Chmelnyzkyj
Chmelnyzkyj (ukrainisch Хмельницький; russisch Хмельницкий Chmelnizki; ursprünglich gemeinostslawisch Плоскиривцы / Ploskiriwzy; vom 18. Jahrhundert bis 1954 ukrainisch Проскурів / Proskuriw, russisch Proskurow, polnisch Płoskirów) ist die Hauptstadt der gleichnamigen Oblast in der Ukraine mit etwa 267.000 Einwohnern, Industriestadt, kultureller Mittelpunkt der Oblast mit Theater, Philharmonie, Hochschule und Fachschulen.
Chmelnyzkyj | |||
Хмельницький | |||
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Basisdaten | |||
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Oblast: | Oblast Chmelnyzkyj | ||
Rajon: | Kreisfreie Stadt | ||
Höhe: | 275 m | ||
Fläche: | 90,0 km² | ||
Einwohner: | 267.901 (1. August 2017) | ||
Bevölkerungsdichte: | 2.977 Einwohner je km² | ||
Postleitzahlen: | 29000- | ||
Vorwahl: | +380 382 | ||
Geographische Lage: | 49° 25′ N, 27° 0′ O | ||
KOATUU: | 6810100000 | ||
Verwaltungsgliederung: | 1 Stadt | ||
Bürgermeister: | Oleksandr Symtschyschyn | ||
Adresse: | вул. Гагаріна 3 29000 м. Хмельницький | ||
Website: | www.khmelnytsky.com | ||
Statistische Informationen | |||
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Geographie
Die Stadt wird vom Oberlauf des Südlichen Bugs durchflossen und liegt an der Eisenbahnhauptstrecke Lwiw–Odessa bzw. – Kiew. In der Stadt kreuzen sich die Fernstraßen M 12 und N 03. Nach dem nordöstlich gelegenen Kiew sind es 278 Kilometer (Luftlinie) und nach Lwiw im Westen sind es 217 Kilometer.
Geschichte
Die erste Erwähnung der Stadt stammt aus dem Jahre 1431, als sie auf ukrainisch Ploskyriw und auf russisch Ploskurow hieß. Damals war sie ein kleines Dorf, aber schon im 16. Jahrhundert ein respektierter befestigter Ort, der im Chmelnyzkyj-Aufstand eine wichtige Rolle spielte.
Sie gehörte bis zur 2. Teilung Polens 1793 innerhalb der Adelsrepublik Polen zur Woiwodschaft Podolien.[1] Danach kam sie zum Russischen Reich und wurde in das Gouvernement Podolien eingegliedert. 1921 wurde sie ein Teil der Sowjetunion und der Ukrainischen SSR zugeordnet. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt im Sommer 1941 durch deutsche Truppen erobert und fast vollständig zerstört. Sie wurde im Zuge der Proskurow-Czernowitzer Operation am 29. März 1944 durch die Rote Armee befreit und nach Kriegsende wieder aufgebaut.
Von 1780 bis 1954 hieß die Stadt auf Ukrainisch Proskuriw und auf Russisch Proskurow. Am 16. Januar 1954, dem 300. Jahrestag der von Moskau sog. Wiedervereinigung der Ukraine mit Russland, wurde Proskuriw zu Ehren von Bohdan Chmelnyzkyj (1595–1657), einem Ataman der Ukraine, Staatsmann, Truppenführer und Diplomaten, in Chmelnyzkyj umbenannt.
Die Stadt entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert bis zum Holocaust zu einem großen jüdischen Zentrum. Um 1900 betrug der jüdische Bevölkerungsanteil rund 49 %.[2]
Ende des 19. Jahrhunderts diente dort der bekannte russische Schriftsteller Alexander Iwanowitsch Kuprin (1870–1938) im 46. Dnepr-Infanterieregiment als Unteroffizier. Die damals gesammelten Eindrücke und Beobachtungen lieferten ihm den Stoff für seine Erzählung „Das Duell“. Chmelnyzkyj ist als Proskurow einer der beiden Schauplätze der Kriegserzählung Unruhige Nacht von Albrecht Goes aus dem Jahr 1950.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war die Stadt typische Provinz ohne Wasserleitung und Kanalisation. Während des Russischen Bürgerkriegs, am 15. und 16. Februar 1919,[3] massakrierte die ukrainische Armee unter Führung von Symon Petljura[3] und unter dem lokalen Kommando von Iwan Semessenko[4] während ihres Rückzugs vor der Roten Armee in einem Pogrom innerhalb einiger Stunden bis zu 2000[4] Juden in Proskurow.
Im 20. Jahrhundert begann sich in der Stadt eine Industrie zu entwickeln. In großem Umfang entstanden vor allem nach Ende des Zweiten Weltkriegs Industriebetriebe und Wohnhäuser, Lehranstalten und Kulturstätten. In Chmelnyzkyj befindet sich einer der größten Märkte der Ukraine, auf dem fast alles von Kleidung bis Elektronik erhältlich ist. Dort verdienen viele Einwohner ihren Lebensunterhalt. Die meistgesprochene Sprache in der Stadt ist Ukrainisch, wobei der Einfluss der russischen Sprache auf den Wortschatz deutlich zu erkennen ist.
Auf dem Bahnhofsplatz wurde ein Denkmal Bohdan Chmelnyzkyjs errichtet.
Die Stadt erhielt am 15. April 2021 den Europapreis des Europarates für ihre herausragenden Bemühungen um den europäischen Einigungsgedanken.[5]
Partnerstädte
Partnerschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen bestehen zwischen Chmelnyzkyj und folgenden Städten:[6]
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Söhne und Töchter der Stadt
- Ossip Schnirlin (1868–1939), jüdischer Violinist
- Rosa Hochmann (1875–1950), Violinistin
- Wassyl Senkiwskyj (1881–1962), ukrainischer Philosophiehistoriker, Psychologe, Schriftsteller, Pädagoge, orthodoxer Theologe und Politiker
- Alberto Gerchunoff (1883–1950), argentinischer Schriftsteller
- Michail Zechanowski (1889–1965), Regisseur, Drehbuchautor und künstlerischer Leiter
- Bernhard Kafenhaus (1894–1969), Historiker
- Mischa Mischakoff (1895–1981), US-amerikanischer Geiger und Musikpädagoge
- Ariel Durant (1898–1981), US-amerikanische Schriftstellerin
- Georg Goldstein (1898–1980), deutsch-jüdischer Arzt und Pressefotograf
- Miron Sima (1902–1999), israelischer Maler und Grafiker
- Jack Reimer (1918–2005), KZ-Wächter im Zwangsarbeitslager Trawniki
- Swjatoslaw Fjodorow (1927–2000), russischer Augenchirurg
- Roman Juswa (1934–2003), Dichter und Journalist
- Anatoli Kaschpirowski (* 1939), russischer Psychotherapeut und Hypnotiseur
- Boris Samoilowitsch Zukerblat (* 1939), sowjetisch-moldawischer Wissenschaftler und Hochschullehrer
- Ted Belytschko (1943–2014), US-amerikanischer Ingenieurwissenschaftler
- Alexander Ruzkoi (* 1947), russischer Politiker
- Sergei Petrenko (* 1956), sowjetischer Kanute
- Gennadi Semigin (* 1961), russischer Politiker
- Svetlana Kamotskaya (* 1964), sowjetisch-weißrussische Skilangläuferin
- Oleksandr Ponomarjow (* 1973), Sänger
- Hanna Huzol (* 1984), Gründerin und Leiterin der feministischen Gruppe FEMEN
- Lessja Nikitjuk (* 1987), Fernsehmoderatorin und Journalistin
- Oksana Schatschko (1987–2018), Künstlerin und Aktivistin
- Oksana Masters (* 1989), US-amerikanische Sportlerin und Paralympics-Siegerin
- Pawlo Olijnyk (* 1989), Ringer
- Dmytro Jantschuk (* 1992), Kanute
- Anton Krivotsyuk (* 1998), aserbaidschanischer Fußballspieler
- Wiktorija Jaroschenko (* 1999), Radsportlerin
Literatur
- Proskurov, in: Guy Miron (Hrsg.): The Yad Vashem encyclopedia of the ghettos during the Holocaust. Jerusalem : Yad Vashem, 2009 ISBN 978-965-308-345-5, S. 613 f.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Rizzi Zannoni, Karta Podola, znaczney części Wołynia, płynienie Dniestru od Uścia, aż do Chocima y Ładowa, Bogu od swego zrzodła, aż do Ładyczyna, pogranicze Mołdawy, Woiewodztw Bełzkiego, Ruskiego, Kiiowskiego y Bracławskiego.; 1772
- P. R. Magocsi: Historical Atlas of Central Europe. University of Washington Press, Seattle 2002, S. 109.
- Jean-Jacques Marie: Pogrome im Russischen Bürgerkrieg. In: Barbara Bauer Dororthee d’Aprile (Hrsg.): Le Monde diplomatique. Nr. 12/25. TAZ/WOZ, Dezember 2019, ISSN 1434-2561, S. 20 f. (übersetzt von Andreas Bredenfeld; Jean-Jacques Marie ist Autor des Buches L'Antisémitisme en Russie. De Catherine II à Poutine. Éditions Tallandier, Paris 2009; in diesem Artikel zitiert Jean-Jacques Marie insbesondere auch weiter: Lidia Miliakova, Nicolas Werth (Hrsg.): Le Livre des pogroms. Antichambre d'un génocide: Ukraine, Russie, Biélorussie – 1917–1922. Éditions Calmann-Lévy/Mémorial de la Shoah, Paris 2010).
- Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. In: Beck'sche Reihe. 3. Auflage. Nr. 1059. Verlag C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58780-1, S. 182 f.
- Committee on Social Affairs, Health and Sustainable Development, Sub-Committee on the Europe Prize: Winners of the Europe Prize, the Plaque of Honour, The Flag of Honour and the European Diploma for 2021. (PDF; 166 KB) In: coe.int. Parlamentarische Versammlung des Europarats, 21. April 2021, archiviert vom Original am 30. Juni 2021; abgerufen am 30. Juni 2021 (englisch).
- Website der Stadt – Cooperation programs (englisch), abgerufen am 11. Oktober 2018