaturierung
Unter Renaturierung versteht man die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten, genutzten Bodenoberflächen. Der Ausdruck ist besonders für den naturnahen Umbau vorher technisch ausgebauter Gewässer üblich.
Für Anwohner geht von naturnah renaturierten Flüssen und Bächen eine geringere Hochwassergefahr aus. Außerdem steigt die Lebensqualität überall dort, wo ein möglichst vielfältiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen entsteht, der darüber hinaus für den Abbau umweltbelastender Stoffe, wie Abwasser oder Dünger eine wichtige Rolle spielt.[1]
Renaturierung als wissenschaftlicher Teilbereich der Biologie
Theorie und Praxis der Habitat-Wiederherstellung mit definierten Ansprüchen ist Gegenstand der wissenschaftlichen Teildisziplin der Renaturierungsökologie und wird zu den Umweltwissenschaften gezählt. Gegenstand der Maßnahmen können, unter anderem, landwirtschaftliche Flächen, Meliorationsgebiete, aufgelassene Industrie- und Verkehrsanlagen oder Bergbaufolgelandschaften sein.[2] Ziel ist ein Ökosystem, das sich auf lange Sicht weitgehend ohne menschliche Hilfe regeneriert und selbst erhält.[3]
Im universitären Bereich befassen sich folgende Studiengänge, Lehrstühle und Fachgruppen (im deutschsprachigen Bereich) mittlerweile schwerpunktmäßig mit Renaturierung:
- Aquatische Ökologie, an der Fakultät für Biologie der Universität Duisburg-Essen[4]
- Forschungsbereiche des Lehrstuhls für Renaturierungsökologie an der Technischen Universität München[5]
- Gewässerökologie und Naturschutz an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg[6]
- Ökosystemforschung: Renaturierung von Flussauen, an der Universität Koblenz-Landau[7]
In der Schweiz wird die Renaturierung von Flüssen und Bächen auch Revitalisierung genannt.
Bedeutung für Mensch und Natur
Die Wasseraustriebspolitik
Im Lauf der vergangenen 100 Jahre wurden zahlreiche Flüsse und Bäche begradigt, Moore und Feuchtgebiete entwässert und Böden durch landwirtschaftliche Nutzung verdichtet. Diese Politik der so genannten Wasseraustreibung, die auch das Zurückdrängen von Auen durch Deiche beinhaltet, zeigt zunehmend ihre negativen Folgen. Wo eine Wasserspeicherung in der Fläche nicht mehr möglich ist, wird nicht nur weniger Grundwasser gebildet, ein wirksamer Schutz gegen Hochwasser ist ebenfalls – insbesondere bei Extremwetterereignissen – nicht mehr gegeben.[8]
Beginn des Umdenkens
In Deutschland begann man in den 70er Jahren mit der Durchführung erster Renaturierungsmaßnahmen. Das vorrangige Ziel war es dabei, die ökologische Vielfalt in Auenlandschaften und Fließgewässern zu erhalten sowie deren Funktionen im natürlichen Gleichgewicht wieder herzustellen. Leider wurde der Erfolg der jeweiligen Projekte in der Anfangszeit nur selten ausreichend dokumentiert, zudem hatten diese den Ruf, zu teuer zu sein. Im Laufe der Zeit wurde bei Renaturierungsprojekten verstärkt darauf gesetzt, der Natur in gewissen Schutzzonen mehr Eigendynamik zuzugestehen. Dies erwies sich nicht nur als finanziell günstiger, auch waren positive Effekte deutlicher nachweisbar.[4]
Da – nicht nur in Deutschland – nahezu alle Gewässer sowohl aus struktureller als auch ökologischer Sicht als „stark beeinträchtigt“ gelten, fordert die im Jahr 2000 erlassene Europäische Wasserrahmenrichtlinie umfangreiche Renaturierungs- und Verbesserungsmaßnahmen. Neben der Sicherung der Wasserqualität gewinnen auch die Verbesserung des gesamten ökologischen Zustandes, der Erhalt der Biodiversität und Aspekte des Klimaschutzes an Relevanz. In diesem Zusammenhang werden Renaturierung und Erhalt von Mooren erstmals als wichtiger Aspekt des Natur- und Umweltschutzes definiert.[9]
Der stellenweise erfolgreich wieder angesiedelte Biber leistet durch seinen Beitrag zur Landschaftsgestaltung einen so wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung intakter Ökosysteme, dass er mittlerweile als „Leitart“ für manche Gewässerschutzprojekte gilt. Durch seine Bautätigkeit staut der Biber Fließgewässer an, was zahlreichen weiteren Arten eine Ansiedlung ermöglicht und so maßgeblich zur Aufwertung von Gewässern sowie zur Renaturierung von Mooren beiträgt.[9] In Bayern gelang die Auswilderung und Wiederansiedlung von Bibern (ab 1969), nachdem sie dort bereits 100 Jahre ausgerottet waren.[10]
Ein weiterer Ansatz beinhaltet das Rewilding, die Renaturierung von Naturgebieten mittels der Wiedereinführung der in der jeweiligen Region ehemals vertretenen Megafauna. Die Wiederansiedlung großer Weidetiere, wie z. B. dem Wisent, würde unter anderem die Voraussetzungen für die Schaffung von Feuchtwiesen begünstigen.[11]
Aktuelle Relevanz der Renaturierung
Anlässlich des schweren Hochwassers in West- und Mitteleuropa, das im Juli 2021 allein in Deutschland über 150 Menschenleben gefordert hat,[12] fordert der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) einen konsequenten Ausbau des ökologischen Hochwasserschutzes, um derartige Ausmaße in Zukunft zu verhindern. Überflutungsflächen müssten hierfür konsequent ausgewiesen werden und dürften nicht bebaut, landwirtschaftlich genutzt oder durch Straßenbau versiegelt werden.[13]
Insbesondere durch den Klimawandel hat der Mensch einen wesentlichen Anteil an der Häufigkeit und der Heftigkeit, mit der Hochwasser und Überflutungen auftreten. Durch ihn kam es daher ab dem Jahr 2000 gehäuft zu Überflutungen, wie sich auch an der Liste von Hochwasser-Ereignissen deutlich ablesen lässt.[14]
Der Verlust ursprünglicher Überschwemmungsflächen führt insbesondere bei lang anhaltendem Starkregen zu Überschwemmungsereignissen, die gravierender sind als vor der Verbauung und Begradigung der meisten Flüsse. In zahlreichen Projekten wurde daher überall auf der Welt damit begonnen, Fließgewässer zu renaturieren, Uferbepflanzung wiederherzustellen und die Gewässer in einen naturnaheren Zustand zurückzuführen. Auch der Rückbau von Deichen spielt in diesem Kontext eine entscheidende Rolle.[15]
Renaturierung in unterschiedlichen Bereichen
Die Wiederaufforstung von natürlichen Wäldern und bewirtschafteten Wäldern.
Gewässer und Feuchtgebiete
Fließgewässer
Ob naturbelassen oder renaturiert; Fließgewässer beherbergen als Ökosysteme zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Außerdem schwächen Flüsse Hochwasserwellen überall dort ab, wo ihnen genug Raum gelassen wird, um über die Ufer zu treten. Naturnahe Gewässerabschnitte in Städten leisten darüber hinaus einen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas und des Wohnumfeldes.[1]
Bei der Renaturierung von begradigten und kanalisierten Flussläufen wird versucht, die Eigenschaften von Flussbett und -ufer als Lebensraum wiederherzustellen, z. B. die Wiederansiedlung ursprünglicher Tier- und Pflanzenarten durch die Schaffung unterschiedlicher Strömungsgeschwindigkeiten im Fluss zu ermöglichen. Um bei insgesamt niedrigerer Strömungsgeschwindigkeit keine erhöhte Hochwassergefahr zu erhalten, wird im Regelfall der Fließquerschnitt vergrößert. Üblicherweise wird hierfür die Neigung der Böschungen angepasst oder der Flusslauf insgesamt verbreitert. (Beispiele in Deutschland: Emscher, Isar, Jagst,[16] Menach, Schlatbach, Schwalm, Sieg, Tauber,[17] Untere Havel,[18] Weschnitz, Wuhle oder Wupper[19] und in der Schweiz: Aare, Aire,[20] Linth, Simmi oder Zihl) Beispielhafte Maßnahmen sind die Mäandrierung des Flussbetts, die Schaffung von Kiesbänken, Flussteilungen, Inseln und Eisvogel-Wänden.[17]
Eine Sonderform der Renaturierung in Städten ist die Offenlegung unterirdisch kanalisierter Gewässer (Dole) zur Aufwertung der Lebensqualität.[21]
Konkrete Maßnahmen im Flussufer- und Auenbereich
Flussauen, Auwälder und Bruchwald, sowie ähnliche Feuchtgebiete, werden in zunehmendem Umfang als wichtige Biotope wahrgenommen, deren Zerstörung mit dem Verlust von Überschwemmungsflächen, im Fall von Hochwasser auch für den Menschen schwere Folgen haben kann. In Deutschland wurde der Zustand dieser wassernahen Biotope bereits 2009 vom Bundesumweltministerium zusammen mit dem Bundesamt für Naturschutz erfasst. Dabei wurde festgestellt, dass zwei Drittel der ursprünglichen Überschwemmungsflächen der Flüsse bei Hochwasserereignissen nicht mehr geflutet werden können. In manchen Bereichen von Donau, Elbe, Rhein und Oder waren bereits zwischen 80 und 90 Prozent der ursprünglichen Bereiche bei Überflutung nicht mehr vom Flutwasser erreichbar. In Deutschland sind daher ab 2015 Renaturierungsmaßnahmen im Rahmen des Programms Blaues Band Deutschland vom Bundesumweltministerium in Zusammenarbeit mit dem Bundesverkehrsministerium in die Wege geleitet worden. Insbesondere der präventive Hochwasserschutz soll von den folgenden Maßnahmen profitieren:[22][23]
- Rückbau oder Schlitzung von Deichen und Dämmen
- Rückverlegung von Deichen landeinwärts zur Wiedergewinnung natürlicher Rückhalteflächen
- Entgradigung von Flüssen und Schaffung natürlicher Gewässerufer, auch in möglicherweise verbauten Altarmen durch die Entfernung von Uferverbau
- Belassen oder Einbringen von Totholz
- Schrittweise Wiederansiedlung der typischen Tier- und Pflanzenarten
Beispiele für Flussabschnitte
In folgenden Flussabschnitten wurde bereits mit der Renaturierung begonnen:[24]
Stehende Gewässer und Feuchtgebiete
Anders als in Fließgewässern herrscht in stehenden, also Stillgewässern, keine Strömung. Sie beinhalten natürliche Gewässer wie Seen, Weiher, Tümpel und Sölle. Darüber hinaus schließen Stillgewässer künstlich entstandenen Gewässer mit ein, wie durch Flussbegradigung abgeschnittene Altwässer (vom Hauptfluss abgetrennte Flussarme und Mäander) sowie vom Menschen angelegte Teiche.[29]
Feuchtgebiete sind Biotope, bei denen das Oberflächen- oder Grundwasser sich unmittelbar in der Nähe der Bodenoberfläche befindet oder diese erreicht. Hierzu zählen sämtliche Moore und Sümpfe sowie Nass- und Feuchtwiesen und Marschland. Durch menschliche Eingriffe, insbesondere Entwässerung, sind Feuchtgebiete weltweit stark dezimiert worden.[30]
Feuchtwiesen
Feuchtwiesen sind durch Entwässerung und Umwandlung in Acker- oder Weideland fast völlig verschwunden. Es handelt sich hierbei um gehölzfreie Biotope auf feuchten bis nassen Standorten. Periodisch überschwemmte Auenwiesen, bieten nicht nur zahlreichen Vögeln und Insekten einen Lebensraum, sondern leisten darüber hinaus einen präventiven Beitrag zum Hochwasserschutz, da sie große Wassermengen speichern und so die Fließgewässer entlasten.[31]
Zur Renaturierung von Feuchtwiesen können folgende Maßnahmen zum Einsatz kommen:[32][31]
- Wiedervernässung
- Schaffen von Überflutungsfläche durch Entfernung oder Aufschlitzen von Deichen
- Bodenvorbereitung mit Forstmulcher
- Landschaftspflege durch Entfernung von Büschen (Entbuschungen und Schlägerung)
- Neuanlage durch Einsaat typischer Pflanzen
- Ausgleichszahlungen an Landwirte, die zum Erhalt von Feuchtwiesen beitragen
Moore
Durch ihre Fähigkeit große Mengen von CO2 zu Speichern haben, leisten Moore einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Der Mensch erkannte diese Funktion leider erst sehr spät und hatte den Großteil der vorhandenen Moore durch Torfabbau und Entwässerung entweder vollständig zerstört oder zumindest stark beschädigt. Aufgrund ihrer akuten Gefährdung stehen insbesondere noch intakte Hochmoore mittlerweile überwiegend unter Naturschutz.[33]
Gleichzeitig werden allein in Deutschland noch immer jährlich 10 Millionen Kubikmeter Torf gestochen (davon rund 90 Prozent in Niedersachsen). Entwässerung sowie Torfschwund führen zur Zerstörung der Torfmoose und schließlich der gesamten Moore. Noch naturnahe Moore sind darüber hinaus durch übermäßigen Nährstoffeintrag aus angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen und der Luft geschädigt, die zu Eutrophierung führen.[34]
Die Wiedervernässung soll im Rahmen der Renaturierung von Mooren dazu beitragen, dass wieder ein intakter Wasserhaushalt hergestellt wird. Auf den vernässten Standorten kann sich die moortypische Flora und Fauna dann wieder ansiedeln und durch die Wiederansiedlung von torfbildende Pflanzen lässt sich die Funktion der Moore mittelfristig wieder herstellen. Der Beitrag zum Klimaschutz wäre erheblich; würden z. B. alle trockengelegten Moore in Deutschland durch Wiedervernässung renaturiert, so könnten nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz jährlich bis zu 35 Mio. Tonnen CO2 gespeichert werden.[33]
Bodensanierung durch Bodenverbesserungsmaßnahmen
Bodensanierung befasst sich entweder mit der Verbesserung der Bodeneigenschaften, der Reinigung oder der Rekultivierung von Böden, die durch Schadstoffen verunreinigt wurden. Nach wirtschaftlicher Nutzung (insbesondere durch den Tagebau) ist eine Wiederherstellung einer gewissen Bodenqualität in vielen Ländern rechtlich verankert. Böden, die durch Entwässerungsmaßnahmen geschädigt wurden, können durch Wiedervernässung revitalisiert werden (siehe oben).[35]
Durch Bodenverdichtung kann sowohl die Wasserleitfähigkeit als auch die Luftleitfähigkeit von Böden sehr stark reduziert werden. Der Zustand dieser Böden kann entweder durch mechanische Lockerung oder durch eine Durchwurzelung mit tief wurzelnden Pflanzen verbessert werden. Die Bodenstruktur kann außerdem durch die Anreicherung mit Humus sowie eine weniger intensive Nutzung bzw. eine Nutzungspause verbessert werden.[35]
Ein weiteres Problem besteht in der Anreicherung der Böden mit Schadstoffen. Falls diese nicht vollständig entfernt werden können, wird eine deutliche Reduktion des Schadstoffgehaltes im Boden angestrebt. Wenn andere Maßnahmen nicht mehr greifen, muss ein Bodenaustausch vorgenommen werden. Zu den gängigsten Verfahren zur Schadstoffreduktion zählen chemische Verfahren, wie die Extraktion von Schadstoffen durch Lösungsmitteln und biologische Sanierungsmaßnahmen, bei denen mit Hilfe von natürlichen Organismen, mittels Bioremediation Schadstoffe aus Erdölraffinerien oder Lösungsmittel entfernt werden können. Außerdem gibt es spezielle Adsorptionstechniken, durch die Schadstoffe chemisch verändert und so (z. B. durch eine Veränderung des pH-Werts) deutlich reduziert werden können.[36]
Bodensanierung durch Vegetation
Die Wiederherstellung einer Vegetationsdecke, die im Idealfall die landschaftstypischen Merkmale aufweist, ist eine weitere wichtige Aufgabe im Rahmen der Bodensanierung.[35]
Ungeplante Bepflanzung
Für die erste Begrünung eines sanierten Bodens besteht die Möglichkeit der Natur auf Brachen freien Lauf zu lassen. Die sogenannte Ruderalvegetation stellt sich durch Samenausbreitung – ohne menschliches Eingreifen – als dynamischer Vorgang auf offenen Flächen ein. Geringe Ansprüche an Standort und Bodenqualität zeichnen Pflanzen aus, die im Volksmund nach wie vor als „Unkraut“ bezeichnet werden. Diese Pionierpflanzen können sich relativ schnell und in großer Vielfalt ausbreiten. Da auf Sukzessionsflächen oft unerwünschte Neophyten zur Vorherrschaft kommen, müssen aber ggf. Maßnahmen gegen deren invasive Ausbreitung getroffen werden.[37]
Beispiel für geplante Bepflanzung
Am niedersächsischen Hainberg soll, in der Nähe einer Abbaustätte für Quarzsand, eine Kompensationsfläche geschaffen werden, die gewisse qualitative Ansprüche erfüllen muss, da die Fläche an ein Landschaftsschutzgebiet grenzt. Im vorliegenden Fall wurde die Pflanzung von Eichen und Hainbuchen in mehreren Schritten beschlossen, mit dem Ziel einen möglichst naturnahen Wald entstehen zu lassen. Um eine möglichst große biologische Vielfalt zu ermöglichen, wurde außerdem die Anpflanzung einer Heckenlandschaft geplant, um den Verlust von Lebensraum durch den Quarzsandabbau für diverse Vogelarten abzumildern.[38]
Tagebau
Die Umweltauswirkungen des Tagebaus sind umfangreich, da der Flächenverbrauch in diesem Wirtschaftszweig besonders hoch ist, entstehen durch die Stilllegung von Betriebsflächen an zahlreichen Orten Bergbaufolgelandschaften. Die Unternehmen sind in Deutschland zur Rekultivierung stillgelegter Flächen verpflichtet. In der Lausitz kommen, nach Angaben der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft folgende Sanierungsmaßnahmen zum Einsatz:[39]
- Rekultivierung durch Anpflanzen ausgewählter Pionierpflanzen (Ruderalvegetation)
- Aufforstung von Bergbaulandschaften
- Stabilisierung und Begrünung von Gefällen durch Böschungsbegrünung
- Anlage von Seen durch Flutung von Tagebauflächen; Lausitzer Seenland
- Nutzung von Abraumhalden für die Errichtung Windkraftanlagen und/oder Sendemasten
- Naturschutz- und Naherholungsgebiete
Sanierung nach Kaliabbau
Durch Kalibergbau werden Kalisalze, z. B. zur Produktion von Dünger abgebaut. Die dabei entstehenden Abraumhalden enthalten einen sehr hohen Anteil an Natriumchlorid, wobei die Bergschäden nicht auf die eigentliche Halde begrenzt sind, da das Salz durch Regen und Witterung zur Versalzung der umliegenden Böden führt. Eine Rekultivierung durch Begrünung ist aufgrund der speziellen Bodenbeschaffenheit besonders schwierig.[40] Das hier tätige Unternehmen K+S AG stellte im Februar 2018 diesbezügliche Pläne vor.[41]
Das Institut für Biowissenschaften der Universität Rostock daher die Möglichkeit salztolerante Grünalgen und Cyanobakterien für die Begrünung von Kalihalden einzusetzen. Die ersten Versuchsreihen ergaben, dass die Bildung von Bodenkrusten auf Kalihalden auf diesem Weg möglich ist und die anschließende Ansiedlung höherer Pflanzen erleichtert werden kann.[40]
Problemfall: Sanierung nach Uranabbau
Mit radioaktiven Rückständen belastete Halden, die in Folge von Uranbergbau entstehen, sind ein weltweites Problem. Jedoch bemüht sich kaum ein Land so intensiv, die Altlasten aus dem Urababbau zu sanieren und die Strahlenbelastung für die Bevölkerung zu reduzieren, wie Deutschland. Manchmal aus Desinteresse, mitunter aber auch weil die erforderlichen Gelder fehlen.[42]
Zwischen 1994 und 1990 wurden nordöstlich der Teillagerstätte Oberschlema in Sachsen über 1.000 Gänge zur Förderung von Uranerz, in bis zu 2.000 m Teufe angelegt. Bereits vor der Wende entstanden insgesamt 42 Halden (Gesamtvolumen ca. 45 Mio. m³) mit einem Flächenbedarf von ca. 313 ha. Das Unternehmen trägt lediglich die Sanierungsverantwortung für die Hälfte der Halden.[43]
Nach dem Abbau von 80.000 Tonnen Uran mussten Millionen Kubikmeter Halden rund um den tiefsten Schacht Europas (Schacht 371) saniert werden. Dabei erlaubte das Bundesverfassungsgericht die Sanierung entsprechend den weniger strengen Regelungen des DDR-Strahlenschutzrechts. Die ehemalige Grube und für die Wasseraufbereitung war das Grubenwasser mit diversen gesundheitsgefährdenden, schwermetallhaltigen und radioaktiven Substanzen angereichert, unter anderem mit Radon, Arsen, Uran, Radium und Mangan.[44][42]
Mit dem Ziel, die Strahlenbelastung auf weniger als einem Millisievert pro Jahr abzusenken, hat die Bundesrepublik über sechs Milliarden für die Beseitigung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen investiert. Dabei sind sowohl die Pflanzenabfolge bei der Begrünung als auch die Höchstmenge und maximale Belastung von gereinigten Wasser, was in die Flüsse eingeleitet werden darf, vorgeschrieben. Ein Plan liegt bis zum Jahr 2045 vor, jedoch müssen auch danach Kosten für den Unterhalt der Wasserableitsysteme sowie Reparaturen der Abdeckschicht mit einkalkuliert werden. Die Stadtverwaltung bemüht sich mittlerweile Teile des Haldengebiets touristisch zu erschließen, mit einem Besucherbergwerk, einem Golfplatz und als Kurort mit Radonheilbad.[44][43]
Versiegelte Flächen
Mittlerweile wurde erkannt, dass der hohe Anteil an durch Baumaßnahmen undurchlässig gewordenen, versiegelten Böden nicht nur im Hochwasserfall nachteilige Auswirkungen hat.[45]
In Deutschland sind z. B. rund 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen entweder bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig versiegelt. Weder die Wasserdurchlässigkeit noch andere wichtige Bodenfunktionen wie Durchlüftung und Bodenfruchtbarkeit bleiben dadurch erhalten.[46]
Im Zentrum von Städten kann die Bodenversiegelung noch höhere Ausmaße erreichen und bis zu 100 Prozent der vorhandenen Fläche betreffen. Intakte Bodenflächen leisten einen Beitrag zur Abkühlung durch Verdunstungsleistung und haben die Fähigkeit Wasser zu absorbieren. Versiegelte Flächen speichern stattdessen die Sonnenwärme und geben sie an die Umgebung ab, so dass ein deutlich wärmeres Stadtklima die Folge ist.[47]
Da das Auftreten von Hitzewellen in Zeiten der globalen Erwärmung zunimmt, plädieren Fachleute dafür, insbesondere die zusätzliche Verdichtung von Städten nach Möglichkeit zu verhindern oder durch Begrünung auszugleichen. Eine ausgewogene Stadtentwicklung sollte darüber hinaus die Verdunstungskälte von Gewässern und den kühlenden Effekt von Bäumen in Zukunft stärker berücksichtigen.[48]
Entsiegelte, bewachsene Böden können für ein kühleres Stadtklima an hießen Tagen sorgen und im Fall von Regenperioden Wasser aufnehmen. Die besten Effekte durch kombinierte Begrünung und Abbau der Versiegelung werden erreicht, wenn die Böden und die Begrünung der Stadt als Ganzes betrachtet werden. Die Schaffung innerstädtischer Grünflächen und die kontinuierliche Begrünung von Dächern, Straßen und Freiflächen kann einen positiven Gesamteffekt erzielen.[49]
Landwirtschaftliche Flächen
Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind oft durch den langjährigen Einsatz von Düngemitteln kontaminiert. Der vollständige Abbau dieser Schadstoffe wird, auch durch die Größe der betroffenen Flächen, in absehbarer Zukunft nicht möglich sein. Bei stark belasteten Nutzflächen kann der weniger kontaminierte Unterboden durch Tiefpflügen an die Oberfläche geholt werden. Andere Möglichkeiten sind der Auftrag einer zusätzlichen Oberschicht oder eine Einschränkung der Nutzung.[36]
Ein weiteres Problem konventionell bewirtschafteter Flächen besteht in der Bodenverdichtung durch das Befahren der Felder mit schweren, landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen (z. B. Mähdrescher). Zu hoher Druck bewirkt die Beschädigung oder Zerstörung der Poren in verdichteten Böden, wodurch es zu Problemen mit der Sauerstoffversorgung und geringerer Wasserdurchlässigkeit kommt. In Jahren mit extremer Witterung kommt es so zunehmend zu Ertragseinbußen durch beeinträchtigtes Pflanzenwachstum auf verdichteten Böden. Wo die Wurzelbildung durch verdichtete Böden leidet, kann – insbesondere in Folge schwerer Niederschläge – Bodenerosion die Folge sein. Maßnahmen gegen eine (zusätzliche) Verdichtung des Bodens beinhalten:[50][51]
- Verringerung des Kontaktdrucks durch landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge durch entsprechend breitere Bereifung und Anhebung der Kontaktfläche.
- Maximale Radlast von 10 t bei trockenem Boden und 6 t bei nassem Boden
- Bearbeitung nur bei trockenem Boden
- Möglichst kein Befahren nasser Böden (aufgrund reduzierter Tragfähigkeit)
- Verringerung der Anzahl von Überfahrten (z. B. durch Verringerung der Bearbeitungsintensität)
- Verringerung der befahrenen Fläche
- Der Verbleib von Ernteresten wirkt Erosion und Verschlämmung entgegen
- Mineraldünger kann durch den Verbleib von Ernteresten, die zu Humus umgesetzt werden, eingespart werden
- Bevorzugt organischen Dünger einsetzen
- Der Anbau von Zwischenfrüchten (siehe auch Zwischenfruchtbau) verbessert das Bodenklima
- Auswahl der Fruchtfolge nach bodenverbessernden Gesichtspunkten
- Je nach Bodentyp kann außerdem der pH-Wert durch Humusgabe oder Kalkung optimiert werden
Wirkung und Grenzen der Renaturierung
Durch Renaturierung lassen sich degradierte bzw. in einem naturfernen Status befindliche Flächen üblicherweise nicht wieder komplett in den Zustand vor dem Eingriff versetzen. Unter anderem bleibt die Biodiversität auf den renaturierten Flächen geringer als vor der Störung, auch der Kohlenstoffkreislauf und der Stickstoffkreislauf weisen nach der Renaturierung geringere Werte auf als die ursprünglichen Ökosysteme. Die Wiederherstellung von Flächen, die durch menschliche Nutzung geschädigt wurden, ist somit kein Ersatz für den vorbeugenden Schutz von Ökosystemen.[52]
Nach intensiver Bewirtschaftung durch den Menschen lässt sich eine sogenannte „anthropogen überprägte Moorlandschaft“ nicht mehr so wiederherstellen, dass ein ursprünglicher oder vergleichbarer naturnaher Zustand erreicht wird. Allein die Torfschichten abgetorfter Moore würden tausende von Jahren benötigen, um wieder die ehemalige Ausprägung zu erlangen. Dennoch ist es sinnvoll, auch bei stark betroffenen Moorflächen die Nutzung einzuschränken oder bestenfalls ganz zu stoppen, um so eine geringere Menge an Treibhausgasen freizusetzen.[33]
Siehe auch
Literatur
- Ralf Sartori (Hrsg.): Die neue Isar – Renaturierung, kulturelle Öffnung und Ideen-Fluß… Band I. Buch & Media GmbH, München 2010, ISBN 978-3-86520-381-6.
- Ralf Sartori (Hrsg.): Die neue Isar – Renaturierung, kulturelle Öffnung und Ideen-Fluß… Das Buch zum Abschluß des Projekts „Isar-Plan.“ Band II. Buch & Media GmbH, München 2011, ISBN 978-3-86520-390-8.
- Peter Klimesch: Isarlust – Entdeckungen in München. MünchenVerlag, München 2011, ISBN 978-3-937090-47-4. Die renaturierte Münchner Isar von der Großhesseloher Eisenbahnbrücke bis zur St.-Emmeram-Brücke.
Weblinks
Einzelnachweise
- Infoportal des UBA zur Renaturierung von Fließgewässern Umweltbundesamt, abgerufen am 17. Juli.
- Johannes Kollmann: Warum Renaturierung? In: Renaturierungsökologie. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-54913-1, S. 3–12, doi:10.1007/978-3-662-54913-1_1.
- Kluge Renaturierung ist angesagt! In: wissenschaft.de. 29. April 2019 (wissenschaft.de [abgerufen am 12. Oktober 2020]).
- Aquatische Ökologie, Fakultät für Biologie, Renaturierung Universität Duisburg-Essen, abgerufen am 17. Juli.
- Forschungsbereiche des Lehrstuhls für Renaturierungsökologie Technische Universität München, abgerufen am 17. Juli.
- Gewässerökologie und Naturschutz Universität Oldenburg, abgerufen am 17. Juli.
- Campus Landau. Fachbereich 7: Natur- und Umweltwissenschaften. iES Landau. Ökosystemforschung Anlage Eußerthal. Auen. Schutz und Renaturierung. Renaturierung von Flussauen Universität Koblenz-Landau, abgerufen am 17. Juli.
- „Wasseraustriebspolitik“ wird zum Bumerang Natur und Landschaft, abgerufen am 17. Juli.
- Der Biber (Castor fiber) als Leitart für eine integrative Naturraumentwicklung Uni Freiburg, abgerufen am 17. Juli.
- Europäischer Biber: Verbreitung in Bayern Bund Naturschutz in Bayern e. V., abgerufen am 17. Juli.
- Lebensraum Feuchtwiesen. Großwildtiere oder Maschinen? Naturefund, abgerufen am 17. Juli.
- Hochwasser-Ticker: Zahl der Todesopfer steigt auf 156 BR, abgerufen am 17. Juli.
- Künftige Hochwasserschäden verringern: BUND fordert Maßnahmenpaket für ökologischen Hochwasserschutz BUND, abgerufen am 17. Juli.
- Hochwasser - vom Menschen verstärkt (S. 16 ff) Umweltbundesamt, abgerufen am 19. Juli.
- Mehr Raum für den Fluss (S. 16 ff) Umweltbundesamt, abgerufen am 19. Juli.
- Fränkische Nachrichten: Renaturierung: Nach Jagstkatastrophe großen Maßnahmenkatalog umgesetzt / Widerstandskraft des Gewässers stärken. Eine Umleitung gehört zum Progamm. 19. Oktober 2016. Online auf www.fnweb.de. Abgerufen am 18. Dezember 2016.
- Fränkische Nachrichten: Renaturierung der Tauber: Aufwändige Baumaßnahme des Regierungspräsidiums Stuttgart steigert die ökologische Vielfalt / Kosten von über einer Million Euro. Neues Flussbett nimmt immer mehr Gestalt an. 27. Oktober 2016. Online auf www.fnweb.de. Abgerufen am 18. Dezember 2016.
- NABU: Untere Havel. Online auf www.nabu.de. Abgerufen am 17. Dezember 2016.
- Wupper-Renaturierung in der Kohlfurth startet am 2. September 2019. In: wuppertaler-rundschau.de. 2. September 2019, abgerufen am 3. September 2019.
- Bundesamt für Umwelt: Das Renaturierungsprojekt der Aire gewinnt den Landschaftspreis des Europarats. 16. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019.
- Peter-J Kramer: Offenlegung von Stadtbächen weltweit
- Den Flüssen mehr Raum geben: Renaturierung von Auen Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium, abgerufen am 22. Juli.
- Blaues Band Deutschland Bundesumweltministerium, abgerufen am 22. Juli.
- Bundesprogramm„Blaues Band Deutschland“Modellprojekte als ökologische Trittsteine an den Bundeswasserstraßen Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium, abgerufen am 22. Juli.
- Erstes BBD-Auenförderprojekt startet an der Unterelbe Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium, abgerufen am 22. Juli.
- Gemeinsam für das blaue Band der Oberweser NABU, abgerufen am 22. Juli.
- Start des BBD-Auenförderprojekts an der Unteren Havel Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium, abgerufen am 22. Juli.
- Mehr Vielfalt für die Aller und ihre Aue Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium, abgerufen am 22. Juli.
- Lexikon der Biologie: Stehende Gewässer Spektrum, abgerufen am 19. Juli.
- Lexikon der Biologie: Feuchtgebiete Spektrum, abgerufen am 19. Juli.
- Feuchtwiesen und Feuchtwälder WWF, abgerufen am 19. Juli.
- Wasserfonds: Schutz von Wasserlebensräumen Naturschutzbund Österreich, abgerufen am 19. Juli.
- Moorschutz - Situation und Handlungsbedarf Bundesamt für Naturschutz, abgerufen am 17. Juli.
- Situation und Erhaltungszustand der Moore. Deutschland Bundesamt für Naturschutz, abgerufen am 17. Juli.
- Lexikon der Geowissenschaften: Bodensanierung Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes, abgerufen am 19. Juli.
- Lexikon der Geowissenschaften: Bodensanierung Spektrum, abgerufen am 19. Juli.
- Ruderalvegetation - Was ist das? Technische Universität Braunschweig, abgerufen am 19. Juli.
- Allgemeine Vorprüfung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung Land Niedersachsen: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, abgerufen am 19. Juli.
- Ökologie und forstliche Rekultivierung LMBV, abgerufen am 19. Juli.
- Renaturierung von Kali-Abraumhalden Deutsche Bundesstiftung Umwelt, aufgerufen am 10. November 2021
- Abdeckung mit Schlacke-Asche-Gemisch: K+S stellt Mammut-Projekt vor In: Osthessen News, 8. Februar 2018
- Uranatlas. Die Altlast der Wismut, aufgerufen am 10. November 2021
- Haldenlandschaft Bad Schlema Wismut GmbH, aufgerufen am 10. November 2021
- Renaturierung von UranabbaugebietStrahlende blühende Landschaften Deutschlandfunk, aufgerufen am 10. November 2021
- Erderwärmung begünstigt laut Klimaforschern extremes Wetter Die Zeit Ausgabe vom 15. Juli 2021.
- Bodenversiegelung Umweltbundesamt, abgerufen am 19. Juli.
- Bodenversiegelung – Was ist das? Flächeninanspruchnahme reduzieren – Geht das? Sachsen.de, abgerufen am 19. Juli.
- Hitze in der Stadt mit mehr Weiß, Grün und Blau verringern br, abgerufen am 19. Juli.
- Aus Grau mach Grün (S. 10 ff) NABU, abgerufen am 19. Juli.
- Bodenverdichtungen vermeiden. Bodenfruchtbarkeit erhalten und wiederherstellen Umweltministerium NRW, abgerufen am 19. Juli.
- Bodenverdichtungen vermeiden Ökolandbau, abgerufen am 19. Juli.
- David Moreno-Mateos et al.: Anthropogenic ecosystem disturbance and the recovery debt. In: Nature Communications. Band 8, 2017, doi:10.1038/ncomms14163.