Chiapas
Chiapas [ˈtʃjapas], offiziell Freier und Souveräner Staat Chiapas (spanisch Estado Libre y Soberano de Chiapas), ist ein Bundesstaat im Südosten Mexikos, dessen Name von dem vor der Kolonialzeit im Hochland siedelnden indigenen Volk der Chiapa stammt. Im Norden grenzt er an den Bundesstaat Tabasco, im Westen an die Bundesstaaten Veracruz und Oaxaca sowie an den Pazifischen Ozean, im Süden und Osten an Guatemala. Chiapas besitzt eine Fläche von 75.634 km² und wird administrativ in 124 Municipios unterteilt.
Chiapas Freier und Souveräner Staat Chiapas Estado Libre y Soberano de Chiapas | ||
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Hauptstadt | Tuxtla Gutiérrez | |
Fläche | 75.634 km² (Rang 8) | |
Einwohnerzahl | 4.796.580[1] (Rang 7) | |
Bevölkerungsdichte | 63,4 Einwohner pro km² (Zensus 2010) | |
Gouverneur | Rutilio Escandón Cadenas (Morena) (2018–2024) | |
Bundesabgeordnete | (2018–2021) Morena = 4 PT = 4 PES = 4 PVEM = 1 (13 Bundeswahlkreise) | |
Senatoren | (2018–2024) PRI = 1 Morena = 1 PES = 1 | |
ISO 3166-2 | MX-CHP | |
Postalische Abkürzung | Chis. | |
Website | www.chiapas.gob.mx |
Der Staat hat etwa 4,9 Millionen Einwohner, wovon bei vierzehn indianischen Ethnien ca. eine Million indigener Abstammung ist. Die meisten Indigenen gehören der Mayavolksgruppe an. Diese sprechen vor allem Tzeltal oder Tzotzil; ca. 300.000 sprechen kaum oder gar nicht Spanisch. Die östlichen zwei Drittel des Staates werden überwiegend von Indigenen bewohnt.
Der Bundesstaat ist von Armut geprägt, trotz optimaler klimatischer Bedingungen für die Landwirtschaft ist ein Teil der indigenen Bevölkerung unterernährt.
Die Hauptstadt ist Tuxtla Gutiérrez, die ökonomisch wichtigste Stadt ist Tapachula. Touristisch am bekanntesten sind San Cristóbal de las Casas, früher auch Ciudad Real genannt, und die dem Weltkulturerbe zugehörige Ruinenstadt Palenque aus der klassischen Mayazeit. Chiapas weist eine große Arten- und Naturvielfalt auf.
Geographie
Landwirtschaft, Bodenschätze, Klima
Aufgrund der klimatischen Verhältnisse von Chiapas, das gleich mehrere Klimazonen umfasst (Hochland, tropischer Regenwald im Tiefland, (Regenzeit Mai bis Oktober) subtropische Übergangsbereiche und Bergnebelwald an der Pazifikküste), gedeiht hier eine große Vielfalt an Pflanzenarten. Das Klima im Hochland ist mild und keinem Wechsel der Jahreszeiten unterworfen; der deutsche Schriftsteller B. Traven nannte seinen in Buchform erschienen Reisebericht über Chiapas deshalb Land des Frühlings.[2]
Fauna und Flora
Obwohl seltener geworden, leben in Chiapas zahlreiche exotische Säugetiere wie Affen, Brüllaffen, Tapire, Ameisenbären und Nabelschweine. Aber auch Großkatzen wie Pumas, Ozelots und Jaguare sind zu finden.
Unter den Reptilien des Regenwalds sind insbesondere zahlreiche Schlangenarten sowie Krokodile und Leguane hervorzuheben. Auch gibt es in den Regenwäldern zahlreiche Vogelarten. Der etwa 35 cm große Quetzal, einer der farbenprächtigsten Vögel des tropischen Regenwaldes, sei hier stellvertretend genannt.
Natürlich vorkommend und für wirtschaftliche Nutzung und Handel besonders wichtig sind vor allem Mahagoni, Teak, Gummi, Kautschuk und Kakao.
Anbauprodukte
- im Hochland: Kaffee (insbesondere die Sorte Maragogype), Weizen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Mais
Indigene Ethnien
Tzeltal
Die Tzeltals nennen sich selber „Winik Atel“, was schlicht „arbeitender Mensch“ bedeutet. Sie leben zumeist von der Landwirtschaft. Sie stellen die größte indigene Ethnie und siedeln südöstlich von San Cristóbal de las Casas. Heute gibt es etwa 500.000 Tzeltal in Chiapas. Das Tzeltal-Maya gehört zur Mayasprachfamilie und wird heute von über 470.000 Menschen gesprochen – somit ist es die viertgrößte Sprachgruppe Mexikos. Die Tzeltal-Sprache teilt sich in zwei Dialekte. Der eine hat sich im Hochland, der andere im Tiefland ausgebildet. Die meisten Kinder dieses Volkes sprechen mittlerweile auch Spanisch, die Erwachsenen sind zumeist einsprachig. Die Tzeltal bilden, örtlich gebunden, eine soziale und kulturelle Einheit.[4] Haupthandelsprodukt der Tseltales sind neben landwirtschaftlichen Erzeugnissen unglasierte Töpferwaren.[5]
Tzotzil
Die Tzotzil leben im Stammesverbund konzentriert im Hochland und Grenzgebiet zu Tabasco, sie verteilen sich aber fast landesweit. Die Tzotzilsprache wird von ca. 350.000 Menschen gesprochen und ist somit nur geringfügig weniger verbreitet als die Sprache der Tzeltal. Hauptsiedlungspunkte sind Chamula, Zinacantán, Chenalhó und Simojovel. Die Sprache ist eng verwandt mit der Tzeltalsprache und entfernt verwandt mit dem Yucatec-Maya der Lacandonen.
Traditionell tragen viele Männer kurze Hosen, ein langes, helles Baumwollunterhemd unter einem Ziegenfell- oder Baumwollponcho. Der Hut ist mit Bändern geschmückt. Die Farbigkeiten der Trachten variieren von Dorf zu Dorf. Die Chamulatzotzils tragen beispielsweise dunkle Trachten, die freundlicher gestimmten Zinacantantzotzils hingegen violette und rosafarbene Tracht mit gestickter Blumenzier. Die Tzotzilfrauen tragen ihre Haare offen oder geflochten und ihre Kleinkinder in Tüchern an den Körper angeschmiegt.[6]
Handel betreiben in erster Linie Frauen und Mädchen, während die Männer abseits stehend das Treiben beobachten. Neben landwirtschaftlichen Produkten werden hochwertige Handwerksartikel angeboten. Geflochtene, sehr farbenfrohe, reichhaltig ornamentierte Gürtel und Armbänder sind zu nennen, aber auch prachtvoll gewebte Decken und Tonwaren werden angeboten. Verkauft werden an Touristen andere Ornamentmotive als der Tzotziltracht zugehörige. Diese ist von vordergründiger magischer Symbolik.
Bei den Tzotzils ist der ritualisierte Schamanismus ausgeprägt vorhanden und wird vor allem von Frauen ausgeführt. Einen sehr wichtigen Bestandteil dieser Rituale nimmt als Opfertier das Huhn ein (siehe auch: Chamula). Bei den Männern ist die Kampfbereitschaft erwähnenswert. Die Tzotzilindianer haben den Freiheitskampf der EZLN nicht nur unterstützt, sondern auch daran teilgenommen, dadurch gewannen sie die Autonomie.
Lakandonen
Die auch Lakandonen genannten Maya (lakandonisch Hach Winik, „wahre oder echte Menschen“) sind ein indigenes Volk im Tiefland von Chiapas. Sie unterteilen sich in zwei Unterethnien, die nördlichen und die südlichen Lakandonen.
Unter den Nachkommen der alten Maya lebt diese Ethnie am stärksten isoliert, da sie mitten im Tieflanddschungel siedelt. Die Lakandonen haben sich im letzten Jahrhundert kulturell gespalten – die Lakandonen, die in der Nähe von Bonampak siedeln, wurden von evangelischen Missionaren christianisiert. Diese haben sich für den Tourismus geöffnet und auch Übernachtungsmöglichkeiten für Reisende eingerichtet. Durch den Verkauf von Holzfällerrechten sind einige dieser Lakandonen sehr wohlhabend geworden. Die immer noch traditionell lebenden Lacandonen siedeln in der Nähe der Ortschaft Nahè – bei Palenque, dort pflegen diese Mayas noch ihre jahrhundertealte Lebensweise und Religion.[7]
Seit dem 20. Jahrhundert ist diese kleine Kultur also verstärkt in den Kontakt mit der „westlichen Zivilisation“ geraten. Die Kultur der heute nur noch (geschätzt) etwa 600–1000 Lakandonen ist infolge von dieser Akkulturation und den diversen Missionierungsversuchen akut vom Verschwinden bedroht. Die Lakandonen siedeln auch in der Nähe von Tourismusmagneten, wie den Ruinen von Palenque.[8] Dort handeln oder tauschen männliche Lakandonen selbstgefertigte Waren (Pfeile, kleine Bögen). B. Traven schreibt, dass die Lakandonen Anfang der 1930er Jahre noch nackt im Urwald lebten, mittlerweile tragen die Lakandonenmänner weiße lange Baumwollhemden und die Frisur ist häufig mit einem Pony versehen. Die Haarlänge variiert, meistens erreichen die Haarspitzen den Brustbereich.[9] Die Lakandonen haben sich der EZLN nicht angeschlossen.
Tojolabal
Die Tojolabal siedeln im Grenzgebiet zu Guatemala. Es wird vermutet, dass sie noch vor der Kolonialisierung aus dem heutigen Guatemala nach Chiapas eingewandert sind. Die etwa 35.000 Angehörigen der Tojolabal sprechen eine eigene Sprache und nur wenige sind auch noch des Spanischen kundig. Nur die Frauen tragen Tracht, die Blusen sind weiß, die Röcke bunt. Alle Kleidungsstücke sind mit reich ornamentierten Bandmotiven bestickt. Unverheiratete Frauen tragen ihre Haare offen, verheiratete Frauen zu zwei Zöpfen gebunden. Alle verheirateten Frauen tragen Kopftücher, unverheiratete Frauen und Mädchen nur gelegentlich.[10]
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Einwohnerzahl[11] |
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1950 | 907.026 |
1960 | 1.210.870 |
1970 | 1.569.053 |
1980 | 2.084.717 |
1990 | 3.210.496 |
1995 | 3.584.786 |
2000 | 3.920.892 |
2005 | 4.293.459 |
2010 | 4.796.580 |
2015 | 5.217.908 |
Geschichte
Vorkoloniale Zeit
Nach derzeitigem Stand der Forschung wanderten die ersten Menschen in Chiapas vor ca. 8000 Jahren aus Nordamerika kommend ein.
Etwa vor 4000 Jahren begann die in Chiapas, Guatemala, Honduras, El Salvador, Belize und auf der Halbinsel Yucatán siedelnde Volksgruppe der Mayas, eine stetig in Größe und Komplexität anwachsende Hochkultur beachtlichen naturwissenschaftlichen Wissensstandes zu entwickeln.
Besonders bemerkenswert sind der Mayakalender, der sich als der bislang Genaueste erwiesen hat, die bislang einzige bekannte Schrift der indigenen Völker auf dem amerikanischen Kontinent und die Verwendung eines Vigesimalsystems in der Mathematik sowie die Kenntnis der Zahl 0.
Die Mayas organisierten sich in autonomen Stadtstaaten, bildeten aber eine kulturelle und religiöse Einheit. Einzelne Städte sollen eine Einwohnerzahl von mehreren hunderttausend Bewohnern gehabt haben und waren nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, zum damaligen Zeitpunkt, die größten menschlichen Ansiedlungen weltweit.
In der Architektur und im allgemeinen Bauwesen gelangen den kulturell nahezu isolierten Mayas außergewöhnliche Leistungen, die sich vor allem in der Gestaltung der Städte, der Anlage eines Straßennetzes, dem Ausbau eines weitverzweigten Kanalsystems und bei der Herstellung von Kunstwerken z. B. der Bildhauerei und Wandmalerei manifestierten.
Den Mayas war der Bogen als architektonisches Baustilelement unbekannt, daher gab es auch keine Gewölbe oder Kuppeln innerhalb ihrer Gebäude. Sie entdeckten einen als Mörtel verwendeten hydraulischen Kalk (Zement). Die anspruchsvollen Bautätigkeiten wurden ohne Einsatz von Lasttieren bewältigt; obwohl die Mayas das Rad (Zahnrad zur Kalenderberechnung sowie kreisrunde Bildstelen) kannten, wurde es nicht zu Transportzwecken genutzt.[12]
In der Metallverarbeitung war den Mayas nur die Herstellung von Schmuck aus Edelmetallen wie Gold und Silber vertraut. Ihre Waffen wurden zumeist mit Obsidian- oder Glasspitzen bestückt, solche Materialien fanden auch bei der Herstellung von Klingen Verwendung.[13]
Inklusive der Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen sowie des Laufes der Venus, die als Morgenstern und somit Vorankündigung des Sonnenaufgangs besondere Beachtung erfuhr, gelangen den Mayas in der Astronomie sehr genaue Berechnungen; die exaktesten betrafen dabei den Mondzyklus.
In starkem Ausmaß wurde von den Mayas Astrologie betrieben, wobei eigenständig entwickelte Deutungsmuster angewandt wurden. Dem Maya-Schriftexperten Nikolai Grube von der Universität Bonn zufolge bestimmte der Standort der Venus, von den Mayas auch als Kriegsgott gedeutet, den Beginn von Kriegshandlungen, den so genannten Sternenkriegen.[14]
Die Mayas waren ein kriegerisches Volk, nahezu durchgehend bekämpften sich die Städte in ständig wechselnden Allianzen. In den Stadtstaaten war ein streng hierarchisch gegliedertes Kastensystem etabliert. Adlige und Priester bildeten die Oberschicht, darunter befanden sich die Unterpriester (Ah Kinoob), Beamte sowie Militärführer (Nacom). Die Mittelschicht (Ah Chembal Uinicoob) setzte sich aus Handwerkern, Soldaten, Bauern und Händlern zusammen. Die Unterschicht (P’entac) stellten die zumeist bei Kriegszügen erbeuteten Sklaven dar.[13]
In der klassischen Periode (bis ca. 900 n. Chr.) war die Religion Dreh- und Angelpunkt der Kultur der Mayas. Dies ist auch an der architektonischen Gliederung der Städte erkennbar, wo jeweils das Zeremonialzentrum des Tempels die Stadtmitte markiert. Um den Tempelbezirk gruppierten sich die steinernen Häuser der Oberschicht, die Mittelschicht und Unterschicht wohnten in den Randgebieten der Städte, zumeist in Holzhäusern und Hütten, von denen nicht viel erhalten geblieben ist. Bestandteil der Religion war ein großes Götterpantheon.[13] Gelegentlich wird berichtet, dass aus religiösen Motiven Menschen geopfert worden seien, wissenschaftlich ist diese These umstritten.[14]
Der Zerfall der Hochkultur fand seit dem 8. Jahrhundert n. Chr. statt – der endgültige Fall wird in das 10. Jahrhundert datiert. Die Städte wurden hastig verlassen und sehr schnell vom Urwald überwuchert. Die Ursachen sind noch ungeklärt, als Erklärung werden derzeit die zermürbenden Kriege, Revolutionen und eine Dürreperiode als zeitlich zusammentreffende Phänomene angeführt.[14]
Koloniale Zeit
1523 unternahmen, vom bereits eroberten Teil des heutigen Mexikos ausgehend, mehrere spanische Armeen einen Feldzug in südlicher Richtung.[15] Die westlich ziehende Armee wurde angeführt von Gonzalo de Sandoval und Pedro de Alvarado. Begleitet von einigen hundert indianischen Verbündeten (zumeist Tlaxcalteken und Cholulas) zogen 420 Conquistadoren, davon 120 Kavalleristen, in das südlich gelegene Hochland in Richtung Guatemala.[16]
Bei ihrem letztendlich siegreichen Kriegszug nach Guatemala unterwarfen die Conquistadoren die meisten indigenen Stämme im Hochland von Chiapas. Über die Geschehnisse während dieses Feldzuges ist nicht viel überliefert, in Erinnerung geblieben ist der Massenselbstmord hunderter Frauen und Kinder vom Volk der Chiapas, die sich in den Cañón del Sumidero stürzten, um sich so der Versklavung zu entziehen.[17] Der Stamm der Chiapa ist nachfolgend ausgestorben. Berichtet wurde, dass es üblich war, gefangene Indigene (Männer, Frauen und Kinder) als Sklaven zu kennzeichnen. Mit einem glühenden Brandeisen wurde ihnen ein G (für spanisch guerra „Krieg“) auf der Stirn eingebrannt.[18]
Hernán Cortés führte zeitgleich eine Armee durch das tropische Tiefland von Chiapas. Er beabsichtigte, erst die Halbinsel Yucatán zu erobern, um von dort aus Honduras zu kolonialisieren. Strategisches Kalkül dieses getrennten militärischen Vorgehens war eine zangenartige Umfassung der Mayavölker.
Der Chronist Bartolomé de Las Casas beschrieb die Vorgehensweise der Conquistadoren folgendermaßen: „Es ereignete sich mehr als einmal, dass sie von 4000 Indianern nicht ihrer 6 lebend nach Hause brachten; alle übrigen büßten ihr Leben ein.“ Er bezog sich damit auf die blutigen Versuche der Eroberer, ganze Stämme zu versklaven.[19]
Nicht nur das gewalttätige Vorgehen der Conquistadoren dezimierte die indianische Bevölkerung, auch eingeschleppte Krankheiten wie die Pocken und Grippe entvölkerten ganze Landstriche, so die Hochländer von Chiapas und Guatemala, in denen sich binnen eines Jahrhunderts die Bevölkerungsdichte um 70 bis 90 % reduziert haben soll.
Nach lange dauernden Kämpfen gründete 1528 Diego de Mazariegos Ciudad Real, das spätere San Cristóbal de las Casas; die später erfolgte Umbenennung ehrt den am 30. März 1544 zum Bischof von Chiapas geweihten Bartolomé de Las Casas, da er den Indigenen freundlich gesinnt gewesen sein soll. Nach der Gründung der Provinzhauptstadt kamen sehr bald Mercedarier nach Chiapas, die später durch Dominikaner ersetzt wurden.[15]
Die indigene Urbevölkerung leistete diesen Unterdrückungs- und Verdrängungsversuchen der eigenen Kultur wiederholt massiven Widerstand, der regelmäßig in blutige Revolten mündete. Zu erwähnen ist der 1712 von der Metropole Cancuc ausgehende Tseltalesaufstand und die 1772 von Gomez de la Gloria angeführte Widerstandsbewegung, der sich über 6000 indigene Kämpfer anschlossen. Alle Revolten nahmen den gleichen Verlauf, sie wurden brutal und blutig niedergeschlagen.[20]
Mangels einheimischer Sklaven wurden Ende des 17. Jahrhunderts 50000 afrikanische Sklaven in das Hochland verschleppt.[16] Neben den Mestizen bevölkerten daher bald auch Mulatten und Zambos Chiapas.
Die rassistische Grundeinstellung der europäischen Eroberer manifestierte sich in der regionalen Gesetzgebung. So war es Schwarzen und Mulatten bei Androhung von 100 Peitschenhieben verboten, auf Pferden oder Maultieren zu reiten. Auch der Weigerung der Indianer, sich in Unfreiheit zu vermehren, wurde per Gesetz entgegengewirkt, denn Kinderlosigkeit in der Ehe wurde mit 25 Peitschenhieben bestraft.
Wie im angrenzenden (damaligen) Mexiko entstand in Chiapas und Guatemala ein rassistisch ausgerichtetes Kastenwesen. Die Unterschicht bestand aus Menschen, die entweder nicht anteilig europäischer oder teilweise afrikanischer Abstammung waren: Indianer, Mulatten, Schwarze und Zambos. Über ihnen standen die Mestizen, darüber befindlich die in der Neuen Welt geborenen Spanier, die Kreolen, während der (europäische) spanische Adel an der Spitze stand.[21]
Nachkoloniale Zeit
Chiapas wurde in der Kolonialzeit von Guatemala aus regiert. Guatemala wurde 1822 – nach dem erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien – auf Betreiben von Agustín de Iturbide an Mexiko angegliedert, spaltete sich jedoch schon 1823 wieder ab. Chiapas entschied per Volksentscheid, mexikanisch zu bleiben.
1867 kam es ausgehend von der von Tzotzilindianern bewohnten Ortschaft Chamula zu einer indigenen Rebellion, die etwa bis 1870 andauerte und äußerst blutig verlief, die meisten Opfer waren Tzotzil. Ursache des Aufstandes war die Unterdrückung einer infolge einer Dürre ausgelösten religiösen Bewegung der Chamulatzotzils.[22][23] In Erwartung eines heilbringenden "indianischen Jesus" wurde ein Freiwilliger vor der Kirche San Juan gekreuzigt. Zufällig aus San Cristóbal de las Casas angereiste Missionare verlangten mit der Unterstützung von zu Hilfe gerufenen militärischen Einheiten die Abhängung des noch lebenden indianischen Messias und entfachten dadurch den Aufstand.[22][23]
Drei Missionare sollen in unmittelbarem Zusammenhang mit der erzwungenen Abhängung ums Leben gekommen sein. Bei der Niederschlagung dieses Aufstandes kam es zu massiven Gräueltaten, so wurden als Exempel gefangen genommenen Tzotzilindianern öffentlich in San Cristóbal de las Casas Nasen und Ohren abgeschnitten.[23] Fotografien der Gemarterten konnten noch bis zur zapatistischen Revolution von 1994, die wiederum von Chamula ausging, auf Postkarten in der Provinzhauptstadt käuflich erworben werden.
Durch den Aufstand der Zapatisten unter Führung des Subcomandante Marcos wurde der von großer Armut geprägte mexikanische Bundesstaat auf der ganzen Welt zur Kenntnis genommen. Die Zapatisten, die sich in der Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN, deutsch ‚Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung‘) zusammengeschlossen haben, kämpfen für die Rechte und die freie Entwicklung der indigenen Bevölkerung. Sie wenden sich auch mit gewalttätigen Mitteln gegen die Folgen der kolonialen Ausbeutung, diverse Missionierungsversuche, vor allem aber gegen die von Rassismus und religiösem Fanatismus geprägte Motivlage, die die letzten Reste der uralten Hochkultur der Mayas auszurotten droht.[24]
Bei ihrem Vorgehen gegen die Guerilla übte die mexikanische Armee massive Gewalt auch gegen unbeteiligte Indigene aus und verübte zahlreiche Gräueltaten. Das bekannteste Massaker fand in Acteal statt, unter den 45 Opfern sollen sogar schwangere Frauen und Kinder gewesen sein (siehe hierzu auch Artikel EZLN).[24][25]
Von 1994 bis 2000 sind nach Angaben der EZLN über 1000 Guerillas und sympathisierende Mayas getötet und mehr als 15.000 vertrieben worden. Wegen der hohen Opferzahlen und des Rückgangs des infolge der Unruhen zurückgehenden, ehemals profitträchtigen Tourismus haben sich mittlerweile viele der indigenen Unterstützer von der EZLN abgewendet.[24][26]
Politik
Gouverneur
Die Regierung des Bundesstaates wird von einem direkt vom Volk gewählten Gouverneur (spanisch: Gobernador) geleitet. Aktuell ist dies Carlos Miguel Aysa González (Amtszeit 13. Juni 2019 – 15. September 2021).
Die Zentralregierung wirkt stark in die Bundesstaaten hinein. Dies liegt in den vielfältigen Abhängigkeiten der Staaten von der Bundesregierung begründet, da diese den Staaten und Gemeinden einen Teil der Steuereinnahmen zuweist. Daneben haben die Ministerien Vertretungen (Delegaciones) in den Bundesstaaten, Regierungsbezirken und Gemeinden. Über diese werden Bundesmittel insbesondere für Sozialfürsorge und Entwicklungsprogramme vergeben.
Städte und Gemeindebezirke
Hauptstadt des Bundesstaates ist die etwa 500.000 Einwohner zählende Stadt Tuxtla Gutiérrez. Wirtschaftlich bedeutendste Stadt ist das unweit der Pazifikküste gelegene Tapachula. Touristisch am bekanntesten sind San Cristóbal de las Casas, früher auch Ciudad Real genannt, und die dem Weltkulturerbe zugehörige Ruinenstadt Palenque aus der klassischen Mayazeit.
Chiapas besitzt eine Fläche von 75.634 km² und wird administrativ in 124 Municipios unterteilt.
Touristische Attraktionen
Attraktionen kultureller Art
In Chiapas liegen bedeutende Maya-Ruinenstätten, unter anderem die zum Weltkulturerbe gehörenden Zeremonialzentren von Palenque, Bonampak, Yaxchilán, Toniná, Izapa und Chinkultic.
Die meisten und auch bekanntesten Sehenswürdigkeiten der klassischen Mayazeit befinden sich im Tiefland von Chiapas und somit in der tropischen Klimazone. Einst vom Dschungel überwuchert, sind sie mühselig freigelegt worden. Fast alle ehemaligen Kultzentren sind mittlerweile über Straßen erreichbar.
In den Ruinenstätten wurden bedeutende Artefakte der untergegangenen klassischen Periode entdeckt, wie Wandmalereien, Stelen, aber auch Dinge des täglichen Bedarfs (vor allem Keramik). Ihnen ist gemeinsam, dass Handwerker von besonderer Kunstfertigkeit sie hergestellt haben.
Die heutigen Städte sind oft von kolonialem Baustil geprägt: fast vollständig erhalten ist die Altstadt von San Cristóbal de las Casas. Zahlreiche Kirchen aus der Kolonialzeit, aber auch Museen sind zu besichtigen.
Attraktionen natürlicher Art
Der Steilsturz-Wasserfall von Misol-Ha sowie die in der Trockenzeit grün-blau schimmernde Wasserfallkaskade von Agua Azul, die mit über 6 Kilometern Gesamtlänge zu den längsten der Welt zählt, sind bekannte Attraktionen.
Etwa 10 km von San Christóbal entfernt befinden sich die Grutas de San Christóbal, ein weit verzweigtes Höhlensystem, diese sind ohne nennenswerte Tropfsteinformationen und werden daher nicht stark frequentiert.
Weitere touristische Attraktionen sind der Cañón del Sumidero und der Nationalpark Lagunas de Montebello, der eine Seenplatte mit unterschiedlich farbigen Gewässern umfasst. Der unmittelbar an Guatemala grenzende Nationalpark weist – in Flora und Fauna – eine besonders große Artenvielfalt auf.
Ein weiteres Naturschutzgebiet befindet sich im Tiefland mitten im Lakandonendschungel. Es umfasst das größte Binnengewässer Südmexikos, den Miramarsee. Dieser liegt im Biosphärenreservat von Monte Azules, dem größten noch erhaltenen, heute aber bedrohten Regenwaldgebiet Nordamerikas; auch dieser Nationalpark weist eine außergewöhnlich hohe Artenvielfalt auf.
Von der einheimischen Bevölkerung wird der Reiseweg zu diesen Sehenswürdigkeiten als Gringo-Trail bezeichnet.
Naturkatastrophen
Vulkanausbrüche
1982 brach der Vulkan El Chichón in Chiapas aus. Der Berg verlor durch den Ausbruch ca. 200 Meter an Höhe und bildete nachfolgend eine Caldera mit innerem saurem Kratersee aus. Etwa 2000 Menschen verloren durch den Ausbruch ihr Leben. Die Eruption des El Chichón war mit 1,5 km³ ausgestoßenem Magma, nach dem Ausbruch des Pinatubo 1991, die zweitgrößte im 20. Jahrhundert. Die entstandene Aerosolwolke umrundete in drei Wochen die Erde und verteilte sich im Laufe der nächsten sechs Monate vom Äquator bis zum 30. nördlichen Breitenkreis.
1986 brach der Vulkan Tacaná im Grenzgebiet zu Guatemala aus.
Orkane
Anfang Oktober 2005 verursachte der Hurrikan Stan große Schäden in Chiapas, betroffen waren auch angrenzende Regionen wie: Yucatán, Quintana Roo, Hidalgo, Oaxaca, Puebla und Veracruz.
Erdbeben
Am 16. Oktober 2008 ereignete sich in Chiapas ein Erdbeben mit der Stärke von 6,5 auf der Richterskala. Das Epizentrum lag in der Nähe des Ortes Suchiate an der Grenze zu Guatemala.
Literatur
- José de Acosta: Das Gold des Kondors. Berichte aus der Neuen Welt 1590 und Atlas zur Geschichte ihrer Entdeckung. Herausgegeben und übertragen von Rudolf Kroboth und Peter H. Meurer, Edition Erdmann in K. Thienemanns Verlag, Stuttgart u. a. 1991, ISBN 3-522-60750-3 (Originalausgabe: America, Oder wie mans zu Teutsch nennet Die Neuwe Welt/ oder West India. Von Herrn Josepho De Acosta in Sieben Büchern/ eins theils in Lateinischer/ und eins theils in Hispanischer Sprach/ Beschrieben. Sutorius, Ursel 1605. Nach dem Exemplar der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin[27]).
- Bartolomé de Las Casas: Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder, Herausgeber Hans Magnus Enzensberger, 9. Auflage, Insel Verlag, 1981, ISBN 978-3-458-32253-5
- Hernán Cortés: Die Eroberung Mexikos, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 978-3-458-32093-7
- B. Traven: Land des Frühlings, Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 DNB 361772408
- K'ayum Ma'ax, Christian Rätsch (Hrsg.): Ein Kosmos im Regenwald. Mythen und Visionen der Lakandonen-Indianer (= Diederichs Gelbe Reihe. Indianer. Bd. 48), Diederichs, Köln 1984, ISBN 3-424-00748-X (2., überarbeitete Auflage. Diederichs, München 1994).
- Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Insel-Verlag, Frankfurt a. M. 1988, ISBN 3-458-32767-3.
Weblinks
- Website der Regierung des Bundesstaates (spanisch)
- Detaillierte Landkarte (PDF; 24 MB), Komitee für Statistik und Geografie der Landesregierung (CEIEG)
Einzelnachweise
- Mexico en Cifras. INEGI. Archiviert vom Original am 22. Juli 2012. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 5. April 2011.
- Traven: Land des Frühlings. 1928.
- B. Traven: Land des Frühlings. 1928, S. 8.
- Eugenio Maurer: “Los tzeltales. Paganos o cristianos? Su religión, sincretismo o sintesis?” 1. Auflage. Centro de Estudios Educativos, México D.F 1984, ISBN 968-7165-11-1
- John Fisher, Silvia Mayer: Mexiko. Loose, 2002, S. 641, ISBN 978-3-7701-6119-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- John Fisher, Silvia Mayer: Mexiko. Loose, 2002, S. 640, ISBN 978-3-7701-6119-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- John Fisher, Silvia Mayer: Mexiko. Loose, 2002, S. 659, ISBN 978-3-7701-6119-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Ma'ax, Rätsch (Hrsg.): Ein Kosmos im Regenwald. 1984.
- Helmut Hermann: Yucatán, Chiapas. 2. Auflage, Bielefeld 2012, S. 659.
- Robert Nickel: More Indigenous Peoples in Chiapas, Mexico
- Mexiko: Bundesstaaten und Großstädte - Einwohnerzahlen in Karten und Tabellen. Abgerufen am 28. Juli 2018.
- DOKU: Die grossen Rätsel des … (Nutzerkonto wg. Meldungen über Urheberrechtsverletzungen gesperrt) auf YouTube
- John Fisher, Silvia Mayer: Mexiko. Loose, 2002, S. 652, ISBN 978-3-7701-6119-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Alfred Werthmann: Die Maya Gottkönige in Mesoamerika, Geschichte und Hochkultur der Maya. (Nicht mehr online verfügbar.) In: die-mayas.de. 21. Dezember 2012, archiviert vom Original am 9. Februar 2015; abgerufen am 19. Januar 2015. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Hermann: Yucatán, Chiapas. 2012, S. 334.
- Frank Herrmann: Travel Handbuch Guatemala. Stefan Loose Verlag, Berlin 2001, S. 79.
- John Fisher, Silvia Mayer: Mexiko. Loose, 2002, S. 627, ISBN 978-3-7701-6119-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Frankfurt a. M. 1988, S. 173.
- Dollinger: Schwarzbuch der Weltgeschichte. 1973, S. 235.
- Helmut Hermann: Yucatán, Chiapas. 2. Auflage, Bielefeld 2012, S. 337.
- Frank Herrmann: Travel Handbuch Guatemala Stefan Loose Verlag, Berlin 2001, S. 79 f.
- Adolf Bastian: Bd. Psychologie und mythologie. O. Wigand, 1860, S. 79 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Traven: Land des Frühlings. 1928, z. B. S. 78–80.
- Enlace Zapatista. In: enlacezapatista.ezln.org.mx. Abgerufen am 19. Januar 2015 (spanisch).
- Acteal. In: Mexiko-Lexikon.de. Archiviert vom Original am 13. Mai 2012; abgerufen am 19. Januar 2015.
- Hermann: Yucatán, Chiapas. 2012, S. 337.
- vgl. VD17 39:133228S