Wendekreis (Breitenkreis)
Auf der Erde sind die Wendekreise die beiden Breitenkreise von je 23° 26′ 05″ (23,43472°) nördlicher (Wendekreis des Krebses) und südlicher (Wendekreis des Steinbocks) Breite. Auf ihnen steht die Sonne am Mittag des Tages der jeweiligen Sonnenwende im Zenit. Die Wendekreise haben vom Äquator je einen Abstand von 2.609 km und sind jeweils rund 36.700 km lang. Der Gürtel zwischen nördlichem und südlichem Wendekreis wird als die Tropen bezeichnet.
Astronomie
Am Himmel sind die Wendekreise parallele Kreise zum Himmelsäquator. Sie tangieren die den Himmelsäquator schräg schneidende scheinbare Jahresbahn der Sonne (die Ekliptik), die wie der Äquator auch ein Großkreis am Himmel ist. Ihr Winkelabstand vom Himmelsäquator ist ebenfalls ±23°26′05″. Das sind gleichzeitig die Grenzwerte für den sogenannten Deklinationswinkel der Sonne.[1]
Grund für die Änderung der Sonnen-Deklination und damit für die Existenz der Wendekreise ist die Schiefe der Erdachse relativ zur Erdbahnebene, die sogenannte Schiefe der Ekliptik von 23°26′05″ (Stand: 15. Mai 2017).
Verschiebung der Wendekreise
Da sich die Schiefe der Ekliptik aufgrund von Perturbationen anderer Körper im Sonnensystem langfristig ändert, ändert sich auch die Lage der Wendekreise. Momentan bewegen sie sich – abgesehen vom kurzfristigen Taumeln der Erdachse, der Nutation – mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa einer Bogenminute in 128 Jahren auf den Erdäquator zu, das sind etwa 14,4 m pro Jahr.[2] Man geht aber davon aus, dass seit der Entstehung des Mondes die Schiefe alles in allem etwa in der heutigen Größenordnung blieb.[3]
Nördlicher Wendekreis
Der nördliche Wendekreis ist der nördlichste Breitenkreis, an dem die Mittagssonne gerade noch den Zenit erreicht, nämlich zur Zeit der Sommersonnenwende der Nordhalbkugel um den 21. Juni. Er ist der Breitenkreis bei 23° 26′ 04″ nördlicher Breite (Stand: 21. Juni 2015).
Der nördliche Wendekreis wird auch „Wendekreis des Krebses“ (lateinisch tropicus cancri, englisch Tropic of Cancer) genannt – im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen der Antike: Das Sternbild, das die Sonne zur Sonnenwende durchquerte, war bis 15 v. Chr. das Sternbild Krebs. Weil sich die Äquinoktialpunkte im siderischen Bezugssystem durch die Präzession der Erdachse langsam verschieben, ist dieser Punkt anschließend in das Sternbild Zwillinge gewandert und befindet sich seit 1990 im Sternbild Stier.
Verlauf des nördlichen Wendekreises
Der nördliche Wendekreis durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) die Sahara in den Ländern Algerien, Libyen und Ägypten. Weiter verläuft er durch die Arabische Halbinsel, das Arabische Meer, Indien, Bangladesch, Myanmar, den Süden Chinas und Taiwan. Im Pazifik verläuft er 136 km nördlich der hawaiianischen Insel Kauaʻi. Der Wendekreis durchquert Mexiko, den Golf von Mexiko und den Atlantik, bis er wieder in Afrika und die Sahara-Wüste eintritt.
Völkerrechtliche Relevanz
Der nördliche Wendekreis begrenzt den Wirkungsbereich der NATO auf zur Gebietshoheit von NATO-Bündnispartnern gehörende Inseln im Nordatlantik nach Süden hin.
„Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere Parteien jeder bewaffnete Angriff auf […] die Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses.“
Südlicher Wendekreis
Der südliche Wendekreis ist der südlichste Breitenkreis, an dem die Mittagssonne gerade noch den Zenit erreicht, nämlich nur am 21. oder 22. Dezember, dem Tag der Sommersonnenwende der Südhalbkugel (in Europa: Wintersonnenwende). Er ist der Breitenkreis bei 23° 26′ 5″ südlicher Breite (Stand: 21./22. Dezember 2014).
Im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen bzw. auch nach dem Sternbild der Ekliptik, in dem die Sonne bei Einführung der Sternbilder in der Antike zur Sonnenwende stand, wird der südliche Wendekreis auch „Wendekreis des Steinbocks“ (lateinisch tropicus capricorni, englisch Tropic of Capricorn) genannt. Zurzeit steht die Sonne zur Sonnenwende bedingt durch die Präzession im Sternbild Schütze.
- Markierung des südlichen Wendekreises am Stuart Highway in Australien
- Markierung des südlichen Wendekreises bei Itaí in Brasilien
Verlauf des südlichen Wendekreises
Der südliche Wendekreis durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) den Süden Afrikas (Namibia, Botswana, Südafrika, Mosambik, Madagaskar), den Indischen Ozean, Australien, den Pazifik, Südamerika (Chile, den nördlichsten Zipfel Argentiniens, Paraguay, Brasilien) und schließlich den Südatlantik.
Staat, Gebiet, Meer | Weiteres |
---|---|
Atlantik | |
Namibia | Regionen: Erongo, Khomas, Hardap und Omaheke |
Botswana | Distrikte: Kgalagadi, Kweneng und Central |
Südafrika | Provinz Limpopo |
Mosambik | Provinzen: Gaza und Inhambane |
Indischer Ozean | Straße von Mosambik |
Madagaskar | Provinzen: Toliara und Fianarantsoa |
Indischer Ozean | |
Australien | Western Australia, Northern Territory und Queensland |
Korallenmeer | Durchquert das Cato Reef, in Australiens Coral Sea Islands Territory |
Pazifik | Nördlich der Minerva Reefs (zu Tonga gehörend) und südlich von Tubuai (zu Franz.-Polynesien gehörend) |
Chile | Region Antofagasta |
Argentinien | Provinzen: Jujuy, Salta und Formosa |
Paraguay | Departamentos: Boquerón, Presidente Hayes, Concepción, San Pedro und Amambay |
Brasilien | Bundesstaaten Mato Grosso do Sul, Paraná und São Paulo |
Atlantik |
Länder südlich des südlichen Wendekreises
Zu den Ländern, die gänzlich südlich des Wendekreises des Steinbocks liegen, zählen:
Siehe auch
- Polarkreis
- Wendekreis des Krebses (Roman von Henry Miller)
- Wendekreis des Steinbocks (Roman von Henry Miller)
- Wendekreiswüste
Weblinks
Einzelnachweise
- Weltkarte mit Längen- und Breitengrad (PDF; 260 kB)
- Ephemeriden des JPL
- Gongjie Li, Konstantin Batygin: Pre-LHB Evolution of the Earth’s Obliquity. arxiv:1409.2881
- Tropic of Cancer Marker. East Rift Valley Scenic Area, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
- Die frei assoziierten Cookinseln und Niue sowie das zu Neuseeland gehörende Tokelau liegen allerdings nördlich des Wendekreises des Steinbocks.