Staatsverschuldung Deutschlands

Die Staatsverschuldung Deutschlands besteht aus den zusammengefassten Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden, gesetzlicher Sozialversicherung und Sondervermögen des Bundes bei in- und ausländischen Kreditgebern.

Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler zeigt dessen Prognose über die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2006.

Veröffentlicht werden die „Schulden beim nicht öffentlichen Bereich gemäß Finanzstatistik“ im Rahmen der Schuldenstatistik vom Statistischen Bundesamt und der Maastricht-Schuldenstand, der auf Basis des Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von der Deutschen Bundesbank ermittelt wird. Zusätzlich werden unter anderem sogenannte Zuweisungs- oder Reroutinggeschäfte für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität und die Kreditanstalt für Wiederaufbau als langfristige Kredite beinhaltet.[1]

Die an Eurostat für 2018 gemeldete Verschuldung betrug 2069 Milliarden Euro[2] und damit 61,9 % des Bruttoinlandsprodukts.[3]

Das Statistische Bundesamt berichtet für 2018 eine Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland von 1917 Milliarden Euro.[4][5]

Im ersten Halbjahr 2020 entstand im Bundeshaushalt aufgrund der COVID-19-Pandemie ein Finanzierungsdefizit von 27,1 Milliarden Euro. Das Staatsdefizit der Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung betrug 51,6 Milliarden Euro.[6] Aufgrund der COVID-19-Pandemie verzeichnen alle öffentlichen Haushalte in Deutschland Gesamtschulden von über 2,2 Billionen Euro.[7]

Überblick

Die Höhe der Staatsverschuldung hängt davon ab, welche Schuldenarten sowie welche öffentlichen Einheiten in die Betrachtung einbezogen werden. Für die Rechnungslegung der öffentlichen Haushalte werden zwei verschiedene Rechenwerke verwendet: die Finanzstatistik und die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Diese Rechenwerke unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Periodisierung und Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Sektors:

Staat nach VGRöffentlicher Gesamthaushalt nach Finanzstatistik
Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände,
Zweckverbände, Sondervermögen, Sozialversicherung
Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände,
Zweckverbände, Sondervermögen, Sozialversicherung
Periodisierung nach Entstehungszeitpunkt
z. B. Lohnsteueraufkommen Januar wird zurückgebucht auf Dezember
Bauinvestitionen werden nach Baufortschritt berücksichtigt
Periodisierung nach Kassenwirksamkeit
z. B. Lohnsteueraufkommen Januar bleibt dem Januar zugeschlagen
Bauinvestitionen werden im Jahr der Zahlung berücksichtigt
Einnahmen aus Verkauf von Beteiligungen bleiben unberücksichtigtEinnahmen aus Verkauf von Beteiligungen werden kassenwirksam

Staatsschulden können nach folgenden Kriterien unterschieden werden:

  • nach Art der Gläubiger: inländische Gläubiger, ausländische Gläubiger
  • nach Art der Schulden: Kreditmarktschulden, Kassenkredite, u. a.
  • nach der staatlichen Körperschaft: Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverband, Sozialversicherung, Extrahaushalt
  • nach volkswirtschaftlicher Abgrenzung (erfasst Einnahmen und Ausgaben nach dem Entstehen der Forderungen und Verbindlichkeiten und ist (weitgehend) methodische Grundlage für die Ermittlung der Haushaltsdefizite und der öffentlichen Schulden nach dem Vertrag von Maastricht und dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt)
  • nach Abgrenzung der Finanzstatistik (erfasst Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Sondervermögen und Sozialversicherung nach ihrer Kassenwirksamkeit und ist relevant für die Schuldenbegrenzung nach Artikel 115 Grundgesetz sowie für die entsprechenden Bestimmungen in den Verfassungen der Länder)
  • nach Maastricht-Kriterien

Staatsverschuldung in Deutschland

Deutschland ist zu circa 40 % bei inländischen Gläubigern verschuldet, circa 60 % der deutschen Verschuldung sind Auslandsschulden. Die inländischen Gläubiger sind zu etwa zwei Dritteln inländische Kreditinstitute und zu einem Drittel Nichtbanken (Versicherungen, Unternehmen, Privatpersonen).[8][9]

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Staatsverschuldung

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht davon aus, dass steigende und hohe Schuldenstandsquoten – unabhängig davon, wie sie entstanden sind – langfristig mit Wachstumsverlusten verbunden sind. Zudem belasten sie zukünftige Generationen über die zur Finanzierung des Schuldendienstes erforderlichen höheren Steuern.

Eine dauerhafte Staatsverschuldung könne aber im Zusammenhang mit öffentlichen Investitionen gerechtfertigt sein, die das Vermögen kommender Generationen erhöhen oder künftige Erträge hinterlassen und diese somit „reicher“ machen. Die intergenerative Umverteilungswirkung der Staatsschuld sei hier ein gewünschtes Ergebnis, um auch die künftigen Nutznießer der heutigen Ausgaben an den Finanzierungslasten zu beteiligen.[10]

Kennziffern der Staatsverschuldung

Staatsverschuldung 2000 – 2019 in % des BIP für die EU und Deutschland

Das Verhältnis des Schuldenstands zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (Staatsschuldenquote) und das Finanzierungsdefizit (Nettokreditaufnahme) bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt sind wichtige Verschuldungskennziffern, die herangezogen werden, um das Vorliegen einer Haushaltskrise oder Notlage festzustellen.

Entwicklung der Staatsverschuldung

Seit 1962 kam es bis 2012 mit Ausnahme von 1989 in jedem Jahr zu einer Nettoneuverschuldung des Bundes; nur von 1950 bis 1961 war in acht Jahren eine Nettotilgung der Bundesschuld möglich. Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass die Geschwindigkeit der Neuverschuldung sich zum Höhepunkt der Finanzkrise (Pressemitteilung 15. Januar 2009) von 474 Euro pro Sekunde im Jahr 2008 auf 4.439 Euro pro Sekunde im Jahr 2009 nahezu verzehnfachte.[11]

Entsprechend dem zunehmenden Schuldenstand waren die Zinslasten über Jahrzehnte gewachsen. Die Zinslastquote (Zinsausgaben in % der staatlichen Gesamtausgaben) lag für den Bund im Jahr 2001 bei 16,2 %; in einigen Bundesländern noch deutlich darüber. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt die Zinslastquote etwa bei 3 %. Die deutliche Senkung des Leitzinses in der Eurozone auf ein historisch niedriges Niveau von 0,0 %[12] sowie die große Nachfrage nach den als sichere Anlage geltenden Bundesanleihen hat in den letzten Jahren die Zinsen von Neuemissionen deutlich gesenkt, weshalb auch die Zinslast insgesamt rückläufig ist.[13] Für Neuemissionen von Staatsanleihen ein- und zweijähriger Laufzeit konnte Deutschland zeitweise negative Zinsen verlangen.[14]

Erstmals im Jahr 2013 sank der Schuldenstand in Deutschland, bei einer rückläufigen deutschen Staatsschuldenquote von 81,0 % auf 78,4 % des Bruttoinlandsprodukts.

Bund und Länder verschulden sich in erster Linie, indem sie gegen Zinsen, seit einigen Jahren auch zu negativen Zinsen, Staatsanleihen verkaufen. Die Transaktion erfolgt meistens über Banken. Die Schulden der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen (ab 2010 inkl. aller Extrahaushalte und Schulden der deutschen Sozialversicherung), haben sich seit 1950 wie folgt entwickelt:

Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts von 1950 bis 2020
Jahr in Millionen Euro
1950
 
9.574
1951
 
10.747
1952
 
12.276
1953
 
14.775
1954
 
18.311
1955
 
21.357
1956
 
22.362
1957
 
23.158
1958
 
23.991
1959
 
25.463
1960
 
28.998
1961
 
32.215
1962
 
33.129
1963
 
36.026
1964
 
39.797
1965
 
44.697
1966
 
50.294
1967
 
58.018
1968
 
62.402
1969
 
62.982
1970
 
64.210
1971
 
71.661
1972
 
79.392
1973
 
86.421
1974
 
97.368
1975
 
130.008
1976
 
150.904
1977
 
167.119
1978
 
188.579
1979
 
210.950
1980
 
238.897
1981
 
278.221
1982
 
313.733
1983
 
343.279
1984
 
366.682
1985
 
388.436
1986
 
409.300
1987
 
433.788
1988
 
461.525
1989
 
474.704
1990
 
538.334
1991
 
599.511
1992
 
686.356
1993
 
769.898
1994
 
848.057
1995
 
1.018.767
1996
 
1.082.970
1997
 
1.132.442
1998
 
1.165.414
1999
 
1.199.582
2000
 
1.210.918
2001
 
1.223.503
2002
 
1.277.271
2003
 
1.357.723
2004
 
1.429.749
2005
 
1.489.853
2006
 
1.545.364
2007
 
1.552.371
2008
 
1.577.881
2009
 
1.694.368
2010
 
2.011.677
2011
 
2.025.438
2012
 
2.068.289
2013
 
2.043.344
2014
 
2.043.918
2015
 
2.020.704
2016
 
2.009.310
2017
 
1.969.104
2018
 
1.915.767
2019
 
1.899.061
2020
 
2.172.888
Datenquelle: Statistisches Bundesamt: Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5 - 2020.

Der Verlauf zeigt, dass das Schuldenwachstum (also die Änderungsrate des Schuldenstandes) zum Teil stark schwankt. So erhöhte es sich nach der Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 stark, verringerte sich von 1995 bis 2000. Seit dem Jahr 2001 wuchsen die Schulden jedoch wieder stärker. Die folgende Tabelle zeigt, dass seit Jahren die Staatsausgaben höher sind als die Staatseinnahmen. Es ist hierbei zu beachten, dass die „Neuverschuldung“ oft nur die Neuverschuldung des Bundes darstellt. Die Gesamtneuverschuldung inklusive Ländern und Gemeinden liegt meist deutlich höher.

JahrStaats­verschuldung
(Bund, Länder und Gemeinden)
in Mrd. Euro
...im Verhältnis zum
Brutto­inlands­produkt (BIP)
in %
Brutto­inlands­produkt (BIP)
in Mrd. Euro
Staats­verschuldung
je Einwohner in Euro
20031357,763,22147,516.454
20041429,865,12195,717.331
20051489,967,02224,418.066
20061545,466,82313,918.761
20071552,463,92428,518.871
20081577,963,82473,819.213
20091694,471,42374,520.698
20102011,780,6249524.607
20112025,477,6261025.215
20122068,377,6266625.685
20132043,772,5281125.289
20142049,270,3291625.320
Quelle: Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21.09.2015

Im Zeitraum von 1979 bis 2010 liegt der jährliche Finanzierungssaldo in Relation zum BIP bei −2,7 %. Insofern ist sogar der Anstieg der Jahre 2007 bis 2010 „im normalen Bereich“, bei einem mittleren Finanzierungssaldo von −2,3 % und somit deutlich unter dem langjährigen Mittel. Zuletzt im Zuge der mit der Finanzkrise ab 2007 einhergehenden Bankenrettung stieg der Schuldenstand (brutto) bis 2009 um knapp 100 Mrd. Euro.[15] Die COVID-19-Pandemie führte 2019 bis 2020 ebenfalls zu seinem sprunghaften Anstieg der Schuldenstands um etwa 273 Mrd. Euro.

Der Bundeshaushalt wurde zwischen 1970 und 2014 jeweils mit einer Netto-Neuverschuldung abgeschlossen.

Verdeckte Staatsverschuldung

Neben der vorliegenden Verschuldung, die sich aus den in aller Regel verbrieften Staatsverbindlichkeiten (Bundesanleihen, -schatzbriefe, Kommunalanleihen, Kommunalkrediten etc.) ergibt, spricht man auch von der impliziten Verschuldung (engl. implicit debt; in der Politik und den Medien auch Schattenverschuldung), die sich aus der Höhe der zukünftigen staatlichen Verpflichtungen, wie z. B. Renten- und Pensionszahlungen, ergibt. Die Berechnung der impliziten Verschuldung wird kontrovers diskutiert, da sie unter anderem von Annahmen über die Höhe der Zahlungsströme (Cash-Flow) der künftigen Zinsstruktur abhängt. Eine Änderung der Sozialversicherungssysteme oder der Bevölkerungsverteilung hätte beispielsweise Auswirkungen auf die zukünftigen Zahlungsströme und damit auf deren Kapitalwert. Aus diesem Grund beziehen sich die veröffentlichten Zahlen auf die explizite Verschuldung. Es gibt Vorschläge, die implizite Verschuldung in eine Generationenbilanz zu integrieren. Verdeckte Staatsverschuldung beschreibt eine Staatsverschuldung, bei der der Schuldner nicht der Staat selbst ist, sondern eine ausgelagerte Einheit. wie z. B. der Fonds Deutsche Einheit. Auch wenn diese Schulden nicht als Schulden des Staates bilanziert werden, sind sie doch wirtschaftlich diesem zuzurechnen. Extrahaushalte mit ihren Forderungen und Schulden zählen zum öffentlichen Gesamthaushalt.[16]

Die Europäische Zentralbank (EZB) warnte denn auch im Nachgang der Finanzkrise vor den Folgen der Schattenverschuldung in den Euroländern. Die Garantien für andere EU-Mitgliedstaaten und eigene Kreditinstitute hätten demnach 2012 die Schulden Deutschlands um 11,2 % auf eine Staatsschuldenquote von rund 90 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen lassen.[17]

Verschuldung der Bundesländer

Pro-Kopf-Verschuldung der Bundesländer auf Kreisebene 2019.

Die Pro-Kopf-Verschuldung der Einwohner ist in den drei Stadtstaaten und im Saarland am höchsten. Von den Flächenstaaten ist das Saarland pro Kopf am höchsten verschuldet, die wirtschaftsstarken Südstaaten Bayern und Baden-Württemberg sowie Sachsen haben weniger Schulden.

In der untenstehenden Tabelle ist bei der Spalte „Änderung des Pro-Kopf-Schuldenstands …“ zu berücksichtigen, dass die Inflation unberücksichtigt ist. Rechnet man mit einer jährlichen Inflation von etwa 2 Prozent, würden die dort angegebenen Zahlen um einen Wert von mehr als −20 Prozent negativer (= günstiger) ausfallen.

Die Entwicklung der Schulden der deutschen Bundesländer bei nichtöffentlichen Bereich 2008 bis 2020[18][19][20][21][22]
Bundesland Schulden­stand pro Einwohner nach Jahr Schulden-
stand 2020
in Mrd. Euro
Änderung des
Pro-Kopf-
Schulden-
stands
2008–2020
2008200920102011201220132014201520162017201820192020
Baden-Württemberg4.3914.383 6.044 6.365 6.537 6.661 6.058 5.832 5.685 4.907 4.675 4.708 5.163 57,323+17,6% 
Bayern2.8613.307 3.451 3.380 3.384 3.200 3.026 2.905 2.602 2.359 2.097 1.958 2.401 31,505−16,1% 
Berlin16.34017.140 17.651 17.651 18.213 17.799 17.347 17.063 16.669 15.925 15.008 14.773 16.307 59,723−0,2% 
Brandenburg7.4077.531 8.788 8.750 8.877 8.526 8.283 8.274 7.955 7.459 7.179 7.303 7.981 20,151+7,7% 
Bremen23.08524.256 27.372 28.638 30.155 30.615 31.299 34.153 32.119 30.828 31.770 43.972 57.827 39,296+150,5% 
Hamburg12.22312.733 14.119 13.900 14.273 14.393 16.148 15.137 17.674 18.206 18.750 18.239 19.152 35,339+56,7% 
Hessen6.2666.845 8.544 9.155 9.834 9.683 10.370 10.516 9.975 9.414 8.470 8.557 9.542 60,009+52,3% 
Mecklenburg-Vorpommern6.8876.892 7.426 7.382 7.591 7.399 7.340 7.518 6.519 6.093 5.791 5.746 6.243 10,048−9,4% 
Niedersachsen7.1907.394 8.448 8.759 8.813 8.843 8.917 9.407 9.232 9.080 8.950 8.877 9.795 78,323+36,2% 
Nordrhein-Westfalen7.6157.988 12.283 12.775 14.699 13.669 13.558 13.633 13.285 12.786 12.278 12.420 12.810 229,715+68,2% 
Rheinland-Pfalz7.5497.928 10.316 10.817 11.164 11.223 11.309 11.417 11.279 10.927 10.548 10.482 10.728 43,907+42,1% 
Saarland10.11211.270 14.257 14.948 16.077 16.860 17.647 18.463 18.014 17.715 17.449 17.577 17.891 17,620+76,9% 
Sachsen2.9512.534 2.432 2.196 2.302 2.086 1.846 1.767 1.303 1.144 1.040 923 1.818 7,387−38,4% 
Sachsen-Anhalt9.4659.543 10.340 10.376 10.556 10.373 10.475 10.818 10.396 10.503 10.195 10.682 10.848 23,720+14,6% 
Schleswig-Holstein8.6429.330 10.843 11.149 11.444 11.281 11.372 11.240 11.859 11.691 12.158 12.108 12.535 36,431+45,0% 
Thüringen7.7977.960 8.401 8.438 8.498 8.819 8.682 8.335 8.542 8.452 7.962 7.909 8.389 17,830+7,6% 

Staatsschulden und Staatsvermögen

Den Staatsschulden in Deutschland stehen beträchtliche Staatsvermögen gegenüber. Die Staatsvermögen bestehen aus Sachvermögen (Gebäude, Bauland, Infrastruktur etc.) und Geldvermögen. Insgesamt ist das Vermögen größer als die Staatsschulden. Die Differenz bildet das Reinvermögen des Staates. Nach Berechnungen des DIW auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Bundesbank ergibt sich gegen Ende der 2010er Jahre ein Reinvermögen (auch Nettovermögen oder Eigenkapital) von unter 10 % des BIP. 1991 lag das staatliche Reinvermögen noch bei 52 % des BIP.[23] Inzwischen ist das Reinvermögen des Staates wieder gestiegen von 275 Mrd. Euro 2011 auf 895 Mrd. Euro 2018.[24]

Während sich das private Gesamtvermögen in Deutschland von 1992 bis 2012 mehr als verdoppelte (von 4,6 auf 10 Billionen Euro), ist das Staatsvermögen im gleichen Zeitraum um 800 Milliarden Euro gesunken.[25]

Grenzen der Staatsverschuldung

Rechtliche Grenzen

Art. 115 Grundgesetz (GG) besagt, dass die neu aufgenommenen Kredite die Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen. Ausnahme: Zur Abwehr einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ist auch eine höhere Verschuldung zulässig.

Außerdem sollten vor der Einführung des Euro gemäß den im Maastricht-Vertrag festgelegten EU-Konvergenzkriterien und seit seiner Einführung gemäß Art. 126 des AEU-Vertrags u. a. die folgenden Kriterien erfüllt sein:

  • Das Haushaltsdefizit darf maximal 3 % des BIP betragen.
  • Die Gesamtverschuldung darf 60 % des BIP nicht überschreiten. Hierbei werden die Schulden des Bundes, der Länder und der Gebietskörperschaften zusammengezählt. Dabei zählen als Schulden z. B. nicht Schulden aus Lieferungen und Leistungen.

Diese als Maastricht-Kriterien bezeichneten Grenzen sind willkürlich gesetzt worden und wurden seitens Deutschlands und auch anderer Länder seit 2002 mehrfach überschritten. Deutschland hat beim Staatsdefizit 2006 erstmals seit fünf Jahren wieder die Vorgaben des Euro-Stabilitätspaktes erfüllt. Der Wirtschaftsaufschwung und höhere Einnahmen ließen das deutsche Haushaltsloch auf 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen nach 3,2 % im Jahr 2005. Die 60-%-Grenze stellte den zum Zeitpunkt der Maastricht-Verhandlungen (1991) durchschnittlichen Verschuldungsgrad der damaligen Beitrittskandidaten dar. Man unterstellte dabei ein durchschnittliches nominales Wachstum der Sozialprodukte von etwa 5 %, das heißt 3 % reales Wachstum und 2 % Inflation. Danach dürfte die Nettokreditaufnahme nur bei 60 % der Sozialproduktzunahme (also 3 %) liegen, wenn der Schuldenstand gleich bleiben sollte.

2009 beschlossen Bundestag und Bundesrat die Einführung einer Schuldenbremse, die ab 2016 dem Bund höhere strukturelle Defizite als 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsproduktes und ab 2020 den Ländern außer in besonders schweren Rezessionen oder Katastrophen die Aufnahme neuer Schulden verbietet.

Öffentliche Schulden im Vergleich mit privatem Vermögen

Den öffentlichen Schulden steht in Deutschland ein weitaus größeres privates Nettovermögen gegenüber, so dass die Staatsverschuldung aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt ist, allerdings besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast zwei Drittel dieses Vermögens. Die deutsche Volkswirtschaft hat ein per Saldo positives Auslandsvermögen.

Nach Berechnungen des DIW bestand das private Nettovermögen im engeren Sinne 2009 aus 7370 Milliarden Euro, was 307 % des BIP entspricht. Zusammen mit dem übrigen Nettovermögen beträgt das gesamte Nettovermögen der privaten Haushalte 9700 Milliarden Euro, 405 % des BIP. Demgegenüber nimmt sich die Staatsschuldenquote (2009) in Höhe von 73 % des BIP (1760 Milliarden Euro) noch recht moderat aus. [...] Insgesamt stellt sich die intergenerative Belastungswirkung des öffentlichen Gesamthaushalts in Deutschland aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt dar. [...] Allerdings sind die Betroffenheit von künftigen Steuererhöhungen oder Kürzungen von Staatsleistungen einerseits und der Nettovermögensbesitz andererseits deutlich unterschiedlich verteilt. Das private Nettovermögen im engeren Sinne ist sehr stark konzentriert [...] die reichsten zehn Prozent besitzen über 60 % des Vermögens (2007).[23] Das Vermögen der reichsten zehn Prozent ist demnach mehr als dreimal größer als die gesamte Staatsverschuldung.

Sonderkonto zur Tilgung

Die Bundeskasse Halle (Saale) unterhält seit 2006 bei der Bundesbank Leipzig ein Sonderkonto (IBAN DE17 8600 0000 0086 0010 30), auf das Bürger ohne die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit Geld unter dem Betreff „Schuldentilgung“ überweisen können.[26] Seit Kontoeröffnung wurden 1.164.564,35 € eingezahlt (Stand: 6. Dezember 2018).[27]

Literatur

  • Daniel Buscher: Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise. Ein Beitrag zur Reform der deutschen Finanz- und Haushaltsordnung (Föderalismusreform). Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13166-2.
  • Sebastian Finsterbusch: Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland. 1. Auflage. polisphere library, 2005, ISBN 3-938456-04-3.
  • Hans-Peter Ullmann: Staat und Schulden. Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-36385-0.

Einzelnachweise

  1. Deutsche Bundesbank: Die Maastricht-Schulden: methodische Grundlagen sowie die Ermittlung und Entwicklung in Deutschland. in Monatsbericht April 2018, S. 59ff
  2. Deutsche Bundesbank Zeitreihe BBK01.BQ9059: Verschuldung gem. Maastricht-Vertrag - Deutschland - Gesamtstaat - pro Quartal. Deutsche Bundesbank, abgerufen am 14. Januar 2020.
  3. Öffentlicher Bruttoschuldenstand [SDG_17_40]. Eurostat, 22. Oktober 2019, abgerufen am 19. Dezember 2019.
  4. Öffentliche Schulden Ende des 1. Halbjahres 2019 um 0,1 % höher als Ende 2018. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  5. Überleitung vom Schuldenstand der Finanzstatistik zum Schuldenstand gemäß dem Maastricht-Vertrag. Statistisches Bundesamt, S. 13, abgerufen am 18. Dezember 2019.
  6. Pressemitteilung Nr. 324 vom 25. August 2020. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 26. Dezember 2020.
  7. Jeder zehnte Landkreis mit Inzidenz von 0. In: tagesschau.de. Norddeutscher Rundfunk, 28. Juni 2021, abgerufen am 28. Juni 2021.
  8. Monatsbericht April 2006 der Deutschen Bundesbank (Memento vom 3. Februar 2007 im Internet Archive) (906 kB)
  9. Auslandsverschuldung, abgerufen am 16. April 2010 (Einteilung der Gläubiger).
  10. Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Expertise des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, März 2007
  11. Umstellung der Schuldenuhr. Bund der Steuerzahler, 15. Januar 2009, archiviert vom Original am 2. März 2009; abgerufen am 4. August 2012.
  12. Aktuelle Leitzinsen der Notenbanken | Leitzinsen EZB / FED. In: Online-Broker LYNX. LYNX B.V. Germany Branch, abgerufen am 4. Mai 2020.
  13. Bundesbank: Staat spart 120 Milliarden Euro durch Niedrigzinsen. In: Der Spiegel. 11. August 2014, abgerufen am 1. Januar 2020.
  14. Negativzins – Bund verdient erstmals Geld mit Staatsanleihe. In: manager magazin. 18. Juli 2012, abgerufen am 1. Januar 2020.
  15. Bundestagsdrucksache 17/1522. (PDF; 106 kB) bundestag.de, 26. April 2010, abgerufen am 4. August 2012.
  16. Statistisches Bundesamt:„Was beschreibt die Statistik über die Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts?“
  17. Franz Schuster, Europa im Wandel, 2013, S. 89
  18. Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts am 31.12.2013 beim nicht-öffentlichen Bereich. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 18. Januar 2015.
  19. Simone Scharfe: Schulden des öffentlichen Gesamthaushaltes am 31. Dezember 2013. (PDF) Statistisches Bundesamt, abgerufen am 26. Februar 2015.
  20. Finanzen und Steuern: Vorläufiger Schuldenstand des Öffentlichen Gesamthaushalts. Statistisches Bundesamt, 26. Juni 2018, abgerufen am 29. August 2018.
  21. Vorläufiger Schuldenstand des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5.2 - 4. Vierteljahr 2018. Statistisches Bundesamt, 26. März 2019, abgerufen am 6. April 2019.
  22. Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5 - 2020. Statistisches Bundesamt, 28. Juni 2021, abgerufen am 8. August 2021.
  23. Stefan Bach: Wochenbericht. (PDF; 615 kB) DIW, 15. Dezember 2010, abgerufen am 4. August 2012.
  24. Sektorale und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen, Herausgeber Statistisches Bundesamt (Destatis) (Sachvermögen) und Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main (Geldvermögen), Erschienen im Dezember 2019
  25. Thomas Öchsner: Neuer Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: Reiche trotz Finanzkrise immer reicher. In: Süddeutsche Zeitung. 18. September 2012, abgerufen am 15. Januar 2020.
  26. Christoph Schäfer: Spendenkonten: Almosen für Deutschland. Die Bundesregierung und Thüringen haben Spendenkonten angelegt, um ihre Schulden zu senken. Die freiwilligen Geldgeber erhalten allerdings keine Spendenquittung – und auch keinen Dank. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Januar 2012, abgerufen am 24. November 2017.
  27. Schuldenabbau: Bürger schenken dem Staat mehr als 600.000 Euro. In: Zeit Online. 23. Dezember 2018, abgerufen am 24. Dezember 2018 (Der Spendenbetrag entspricht der Summe der beiden im Artikel genannten Beträge).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.