Boehringer Ingelheim
Boehringer Ingelheim ist ein Pharmaunternehmen, das 1885 von Albert Boehringer in Ingelheim am Rhein gegründet wurde. Es ist das größte forschende Pharmaunternehmen in Deutschland. Das Kerngeschäft von Boehringer Ingelheim ist das Erforschen, Entwickeln, Herstellen und Vertreiben von Arzneimitteln für Mensch und Tier.
C. H. Boehringer Sohn | |
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Rechtsform | AG & Co. KG |
Gründung | 1885 |
Sitz | Ingelheim am Rhein, Deutschland |
Leitung |
|
Mitarbeiterzahl | 51.944 (2020)[5] |
Umsatz | 19,5 Mrd. EUR (2020)[5] |
Branche | Pharmaindustrie |
Website | www.boehringer-ingelheim.de |
Das Unternehmen erzielte im Jahr 2020 bei einem Umsatz von 19,6 Milliarden Euro ein Betriebsergebnis von 4,6 Milliarden Euro.[5]
Eigentümerverhältnisse und Struktur
Das Unternehmen befindet sich ausschließlich in Familienbesitz. Die Gesellschafterfamilie wird in der Unternehmensleitung seit 2009 vertreten durch Hubertus von Baumbach, einen Urenkel des Firmengründers Albert Boehringer. Seit 2016 ist von Baumbach Vorsitzender der Unternehmensleitung. Vorsitzender des Gesellschafterausschusses ist seit 2007 Christian Boehringer, ebenfalls ein Urenkel von Albert Boehringer.[6]
Juristische Konzernmutter ist die C. H. Boehringer Sohn AG & Co KG. Das weltweite operative Geschäft wird von deren Tochter Boehringer Ingelheim GmbH geleitet. Die meisten landesweiten Geschäfte werden in Deutschland von der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG und in Österreich von der Boehringer Ingelheim RCV GesmbH & Co KG geführt.[7][8]
Im Januar 2013 nahm das Unternehmen im Ranking der 500 größten Familienunternehmen Deutschlands der Zeitschrift Wirtschaftsblatt Platz 8 nach Umsatz ein.[9]
Boehringer ist nach Bayer das zweitgrößte Pharmaunternehmen in Deutschland. Im Jahr 2020 flossen weltweit rund 3,7 Mrd. Euro in den Bereich Forschung und Entwicklung.[10]
Geschichte
Vorläufer und Verhältnis zur namensgleichen Firma in Mannheim
Christian Gotthold Engelmann und Christian Friedrich Boehringer eröffneten 1817 die „Drogen- und Materialwarenhandlung Engelmann & Boehringer“ in Stuttgart, die 1859 nach dem Ausscheiden der Erben Engelmanns zur chemischen Fabrik C. F. Boehringer & Söhne wurde. 1871 übernahm sein Sohn Christoph Heinrich Boehringer das Unternehmen und verlegte danach den Sitz nach Mannheim.
1882 ging das Unternehmen auf dessen Sohn Ernst Boehringer über, der 1892 verstarb. Alleiniger Eigentümer war nunmehr die Familie von Friedrich Engelhorn. Aus dieser Firma ging das Unternehmen Boehringer Mannheim hervor.[11]
Gründung und erste Produkte
Ein weiterer Sohn von C. H. Boehringer, Albert Boehringer, gründete 1885 eine chemische Fabrik in Nieder-Ingelheim am Rhein, die er 1893 in C. H. Boehringer Sohn umbenannte. Für ca. 70 Jahre gab es damit zwei Unternehmen mit dem Namen Boehringer. Zur besseren Unterscheidbarkeit benannten sich die Unternehmen Anfang der 1960er Jahre in Boehringer Mannheim und Boehringer Ingelheim um.
1895 machte man bei Boehringer Ingelheim die Entdeckung, dass Milchsäure mit Hilfe von Bakterien in großen Mengen hergestellt werden kann, damit begann die biotechnische Produktion. Die Milchsäure wurde zunächst hauptsächlich als Backpulver verkauft. 1911 wurde in Mainz die Tochtergesellschaft Chabeso GmbH gegründet, die die Limonadenmarke Chabeso auf der Basis von Milchsäure auf den Markt brachte.
Mit dem auf Opium basierenden Schmerzmittel Laudanon kam 1915 das erste pharmazeutische Produkt von Boehringer Ingelheim auf den Markt. Bereits 1917 erfolgte die Gründung der wissenschaftlichen Abteilung, deren Aufsicht zunächst dem Chemiker und späteren Nobelpreisträger Heinrich Wieland übertragen wurde. In der Folge wurde die Produktion von Gallensäure aufgenommen, dem Spezialgebiet Heinrich Wielands.
Expansion
Ab 1924 produzierte ein Zweigwerk in Hamburg-Moorfleet Grundstoffe für Arzneimittel, darunter Koffein, Morphin und Codein. Im Jahr 1928 wurde die Dr. Karl Thomä & Cie. in Winnenden bei Stuttgart übernommen, aus der 1943 der Standort Biberach an der Riß entstand. 1948 wurde in Wien mit der Bender & Co. GmbH die erste Auslandsgesellschaft gegründet. Aus dem 1955 von Pfizer übernommenen Veterinärprogramm wurde 1978 die Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH. 1962 bis 1966 war der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker Mitglied der Geschäftsführung.[12] Im Jahr 1986 nahm in Biberach das Biotechnikum den Betrieb auf. In der Folge entstand die bis heute größte Produktionsanlage für Biopharmazeutika aus Zellkulturen in Europa.
Weitere Entwicklung
1993 wurden die beiden Standorte Biberach und Ingelheim unter einer einheitlichen Geschäftsführung zusammengefasst; die Forschung wurde in Biberach konzentriert, die Produktion – mit Ausnahme der biopharmazeutischen Produktion – in Ingelheim.
1995 wurde Bioscientia, ein Labordiagnostikdienstleister, durch einen Management-Buy-out aus Boehringer Ingelheim herausgelöst.[13]
2004 wurde das Mikrotechnologie-Unternehmen microParts in Dortmund übernommen, das für das Unternehmen den Respimat entwickelte und produziert.
Wichtige Neueinführungen der letzten Jahre waren Spiriva für chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) und Pradaxa zur Vorbeugung der Bildung von Blutgerinnseln.[14]
Im Juli 2015 verkaufte Boehringer Ingelheim die US-Generikasparte Roxane mit rund 1300 Mitarbeitern für 2,65 Mrd. US-$ an den britischen Konkurrenten Hikma Pharmaceuticals. Von dem Kaufpreis erhielt Boehringer 1,18 Mrd. US-$ in bar und den Rest in 40 Millionen Hikma-Aktien. Boehringer Ingelheim ist dadurch mit 16,71 % Anteilseigner an Hikma.[15][16]
Zum Jahresbeginn 2017 wurde die Sparte für freiverkäufliche Humanpharmazeutika im Zuge eines Tauschgeschäftes an den Pharmakonzern Sanofi abgegeben und dafür die Tiergesundheitssparte von Sanofi (Merial) in Boehringer Ingelheim integriert. Der sog. Spartentausch schloss auch eine Zahlung von 4,7 Milliarden Euro an Sanofi ein.[17] Zu den an Sanofi verkauften bekannten Marken gehörten unter anderem Thomapyrin, Mucosolvan, Silomat und Antistax.
Im April 2017 beschloss Boehringer Ingelheim die bisher größte Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte: In Wien wird bis 2021 eine Biotech-Produktionsanlage für 700 Millionen Euro errichtet, wo Arzneimittelwirkstoffe auf der Basis genveränderter Zellen produziert werden sollen.[18]
Am 10. Dezember 2020 wurde bekanntgegeben, dass das Basler Biotechunternehmen NBE-Therapeutics für 1,18 Milliarden Euro übernommen wird.[19]
Standorte
Das Unternehmen beschäftigte 2020 weltweit knapp 52.000 Mitarbeiter, davon sind mehr als 16.000 Mitarbeitern in Deutschland tätig.[20][21] Das Unternehmen unterhält weitere Produktionsstätten unter anderem in Italien, Spanien, Mexiko, Brasilien und den Vereinigten Staaten.
Die Forschung und Entwicklung für Humanpharmazeutika findet aktuell weltweit in 13 Ländern mit Hauptstandorten in Biberach an der Riß, Ridgefield (Connecticut)/USA, Duluth (Georgia)/USA, St. Joseph (Missouri)/USA, Wien/Österreich sowie Lyon/Frankreich und Kōbe/Japan statt.[22] Zwischen 2005 und 2014 hat Boehringer Ingelheim 1.414 Studien mit 115 Substanzen in 95 Ländern aller Regionen der Welt durchgeführt oder finanziert. Weltweit beschäftigt Boehringer Ingelheim mehr als 9.500 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung. Die Arzneimittelforschung konzentriert sich weltweit auf vier Forschungsgebiete: Immunologie und Atemwegserkrankungen, Kardio-metabolische Erkrankungen, Onkologie und Erkrankungen des zentralen Nervensystems.
Seit der Akquisition von großen Teilen des Tiergesundheitsgeschäfts von Pfizer (insbesondere das ehemalige Wyeth-Markengeschäft „Fort Dodge“) im Oktober 2009 verfügt Boehringer Ingelheim über Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für Tiergesundheit in Fort Dodge im US-Bundesstaat Iowa.
45 Prozent des Umsatzes erzielte das Unternehmen im Jahr 2020 in Nord- und Südamerika, 30 Prozent des Umsatzes entfallen auf die Region Europa und 25 Prozent auf die Region Asien/Australien/Afrika.[21]
- Ingelheim am Rhein
Stammsitz und Zentrale des Unternehmensverbandes befinden sich in Ingelheim am Rhein. Hier werden Arzneimittel und Wirkstoffe für den gesamten, weltweiten Unternehmensverband produziert. Am Standort sind insgesamt 8.605 Mitarbeiter beschäftigt (Durchschnitt 2018). Neben der Pharma-Fertigung findet hier die Produktion von Pharma-Wirkstoffen für den weltweiten Unternehmensverband statt.
- Biberach an der Riß
In Biberach waren 2020 durchschnittlich knapp 6.600 Mitarbeiter angestellt. Hier finden Forschung und Entwicklung für konventionelle chemische Wirkstoffe sowie für Arzneimittel auf biotechnischer Basis statt sowie die Produktion von Biopharmazeutika.[23]
- Dortmund
Knapp 700 Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim microParts in Dortmund beschäftigen sich hauptsächlich mit der Herstellung des Respimat Soft Inhalers, der im Respimat-Betrieb in Ingelheim befüllt und verpackt wird.[24]
- Wien
Der Standort Wien fungiert als regionales Vertriebszentrum für Mittel- und Osteuropa (Humanpharma und Tiergesundheit) sowie als regionales Zentrum für klinische Studien in Mittel- und Osteuropa. Daher lautet die Bezeichnung der Landesgesellschaft RCV (Regional Center Vienna). Außerdem befinden sich hier ein wichtiger Standort der unternehmensweiten onkologischen Forschung sowie eine Produktionsanlage für die biopharmazeutische Herstellung (Fermentation von Bakterien und Hefen).[25]
Zudem befindet sich in Wien das von Boehringer Ingelheim getragene unabhängige Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP).
- Hannover (ehemaliger Standort)
Das Unternehmen investierte in Hannover-Kirchrode rund 61 Millionen Euro in das Boehringer Ingelheim Veterinary Research Center (BIVRC), ein Europäisches Forschungszentrum für Tierimpfstoffe, das wegen seiner Lage in einem Wohngebiet umstritten war. Der Stadtrat von Hannover genehmigte am 17. September 2009 den Bebauungsplan für dieses Forschungszentrum;[26] das Oberverwaltungsgericht Lüneburg stellte am 12. Januar 2011 in seinem Urteil fest, dass der Bebauungsplan für das BIVRC, das in die Biologische Schutzstufe 3 eingeordnet wird, rechtmäßig ist. Das Forschungszentrum wurde am 27. September 2012 eröffnet.[27]
Im Juni 2020 hatte das Unternehmen angekündigt, die Aktivitäten zu Tierimpfstoffen in Lyon bündeln zu wollen und deshalb den Standort Hannover zum Ende des Jahres 2020 zu schließen. Zuletzt wurden hier 129 Personen beschäftigt.[28] Im Dezember 2020 wurde bekannt, dass die Tierärztliche Hochschule Hannover das Forschungszentrum übernehmen wird.[29][30]
Produktportfolio
Die Geschäftsgebiete umfassen Humanpharmazeutika mit den Segmenten verschreibungspflichtige Arzneimittel und Industriekundengeschäft (Biopharmazeutika, Pharmazeutische Produktion, Pharmachemikalien) und Präparate für die Tiergesundheit. Bis 2016 gehörten zum Produktportfolio auch freiverkäufliche Humanpharmazeutika, darunter bekannte Markennamen wie Thomapyrin (Kopfschmerztabletten), Mucosolvan (Hustensaft) und Buscopan (Mittel gegen Bauchschmerzen). Diese wurden 2016 im Rahmen eines Tauschgeschäfts an das Pharmaunternehmen Sanofi abgegeben. Im Gegenzug erhielt Boehringer Ingelheim die Tiergesundheitssparte von Sanofi (Merial).
Verschreibungspflichtige Medikamente
Bei den folgenden verschreibungspflichtigen Medikamenten handelt es sich um die wichtigsten Umsatzträger für das Unternehmen:
- Spiriva mit dem Wirkstoff Tiotropium zur Behandlung der COPD
- Pradaxa mit dem Wirkstoff Dabigatranetexilat, zur Prävention venöser thromboembolischer Ereignisse nach orthopädischen Operationen und zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern und zur Behandlung von tiefer Venenthrombose und Lungenembolie
- Micardis mit dem Wirkstoff Telmisartan zur Behandlung der essentiellen Hypertonie
- Combivent mit den Wirkstoffen Ipratropiumbromid und Salbutamol zur Behandlung von chronisch-obstruktiver Atemwegserkrankung
- Mirapex (USA) bzw. Sifrol (D, A, CH) mit dem Wirkstoff Pramipexol zur Behandlung von Parkinson und des Restless-Legs-Syndroms
- Ofev/Vargatef mit dem Wirkstoff Nintedanib zur Hemmung neuer Blutgefäßebildung bei der Versorgung von Tumoren.
- Jardiance mit dem Wirkstoff Empagliflozin zur Behandlung von Typ-2-Diabetes
Weitere wichtige/bekannte verschreibungspflichtige Produkte sind für das Unternehmen darüber hinaus:
- Actilyse mit dem Wirkstoff Alteplase zur Behandlung von Herzinfarkt, Lungenembolie, Schlaganfall und trombotischem Verschluss (siehe auch Thrombolyse)
- Adumbran mit dem Wirkstoff Oxazepam zur Behandlung von Angst- u. Spannungszuständen
- Aggrenox mit den Wirkstoffen Dipyridamol und Acetylsalicylsäure, zur Prävention sekundärer Schlaganfälle oder bei transitorischen ischämischen Attacken (TIA)
- Aptivus mit dem Wirkstoff Tipranavir zur Behandlung von HIV-Infizierten
- Berodual/Atrovent/Combivent mit den Wirkstoffen Ipratropiumbromid (Combivent zusätzlich mit Salbutamol) und Fenoterol (Berotec) zur Behandlung von chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen und Asthma bronchiale
- Catapresan mit dem Wirkstoff Clonidin zur Behandlung von Bluthochdruck
- Flomax mit dem Wirkstoff Tamsulosin, zur Behandlung von benigner Prostatahyperplasie (BPH)
- Micardis Plus mit den Wirkstoffen Telmisartan und Hydrochlorothiazid zur Behandlung von Bluthochdruck und kardiovaskulärer Prävention
- Twynsta mit den Wirkstoffen Telmisartan und Amlodipin zur Behandlung von Bluthochdruck
- Viramune mit dem Wirkstoff Nevirapin zur Behandlung von HIV-Infektionen
Große Erwartungen setzte das Unternehmen in eine mögliche Zulassung von Flibanserin zur Behandlung von Frauen, die unter vermindertem sexuellem Verlangen leiden. Das Unternehmen veröffentlichte im November 2009 dazu Ergebnisse von zulassungsrelevanten Phase-III-Studien, die weltweit in den Medien auf sehr großes Interesse stießen.[31][32][33] Auch in sozialen Medien diskutierten Fachleute und Laien intensiv über den neuen therapeutischen Ansatz, der fälschlicherweise mit Sildenafil (Viagra) verglichen wurde. Im Oktober 2010 gab das Unternehmen bekannt, dass die Entwicklung von Flibanserin eingestellt wurde. Hintergrund dieser Entscheidung war eine im Juli 2010 ausgesprochene Empfehlung eines Expertengremiums des US-Gesundheitsministeriums bezogen auf die Verhältnismäßigkeit von Nutzen und Risiken der Therapie.
Tiergesundheit
Zu den wichtigsten Produkten des Unternehmens im Bereich Tiergesundheit gehören:
- Ingelvac CircoFLEX Impfstoff für Schweine gegen das Porcine Circovirus Typ 2 (PCV2)
- Metacam mit dem Wirkstoff Meloxicam wird für verschiedene Tierarten eingesetzt zur Linderung von Entzündung und Schmerzen bei akuten und chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates sowie zur Verminderung postoperativer Schmerzen und Entzündungen nach orthopädischen Eingriffen und Weichteiloperationen
- Vetmedin mit dem Wirkstoff Pimobendan zur Behandlung bestimmter Herzerkrankungen bei Hunden
- Semintra mit dem Wirkstoff Telmisartan für Katzen zur Reduzierung der Proteinurie bei chronischer Nierenerkrankung und zur Behandlung des systemischen Bluthochdrucks
- Prascend mit dem Wirkstoff Pergolid zur symptomatischen Behandlung des Equinen Cushing Syndroms bei Pferden
Darüber hinaus hat das Unternehmen ein Portfolio an Impfstoffen, Antiparasitika und Arzneimitteln gegen verschiedene Erkrankungen von Hunden, Katzen, Schweinen, Rindern, Pferden und Geflügel. Zum Angebot gehören außerdem Ergänzungsfuttermittel und digitale Produkte im Bereich Precision Livestock Farming.
Öffentliche Wahrnehmung
Positive Wahrnehmung
Das Unternehmen sowie die Eignerfamilie engagiert sich vielfältig im Bereich unternehmerische Gesellschaftsverantwortung. So erhielt die Universität Mainz beispielsweise 2009 eine Spende über 100 Millionen Euro, um die Errichtung eines internationalen Exzellenzzentrums für Lebenswissenschaften zu fördern.[34] Im Jahr 2013 erfolgte eine weitere Spende für das Projekt über 50 Millionen Euro.[35]
Das Unternehmen erhielt im Jahr 2013 zum dritten Mal den seit 2009 vergebenen Corporate Health Award in der Kategorie Chemie/Pharma für Leistungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM).[36][37]
Lieferung von Grundstoffen für Agent Orange
Laut einem Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel von 1991 lieferte das Unternehmen 1967 eine Menge von 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge an das in Neuseeland ansässige Unternehmen Dow Watkins, ein Tochterunternehmen von Dow Chemical. Die Chemikalie diente zur Herstellung des Herbizids Agent Orange, welches im Vietnamkrieg zur Waldentlaubung benutzt wurde und aufgrund seines Dioxingehalts schwere gesundheitliche Schäden verursachte.[38] Boehringer Ingelheim räumte die Richtigkeit dieser Angaben ein Jahr nach Erscheinen des Artikels ein.[39]
Dioxin im Werk Moorfleet
Der Dioxinskandal um Boehringer Ingelheim hatte seinen Ursprung in Hamburg-Billbrook. Boehringer Ingelheim betrieb an der Andreas-Meyer-Straße 31–35 (⊙ )an der Grenze zu Moorfleet ein Herbizidwerk, dessen Dioxinausstoß viele Arbeiter erkranken ließ. Im Jahr 1984[40] musste die Fabrik geschlossen werden. Laut einem Bericht für das BMAS von 2011 gab es „eine erhebliche Belastung der Beschäftigten gegenüber Ausgangssubstanzen, Zwischen- und Endprodukten von Herbiziden und Insektiziden, die von 1952 bis 1984 dort hergestellt wurden“.[41] Das Gelände wurde bis in die 1990er Jahre hinein saniert, was jedoch zu keiner nennenswerten Entlastung des Bodens führte, so dass seit 1994 der Bereich weiträumig durch metertiefe Spundwände von der Umgegend abgetrennt wurde.[42][43]
Statistische Untersuchungen haben für die ehemalige Belegschaft von C. H. Boehringer Sohn im Jahr 1984 stillgelegten Werk Hamburg-Moorfleet, in dem es bei der Pestizidproduktion zu Dioxinbelastungen kam, ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhtes Krebsrisiko gezeigt.[44][45]
Proteste gegen Tierversuche
Ab Ende der 1970er Jahre hatte die Anzahl an Tierversuchen großer forschender Konzerne wie Boehringer[46] zu einer heftigen öffentlichen Debatte über Nutzen und Notwendigkeit von Tierversuchen geführt, begleitet von zahlreichen Protesten in der Bevölkerung. 2008 und 2009 demonstrierten Tierschützer gegen Tierversuche am Boehringer-Standort Biberach an der Riß. 2009 wendete sich die „Bürgerinitiative gegen Massentierversuche in Wohngebieten e. V.“ gegen das von Boehringer Ingelheim in Hannover geplante Europäische Forschungszentrum für Tierimpfstoffe. Unterstützt wurde diese durch Tierrechtsaktivisten, die das Gelände in Hannover sechs Wochen lang besetzt hielten.[47][48]
Patentstreit für AIDS-Medikament in Indien
Im Zusammenhang der von Boehringer Ingelheim entwickelten AIDS-Medikamente wird dem Hersteller vorgeworfen, den Zugang zu diesen Medikamenten durch patentrechtliche Maßnahmen zu erschweren. So hat das Unternehmen z. B. in Indien einen Patentantrag auf den von ihnen entwickelten Wirkstoff gestellt – entsprechende Medikamente werden dort zurzeit noch zum Viertel des von Boehringer Ingelheim verlangten Preises hergestellt. In Kenia drohte die Firma Apotheken und Medikamentengroßhändlern mit rechtlichen Schritten, sollten diese weiterhin das kostengünstigere indische Präparat importieren.[49]
Das Unternehmen verweist darauf, dass keinerlei Lizenz- oder andere Gebühren erhoben werden und der Zugang zu kostengünstigen AIDS-Medikamenten so nicht behindert wird. Dieser Sachverhalt wurde mittlerweile auch von den Initiatoren der Kampagne bestätigt. Diese soll dennoch weitergeführt werden, da Boehringer Ingelheim nicht grundsätzlich auf das geistige Eigentum an seinem Wirkstoff verzichten möchte und so in der Zukunft vielleicht doch irgendwann Gebühren erheben könnte.
Todesfälle bei Blutgerinnungshemmer
2011 wurde über Todesfälle in Zusammenhang mit dem Blutgerinnungshemmer Dabigatran (Pradaxa) berichtet. Zwischen März 2008 und November 2011 waren weltweit 256 Menschen in zeitlichem Zusammenhang mit der Einnahme des Medikamentes gestorben.[50] Pradaxa sei jedoch nicht gefährlicher als andere Blutverdünner, so der Konzern.[51] In den USA reichten daraufhin etwa 4000 Personen Schadensersatzklagen gegen Boehringer Ingelheim ein.[52] Die US-Gesundheitsbehörde FDA, die in eigenen Studien die Frequenz schwerer Nebenwirkungen untersuchte, bescheinigte dem Mittel eine positive Wirkung und eine ähnliche Blutungsrate wie Warfarin.[53] Auch unter dem Eindruck negativer Presseartikel schloss das Unternehmen vor Eröffnung des Verfahrens mit Klägern in den USA einen Vergleich über 470 Mio. Euro.[54]
Weblinks
Literatur
- Michael Kißener, Boehringer Ingelheim in Nationalsozialismus. Studien zur Geschichte eines mittelständischen chemisch-pharmazeutischen Unternehmens. Stuttgart 2015. Franz Steiner Verlag. ISBN 978-3-515-11008-2.
- Ulrich Viehöver: Boehringer – Tue gutes und schweige besser, in: Ulrich Viehöver: Die Einflussreichen – Henkel, Otto und Co – Wer in Deutschland Geld und Macht hat, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006, S. 49–70.
Einzelnachweise
- Archiv Pressemitteilungen Boehringer Ingelheim, 15. Dezember 2017 (abgerufen am 16. Dezember 2017)
- Boehringer besetzt zwei Top-Positionen in der Führung neu. In: https://www.handelsblatt.de. Abgerufen am 7. Januar 2020.
- Archiv Pressemitteilungen Boehringer Ingelheim, 6. November 2015 (abgerufen am 13. April 2016) (Memento vom 21. November 2015 im Internet Archive)
- Boehringer besetzt zwei Top-Positionen in der Führung neu. In: https://www.handelsblatt.de. Abgerufen am 7. Januar 2020.
- Boehringer Ingelheim 2020. (PDF; 2,6MB) In: Unternehmenshomepage www.boehringer-ingelheim.de. Abgerufen am 14. April 2021.
- 1988–2012: Werte schaffen durch Innovation. In: boehringer-ingelheim.de. Archiviert vom Original am 30. April 2013; abgerufen am 12. April 2013.
- Häufige Fragen. In: www.boehringer-ingelheim.de. Archiviert vom Original am 3. November 2013; abgerufen am 2. November 2013.
- Organisation. In: www.boehringer-ingelheim.at. Archiviert vom Original am 22. Dezember 2015; abgerufen am 15. Dezember 2015.
- Top 500 – Die größten Familienunternehmen in Deutschland (PDF; 307 kB). In: Wirtschaftsblatt 1/13
- Boehringer steigert in der Pandemie Forschungsausgaben auf Rekordniveau. Onvista, 21. März 2021, abgerufen am 17. April 2021.
- Firmenportrait auf helpster.de vom 24. Juli 2013 (aufgerufen am 26. Oktober 2013)
- Cordt Schnibben: Der Tod aus Ingelheim. In: Der Spiegel 32, 1991, S. 106–120.
- VRM GmbH & Co. KG: INGELHEIM: Neuer Bioscientia-Chef Oliver Harzer sucht nach Synergien. (allgemeine-zeitung.de [abgerufen am 12. August 2018]).
- Michael Sieber (Hrsg.: Gesellschafterfamilie der C.H: Boehringer Sohn AG & Co. KG): Mit Menschen für Menschen. Aus der Geschichte des forschenden Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Ingelheim 2010, S. 192–207.
- Jürgen Salz: Generika-Verkauf: Frisches Geld für Boehringer. In: wiwo.de. 29. Juli 2015, abgerufen am 3. August 2015.
- Reuters: Boehringer verkauft US-Generikasparte. In: handelsblatt.com. 28. Juli 2015, abgerufen am 3. August 2015.
- Milliarden-Tausch mit Sanofi: Boehringer steht vor größtem Zukauf der Firmengeschichte. Abgerufen am 20. April 2019.
- Boehringer Ingelheim investiert 700 Millionen Euro in Wien. In: Die Presse. 6. April 2017, abgerufen am 29. Juni 2017.
- Boehringer Ingelheim kauft Basler NBE-Therapeutics. In: punkt4.info. 10. Dezember 2020, abgerufen am 11. Dezember 2020.
- Zahlen und Fakten. Boehringer Ingelheim, abgerufen am 21. August 2021.
- Unternehmensbericht Boehringer Ingelheim 2020. 31. Dezember 2020, S. 34-35, abgerufen am 12. April 2021 (deutsch).
- F&E Standorte. In: www.boehringer-ingelheim.de. Archiviert vom Original am 28. Februar 2014; abgerufen am 22. Februar 2014.
- Standortprofil Biberach. Boehringer Ingelheim, abgerufen am 22. August 2021.
- Profilseite des Standortes Dortmund von Boehringer Ingelheim. Abgerufen am 27. Dezember 2017.
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- Pressemitteilung zur Eröffnung des BIVRC (Memento vom 25. Oktober 2012 im Internet Archive)
- Boehringer Ingelheim plant Verlagerung der Forschungsaktivitäten für Tiergesundheit in Hannover. Pressemitteilung, 19. Juni 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020.
- TiHo übernimmt Boehringer-Impfstofflabor. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 21. Dezember 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020.
- lifePR (c) 2002-2020: Boehringer Ingelheim übergibt Forschungszentrum für Tiergesundheit in Hannover an Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Pressemitteilung - lifePR. 21. Dezember 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020.
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- Zeitungsmeldung der HAZ zur Besetzung des Geländes in Hannover
- Zeitungsmeldung der HAZ zur Räumung
- Boehringer behindert Zugang zu AIDS-Sirup für Kinder. (PDF; 493 kB) In: bukopharma.de. Archiviert vom Original am 23. September 2015; abgerufen am 1. Juli 2012.
- Jutta Hoffritz: 256 Menschen weltweit sterben nach der Behandlung mit Pradaxa. ZEIT Online vom 11. November 2011.
- Hartmut Wewetzer, Alina Schadwinkel: Pradaxa ist nicht gefährlicher als andere Blutverdünner. ZEIT Online vom 15. November 2011.
- "Boehringer leidet unter der Klagewelle in Amerika" Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. September 2014
- "Dabigatran: Weniger Hirn- aber mehr gastrointestinale Blutungen im Alter" Ärzte-Zeitung vom 14. Mai 2014
- Gerinnungshemmer Pradaxa: Vergleich kostet Boehringer Ingelheim fast eine halbe Milliarde. In: http://www.faz.net. 29. Mai 2014, abgerufen am 21. Mai 2015.