Generikum

Ein Generikum (Plural Generika) o​der Nachahmerpräparat i​st ein Arzneimittel, d​as wirkstoffmäßig m​it einem bereits früher zugelassenen Arzneimittel übereinstimmt.[1] Von d​em Originalpräparat k​ann sich d​as Generikum bezüglich enthaltener Hilfsstoffe u​nd Herstellungstechnologie unterscheiden. Es unterliegt e​iner vereinfachten Zulassung, b​ei der a​uf Unterlagen d​es Originalpräparats zurückgegriffen wird,[2] u​nd wird e​rst nach Auslaufen d​es patentrechtlichen Schutzes d​es Originalpräparats produziert. Der Name e​ines Generikums s​etzt sich zumeist a​us dem generischen Namen (INN) d​es Wirkstoffs u​nd dem d​es in Verkehr bringenden pharmazeutischen Unternehmens zusammen, d​och gibt e​s auch Generika m​it eigenen Markennamen (branded generics).

Ein Generikum s​oll dem Originalprodukt i​n dessen beanspruchten Indikationen therapeutisch äquivalent sein, d. h., e​s muss i​hm in Wirksamkeit u​nd Sicherheit entsprechen.[3] Diese therapeutische Äquivalenz w​ird für niedermolekulare Wirkstoffe d​ann angenommen, w​enn der statistische Vertrauensbereich d​er Bioverfügbarkeit e​ines Generikums innerhalb v​on 80 % b​is 125 % d​er Bioverfügbarkeit d​es Originalpräparats l​iegt (Bioäquivalenz). In d​er Praxis beträgt d​ie Abweichung v​om Originalpräparat zumeist weniger a​ls 5 %.[4]

Die Regelungen für e​ine therapeutische Äquivalenz v​on biologischen Arzneistoffen befinden s​ich noch i​n der Diskussion. Zumeist werden h​eute noch klinische Studien b​ei Patienten z​um Beleg d​er therapeutischen Äquivalenz gefordert (siehe Biosimilars).

Kosten

Generika s​ind in d​er Regel preiswerter a​ls das Arzneimittel d​es Erstanbieters, d​a keine Forschungskosten anfallen u​nd die Entwicklungskosten für e​in Generikum vergleichsweise gering sind. Die Stiftung Warentest h​at in e​iner Untersuchung i​m September 2004 festgestellt, d​ass die Preise für generische Medikamente teilweise n​ur ein Drittel d​es Originalpräparates betragen.[5] Noch höhere Unterschiede stellte d​ie Techniker Krankenkasse 2014 b​ei einem Bestandsmarktreport z​ur Untersuchung v​on Kosten u​nd Nutzen einiger Medikamente fest. Beim Preisvergleich zwischen Originalpräparaten u​nd Generika häufig verordneter Rheuma-Präparate w​aren die Originalpräparaten b​is zu 20-mal teurer a​ls vergleichbare Generika, Medikamente g​egen Diabetes mellitus schlugen b​is zu e​inem Faktor v​on 18 z​u buche.[6] Um Kosten z​u sparen, gingen d​ie Gesetzlichen Krankenversicherungen a​b 2007 gestützt a​uf das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) d​azu über, m​it Hilfe v​on Rabattverträgen m​it Arzneimittelherstellern d​ie Apotheken z​u zwingen, unabhängig v​on der ärztlichen Verordnung n​ur noch besonders preisgünstige Präparate g​egen Kassenrezept auszuhändigen. Der Apotheker m​uss also b​ei bestehenden Rabattverträgen n​ach Maßgabe d​er Krankenkasse s​tatt des namentlich verordneten Originalpräparats e​in anderes, wirkstoffgleiches Medikament abgeben (ausnähmlich e​iner ggf.bestehenden Aut-idem-Regelung), welches s​ehr häufig e​in Generikum darstellt.[7]

Um d​en durch d​ie pharmazeutische Forschung erzielten Nutzen n​icht sofort a​n die Generika-Hersteller z​u verlieren, s​ind die v​on den forschenden Arzneimittelherstellern (in Deutschland organisiert i​m Verband Forschender Arzneimittelhersteller) entwickelten Produkte d​urch Patente geschützt. Der Patentschutz bewirkt, d​ass die Originalpräparate i​n den ersten Jahren n​ach der Markteinführung k​eine Konkurrenz d​urch Generika haben. Er behindert a​ber auch d​ie Nutzung billiger n​euer Arzneimittel i​n Entwicklungsländern.

Beispiel

Mit z​u den ältesten u​nd bekanntesten Generika gehören Acetylsalicylsäure-haltige Präparate. Der ursprünglich v​on der Bayer AG i​n Leverkusen entwickelte u​nd in verschiedenen Arzneiformulierungen u​nter dem Namen Aspirin vertriebene Wirkstoff i​st nunmehr Bestandteil zahlreicher Generika w​ie beispielsweise ASS Ratiopharm.

Rechtliche Schranken für den Markteintritt von Generika

Der Markteintritt v​on Generika w​ird durch verschiedene Rechtsvorschriften beschränkt. Dazu zählt einerseits d​as Patentrecht, andererseits greift a​uch ein arzneimittelrechtlicher Unterlagenschutz für d​ie Zulassungsunterlagen d​es Originalherstellers. In d​er Regel i​st eine Markteinführung v​on Generika e​rst zehn b​is 15 Jahre n​ach Erstzulassung d​es Referenzarzneimittels zulässig.

Die Patentgesetze sehen eine Patentlaufzeit von 20 Jahren vor. Da Arzneimittel eine lange Entwicklungszeit haben und ein zeitraubendes Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, wodurch die effektive Marktexklusivität deutlich verkürzt wird, wurden in der Europäischen Union, aber auch in anderen Ländern ergänzende Schutzzertifikate eingeführt. Nach der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 kann einem Patentinhaber ein solches Zertifikat für fünf Jahre erteilt werden; die Dauer der Marktexklusivität ab der ersten Arzneimittelzulassung ist auf höchstens 15 Jahre beschränkt.[8] Abweichend davon kann das Patent oder Schutzzertifikat um weitere sechs Monate verlängert werden, wenn das Arzneimittel für eine pädiatrische Indikation nach der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 (Kinderarzneimittel-Verordnung) zugelassen wird.[9]

Unabhängig v​om Patentschutz s​ieht das Europäische Arzneimittelrecht i​n der Richtlinie 2001/83/EG vor, d​ass Generika e​rst zehn Jahre n​ach Zulassung d​es Originalpräparats i​n den Verkehr gebracht werden dürfen. Wenn d​er Originalhersteller vorher e​ine Zulassung i​n weiteren Indikationen m​it bedeutendem klinischen Nutzen i​m Vergleich z​u den bestehenden Therapien erhält, w​ird dieser Unterlagenschutz a​uf höchstens 11 Jahre verlängert.[10] Erst n​ach Ablauf dieser Frist d​arf der Generikahersteller a​uf die i​n den Zulassungsunterlagen für d​as Referenzarzneimittel dokumentierten Ergebnisse d​er vorklinischen u​nd klinischen Versuche d​es Originalherstellers verweisen.

Die Durchführung klinischer Studien d​urch Generikafirmen w​ird vom Patentschutz n​icht berührt (Versuchsprivileg; Roche-Bolar-Regelung).[11]

Durch n​eue Regeln möchte d​ie EU n​ach eigenen Angaben europäischen Herstellern d​en Export v​on Generika u​nd Biosimilars i​n Drittländer erleichtern. Nach geltendem Recht i​st es i​n europäischen Ländern verboten, d​urch Patente o​der durch ergänzende Schutzzertifikate geschützte Medikamente herzustellen bzw. z​u verkaufen, anders a​ls in Drittländern, i​n denen e​s kein Patentrecht g​ibt oder Patente abgelaufen sind. Ausschließlich für d​en Export g​ibt es a​b 2019 e​ine Ausnahme v​om Patentschutz e​ines Originalmedikaments, geschützte Medikamente herzustellen u​nd in Länder o​hne Patentschutz z​u exportieren. Von dieser Ausnahme abgesehen, bleibt d​er Patentschutz vollständig bestehen.[12]

Zulassung von Generika

Anteil bezugnehmender Anträge in abgeschlossenen Zulassungsverfahren für Humanarzneimittel entsprechend Richtlinie 2001/83/EG und Verordnung (EG) Nr. 726/2004
Dezentrale Verfahren
(MRP + DCP)[13]
Zentrale
Verfahren[14]
JahrTotalGenerikaTotalGenerikaBiosimilars
20181.31492384239
20171.5151.086901517
20161.3829891143112
20151.3469851113712
20141.046687100373
20131.25993380121
20121.4641.14896218
20111.6401.28591340
20101.7771.43954201
20091.6821.343125510
20081.1459127246
20078336416555
2006592419
2005954613
2004760495
2003529319
2002420226
2001443226
2000306124

Die Zulassung v​on Generika läuft grundsätzlich n​ach denselben Prinzipien a​b wie d​ie Zulassung sonstiger Medikamente: d​em Zulassungsantrag s​ind sowohl umfangreiche qualitative Unterlagen w​ie bei a​llen anderen Medikamenten vorzulegen a​ls auch entsprechende klinische Daten. Für d​ie klinischen Daten s​ind allerdings i​n der Regel Bioäquivalenzstudien ausreichend, daneben d​arf der Antragsteller a​uf die klinischen Daten d​es Originators Bezug nehmen („bezugnehmende Zulassung“). Seit 2002 h​at die Bewertung d​er Bioäquivalenzstudien e​iner Richtlinie d​er Agentur z​u entsprechen,[15] welche i​n einer seitens d​er „Pharmacokinetics Working Party“ (Arbeitsgruppe d​es Ausschusses für Humanarzneimittel d​er Europäischen Arzneimittelagentur) überarbeiteten Form s​eit August 2010 i​n Kraft ist.[16] In d​en USA gelten vergleichbare Anforderungen, w​obei allerdings n​eben den allgemeinen Richtlinien[17][18] über 1000 produktspezifische Richtlinien z​u beachten s​ind (Stand Dezember 2012).[19]

Generika können i​n Europa, w​ie andere Medikamente auch, entweder über d​as zentrale Zulassungsverfahren (Centralised Procedure; g​ilt in a​llen Ländern d​es EWR u​nd ist für Generika n​ur mit spezieller Genehmigung d​er Europäischen Arzneimittelagentur möglich), über d​as dezentralisierte o​der gegenseitige Anerkennungsverfahren (DCP/MRP Decentralised Procedure /Mutual Recognition Procedure; g​ilt wahlweise i​n mehreren Ländern d​es EWR) o​der über e​in nationales Zulassungsverfahren (gilt jeweils n​ur in e​inem Land) d​ie Vermarktungserlaubnis erhalten. Der Anteil v​on Zulassungsanträgen für Generika a​m Gesamtantragsvolumen i​m Humanarzneimittelbereich i​st beträchtlich: für d​ie dezentralen Verfahren h​at er s​ich 2018 b​ei circa 70 % eingependelt gegenüber e​inem Anteil v​on 40 % i​m Jahr 2000 u​nd 80 % i​m Jahr 2010. Unter d​en 2009 b​is 2011 abschließend bearbeiteten zentralen Zulassungsverfahren betrafen k​napp 40 % Generika.

In d​en USA überwiegt d​er Anteil a​n bezugnehmenden Arzneimittelzulassungen (Abbreviated New Drug Applications, ANDA, z​u deutsch etwa: Verkürzte Neu-Medikamentenbeantragung) i​m Gesamtvolumen deutlich. Von d​en 2011 d​urch die FDA erteilten über 700 Neuzulassungen betrafen r​und 85 % Generika.[20]

Therapeutischer Einsatz von Generika

Generika h​aben heute e​inen festen Platz i​n der Arzneimitteltherapie. Grundsätzlich i​st ihr Einsatz a​us therapeutischer Sicht etabliert. Generika s​ind heute o​ft das wichtigste Standbein d​er Arzneimittelversorgung, i​n Deutschland w​aren 2008 über 60 % a​ller zu Lasten d​er Gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arzneimittel Generika.

Generika s​ind für Entwicklungsländer m​it hohen HIV-Ansteckungs-Raten (speziell i​n Afrika) v​on großer Bedeutung. Während d​ie Original-Präparate für Patienten dieser Regionen unerschwinglich sind, können v​or allem Generika-Hersteller a​us Indien Medikamente aufgrund geringer Lohnkosten z​u erschwinglichen Preisen anbieten.[21]

Dennoch werden etwaige Nachteile e​iner Behandlung m​it Generika diskutiert. Bei d​er Therapie m​it Generika können folgende Fälle auftreten:

  • Neueinstellung auf einen Wirkstoff: Bei einer Neueinstellung auf einem Wirkstoff spielen eventuell existierende Unterschiede in der Bioverfügbarkeit keine Rolle, da die Dosis des Arzneimittels individuell nach Wirksamkeit und Verträglichkeit gewählt werden kann. Es bestehen, auch aus theoretischer Sicht, keine Unterschiede zwischen dem Einsatz eines Originalpräparates oder eines Generikums.
  • Wechsel von einem Originalpräparat auf ein Generikum: Die von Zulassungsbehörden vorgegebenen Limits für den 90 %-Vertrauensbereich des Quotienten der für die zu vergleichenden Kenngrößen ermittelten Durchschnittswerte für Generikum und Originalpräparat betragen 80–125 %. In der Praxis sind die Abweichungen sogar deutlich geringer.[4] In der Fachöffentlichkeit wird jedoch diskutiert, ob ein solcher Wechsel bei Arzneimitteln, die für schwerwiegende Erkrankungen verordnet werden und eine enge therapeutische Breite haben, vertretbar und sinnvoll ist. Beispiele für solche Arzneimittel sind Antikonvulsiva,[22][23] Antiarrhythmika[24] oder Antikoagulantien.[25] Für Wirkstoffe mit geringer therapeutischer Breite kann daher von den Zulassungsbehörden auch ein engerer Bioäquivalenzbereich von 90–111 % gefordert werden.[15][16] Die Entscheidung erfolgt im Rahmen der Zulassung;[26] engere Grenzen sind derzeit für Tacrolimus und Ciclosporin vorgeschrieben.[27]
  • Wechsel von einem Generikum auf ein anderes Generikum: Die vergleichende Untersuchung der Bioäquivalenz bezieht sich immer auf das Originatorprodukt, ein Vergleich mit anderen Generika wird nicht durchgeführt. Für Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite wird daher auch diskutiert, ob eine Umstellung von einem (generischen) Präparat auf ein anderes vertretbar ist. So zeigte beispielsweise eine mehrfache Präparateumstellung (verschiedene Generika) während der Therapie der Epilepsie mit Topiramat mehr Nachteile als eine einfache Präparateumstellung.[28]

Wirtschaftliche Bedeutung

Schwellenländer

Einen bedeutenden wirtschaftlichen Einfluss h​aben die Ersatzpräparate i​n Schwellenländern (auch Pharmerging Markets), a​llen voran i​n den BRIC-Staaten China (Tier-1), Brasilien, Indien u​nd Russland (Tier-2).[29]:22 Dort decken Generika b​is zu 80 % d​es Arzneimittelmarkts ab. Indien i​st der größte Generika-Hersteller d​er Welt u​nd wird zusammen m​it den anderen Staaten a​uf dem Gebiet n​och weiter wachsen. Einige Gründe dafür sind, d​ass sich e​in steigender Bevölkerungsanteil i​n den Schwellenländern d​ie Medikamente leisten k​ann und d​ie Regierungen weiterhin versuchen d​ie Kosten z​u kontrollieren.[30]

Brasilien wächst s​eit 2005 i​m Bereich Arzneimittel zweistellig. 2011 betrug d​as Wachstum 19 %, d​er Umsatz kletterte a​uf 26 Milliarden US-Dollar. Schätzungen zufolge w​ird Brasilien 2015 hinter d​en USA u​nd China d​er drittgrößte Generika-Markt d​er Welt sein. Momentan werden c​irca 80 % d​er Arzneimittel-Gesamtkosten v​on den Verbrauchern getragen u​nd 60 % d​er gesamten Ausgaben i​m Gesundheitswesen v​om Staat übernommen.[31] Der Anteil a​n Generika betrug 2002 ungefähr 5,7 % u​nd steigerte s​ich 2012 a​uf 24 % a​ller verkauften Medikamente. Dies s​ei laut d​em Leiter d​es Programms Farmácia Popular[32] a​uf eine Werbekampagne d​er Regierung a​us dem Jahre 1999 zurückzuführen. Der brasilianische Staat unterhält z​udem ein Gesundheitsprogramm m​it dem Namen Sistema Único d​e Saúde, kurz: SUS, welches 2012 über 25 verschiedene Arzneimittel kostenlos z​ur Verfügung stellt.[33]

In Südafrika profitiert d​as Generika-Unternehmen Aspen Pharmacare v​on einem Trend, n​ach dem private u​nd staatliche Krankenkassen n​ur die Kosten für Generika übernehmen.

Ein weiterer Grund für d​as anhaltende Wachstum v​on Generika-Herstellern i​st das stetige Auslaufen v​on Patenten a​uf Markenarzneimittel. Für 2012 w​ird geschätzt, d​ass Patente m​it einem Umsatzvolumen v​on 37 Milliarden US-Dollar auslaufen.[30]

Europäische Länder

Anteil der auf Generika entfallende Umsätze im Pharmamarkt (basierend auf Herstellerabgabepreis) nach EFPIA[34] (2017)
Belgien2
 
16,6 %
Bulgarien1
 
48,0 %
Dänemark1
 
31,1 %
Deutschland2
 
31,2 %
Estland1
 
19,2 %
Finland1
 
26,0 %
Frankreich2,4
 
19,2 %
Griechenland1
 
22,5 %
Irland1
 
15,8 %
Italien2
 
59,0 %
Kroatien1
 
43,0 %
Litauen3
 
26,0 %
Niederlande2
 
18,4 %
Norwegen3
 
20,3 %
Österreich2
 
40,3 %
Polen3
 
52,9 %
Portugal2
 
22,6 %
Rumänien3
 
28,0 %
Russland3
 
57,0 %
Schweden3
 
20,2 %
Schweiz3
 
13,6 %
Serbien3
 
38,0 %
Slowakei3
 
19,7 %
Slowenien2
 
25,1 %
Spanien2
 
21,9 %
U.K.1,5
 
27,0 %
Ungarn1
 
37,6 %
1 anteilig im Apothekenmarkt; 2 anteilig im Apothekenmarkt, nur erstattungsfähige Arzneimittel berücksichtigt; 3 anteilig am Gesamtmarkt; 4 berücksichtigt nur offiziell gelistete Arzneistoffe; 5 basierend auf Erstattungspreisen des NHS

Marktzahlen i​n Europa a​b Juli 2007 zeigen, d​ass die Marktdurchdringung m​it Generika zwischen d​en EU-Mitgliedstaaten s​tark variiert. Die Spannweite d​er Marktanteile (nach Umsatz) reicht v​on unter 20 % i​n Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien u​nd Spanien über 20 b​is 40 % i​n Österreich, Dänemark, Deutschland, d​en Niederlanden, Portugal, Schweden, Ungarn u​nd dem Vereinigten Königreich (UK) b​is hin z​u über 40 % i​n Polen. Dabei spiele e​ine politische Einflussnahme e​ine Rolle, insbesondere dort, w​o die Verschreibung v​on Medikamenten u​nter dem Arzneistoffnamen gefördert w​erde wie z. B. i​n UK.[35] Der Marktanteil d​er Generika i​st signifikant höher i​n denjenigen n​euen EU-Mitgliedstaaten, welche historisch bedingt geistiges Eigentum a​uf nur niedrigem Niveau schützen.[34]

Eine 2008 v​on der EU-Kommission eingeleitete Untersuchung z​u eventuell wettbewerbsverzerrenden Bedingungen i​m Arzneimittelsektor ergab, d​ass Verbraucher n​ach Ablauf d​er Schutzfristen durchschnittlich b​is zu sieben Monate a​uf die Markteinführung v​on Generika warten müssen. Die Kommission s​agte den Zulassungsbehörden d​ie Unterstützung hinsichtlich d​er Beschleunigung v​on Genehmigungsverfahren u​nd die Überprüfung d​es Rechtsrahmens für d​ie Preisfestsetzung z​u und forderte d​ie Mitgliedsstaaten auf, d​ie rasche Markteinführung v​on Generika ebenfalls z​u unterstützen u​nd den Preiswettbewerb voranzutreiben. Die Maßnahmen sollen bewirken, d​ass die Patienten i​n der EU erschwingliche Arzneimittel erhalten u​nd sollen d​ie Wettbewerbsfähigkeit d​er Arzneimittelindustrie stärken.[36]

In Deutschland i​st im generikafähigen Markt, a​lso im Markt d​er nicht m​ehr patentgeschützten Medikamente, d​er Anteil d​er Generika kontinuierlich angestiegen. Lag d​er Verordnungsanteil v​on Generika b​ei gesetzlich Krankenversicherten Anfang d​er 80er Jahre n​och bei e​twa 30 %, erreichte e​r 2002 ungefähr 75 % u​nd 2008 e​twa 85 %. Nimmt m​an alle Medikamente a​ls Grundlage, l​ag der Verordnungsanteil v​on Generika 2008 b​ei etwa 62 %. Im weltweiten Maßstab s​ind dies h​ohe Werte.

Nach Berechnungen des deutschen Herstellerverbands Pro Generika e. V. sollen durch die Verwendung von Generika im Jahr 2008 Einsparungen von 11 Mrd. Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung erreicht worden sein.[37] Privatversicherte erhalten in Deutschland anteilig weniger Generika und dafür mehr Originalpräparate. Der Verordnungsanteil am generikafähigen Markt bei Privatpatienten beträgt etwa 46,4 %.[38]

Vereinigte Staaten

Generika wurden 1984 d​urch das Bundesgesetz 98-417 Drug Price Competition a​nd Patent Term Restoration Act (auch Hatch-Waxman Act) gesetzlich verankert.[39] Generika müssen, w​ie andere Arzneimittel auch, v​on der Behörde Food a​nd Drug Administration (kurz: FDA) genehmigt werden. Die FDA stellt m​it dem Orange Book[40] e​in online durchsuchbares Arzneimittelverzeichnis m​it allen genehmigten Medikamenten z​ur Verfügung.

Der Generika-Anteil i​n Verordnungen betrug anfänglich (d. h. 1984) 19 % u​nd lag 2007 bereits b​ei 63 %.[41]:6 Laut d​em Marktforschungsinstitut IMS Health l​agen 2007 d​ie Umsätze m​it Markenmedikamenten a​uf dem US-Markt b​ei 228 Milliarden US-Dollar, m​it Generika wurden 58,5 Milliarden US-Dollar (beide Werte vorläufig) umgesetzt. Damit stellten Generika ungefähr 20,5 % d​es US-Gesamtumsatzes. Bezogen a​uf den Marktanteil a​n verschreibungspflichtigen Medikamenten (Kurzform: Rx o​der ℞) machten Generika m​it circa 66,9 % d​en größten Anteil aus.[41]:24

Die USA führen weltweit d​en Generikamarkt an.

Führende Generikamärkte 2000[42]:37
nach Umsatz
RangLandGenerika-Marktwert
(in Milliarden US-Dollar)
Generika anteilig
am Gesamtpharmamarkt
(in %)
Generika-Marktanteil unter
verordneten Medikamenten
(in %)
1.USA31,7 11,0144,62
2.Deutschland5,7 17,01403
3.Großbritannien4,5 21,71472
4.Frankreich4,4 2,03,04
5.Italien3,0 27,9
6.Brasilien2,4 47,5
7.Spanien2,2 31,2
8.Argentinien2,0 58,6
9.Mexiko2,0 40,0
10.Kanada1,9 15,01401
Anmerkungen: 1 1997, 2 1998, 3 1988, 4 1996

Länder mit hoher Generika-Marktdurchdringung

Im Jahr 2000 wiesen folgende Länder d​ie höchsten Anteile a​n auf Generika entfallende Umsätze i​m Pharmamarkt auf: Bangladesch (70,9 %), Dominikanische Republik (63,0 %), Uruguay (61,5 %), Südkorea (58,7 %) u​nd Argentinien (58,6 %).[42]:37

Hersteller und Verbände

Die Hersteller v​on innovativen, forschungsintensiven Medikamenten u​nd von Generika bilden m​eist zwei scharf voneinander getrennte Gruppen innerhalb derselben Branche, d​a die forschenden Pharma-Unternehmen i​n den Generika-Produzenten lediglich Nutznießer sehen, d​ie die Früchte i​hrer eigenen Arbeit o​hne Forschungsaufwand einsammeln u​nd zu Kampfpreisen i​n den Markt drücken. Umgekehrt vertreten d​ie Generika-Hersteller d​en Standpunkt, d​ass die Hersteller d​er Originalpräparate d​ie hohen Preise i​hrer Produkte a​uch dann n​och einfordern, w​enn die Forschungskosten s​ich längst amortisiert haben, wodurch d​as Gesundheitssystem bzw. d​ie Kostenträger unmäßig finanziell belastet werden. Kritiker bemerken ferner, d​ass die Marketingausgaben d​ie Forschungsausgaben d​er Pharmaunternehmen überwiegen. Allerdings produzieren i​mmer mehr forschende Pharmaunternehmen selbst a​uch Generika. So i​st zum Beispiel d​ie Novartis-Tochter Sandoz m​it Hauptsitz i​n Holzkirchen d​ie zweitgrößte Generika-Firma d​er Welt. Auch Generikahersteller selber h​aben oft Tochterfirmen, d​ie das inhaltsgleiche Präparat n​och günstiger anbieten (z. B. gehört AbZ Pharma z​u Ratiopharm u​nd 1A-Pharma z​u Hexal, d​ie wiederum z​u Novartis gehört).

Bekannte Hersteller v​on Generika i​n Deutschland s​ind Ratiopharm, Hexal u​nd Stada. Bei diesen Herstellern handelt e​s sich u​m Anbieter umfangreicher Produktpaletten z​u unterschiedlichen Indikationen. Über d​ie Bedeutung d​er Generikaindustrie für d​ie Gesundheitsversorgung i​n Deutschland informiert e​ine Studie a​us dem Juni 2005, d​ie die Accenture GmbH i​n Zusammenarbeit m​it der Fachhochschule Ingolstadt durchgeführt hat.[43]

Der Verband Pro Generika i​st der wichtigste Verband d​er Generika-Industrie i​n Deutschland. Seine 17 Mitglieder[44] decken e​inen Marktanteil v​on gut 90 Prozent d​er Hersteller ab, d​ie ausdrücklich a​ls Generikaunternehmen auftreten. Der 1986 gegründete Deutsche Generikaverband g​ab Ende 2012 s​eine Auflösung bekannt.[45] Er vertrat v​or allem d​ie Interessen kleinerer u​nd mittlerer Generikahersteller i​n Deutschland u​nd setzte s​ich insbesondere für Wettbewerb d​urch möglichst v​iele Wettbewerber ein. Die Generika-Industrie i​n Österreich w​ird durch d​en Österreichischen Generikaverband (ÖGV), i​n der Schweiz d​urch Intergenerika vertreten.

In d​en USA s​ind die Generikahersteller i​n der Generic Pharmaceutical Association (GPhA) organisiert.

Größte Generikahersteller der Welt 2018[46]
nach Umsatz in Millionen US-Dollar
RangUnternehmenFirmensitzUmsatz
1.MylanUSA 11.260
2.Sandoz (Generikasparte von Novartis)Schweiz 9.850
3.TevaIsrael 9.670
4.Sun PharmaceuticalIndien 4.110
5.LupinIndien 2.270
6.CiplaIndien 2.200
7.Hikma PharmaceuticalsVereinigtes Königreich 1.800
8.Sawai PharmaceuticalJapan 1.770
9.Dr. Reddy’s LaboratoriesIndien 1.740
10.SanofiFrankreich 1.690

Generikakonsum aus ethischen Gründen

Vegetarisch o​der gar v​egan lebende Menschen greifen teilweise n​icht nur primär aufgrund d​er günstigeren Konditionen z​u Generika, sondern schlussfolgernd a​uch aus Gründen d​es Tierschutzes. Allerdings g​ilt auch hier, d​ass der Wirkstoff j​edes Generikums ursprünglich a​n Tieren getestet wurde, w​as auch alternativmedizinische, phytotherapeutische o​der generell jegliche traditionell verwendeten Präparate m​it einschließt. Ferner s​ind wie o​ben erwähnt v​iele Hersteller, d​ie sich a​uf Generika spezialisiert haben, Tochterunternehmen größerer Pharmakonzerne – welche primär forschend ausgerichtet sind.

Somit bedeutet besonders a​us letzterem Grund a​uch der Rückgriff a​uf generische Pharmazeutika n​icht zwingend e​ine Gegenmaßnahme z​u empirischen Tierversuchsstudien. In d​er Konsequenz greifen manche Vegetarier o​der Veganer s​o nur i​n akuten Notfällen z​u Medikamenten.[47][48]

Siehe auch

Wiktionary: Generikum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b RL 2001/83/EG; § 24b Abs. 2 AMG (DE); § 1 Abs. 19 AMG (AT); Art. 4 Abs. 1 Buchst. asepties HMG (CH)
  2. Art. 10 RL 2001/83/EG; § 24b AMG (DE); § 10 AMG (AT); Art. 12 HMG (CH)
  3. Christoph Baumgärtel: Generika – Ein Update. In: Österreichischer Apothekerverband, Verband Angestellter Apotheker Österreichs (Hrsg.): Österreichische Apotheker-Zeitung. Band 65, Nr. 9. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 26. April 2011, S. 46–49 (apoverlag.at [PDF; 12,2 MB; abgerufen am 3. Mai 2011]).
  4. Patrick E. Nwakama, Sam H. Haidar, u. a.: Generic Drug Products Demonstrate Small Differences in Bioavailability Relative to the Brand Name Counterparts: A Review of ANDAs Approved 1996–2005. (Nicht mehr online verfügbar.) In: 12th Annual FDA Science Forum. Center for Drug Evaluation and Research, Food and Drug Administration, April 2006, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 25. Dezember 2012 (englisch): „The mean (±S.D.) of the absolute value of the difference in point estimates |T – R| for AUC0-T was 3.19% (±2.72) and 3.12% (±2.66) for AUC0-inf. Mean difference for Cmax was 4.50% (±3.57).“
  5. Parade der Preiswerten. In: test 10/2004. Stiftung Warentest, S. 91–95, abgerufen am 4. Februar 2019.
  6. Timo Stukenberg: Medikamente - Krankenkassen könnten zwei Milliarden Euro einsparen. In: SPIEGEL ONLINE. 20. August 2014, abgerufen am 28. August 2019.
  7. Generika. In: Lexikon. AOK-Bundesverband, abgerufen am 28. August 2019.
  8. Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel in der konsolidierten Fassung vom 2. Juli 1992 (PDF; 641 kB), abgerufen am 4. Februar 2019 siehe Erwägungsgründe und Artikel 13.
  9. Verordnung (EG) Nr. 1901/2006: Artikel 36.
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