Italienischer Adel
Als italienischen Adel bezeichnet man den Adel in Italien. Der Begriff entstand allerdings erst im Königreich Italien (1861–1946). Aufgrund der Territorialisierung Italiens hatte der dortige Adel in den Jahrhunderten zuvor sehr unterschiedliche Entwicklungen genommen. Mit dem Ende der Monarchie wurden die Adelstitel in Italien 1946 abgeschafft.
Der italienische Adel war vielfach anders strukturiert als etwa der französische oder der deutsche Adel. Da sich in Italien das mittelalterliche Lehns- und Erbrecht vom fränkischen erheblich unterschied, nahm der dortige Adel vom Mittelalter bis zur Neuzeit eine andere Entwicklung, die auch regional sehr verschieden verlief, da es einen Gesamtstaat oder eine Nation noch nicht gab. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse waren im Süden der Halbinsel, der vom Einfluss des Byzantinischen Reichs, der normannischen Eroberung Süditaliens sowie der später dort regierenden spanischen Königshäuser geprägt war, ganz anders als im Kirchenstaat oder in Oberitalien, wo die vom Handel geprägten lombardischen Stadtstaaten sowie die Republik Venedig völlig eigenständige Entwicklungen durchliefen. Die Regierungssysteme beruhten in letzteren Gebieten teils noch auf spätantiken Strukturen, die sich grundlegend vom Feudalismus in Nord- und Westeuropa unterschieden: Die Italienpolitik Kaiser Friedrichs I. Barbarossa scheiterte wesentlich daran, dass er versuchte, in italienischen Stadtstaaten die Lehensverhältnisse einzuführen.
Entwicklung
Der italienische Landadel entstand zwar, wie der Nord- und Westeuropas, aus dem mittelalterlichen Lehnswesen, unterlag aber in Nord- und Süditalien unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Eine ganz eigene Entwicklung nahm demgegenüber die starke Klasse des Stadtadels, der führenden Familien in den Kommunen, die sich teils aus Kaufmanns- teils aus zu Kaufleuten gewordenen ursprünglichen Rittergeschlechtern zusammensetzte.
Infolge der Völkerwanderung und dem durch sie bewirkten Untergang des Weströmischen Reichs hatte sich im Frühmittelalter die Territorialisierung in Italien entwickelt. In der Nachfolge von Langobardenreich, Karolingerreich und lokalen Herrschern (Nationalkönigen) verband Kaiser Otto I. ab 951 das Ostfrankenreich mit dem italischen Königreich (regnum Italiae). Damit wurden die oberitalienischen Territorien zu Fahnlehen des Heiligen Römischen Reiches und wurden als Reichsitalien bezeichnet.
Die in Oberitalien herrschenden Adelshäuser standen zu dieser Zeit in relativ lockerer Verbindung zum Kaiser. Es waren dies die Arduine in den Markgrafschaften Turin und Susa, die Markgrafen von Ivrea, die Aleramiden, die Obertenghi, verschiedene Grafen in Trient und Friaul, die Markgrafen von Verona, die Grafen von Canossa in der Emilia-Romagna, die Bonifacier und Bosoniden in der Markgrafschaft Tuscien und die Herzöge von Spoleto. Diese mächtigen Dynastengeschlechter erloschen aber großenteils früh oder ihre Nachkommen splitterten sich in kleinere Landadelsgeschlechter auf, wie etwa die zahlreichen Zweige der Malaspina in Ligurien. Die vom Frühmittelalter bis ins Hochmittelalter noch bestehenden größeren feudalen Territorien, wie die Markgrafschaft Tuscien, zerfielen mit dem Aussterben der sie regierenden Geschlechter; bis in die Neuzeit konnte sich von den frühesten kaiserlichen Vasallen nur die Familie Este in Modena halten. So verschwanden viele mächtige Lehnsherren, wodurch auch die strengen Regeln des Lehnsrechts aufweichten.
Bestimmend für die Entwicklung des norditalienischen Adels seit dem Hochmittelalter wurde die Kommune. Bereits ab dem 10. Jahrhundert entstanden in Norditalien aus antiken Siedlungen entlang altrömischer Transitwege zahlreiche wachsende Stadtgemeinden, die durch die Reis- und Getreideproduktion in der fruchtbaren Poebene, durch den Ost-West-Handel zwischen Adria und Mittelmeer über die Schifffahrt auf dem Po sowie durch den Alpentransitverkehr rasch an Wohlstand gewannen. Sie begannen seit der Wende zum 11. Jahrhundert politisch eigenmächtig zu handeln und sich von Kaiser und Markgrafen zu emanzipieren (siehe: Wirtschaft Italiens im Hochmittelalter).
Der kleine oberitalienische Landadel, der bislang Ministerialendienst auf den Burgen oder Festen Häusern seiner Lehnsherren tat und von Anteilen der erhobenen Zolleinnahmen sowie den eher bescheidenen Abgaben der Leibeigenen, Hörigen und Hintersassen gelebt hatte, fühlte sich durch die Wohlstandsquelle des städtischen Fernhandels angezogen, siedelte schon früh (seit dem 11. Jahrhundert) in die Städte über und begann, sich ebenfalls kommerziell zu betätigen und Handelshäuser oder Bankgeschäfte aufzubauen.
Gleichwohl behielten diese adligen Familien anfangs ihre ritterliche, fehdegewohnte Lebensweise bei und brachten zwischen 1150 und 1250 mit ihren Geschlechtertürmen die fortifikatorische Bauweise von Wehr- und Wohnburgen in die Enge innerstädtischer Gassen. Bürgerliche Kaufleute und Bankiers versuchten mitzuhalten und errichteten sich ebenfalls Türme. Je höher der Turm einer Familie gebaut wurde, desto höher war das Ansehen dieses Geschlechts. Oft waren die Türme an Häuser oder Palazzi angebaut, die in Friedenszeiten als Wohnsitz dienten. Geschlechtertürme nach italienischem Vorbild entstanden auch in deutschen Städten.
Im Hochmittelalter war der Begriff des Adels noch mehrdeutig und das Verhältnis zwischen städtischem Patriziat und der Ministerialität eines fürstlichen oder bischöflichen Stadtherrn blieb dynamisch.[1] Fernhändler bürgerlichen und ritterlichen Ursprungs verschmolzen bald zur Kaste der Patrizier, was auch nördlich der Alpen, etwa im Nürnberger Patriziat, geschah. Die Patrizier besetzten den Stadtrat und versuchten, den Zugang zu den Ämtern der Stadtregierung auf „ratsfähige Geschlechter“ zu beschränken. Während sich im deutschen Teil des Heiligen Römischen Reichs im Spätmittelalter jedoch eine Standesrivalität zwischen Landadel und städtischen Patriziern aufbaute, da die „Pfeffersäcke“ in den Augen des Adels ihre etwaige ursprünglich „ritterliche Lebensweise“ sowie das Konnubium mit den ritterbürtigen Familien aufgegeben und dadurch ihre Standeszugehörigkeit „verwirkt“ hatten, blieb in Italien dieses Verhältnis dynamisch. Patrizierfamilien erwarben ebenfalls Grundherrschaften mit Hintersassen und erbauten sich im Umland der Städte Herrenhäuser. Dem Lehnsadel im übrigen Europa hingegen war Handels- oder Gewerbebetätigung bei Androhung des Standesverlustes untersagt. Auch war der Aufstieg in den Ritterstand in Italien leichter, hier konnten – anders als in Deutschland oder Frankreich – sogar Handwerker den Ritterschlag erhalten, worüber sich schon Otto von Freising in seinen Gesta Friderici um 1160 erstaunte.[2]
In den italienischen Kommunen regierten, ähnlich den Konsuln in der antiken Römischen Republik, auf kurze Zeit gewählte Podestàs mit Unterstützung eines Stadtparlaments, meist Senat genannt. Dadurch kam es in den meisten Städten entweder gar nicht oder erst spät (in den Wirren und Kämpfen zwischen Ghibellinen und Guelfen nach 1250) zur Alleinherrschaft, der sogenannten Signoria. Dabei schwang sich ein meist zunächst gewählter Podestà zum Stadtherren (Signore) auf und versuchte, eine erbliche Dynastie zu begründen. Die Signori konnten entweder Angehörige markgräflicher Häuser sein, wie die auf die Obertenghi zurückgehende Familie d’Este, die nach mehreren Generationen als Podestàs 1264 Signori und 1471 Herzöge in Ferrara und Modena wurden, oder aufgestiegene Rittergeschlechter wie die Gonzaga, die 1329 kaiserliche Vikare, 1433 Markgrafen und 1530 Herzöge von Mantua wurden. Ähnlich entwickelten sich die Visconti in Mailand um 1280 aus kaiserlichen Reichsvikaren zu Podestàs und Signori, 1395 zu Herzögen der Lombardei und wurden 1447 beerbt von den Sforza. Vereinzelt gelang es auch städtischen Familien aus dem spätmittelalterlichen Kaufmannsstand, wie den Medici in Florenz, Signorien und später Monarchien zu begründen, in diesem Fall 1530 das Herzogtum Toskana, oder den Scaligern als Herren von Verona von 1260 bis 1387. Allerdings erlangten sie andauernde und erbliche Herrschaft über eine Signoria meist nur gegen den Widerstand ihrer Rivalen, oft auch mit jahrzehntelangen Rückschlägen und Verbannungen. Hatten sie einmal ihre Alleinherrschaft durchgesetzt, ließen sie sich diese rechtlich legitimieren, indem sie sich als Vasallen dem Kaiser oder dem Papst unterordneten, wenn auch meist eher nominell, und dafür den Herzogstitel erhielten. Viele Familien blieben aber auch als Signori offiziell nur Podestàs oder Vikare, so die Malatesta in Rimini.
Ein weiteres prägendes Phänomen ist, dass die durch Handel erheblichen Wohlstand akkumulierenden städtischen Führungsschichten ihren Besitz im Umland zu Lasten der mittelalterlich-feudalen Grafschaften und Baronien ausdehnten, so dass diese schließlich immer kleiner und an die Peripherie gedrängt wurden. So kam es, dass manch alte Markgrafen- oder Grafengeschlechter im fortschreitenden Mittelalter oft nur noch über unbedeutenden Landbesitz verfügten. So beherrschten die Malaspina ursprünglich große Teile der ligurischen Küste, zersplitterten sich dann aber stark und wurden schließlich von den Küstenstädten entmachtet oder verdrängt; ähnlich die Guidi, ursprünglich um 923 Pfalzgrafen der Toskana, von der Stadt Florenz.
Demgegenüber stiegen die patrizischen Kaufleute im Spätmittelalter durch wachsenden Landbesitz in quasi-adligen Stand auf, indem sie – zumeist ohne Titel – das Leben großer Herren führten, ähnlich den „Pfeffersäcken“ in den ebenfalls republikanisch regierten Hansestädten des Nordens. Teilweise besannen sie sich auch auf ihren ursprünglichen Ritterstand zurück – darin den consularischen Familien des antiken Roms ähnelnd –, teilweise erwarben sie alte Feudallehen, die mit Barons-, Grafen- oder Markgrafentiteln verbunden waren und ließen sich die „Investitur“ gegen Zahlung durch den nominellen Lehnsherrn (meist einen Bischof, seltener den Kaiser) bestätigen. In der Neuzeit bestand auch die Möglichkeit, kaiserliche, päpstliche oder französische Adelsbriefe zu erwerben, die nicht mit Lehnsbesitz verbunden waren.
Auf diese Weise gelangten einige dieser Kaufmanns- und Bankiersfamilien bis hinauf in den Fürstenstand, sei es als regierende Dynasten wie die Medici im Großherzogtum Toskana, oder als nicht-regierende Titularfürsten wie die Odescalchi, Chigi oder die Borromeo. (Nördlich der Alpen wären für Letzteres die Fugger, Eggenberg oder Paar vergleichbare Beispiele, während die Thurn und Taxis ihren kaufmännischen Aufstieg anfänglich ebenfalls in der Lombardei nahmen.) Zu den größten Bankiers Europas gehörten im 14. Jahrhundert die Florentiner Familien Bardi und Peruzzi.
Diese Entwicklung verlief in allen bedeutenderen Teilstaaten Norditaliens ziemlich ähnlich, mit Ausnahme Savoyens, das im französisch geprägten, traditionellen Feudalismus verharrte, und des Kirchenstaates, wo ein exzessiver Nepotismus herrschte und die Päpste ihre eigenen Familien häufig in den Herzogsrang erhoben, ferner massenhafte Gunstbeweise in Form von Adelsbriefen und Standeserhöhungen an ihre Anhänger austeilten. Einigen päpstlichen Nepoten gelang der Aufstieg in den regierenden Hochadel, so den Della Rovere (zunächst zu Herren von Imola, Forlì und Senigallia, dann zu Herzögen von Sora und schließlich, durch Einheirat in die Familie da Montefeltro, zur Erbfolge im Herzogtum Urbino). Ähnlich erhielten die Farnese das von ihrem päpstlichen Großvater neu geschaffene Herzogtum Parma, während die Borgia nach raschem Aufstieg bald scheiterten.
Reichsitalien
Der norditalienische Hochadel, die regierenden Herzöge in den zu Monarchien gewordenen Signorien, bezog seine regierende Stellung im Wesentlichen aus Fahnenlehen des Heiligen Römischen Reichs. Die kaiserlichen Lehen wurden als Reichsitalien bezeichnet, die regierenden Häuser dieser Territorien zählten damit zu den Reichsfürsten. Der kaiserliche Besitz, vor allem in Oberitalien, zerfiel seit dem Hochmittelalter in zahlreiche Lehen des Reiches. Darunter waren zehn größere Gebiete und etwa 250 kleinere Lehen.[3] Im Reich war der Erzbischof von Köln als Reichserzkanzler für Italien zuständig, zu den Lehnsnehmern des Reiches und damit zu den Reichsfürsten zählten damit Häuser wie die Este (seit 1452 im Herzogtum Modena), die Medici (seit 1575 im Großherzogtum Toskana), die Gonzaga (seit 1433 im Herzogtum Mantua), die Ludovisi (im Fürstentum Piombino) oder die Doria (seit 1760 in Torriglia). Das Herzogtum Savoyen (im Piemont) gehörte zumindest bis zur Erhebung zum Königtum 1720 zu Reichsitalien; das Land hatte insofern eine Sonderrolle, weil es zum oberrheinischen Reichskreis gehörte und Sitz sowie Stimme im Reichstag hatte. Während sich die Republik Venedig aus der Einflusszone des Reiches zumeist heraushalten konnte, gehörte die Stadtrepublik Genua offiziell dazu, obwohl ihre Dogen dies häufig bestritten und faktisch lange Zeit unter der Herrschaft Frankreichs standen.
Adel des Heiligen Stuhls
Im mittelitalienischen Kirchenstaat gab es Feudal- wie auch Briefadel, ähnlich wie im Heiligen Römischen Reich. Bis in die Gegenwart können der Heilige Stuhl (als partikuläres Völkerrechtssubjekt nicht mit dem Staat Vatikan zu verwechseln) und die Republik San Marino Adelswürden verleihen. Beim Heiligen Stuhl wird das aber seit dem Pontifikat Johannes XXIII. nicht mehr praktiziert. In Artikel 41 des Konkordats zu den Lateranverträgen von 1929 hat sich die italienische Regierung verpflichtet, alle seit 1870 verliehenen päpstlichen Adelstitel anzuerkennen. In einem Dekret hat dies der italienische Staatspräsident 1961 in Bezug auf 115 päpstliche Verleihungen seit 1870 sowie auf 30 weitere seit 1827 (Motu proprio) bestätigt.[4]
Adel in Süditalien
In den Königreichen Neapel und Sizilien blieb das Lehnswesen intakt und es gab nur kleinere Handelshäfen, sodass ein städtisch-kaufmännisches Patriziat machtpolitisch kaum eine Rolle spielte. Allerdings waren es Kaufleute aus Amalfi, die den – in der Neuzeit – für den Adel Italiens und Deutschlands so bedeutsam gewordenen Hospitaliterorden der Malteser und Johanniter 1048–1113 in Jerusalem gründeten.
In beiden Königreichen herrschten spanische Dynastien, daher galt spanisches Adelsrecht. Danach fielen beim Aussterben des Mannesstammes einer Familie (oder einer Linie) die Lehnsbesitze und die damit verbundenen Titel nicht, wie in Nord- und Westeuropa nach salischem Recht, an den Lehnsherren zurück, der sie dann (gegen militärische Gefolgschaft, Verwaltungsdienste, politische Unterstützung oder Zahlung) neu vergeben konnte, bisweilen auch an Günstlinge niederer Abkunft, die auf diese Weise aufstiegen. Vielmehr wurden die Lehen nach spanischem Recht stets automatisch auch über die weibliche Linie weitervererbt. Dadurch entstanden über die Jahrhunderte gewaltige Besitzanhäufungen in dem relativ kleinen Kreis der alten, ursprünglich teilweise noch normannischen[5], teilweise mit den Dynastien eingewanderten spanischen[6] oder französischen[7] Familien. Auch hier kamen gelegentlich die norditalienischen Kaufleute zum Zuge.[8] Dieser Besitzakkumulierung wirkte zwar das Prinzip der Realteilung zwischen Geschwistern entgegen; infolge prinzipiell ebenbürtiger Eheschließungen führte dies aber hauptsächlich zur Rotation und zu ständig neuen Besitzkonstellationen innerhalb des engen Zirkels. Aufsteigern machte es dieses geschlossene System – im Gegensatz zur norditalienischen Kommune – sehr schwer, sofern ihnen nicht die Einheirat gelang, was aber ausgeprägter Standesdünkel zumeist verhinderte[9]. Die Könige wiederum hielten sich dadurch schadlos, dass sie auch kleinste ländliche Grundbesitze – gegen Zahlung – zu Baronien, Grafschaften oder Fürstentümern aufwerteten. Dies führte durch die spanisch-rechtliche weibliche Erbnachfolge über die Jahrhunderte zu geradezu schleppnetzhaften Titelanhäufungen. (Den Weltrekord hält gegenwärtig die spanische Herzogin von Medinaceli mit 43 Titeln.) Der „Titelwahn“ der sizilianisch-neapolitanischen Familien wurde – anstelle der Lehnsvergabe – zur Einnahmequelle für die Landesherren.
Dies galt in ähnlicher Weise für die päpstlich-römischen Adelshäuser. So führte das Oberhaupt der Familie Borghese, Livio (* 1874), in den 1930er-Jahren folgende Titelkette: „11. Fürst von Montecompatri, 11. Fürst von Sulmona und Vivaro, 10. Fürst von Rossano, 5. Herzog von Canemorte, 11. Herzog von Palombara, 5. Herzog von Castelchiodato, 11. Herzog von Poggionativo, 11. Markgraf von Mentana, Norma, Civitella, Pratica, Moricone und Percille, 11. Graf von Valinfreda, 11. Baron von Cropalati, 11. Herr von Scarpa, Edelmann von Rom, Patrizier von Venedig, Neapel und Genua, Herr von … (noch elf weitere Titel)“. Sein ältester Sohn Flavio (* 1902) hieß zu Lebzeiten des Vaters nur „12. Fürst von Sulmona“. Prinz Livios Bruder Rodolfo durfte sich nur „Prinz von Nettuno“ nennen. Von den italienischen Fürsten- und Herzogsfamilien haben bis heute etwa 25 überlebt.
Die sogenannten „Sieben Großen Häuser des Königreichs Neapel“ waren die Acquaviva, Celano, Evoli, Marzano, Molise, Ruffo und Sanseverino. (Die Häuser Evoli, Marzano und Molise sind heute erloschen.) Zu den „Unterstützern der Sieben“ gehörten die Familien d’Aquino, del Balzo und Piccolomini.
Zu den führenden Adelsfamilien im Königreich Sizilien gehörten die Alagona, Alliata, Chiaramonte, Filangieri, Gravina, Lancia, Moncada, Notarbartolo, Palizzi, Paternò, Spucches, Stagno, Tomasi di Lampedusa, Princigalli, Valguarnera und Ventimiglia.
Adlige Rangstufen in Italien
Nach der Entstehung des Königreiches Italien unter dem Haus Savoyen, das seine Wurzeln im Herzogtum Savoyen, einem feudalen Territorialstaat des arelatischen Teils des Heiligen Römischen Reiches hatte und sich lange Zeit über später französische, schweizerische und italienische Gebiete erstreckte, kam nordeuropäische Adelstradition auch in die adelsrechtlich und -historisch bislang anders strukturierten Teile Italiens.
1861 wurde der alte Adel bestätigt und neuer durch Adelsbriefe nach den üblichen Rangstufen kreiert, wobei die Vorschläge für gewöhnlich von der Regierung unterbreitet wurden. Beispiele für in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg geadelte Personen sind etwa Armando Diaz (1921 als Duca della Vittoria), Paolo Thaon di Revel (1921 als Duca del Mare), Gabriele D’Annunzio (1924 als Principe di Montenevoso) sowie Guglielmo Marconi (1924 als Marchese Marconi). Adelsverleihungen wurden bis zur Abschaffung der Monarchie im Jahre 1946 vorgenommen. Die Italienische Republik schaffte 1946 den Adel ab, toleriert aber den Gebrauch von Titeln auch in amtlichen Dokumenten.
Die Rangstufen waren ähnlich wie in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Spanien: Fürst (Principe), Herzog (Duca), Markgraf (Marchese), Graf (Conte), Baron (Barone) und „Herr von“ (Nobile) geregelt durch den § 6 Art. 39 des „Regolamento per la consulta Araldica“. Wegen der hohen Zahl der betitelten Adligen im alten Stadt- und Landadel hat sich ein unbetitelter „Kleinadel“ kaum entwickeln können bzw. trug er – für seine Besitzverhältnisse – vergleichsweise hohe Titulaturen. Die zwei höchsten Titel des Herzogs und Fürsten waren nur nach dem Recht der Erstgeburt zusammen mit dem Majorat vererbbar, die jüngeren Söhne nahmen die Titel von anderen Gütern der Familie. Das war eine grundlegende Veränderung des italienischen Erbrechts, nach dem alle Kinder gleichberechtigt erbten, wie es freilich noch heute vor allem in Süditalien praktiziert wird, was allerdings zu Besitzzersplitterung und häufig zum Verfall historischer Bausubstanz führt.
Adel in San Marino
Die kleine Republik San Marino verlieh noch in den 1970er-Jahren Adelstitel, weniger an Inländer als an Ausländer für „Verdienste um den Staat“. Das Land zählte (ebenso wie der Kirchenstaat, das Königreich Portugal oder – in Deutschland – das Herzogtum Sachsen-Coburg) zu den notorischen „Verkäufern“ von Adelstiteln.
Patriziat und Nobilhòmini in Venedig
Die Republik Venedig nahm ihre eigene, von den anderen Regionen Italiens verschiedene Entwicklung. Sie gehörte weder zum Heiligen Römischen Reich noch unterstand sie einem König. Auch versuchte sie sich aus den Machtkämpfen zwischen Päpsten und Kaisern herauszuhalten. Sie wurde vom Großen Rat und dem von ihm bestellten Senat unter der Führung des Dogen, eines Wahlherzogs, geführt (siehe: Verfassung der Republik Venedig) und war vom 7./8. Jahrhundert bis 1797 eine reiche See- und Wirtschaftsmacht mit einem bedeutenden Kolonialreich. Der auch als Serenissima bezeichnete Stadtstaat stand unter der oligarchischen Herrschaft eines geschlossenen Kreises von Patrizierfamilien, die nicht im eigentlichen Sinne des Begriffs als adlig bezeichnet werden können, wie es sich aus der eigentümlichen geschichtlichen Entwicklung Venedigs ergibt, das stets eine Republik geblieben ist (siehe auch: Aristokratische Republik).
Stärkste Triebkräfte der Verfassungsentwicklung Venedigs waren die Verhinderung einer Erbmonarchie sowie eine fein abgestimmte Machtbalance zwischen den einflussreichen Patrizierfamilien und den einzelnen Regierungsorganen. Daher kam es nie zur Umwandlung des Stadtstaates in eine Signoria, wie fast überall sonst in Oberitalien. Alle Staatsämter, die mit Kompetenzen verbunden waren, wurden nur auf kurze Zeit vergeben, umgekehrt hatten die auf Lebenszeit bestellten Staatsorgane, wie der Doge und die Prokuratoren, kaum Kompetenzen und wurden überdies scharf kontrolliert. Beachtet wurde dabei stets das Prinzip einer sorgfältigen Austarierung von Macht und gegenseitiger Kontrolle der verschiedenen Gremien; dieses Prinzip halten Historiker für die Ursache der einzigartigen Stabilität dieses Staates im unruhigen Europa.
In den ältesten Urkunden aus dem 9./10. Jahrhundert wird die Führungsschicht im „Dogado“ als nobiles, nobiliores, magnates, maiores, tribuni bezeichnet, denen die mediocres et minores gegenüberstehen. Teilnehmer an politischen Beratungen des Dogen kommen in Urkunden als boni homines vor, wobei offenbar nicht alle tribuni oder nobil(ior)es sind, also zum Teil aus einer breiteren Schicht von Aufsteigerfamilien stammen, deren Reichtum in Venedig allein aus Kaufmannstätigkeit entstand.[10] Schon in den frühen Zeiten der Besiedelung der Lagune waren die nobiles am Handel, vor allem mit Byzanz, beteiligt. Durch Handel im 10. Jahrhundert reich gewordene Familien waren im 11. Jahrhundert etablierte Mitglieder der Oberschicht. Im 12. Jahrhundert gab es eine wohlhabende venezianische Kaufmannsschicht, aus der die zu Nobili aufgestiegenen homines novi (bzw. case nuove) kamen. Eine Chronik aus dem 14. Jahrhundert nennt zu Nobili gewordene Geschlechter des 13. Jahrhunderts einfach populares veteres oder antiqui(ores).
Nachdem die Dogen des frühen Mittelalters teils in ungeordneten Volksversammlungen, nach gewaltsamer Vertreibung oder Ermordung des Amtsinhabers bzw. im Zeichen brutaler Geschlechterkämpfe um die Vorherrschaft einer Familie gewählt worden waren und immer wieder Gewalt zwischen dem Patriziat und der Stadtbevölkerung ausgebrochen war, kam es unter dem Dogen Sebastiano Ziani zwischen 1132 und 1148 zu einer ersten umfassenden Verfassungsreform. Neben der Konstituierung des Großen Rates, des Kleinen Rates und des Rates der Vierzig wurde eine Wahlordnung erlassen, nach der der Doge nicht mehr durch die Volksversammlung, sondern durch Wahlmänner gewählt wurde und zwar in einer komplizierten Mischung aus Losverfahren und Beschlussfassungen. War der Doge in der Frühzeit der Republik noch ein unbeschränkter Herrscher gewesen, so setzte seine Entmachtung schon Anfang des 11. Jahrhunderts ein, Ende des 13. Jahrhunderts war er nur noch ein streng beaufsichtigter Repräsentant des Staates. Er durfte sich nicht mehr geschäftlich betätigen, seine Söhne keine Ämter übernehmen und auch keine Töchter fremder Herrscher heiraten. Der auf Lebenszeit gewählte Doge entstammte immer dem Patriziat, der ebenfalls auf Lebenszeit gewählte Großkanzler der Dogenkanzlei hingegen nie.
Mit der sogenannten serrata, der Schließung des Großen Rates in der Zeit ab 1297/1323, schlossen die etablierten Familien Venedigs Emporkömmlinge von den Regierungsgeschäften aus,[11] während erwachsene, rechtsfähige Männer, die eine Abstammung aus den alten Familien nachweisen konnten und im Libro d’Oro eingetragen waren, bei Erreichen der entsprechenden Alterslimite Mitglied im Venezianischen Parlament, dem Großen Rat, wurden. Allerdings wurde auch den übrigen Bürgern ein hohes Maß an wirtschaftlichen Freiräumen zugestanden und Übergriffe von Staatsorganen geahndet. Folge dieser Freiheiten war ein wirtschaftliches Gedeihen weiter Kreise der Bevölkerung und eine nur selten in Frage gestellte Identifikation der venezianischen Bürger mit ihrem Staat.
Zu den noch vor der Serrata erloschenen, rivalisierenden mächtigsten Familien[12] in der Frühzeit der Republik Venedig gehören die Partecipazio, die Candiano und die Orseolo; sie waren es, die von 810 bis zur Verfassungsreform von 1172 die meisten Dogen von Venedig stellten.
Nach der Abschließung des Rats werden in der „Pseudo-justinianischen Chronik“ um 1350 folgende 24 tribunizische Familien als case vecchie (die „Alten Häuser“) bezeichnet, eingeteilt in zwei Gruppen:
- die „Zwölf[13] Noblen Häuser Venedigs“: Badoer(-Partecipazio), Baseggio, Contarini, Dandolo, Falier, Giustinian(i), Gradenigo und Dolfin (gleichen Stammes), Morosini, Michiel, Polani und Sanudo,
- die „Zwölf noblen Häuser, die den zwölf Geschlechtern ältester Erinnerung folgen“: Barozzi, Belegno (an ihrer Stelle später die Bragadin), Bembo, Gauli (im 13. Jh. erloschen), Memmo, Querini, Soranzo, Tiepolo, Zane, Zen, Ziani (an ihrer Stelle später die Salamon) und Zorzi.
Alle übrigen Ratsfamilien wurden als Case nuove (Neue Häuser) bezeichnet. Aus diesen (oder auch aus einigen später zugewanderten Familien) rekrutierten sich aber gleichwohl einige der mächtigsten „Dogenfamilien“ der Republik, darunter jene 16 Geschlechter, die als die „herzoglichen Häuser“ (case nuove ducali) bezeichnet werden (obgleich sie diesen Rang natürlich nicht erblich, sondern nur ad personam durch Wahl eines Dogen besaßen): Die Barbarigo, Donà, Foscari, Grimani, Gritti, Lando, Loredan, Malipiero, Marcello, Mocenigo, Moro, Priuli, Trevisan, Tron, Venier und Vendramin.
Weitere 101 Familien gehörten dem Großen Rat bei seiner Schließung an und nochmals 13 wurden um 1300 aufgenommen, da sie sich zur Zeit der serrata in ihren Handelsniederlassungen in Konstantinopel (Beyoğlu) aufgehalten hatten. 1303 wurden außerdem 7 Familien aus Akkon aufgenommen, wo sich ebenfalls Niederlassungen befanden. Nach 1310 wurden 15 weitere Familien im Großen Rat zugelassen, die sich bei der Niederschlagung des Aufstands des Baiamonte Tiepolo hervorgetan hatten, der die serrata zum Anlass für einen Umsturzversuch genommen hatte. Nach dem Chioggia-Krieg 1378–1381 gegen Genua wurden 30 neue Familien aufgenommen, die so genannten case nuove („neue Häuser“). Ein letzter größerer Zugang erfolgte im Rahmen der Türkenkriege des 17. Jahrhunderts mit der Aufnahme der case novissime („neuesten Häuser“). Zulassung war in Einzelfällen, meistens unter Zahlung erheblicher Summen, möglich. Um 1200 wenig mehr als 40 Mitglieder umfassend, wuchs der Große Rat auf über 2.700 Mitglieder im Jahre 1527 an.[14] Diese durften den Titel „Patrizier von Venedig“ führen. Ferner wurden im Lauf der Zeit 30 nicht-venezianische Adelshäuser „ehrenhalber“ aufgenommen, meist für politische oder militärische Unterstützung.
Allerdings vergab die Republik den Titel Patrizio auch an Familien, die dem Großen Rat nicht angehörten. Im 17. und 18. Jahrhundert, als der Adria-Handel und die Asien-Importe auf der Seidenstraße durch die Entdeckung Amerikas zurückgegangen waren, begann die Republik, den stolzen Titel Patrizier von Venedig zu verkaufen und die Erwerber und ihre Familien in den corpo nobiliare aufzunehmen, was mindestens 150 Kaufmannsfamilien wahrnahmen, letztlich ein großer Teil der einigermaßen erfolgreich Handel treibenden Familien. Auch sie durften nun das traditionelle N.H. (für Nobil Homo), bzw. N.D. (für Nobildonna) vor ihre Namen setzen. Da aber alle Patrizier diesen selben Titel führten, war eine Unterscheidung zwischen ältesten, quasi ur-adligen Patriziergeschlechtern und den neuesten „Listen-Patriziern“ jedenfalls nach äußeren Kriterien nicht mehr möglich.
Die alten Familien erbauten und bewohnten jahrhundertelang die prächtigen Paläste in der Lagunenstadt und seit dem 15. Jahrhundert auch Villen auf der Terraferma, vor allem entlang des Brenta-Kanals. Sie lebten das Leben von handeltreibenden Aristokraten und die jeweiligen Neureichen eiferten ihnen alsbald nach. Es ist daher schwierig, die sogenannten venezianischen Nobili (Nobilhòmo, Nobilòmo oder Nobiluomo) mit dem traditionellen europäischen Adel zu vergleichen. Die nicht zum Großen Rat gehörenden Nobilhòmini glichen in ihrem Aufwärtsstreben eher dem inflationären Briefadel der späten Habsburgermonarchie, den mit Ritterwappen sich schmückenden Kommerzienräten der Zweiten Gesellschaft, wobei Letztere allerdings von einem Monarchen zur Förderung der Kaisertreue bzw. zur Vorbeugung republikanischer Umtriebe kreiert wurden, während die Nobilhòmini Bürger einer uralten Republik blieben, zu der sie sich stolz bekannten.
Wohl weil man Angehörige der Führungsschichten bis ins 19. Jahrhundert hinein in Europa nur als „adelig“ denken konnte und die venezianischen Nobilhòmini gern Ebenbürtigkeit mit dem europäischen Adel beanspruchten und sich entsprechend darstellten und auftraten – eine „grandiose historische Mimikry“ –, werden sie in der deutschsprachigen Literatur weithin als Adlige bezeichnet. Aber auch die alten und ältesten Familien der Republik waren keine Adligen im historisch definierten Sinne des Adelsstandes: Sie waren weder Lehnsherren noch Lehnsnehmer (die Mitglieder des Großen Rates durften weder Lehen – außer von der Republik selbst – noch Nobilitierungen oder sonstige Begünstigungen fremder Fürsten annehmen, ähnlich den Hanseaten – vgl. Hanseaten und Adel – oder den Regenten von Amsterdam), sie waren zu keinem Zeitpunkt Vasallen oder auch nur Untertanen eines Monarchen. Sie waren durchgehend städtische Patrizier und Kaufleute und unterschieden sich von ihren Handel treibenden Landsleuten nur dadurch, dass sie zum venezianischen Parlament, dem Großen Rat, seinen Gremien und Regierungsämtern zugelassen waren und den Dogen und alle anderen Regierungsbeamten aus ihren Reihen wählten. Auch die erzbischöflichen Stühle der Patriarchen von Venedig, Grado und Aquileia gehörten zu ihren Pfründen. Soziologisch unterschieden sie sich ansonsten nicht von mehr oder weniger erfolgreichen Cittadini (Bürgern), die nach der Schließung des Großen Rates 1297 keinen Zugang mehr in ihn hatten.
Durch den Erwerb von Landgütern auf der Terraferma, aber auch in den dalmatischen und griechischen Kolonien (Korfu, Zypern, Naxos, Zakynthos, Andros, Kreta), wo Feste Häuser in venezianischem Stil entstanden[15], wurde auch die Landwirtschaft zu einem wirtschaftlichen Standbein. Die venezianisch-stämmigen Familien auf den Inseln vermischten sich mit griechisch-byzantinischem Adel (Archonten), einige konvertierten zur Orthodoxie.
Die Eigenständigkeit der Republik Venedig über mehr als ein Jahrtausend war den Monarchen Europas im Grunde ein Dorn im Auge, allen voran der benachbarten Habsburgermonarchie, welcher sie ein lästiger Rivale war, der die Adria kontrollierte und die Erblande vom lukrativen Seehandel abschnitt. Die venezianischen Patrizier entwickelten durch Macht und Reichtum zugleich ein großes Selbstbewusstsein, das sich in seinen republikanischen Formen genügte. Daher setzten Napoléon und die Habsburger Kaiser während ihrer Herrschaft über Venedig (Letztere im Königreich Lombardo-Venetien von 1815 bis 1859/66) alles daran, aus den venezianischen Nobilhòmini Vasallen zu machen, indem sie einige von ihnen (z. B. die Loredan, Manin, Vendramin oder Venier) in den österreichischen Adel aufnahmen und ihnen Grafentitel verliehen. Kaiser Franz I. von Österreich hat nach der Wiederinbesitznahme Venedigs das Wort Nobilòmo abermals unter Strafe gestellt, wie es schon 1798 geschehen war. Nach dem Anschluss Venetiens an das Königreich Italien 1866 galten auch hier die italienischen Adelstitel und solche wurden einigen der Patrizier dann auch verliehen. Zu „Adeligen“ wurden einige der Nobilhòmini aus venezianischen Patrizierfamilien somit letztlich erst durch Titelverleihungen (Adelsbriefe) der Königreiche Lombardo-Venetien und Italien im 19. Jahrhundert; zuvor waren sie bürgerliche Patrizier mit oftmals adeligem Lebensstil.
Bei Venedigs Hauptrivalen, der Republik Genua, verhielt es sich insofern etwas anders, als diese Republik offiziell Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches blieb und dem Kaiser unterstand, der somit auch dem dortigen handeltreibenden Patriziat (wie den Doria, Grimaldi, Fieschi, Spinola, Durazzo usw.) Nobilitierungen und Rangerhöhungen zukommen lassen konnte; ferner waren die alten Feudallehen im Umland, welche von den reichen Kaufleuten häufig erworben wurden, von jeher mit Adelstiteln verbunden.
siehe auch: Patriziato (Venezia) (in Italienisch) sowie die Kategorie:Venezianisches Patriziergeschlecht.
Gegenwart
Der Adelsstand in Italien wurde mit der Monarchie 1946 gesetzlich abgeschafft. Weiterhin anerkannt ist jedoch der päpstliche Adel. Die Adelspartikel de, di etc. wurden zu Namensbestandteilen (wie in Deutschland 1919), nicht aber die Rangbezeichnungen (Barone, Visconte, Conte, Marchese, Principe, Duca). Diese werden aber – wie es auch im historischen österreichischen Adel üblich ist oder im deutschen Adel mit den abgeschafften Primogeniturtiteln – von den Familien inoffiziell nach wie vor geführt und in der Öffentlichkeit allgemein verwendet. Teilweise finden sie sogar wieder Eingang in offizielle Dokumente (Behördenanschreiben etc.). Das Standesbewusstsein ist bis heute sehr ausgeprägt und die Eheschließung untereinander noch üblich; auch gibt es in allen Landesteilen Vereinigungen und Clubs der Aristokratie. Eine enge Bindung besteht an die katholische Kirche und ihre Ordensgemeinschaften, vor allem aber den Malteserorden. Viele ländliche Schlösser und Villen sind noch im alten Familienbesitz, freilich seltener mit großem Landbesitz ausgestattet als anderswo in Europa, was teils durch die relative Enge der von Bergen zerklüfteten Halbinsel bedingt ist, teils durch die traditionelle Erbaufsplitterung, teils durch generationenlanges Leben von der Substanz. Palazzi in Städten werden gewöhnlich von vielen Familienzweigen zugleich bewohnt. Landsitze in attraktiven Lagen werden in jüngster Zeit zunehmend verkauft und Wohnungen in den Palazzi vermietet, häufig an wohlhabende Ausländer.
Die äußerst vielfältige Gestalt der Adelstraditionen Italiens ist ein in Europa einmaliges Phänomen: der städtisch-kaufmännisch geprägte Norden, der nepotisch geprägte einstige Kirchenstaat sowie die jahrhundertelange, rückständig-feudale Fremdherrschaft im Süden. Interessant ist auch, dass in Italien die lateinische Annalen- und Urkundstradition der Antike ungebrochen fortbestand, sodass die schriftliche Überlieferung oft weit länger zurückreicht als im Rest Europas. Dadurch gibt es in Italien noch häufiger Adelsgeschlechter, die schon vor der ersten Jahrtausendwende dokumentiert sind, eine historische „Reichweite“, die in Deutschland nur die Welfen (die übrigens eine Linie der italienischen d’Este sind), die Reginare (das Haus Hessen) und die Wettiner aufbringen. Solche noch existierenden Familien aus dem frühen Mittelalter sind die Aleramiden, Caetani, Caracciolo, Castiglione, Colonna, Frangipani, Gherardesca, Guidi, Malaspina, Marescotti, Massimo, Orsini, Sanseverino oder Ventimiglia.
Siehe auch
Literatur
- Heinrich Benedikt: Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1700–1866. Wien/ München 1964.
- Gabriele B. Clemens, Malte König, Marco Meriggi (Hrsg.): Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert. Berlin/ Boston 2011.
- Oliver Thomas Domzalski: Politische Karrieren und Machtverteilung im venezianischen Adel (1646–1797). Sigmaringen 1996.
- Enciclopedia Italiana di Szienze, Letteri et Arti. Band XXIV, Roma MDCCCCXXXVI – XIII.
- Markus Fuchs: Legende – Amt – Endogamie. Ein Porträt des venezianischen Adels von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert. Seminararbeit. 2004.
- Dieter Girgensohn: Kirche, Politik und adelige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Göttingen 1996.
- Volker Hunecke: Der venezianische Adel am Ende der Republik 1646–1797. Demographie, Familie, Haushalt. Tübingen 1995.
- Hagen Keller: Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien (9.–12. Jahrhundert). Tübingen 1979.
- Peter Kunz: Nürnberg und Venedig: Gegenseitige Einflüsse und Parallelismen in zweieuropäischen Adelsrepubliken. Saarbrücken 2009.
- Marion Lühe: Der venezianische Adel nach dem Untergang der Republik (1797–1830). Köln 2000.
- Marco Meriggi: Der lombardo-venezianische Adel im Vormärz. In: Armgard Rehden-Dohna, Ralph Melville (Hrsg.): Der Adel an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters 1780–1860. Stuttgart 1988, 1998, S. 225–236.
- Margarete Merores: Der venezianische Adel. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band XIX/1926, S. 193–237.
- Margarete Merores: Der große Rat von Venedig und die sogenannte Serrata vom Jahre 1297. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band XXI/1928, S. 33–113.
- Gerhard Rösch: Der venezianische Adel bis zur Schließung des Großen Rates. Sigmaringen 1989, Stuttgart 2001.
- Volker Reinhardt (Hrsg.): Die großen Familien Italiens (= Kröners Taschenausgabe. Band 485). Kröner, Stuttgart 1992, ISBN 3-520-48501-X.
Einzelnachweise
- Siehe etwa: Andermann/Johanek, Zwischen Nicht-Adel und Adel (Lit.-Verz.)
- Vgl. Arno Borst (Hrsg.): Das Rittertum im Mittelalter. 1998; dort: Joachim Bumke, Der adlige Ritter. S. 279, sowie ebendort Gina Fasoli S. 199.
- Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 4., vollständig überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 1992, ISBN 3-406-35865-9, S. 288.
- Francesco Pericoli Ridolfini: Titoli Nobiliari Pontifici. 1963.
- So die ursprünglich normannischen Chiaramonte, Paternò, Filangieri oder Gravina.
- So die ursprünglich spanischen Avalos, Montcada, De Spucches oder Stagno.
- So die ursprünglich französischen Del Balzo.
- So etwa die Alliata aus Pisa oder die Imperiali und die Doria aus Genua. Ein altes Markgrafengeschlecht aus Oberitalien, das nach Sizilien gekommen ist, sind die Ventimiglia.
- Die Einheirat einer Neureichen in den sizilianischen Hochadel schildert der Roman Il Gattopardo von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, ein unübertroffenes Sittengemälde jenes Standes im 19. Jahrhundert.
- Reinhard Heynen: Zur Entstehung des Kapitalismus in Venedig. Berlin/ Stuttgart 1905. (Reprint: o.Oo.J 2012); Gerhard Rösch: Der venezianische Adel bis zur Schließung des Großen Rates. Sigmaringen 1989, Stuttgart 2001.
- Die serrata war Ergebnis einer längeren Entwicklung und ist erst im 14. Jahrhundert im Wesentlichen abgeschlossen. 1297 wurde der Große Rat in seiner Mitgliederzahl erheblich erweitert und es wurden zunächst Listen von für den Großen Rat wählbare Personen aufgestellt, die zunächst keineswegs zwingend von früheren Ratsmitgliedern abstammen mussten. Am 19. Juli 1314 wurde beschlossen, dass sich jeder, der in den Großen Rat gewählt werden will, in die von der Quarantia (Gerichtshof) geführten Listen einzutragen hat. Am 8. Januar 1317 wurde eine Revision dieser Listen beschlossen und für unberechtigte Eintragungen eine hohe Geldstrafe festgelegt. Erst am 16. September 1323 wurde geklärt, dass zum Großen Rat zugelassen war, dessen Vater oder Großvater im Großen Rat gesessen hatte. Erst am 31. August 1506 wurde die Eintragung der Kinder der ratsfähigen Familien in ein Geburtsregister (Libro d’oro di nascita) geregelt und seit dem 26. April 1526 gibt es das Libro d’oro dei matrimonio, in dem die Eheschließungen der Mitglieder des Großen Rates verzeichnet wurden. Diese beiden handschriftlich geführten Listen wurden – dann als „Goldenes Buch“ (Libro d’Oro) bezeichnet – erst im 18. Jahrhundert gedruckt: Nomi, cognomi, età de’ veneti Patrizi viventi, e de’ genitori loro defonti matrimoni, e figli d’essei nel Libro d’oro registrati (1714 bis 1758 in 19 Auflagen), Protogiornale per l’anno ad uso della Serenissima Dominante Città di Venezia (ab 1759), Nuovo Libro d’oro che contiene i nom,i e l’età de’ Veneti Patrizi (1797).
- Siehe Liste der Dogen von Venedig.
- Die Zahl 12 hatte wegen der zwölf Apostel eine quasi-religiöse Konnotation. Die Zwölf noblen Häuser wurden daher auch als die Apostelfamilien bezeichnet.
- Heller 1999, S. 99.
- Auf Kreta entstanden als einziger Kolonie auch unbefestigte Villen. Siehe: Christian Ottersbach: Venezianische Villen und Herrenhäuser auf Kreta. In: Burgen und Schlösser, Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege, hg. vom Europäischen Burgeninstitut der Deutschen Burgenvereinigung, 1/2017, S. 17–31