Liste der Stolpersteine in der Schweiz

Die Liste der Stolpersteine in der Schweiz enthält alle Stolpersteine, die im Rahmen des gleichnamigen Kunst-Projekts von Gunter Demnig in der Schweiz verlegt wurden. Am 8. September 2013 wurden die ersten beiden Stolpersteine in Kreuzlingen verlegt, am 13. September 2015 erfolgte die Verlegung eines Stolpersteins im Tägermoos, einer Gemarkung Konstanz’ auf Schweizer Gebiet. Präsident des nach dem Erscheinen des Buchs «Die Schweizer KZ-Häftlinge» gegründeten Vereins Stolpersteine Schweiz ist Res Strehle.[1]

Stolperstein für Otto Vogler im Tägermoos bei Tägerwilen, verlegt 2015

Bis Juni 2021 wurden in der Schweiz 14 Stolpersteine gesetzt. Die Verlegung von vier weiteren Stolpersteinen und einer Stolperschwelle sind bis Ende 2021 vorgesehen.

Kanton Basel-Stadt

Am 2. November 2021 sollen im Kanton Basel-Stadt vier Stolpersteine und eine Stolperschwelle verlegt werden:[2]

  • Stolperschwelle für zurückgewiesene Flüchtlinge: Grenzübergang Riehen-Lörrach
  • Stolperstein für Anna Maria Böhringer: Erlenstrasse 14, Basel
  • Stolperstein für Kurt Preuss: Rappoltshof 7, Basel
  • Stolperstein für Gaston Dreher: Mostacker 15, Basel
  • Stolperstein für Armin Weiss: Schnabelgasse 3, Basel

Kanton Thurgau

Im Kanton Thurgau wurden bis Ende 2020 drei Stolpersteine an drei Adressen verlegt, zwei in Kreuzlingen und einer in Tägerwilen. Die Initiative «Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz» initiierte die Verlegung dieser drei Stolpersteine auf Schweizer Gebiet in der Konstanzer Nachbargemeinde Kreuzlingen sowie in der Konstanzer Gemarkung Tägermoos. Die Verlegungen in Kreuzlingen fanden am 75. Jahrestag der Verhaftung der beiden Fluchthelfer statt.[3][4]

Kreuzlingen

Stolperstein Inschrift Standort Name, Leben
HIER WOHNTE
ERNST BÄRTSCHI
JG. 1903
VERHAFTET 1938
'VORBEREITUNG ZUM
HOCHVERRAT'
ZUCHTHAUS LUDWIGSBURG
BEFREIT/ÜBERLEBT
Schäflerstrasse 11
Ernst Bärtschi wurde am 15. Februar 1903 in Tuttlingen im heutigen Baden-Württemberg geboren. Er war Schweizer Bürger, wie sein Vater, ein Schuster aus Dulliken im Kanton Solothurn, der in Deutschland beim Bau der Schwarzwaldbahn arbeitete und eine Frau aus Tuttlingen heiratete.

Ernst Bärtschi und seine deutschen Freunde Karl Durst und Andreas Fleig schmuggelten ab 1933 politische Flugschriften und Broschüren. Später half er unzähligen Emigranten in die Schweiz zu flüchten. 1938 tappte er mit seinen Mitstreiter in eine Falle der Gestapo und wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt. Kurz vor Kriegsende wurde er von den Amerikanern befreit.

Bärtschi ist am 7. Dezember 1983 in Scherzingen im Kanton Thurgau verstorben.

HIER WOHNTE
ANDREAS FLEIG
JG. 1884
VERZOGEN 1912
DEUTSCHER STAATSBÜRGER
VERHAFTET 1938
'VORBEREITUNG ZUM
HOCHVERRAT'
ZUCHTHAUS LUDWIGSBURG
BEFREIT/ÜBERLEBT
Schäflerstrasse 7
Andreas Fleig wurde am 26. Januar 1884 im badischen Sulz an der Lahr geboren.[5] Seine Eltern waren der Schreiner Nikolaus Fleig und dessen Frau Elisabeth. Er hatte mehrere Geschwister und erlernte ebenfalls das Handwerk des Schreiners. Er übersiedelte nach Konstanz, trat 1904 dem Deutschen Holzarbeiterverband bei und war von 1910 bis 1914 Mitglied der SPD. 1912 übersiedelte er in die grenznahe Thurgauer Gemeinde Kreuzlingen und arbeitete für die Firma Jonasch & Cie, die Sitzmöbel herstellte. Er heiratete Wilhelmine Friedricke geb. Bleich und das Paar hatte einen Sohn, Karl Andreas, geb. am 10. November 1916 in Konstanz. Im Ersten Weltkrieg diente er von 1915 bis 1918 im deutschen Heer, kehrte aber 1918 von einem Heimaturlaub nicht zur Truppe zurück, sondern blieb in der Schweiz. 1928 kaufte er für zirka 15'000 Franken ein kleines Haus in der Schäflerstrasse 7 in Kreuzlingen. Ein Gemeinderat beschrieb ihn als einen «Schwaben von echtem Schrot und Korn. Tüchtig im Beruf und hilfsbereit im Leben.»

Fleig war ein erklärter Gegner des Nationalsozialismus und hielt Kontakt zu Gewerkschaftern und Sozialdemokraten. Bereits ab 1933 wurde er von der Gestapo steckbrieflich gesucht. Gemeinsam mit seinen Arbeitskollegen und Freunden Josef Anselm und Karl Durst aus Konstanz und seinem Hausnachbarn, dem Aluminiumarbeiter Hermann Ernst Bärtschi, schmuggelte er politische Broschüren und Zeitschriften, wie Der Funke, die afa-Nachrichten oder den Neuen Vorwärts von der Schweiz nach Deutschland. Weiters war er mit seinen Freunden als Kurier für Emigrantenpost von der Schweiz nach Deutschland tätig und besorgte auch Grenzpassierscheine, mit denen er verfolgte Funktionäre der deutschen Arbeiterbewegung über die Grenze lotste. Beispielsweise rettete er den SPD-Reichstagsabgeordneten Hans Unterleitner, der von 1933 bis 1935 im Konzentrationslager Dachau interniert war, und dessen Familie. Als er am 8. Mai 1938 gemeinsam mit Bärtschi und Durst den verfolgten Gewerkschaftsfunktionär Hans Lutz über die Grenze bringen wollte, wurden alle drei Fluchthelfer verhaftet. Lutz hatte unter Folter alle Namen der sogenannten Funkentruppe verraten. Ebenfalls verhaftet wurden Josef Anselm, Paulina Gutjahr und Bruno W. Schlegel, die anderen Mitglieder der Widerstandsgruppe. Fleig wurde am 12. Oktober 1938 vom Volksgerichtshof in Berlin unter Vorsitz von Karl Engert zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Am 7. November 1938 wurde er in das Zuchthaus Ludwigsburg überstellt, wo er bis 5. April 1945 inhaftiert blieb. Da sich die Amerikaner näherten, wurde er in das Zucht­haus Lands­berg/Lech überstellt, wo er am 28. Mai 1945 entlassen wurde. Während der Haft hatte Fleig bleibende gesundheitliche Schäden erlitten, Herzmuskel­schwäche, neuralgisch-rheumatische Beschwerden sowie ein schmerzhaftes Ohrenleiden.

1945 ging Fleig zuerst nach Konstanz, dann in seine Heimatstadt und schliesslich nach Dübendorf bei Zürich, wo sein Sohn arbeitete. Später übersiedelte er nach Esslingen am Neckar bei Stuttgart und Mitte der 1950er Jahre wiederum in seine Heimatstadt. Sein Antrag auf Haftentschädigung wurde vom badischen Finanzministerium am 28. Juli 1951 wie folgt beantwortet: «Der Antrag wird abgelehnt werden. Damit entfällt auch die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus». Nur mit Hilfe eines Anwalts konnte er seine Ansprüche durchsetzen. Andreas Fleig ist am 9. Februar 1971 in Sulz/Lahr verstorben.[6]

Tägerwilen

Stolperstein Inschrift Standort Name, Leben
HIER WOHNTE
OTTO VOGLER
JG. 1876
IM WIDERSTAND
VERHAFTET 1938
ZUCHTHAUS LUDWIGSBURG
NEUENGAMME
ERMORDET 14.12.1941
DACHAU
Konstanzerstrasse 123, Tägermoos
Otto Vogler wurde am 18. Oktober 1876 in der Gemeinde Leustetten, Amt Überlingen, geboren. Er war deutscher Staatsbürger. Seine Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft. Er selbst wurde 1896 zum Wehrdienst eingezogen, jedoch nach fünf Monaten wegen eines Beinbruchs vorzeitig entlassen. Danach arbeitete er in Südfrankreich, London und Paris als Haus- und Empfangsdiener. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, arbeitete Vogler in der Schweiz. Er meldete sich 1915 freiwillig zum deutschen Militär, wurde mehr­fach im Kampf verletzt und erkrankte im Winter 1916/17 in Mazedonien an Malaria. Er wurde von der Front abgezogen und als Dolmetscher eingesetzt. Er erhielt das Verwundetenabzeichen und später das von Hinden­burg 1934 gestiftete Ehrenkreuz für Frontkämpfer.

Im Oktober 1920 heiratete er in Baden-Baden Adele Zahlen, eine Schweizer Bürgerin, geboren am 13. März 1890 in Matten bei Interlaken. Das Paar hatte vier Kinder, geboren in den folgenden sechs Jahren. 1922 übersiedelte die Familie aus dem Geburtsort Voglers nach Durlach bei Karlsruhe. Dort kaufte er die Gastwirtschaft Schwarzer Adler und verkaufte sie zwei Jahre später mit Gewinn. In der Inflationszeit verlor er jedoch sein gesamtes Vermögen und versuchte sich anschliessend erfolglos als Kolonial­waren­händler. Von 1924 bis 1930 arbeitete er als Bahnportier für das Inselhotel in Konstanz. 1931 übersiedelte die Familie in den Heimatort der Ehefrau. Im Januar 1932 kehrte Vogler nach Konstanz zurück und gründete im Verlauf des Jahres ein kleines Geschäft für Milchprodukte und Eier, ab Mai 1932 lebte er mit seiner Familie im thurgauischen Tägerwilen, direkt an der Grenze zu Konstanz. Anfang Oktober 1938 machte Vogler in einer Schweizer Gast­wirtschaft unter Alkohol­einfluss abfällige Bemerkungen über Goebbels, Göring und Hitler. Deutsche Gäste denunzierten ihn sogleich bei der Gestapo. Wenige Tage später wurde er in seiner Käsehandlung verhaftet. Nach sieben Monaten Untersuchungs­haft wurde ihm in Konstanz der Prozess gemacht. Der Senat war mit einer Reihe prominenter National­sozialisten besetzt, darunter Kurt Albrecht als Vorsitzender, Ludwig Fischer, Daniel Hauer und Ernst Jenne. Es war das einzige Verfahren, welches vom Volksgerichtshof in Konstanz geführt wurde. Vogler wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, die Untersuchungs­haft wurde angerechnet. Wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit aufgrund des Alkoholkonsums verzichtete das Gericht auf die Aberkennung der bürgerlichen Ehren­rechte, betonte aber in der Urteilsverkündung, dass Vogler durch seine «bösartigen Äusserungen eine schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes herbeigeführt» habe. Nach Verbüssen seiner Haftstrafe wurde er am 21. November 1940 erneut verhaftet und ohne Verfahren in das Konzentrationslager Dachau überstellt. Er bekam dort die Häftlingsnummer 21609. Ende Januar 1941 erfolgte die Überstellung in das Konzentrationslager Neuengamme, wo er mutmasslich schwere körperliche Arbeit in der Ziegelei, der Rüstungsindustrie und beim Bau militärischer Anlagen verrichten musste. Bereits im April 1941 wurde er nach Dachau rückverlegt, wo er am 14. Dezember 1941 verstarb. Als offizielle Todesursache wurde «Versagen von Herz und Kreislauf bei Darmkatarrh» angegeben. Sein Leichnam wurde im Krematorium des Konzentrationslagers verbrannt, die Asche verstreut. Daher gibt es keine Grabstätte.

Voglers Witwe übersiedelte 1942 mit den beiden jüngeren Kindern zu ihrer Schwester ins bernische Matten bei Interlaken. Später erhielt sie von der Bundesrepublik Deutschland eine Witwenrente und eine Entschädigung zugesprochen. Alle vier Kinder blieben ohne Nachkommen: Otto Konrad (geb. 1921) fiel im Jahre 1943 in Russland. Adolf Arnold (1922) verstarb 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Die jüngeren Kinder hiessen Adelheid Ida (1924–1983) und Friedrich Max (1926–1950). Adele Zwahlen verstarb am 22. Februar 1981 in Interlaken.[7]

Kanton Zürich

In der Stadt Zürich wurden elf Stolpersteine an acht Anschriften verlegt.

Stadt Zürich
Stolperstein Inschrift Standort Name, Leben
ALAIN BEER[Anmerkung 1]
JG. 1942
GEBOREN IN NANCY
VERHAFTET 28.2.1944
MIT SEINER MUTTER
DEPORTIERT
ERMORDET 1.2.1945
AUSCHWITZ
Clausiusstrasse 39

Alain Berr wurde am 27. Mai 1942 in Nancy geboren.[8][9][10]
HIER WOHNTE
LEA BERR
GEB. BERNHEIM
JG. 1915
1937 HEIRAT MIT FRANZOSEN
AUSGEBÜRGERT
UMZUG NACH FRANKREICH
VERHAFTET 28.2.1944
ERMORDET 1.2.1945
AUSCHWITZ
Léa Josefina Berr geb. Bernheim wurde am 1. Mai 1915 in Buenos Aires geboren.[11]
HIER WOHNTE
JULIE EMMA
FLÖSCHER
JG. 1913

AB 1934 IN DEUTSCHLAND
IN EINER HEILANSTALT
ERMORDET 17. 6. 1940
GRAFENECK

‚AKTION T4‘
Stapferstrasse 21

Julie Emma Flöscher war seit Geburt im Jahr 1913 in Zürich psychisch behindert. 1934 wurde sie als deutsche Staatsangehörige in die Heil- und Pflegeanstalt Reichenau bei Konstanz verlegt. Am 17. Juni 1940 wurde sie im Rahmen der Aktion T4 in der Tötungsanstalt Grafeneck vergast.[12]
HIER WOHNTE
WALTER KÖLLIKER
JG. 1898

UMZUG 1923 DEUTSCHLAND
IM WIDERSTAND
VERHAFTET Nov. 1933
SCHUTZHAFT 11. 6. 1937
KZ SACHSENHAUSEN

TOT 6. 6. 1938
Plattenstrasse 68

Walter Kölliker wurde 1898 in Zürich geboren und wuchs in Männedorf auf. Seit 1923 lebte er in Jessen (Sachsen) und betrieb dort eine Gärtnerei, die 1930 Konkurs ging. In der Folge arbeitete er in Halle an der Saale als Journalist für kommunistische Zeitungen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im November 1933 wurde er verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Eine Wiedereinbürgerung des zwischenzeitlich staatenlos gewordenen Kölliker wurden vom EJPD verweigert. Aus dem Gefängnis wurde Walter Kölliker direkt ins KZ Sachsenhausen verbracht, wo er am 6. Juni 1938 verstarb.[13]
HIER WOHNTE
ALBERT MÜLLI
JG. 1916
SP-MITGLIED
VERHAFTET 1938 IN WIEN
BESITZ VON
KOMMUNIST. FLUGSCHRIFTEN
ZUCHTHAUS STEIN A. D. DONAU
DEPORTIERT 1942 DACHAU
BEFREIT 29. 4. 1945
Gamperstrasse 7

Albert Mülli wurde 1916 geboren. Er stammte aus einer sozialdemokratische Arbeiterfamilie, wurde Mitglied der Roten Falken und später der Sozialistischen Arbeiter-Jugend. Im Jahr 1938 schmuggelte er kommunistische Flugschriften nach Wien, wurde allerdings observiert und bei der Übergabe von der Gestapo verhaftet. Er wurde wegen Vorbereitung des Hochverrats angeklagt und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. 1941 wurde er nicht entlassen, sondern vom NS-Regime in sogenannte Schutzhaft genommen und in das KZ Dachau überstellt. Seine Häftlingsnummer war 29331. Überleben konnte er mutmasslich nur deshalb, weil seine handwerklichen Fähigkeiten sehr nützlich waren. 1945 wurde er von amerikanischen Truppen in einer KZ-Aussenstelle befreit.

Er kehrte in Häftlingskleidung in seine Heimat zurück. Nach 7-jähriger NS-Haft forderten ihn die Schweizer Behörden auf, für sechs dieser Jahre Militärsteuer nachzuzahlen. Als ihm 1956 Wiedergutmachung zugesprochen wurde, fand sich am Bescheid der Vermerk: „Nazischaden unbestritten, es liegt aber ein grosses Selbstverschulden vor.“[14][15]

HIER WOHNTE
SARA SABINE
POMMER
GEB. POMERANZ
JG. 1900
EINREISE ABGELEHNT 1941
VERHAFTET 29. 8. 1942
IN FRANKREICH
DEPORTIERT/ERMORDET 1942
AUSCHWITZ
Rotwandstrasse 53

Sara Sabine Pommer wurde im Jahr 1900 als Sara Pomeranz in Berlin geboren. Die Familie Pomeranz zog 1903 nach Zürich. 1919 heiratete sie den Wiener Pelzhändler Siegmund Pommer. Nach dem Anschluss Österreichs erhielt sie im August 1938 ein Visum zur Vorbereitung der Auswanderung für die Schweiz. Die Familie liess sich in der Folge in Limoges in Frankreich nieder. Eine erneute Reise nach Zürich nach der Besatzung Frankreichs 1940 wurde von den Schweizer Behörden verweigert. Am 28. August 1942 wurden sie ins Camp de Nexon deportiert. Drei Tage später wurden sie vom Sammellager Drancy ins KZ Auschwitz verbracht und dort sofort ermordet. Das von den Schweizer Behörden auf Druck der Familie am 9. September 1942 doch noch ausgestellte Visum war zu spät gekommen.[16]
HIER WOHNTE
ARMAND FRÉDÉRIC
ROTHSCHILD
JG. 1924
UMZUG 1934 NACH FRANKREICH
VERHAFTET 15./16. JULI 1942
DEPORTIERT 20.7.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 1942
Stampfenbachstrasse 75

Frédéric Rothschild, auch Fritz, wurde am 9. April 1924 in Zürich geboren. Seine Eltern waren Samuel Rothschild und Selma geb. Abraham. Er hatte einen Bruder und eine Schwester, John und Jula. Sein Vater starb im August 1928 mit nur 49 Jahren. Obwohl die Familie drei Jahre später eingebürgert wurde, beschloss die Mutter, weil es ihr sicherer erschien, nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland im Januar 1933 mit der Familie nach Frankreich zu ziehen. Sie bewirtschafteten dort einen Hof, wo der Junge auch aufwuchs. Im Sommer 1942 tauchte die Gestapo in Begleitung französischer Polizisten auf. Sie verhafteten insgesamt 14 Personen, darunter auch den nunmehr 18-jährigen Frédéric Rothschild. Gemeinsam mit Mutter und Schwester wurde der junge Mann in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Unmittelbar nach der Ankunft wurden Mutter und Schwester ermordet, er selbst soll noch einige Monate für Zwangsarbeit eingesetzt worden sein und soll dann umgekommen sein.[14][17]

Sein Bruder, zum Zeitpunkt der Razzia in der Schweiz, konnte überleben.

HIER WOHNTE
JULA ROTHSCHILD
JG. 1922
UMZUG 1934 NACH FRANKREICH
VERHAFTET 15./16. JULI 1942
DEPORTIERT 20.7.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 1942
Jula Rothschild wurde am 24. Februar 1922 in Zürich geboren. Ihre Eltern waren Samuel Rothschild und Selma geb. Abraham. Sie hatte zwei Brüder, John und Frédéric. Ihr Vater starb im August 1928 mit nur 49 Jahren. Obwohl die Familie drei Jahre später eingebürgert wurde, beschloss die Mutter, weil es ihr sicherer erschien, nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland im Januar 1933 mit der Familie nach Frankreich zu ziehen. Sie bewirtschafteten dort einen Hof, wo das Mädchen auch aufwuchs. Im Sommer 1942 tauchte die Gestapo in Begleitung französischer Polizisten auf. Sie verhafteten insgesamt 14 Personen, darunter auch die nunmehr 20-jährige Jula Rothschild. Gemeinsam mit Mutter und Bruder wurde die junge Frau in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Unmittelbar nach der Ankunft wurden Jula Rothschild und ihre Mutter ermordet, mutmasslich in einer Gaskammer.[14][18]

Ihr jüngerer Bruder wurde zur Zwangsarbeit eingeteilt und kam wenige Monate später um. Der ältere Bruder war zum Zeitpunkt der Razzia in der Schweiz, er konnte überleben.

HIER WOHNTE
SARA SELMA
ROTHSCHILD
GEB. ABRAHAM
JG. 1895
UMZUG 1934 NACH FRANKREICH
VERHAFTET 15./16. JULI 1942
DEPORTIERT 20.7.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 1942
Selma Rothschild geb. Abraham, auch Sara, wurde am 11. Januar 1895 in Rust in Baden (Deutsches Reich) geboren. Ihre Eltern waren Albert Abraham und Lina geb. Johl. Sie heiratete um 1918 den Kaufmann Samuel Rothschild, geboren am 23. Januar 1879 in Gailingen am Hochrhein im Landkreis Konstanz. Das Ehepaar hatte drei Kinder, John, auch Jean (geboren am 12. März 1920), Jula und Frédéric, alle geboren in Zürich. Der Ehemann starb am 18. August 1928 in Zürich. Drei Jahre später wurde die Familie eingebürgert. Nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland zog Selma Rothschild mit ihren Kindern nach Frankreich und bewirtschaftete einen Hof. Im Sommer 1942 wurden dort insgesamt vierzehn Personen von Gestapo in Begleitung französischer Polizisten verhaftet, darunter Selma Rothschild und die zwei jüngeren Kinder. John Rothschild entging der Verhaftung, weil er damals an der ETH Zürich studierte. Die Familie wurde in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Selma Rothschild und ihre Tochter wurden unmittelbar nach der Ankunft am 20. Juli 1942 ermordet, Frédéric einige Monate später.[14][19][20]

Einziger Überlebender der Familie war John Rothschild, der 1942 in der Schweiz Renee heiratete. Das Ehepaar bekam zwei Kinder. Der besorgte Sohn suchte nach seiner Mutter und seinen Geschwistern. Er erhielt die Nachricht des NS-Regimes, Selma und ihre Kinder hätten sich freiwillig für einen Arbeitseinsatz in Deutschland gemeldet – zynischerweise nachdem bereits alle drei ermordet worden waren. Im Jahr 1951 emigrierte John Rothschild mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten. Im Ruhestand gingen er und seine Frau als Zeitzeugen in Schulen und erzählten von der Shoah. Anfang 2018 starben die Eheleute im Abstand von nur sieben Wochen. Zum Zeitpunkt ihres Todes hatten sie vier Enkelsöhne und fünf Urenkel.[21]

HIER WOHNTE
HENRIKA ‚YETTLI‘
SIGMANN
GEB. WEINBERGER
JG. 1899
VERHAFTET 1942 IN HOLLAND
INTERNIERT 12. 1. 1943
WESTERBORK
ERMORDET 21. 1. 1943
AUSCHWITZ
Langstrasse 6

Henrika Sigmann wurde 1899 als Henrika Weinberger in Zborov geboren und Yettli genannt. Seit 1909 lebte sie in Zürich. Durch die Heirat mit Bernhard D. Sigmann verlor sie 1922 ihre Schweizer Staatsbürgerschaft. Das Ehepaar lebte in Amsterdam, später in Scheveningen, und hatte fünf Kinder. Im Dezember 1942 wurde die Familie in ihren Verstecken verhaftet. Im Januar 1943 wurden sie ins Durchgangslager Westerbork verbracht. Die Jüdin wurde gleich nach Ankunft am 21. Januar 1943 im KZ Auschwitz zusammen mit den beiden älteren Kindern und dem Ehemann ermordet.[22]

Die jüngeren Kinder Leo, Lilly und Charly überlebten den Holocaust dank eines Scharlachausbruchs im Kinderlager Westerbork und ihren honduranischen Pässen. Sie wurden im Februar 1944 ins Ghetto Theresienstadt verbracht, wo sie im Mai 1945 befreit wurden.[22]

HIER WOHNTE
JOSEF TRAXL
JG. 1900
1937 INTERNIERT UND
'AUSSCHAFFUNG' NACH
ÖSTERREICH
WEGEN HOMOSEXUALITÄT
DEPORTIERT BUCHENWALD
TOT 24.8.1941
Schöntalstrasse 22

Josef Traxl wurde 1900 in Zürich geboren, war aber österreichischer Staatsbürger. Er begann eine kaufmännische Lehre, war aber später als Maurerhandlanger tätig. Er wohnte bei seinen Eltern und geriet wegen seiner Homosexualität ins Visier der Polizei. Noch bis 1942 wurden sexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern in der Schweiz strafrechtlich verfolgt. Er wurde ausgewiesen, kehrte allerdings mehrmals zurück, wurde wieder verhaftet und erhielt im Jahr 1925 einen formellen Landesverweis, der ihn wie folgt abkanzelt: „ein unverbesserlicher, arbeitsscheuer Taugenichts, der als Strichjunge ein lasterhaftes Leben führt und sich in ekelhafter Weisen den Homosexuellen zur Unzucht hingibt.“ Er kam ohne Verfahren in die Strafanstalt Regensdorf und sollte erneut nach Österreich abgeschoben werden. Doch die Schweizer Behörden wollten von den Österreich die Zusicherung, dass er dort „in einer geeigneten Anstalt“ untergebracht werde. Die österreichischen Behörden teilten mit, dass sie dazu keine Handhabe hätten. Daraufhin wurde er einfach über die Grenze gebracht. Zu seinem späteren Zeitpunkt wurde Josef Traxl vom NS-Regime verhaftet und im August 1941 im KZ Buchenwald ums Leben gebracht.[14]

Verlegedaten

Die ersten Verlegungen in der Schweiz erfolgte an folgenden Tagen:

  • 8. September 2013: Kreuzlingen
  • 13. September 2015: Tägerwilen
  • 27. November 2020: Zürich (Clausiusstrasse 39, Gamperstrasse 7, Stampfenbachstrasse 75, Schöntalstrasse 22)
  • 21. Juni 2021: Zürich (Langstrasse 6, Plattenstrasse 68, Rotwandstrasse 53, Stapferstrasse 21)[12]

Für 28. November 2020 waren Verlegungen für die Schauspieler und Regisseure Wolfgang Langhoff und Bernhard Wicki vor dem Zürcher Schauspielhaus angekündigt. Anschliessend sollte eine Matinee im Schauspielhaus mit Katja Demnig, Ruth Schweikert und Jakob Tanner stattfinden.[23] Verlegung und Veranstaltung wurden COVID-19-bedingt auf später verschoben.[24]

Literatur

  • Balz Spörri, René Staubli, Benno Tuchschmid: Die Schweizer KZ-Häftlinge. NZZ Libro, Zürich 2019, ISBN 978-3-03810-436-0

Anmerkungen

  1. Auf den Stolpersteinen ist der Familienname von Mutter und Sohn in divergierender Schreibweise festgehalten.
Commons: Stolpersteine in der Schweiz – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Stolpersteine gegen das Vergessen, Tages-Anzeiger, 28. November 2020, Seite 21
  2. Erste Stolperstein-Setzungen in Basel am 2. November 2021. Verein Stolpersteine Schweiz, abgerufen am 12. Oktober 2021.
  3. Jörg Krummenacher: Stolpersteine gegen das Vergessen. In: Neue Zürcher Zeitung. 5. September 2013, S. 11 (online [abgerufen am 8. Dezember 2013]).
  4. Kreuzlinger Fluchthelfer geehrt. SRF, 10. September 2013; abgerufen am 20. August 2016.
  5. Urs Oskar Keller: Späte Ehrung für Fluchthelfer. In: St. Galler Tagblatt. 24. Juli 2013, abgerufen am 7. März 2021.
  6. Uwe Brügmann: Biografische Informationen Andreas Fleig. Projekt Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz, abgerufen am 20. August 2016.
  7. Uwe Brügmann: Biografische Informationen Otto Vogler. Projekt Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz, abgerufen am 15. August 2016.
  8. Top Online: In Zürich werden Stolpersteine im Gedenken an KZ-Opfer gelegt, 27. November 2020
  9. Stolpersteine in Zürich gesetzt, in Vilan24 vom 27. November 2020, abgerufen am 27. November 2020
  10. ALAIN BERR, Yad Vashem, abgerufen am 28. November 2020
  11. LEA JOSEFINA BERR, Yad Vashem, abgerufen am 28. November 2020
  12. Adi Kälin: Ein Stolperstein für eine junge Zürcherin, die von den Nazis ermordet wurde. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 141, 22. Juni 2021, S. 11 (nzz.ch [abgerufen am 22. Juni 2021]).
  13. Walter Kölliker. (PDF) In: stolpersteine.ch. 2021, abgerufen am 22. Juni 2021.
  14. Adi Kälin: Schweizer Opfer des Nazi-Terrors: An ihren Stolpersteinen soll niemand achtlos vorbeigehen, mit einer Fotografie der Gestapo, die Albert Mülli nach seiner Verhaftung 1938 in Wien zeigt, 27. November 2020
  15. Albert Mülli im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich
  16. Sara Sabine Pommer. (PDF) In: stolpersteine.ch. 2021, abgerufen am 22. Juni 2021.
  17. FREDERIC ROTHSCHILD, Yad Vashem, abgerufen am 28. November 2020
  18. JULA ROTHSCHILD, Page of Testimony, ausgefüllt von ihrem Bruder John, Yad Vashem, abgerufen am 28. November 2020
  19. SELMA ROTHSCHILD, Yad Vashem, abgerufen am 28. November 2020
  20. Hohenems Genealogie: Samuel Rothschild, abgerufen am 29. November 2020
  21. John Jacob Rothschild 1920–2018, Orbituary, abgerufen am 29. November 2020
  22. Henrika «Yettli» Sigmann. (PDF) In: stolpersteine.ch. 2021, abgerufen am 22. Juni 2021.
  23. Schauspielhaus Zürich: Matinée Stolpersteine, abgerufen am 9. November 2020
  24. stolpersteine.ch: Die ersten Stolpersteine in Zürich, abgerufen am 2. Dezember 2020
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