Umspurung (Eisenbahnfahrzeug)
Mit Umspurung eines Eisenbahnfahrzeuges wird der technische Vorgang bezeichnet, mit dem der Wechsel eines Fahrzeugs in ein anderes Eisenbahnnetz mit einer anderen Spurweite ermöglicht wird. Umgespurt werden vor allem Personen- und Güterwagen, sodass das Umsteigen bzw. das Umladen entfällt. Die Umspurung erfolgt entweder durch den Tausch des Laufwerkes (Umachsung) oder durch Veränderung am Laufwerk, während dieses am Fahrzeug verbleibt. Meistens werden während des Vorgangs auch noch andere Vorkehrungen für den Einsatz im neuen Eisenbahnnetz getroffen. Zu unterscheiden ist die Umspurung im laufenden Betrieb von der Umrüstung für den längerfristigen Einsatz eines Fahrzeuges auf einer anderen Spurweite.
In Europa wird hauptsächlich an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien und innerhalb Spaniens zwischen Regel- und iberischer Breitspur sowie an den Grenzen osteuropäischer Länder, deren Bahnen nach russischen Normalien gebaut sind, zwischen Regel- und russischer Breitspur umgespurt. In der Schweiz bestehen Projekte für das Umspuren zwischen Regel- und Meterspur.
Geschichte
Seit 1926 war Güterverkehr mit umspurbaren, durchlaufenden Wagen zwischen den Bahnen in russischer Breitspur und den regelspurigen Bahnen in Mittel- und Westeuropa möglich.[1]
Technik
Umspuranlagen
Eine Umspuranlage ist eine ortsfeste Anlage, mit der die Spurweite von Schienenfahrzeugen geändert werden kann. In herkömmlichen Umspuranlagen werden die Radsätze oder Drehgestelle der Fahrzeuge ausgetauscht. Neuer und technisch aufwändiger sind Verfahren, bei denen der Abstand zwischen den Radscheiben an das zu befahrende Netz angepasst wird. Dafür müssen besondere Radsätze oder Einzelradlaufwerke vorhanden sein. Zu Anfang konnte diese Technik nur für Fahrzeuge mit nicht angetriebenen Achsen verwendet werden, seit dem Jahr 2000 ist sie auch für Triebfahrzeuge verfügbar.
Herkömmliche Umspuranlagen
Nach dem herkömmlichen Verfahren werden die Drehgestelle von den Wagenkasten gelöst und letztere mit Hebeböcken ungefähr auf 1,5 m angehoben. Mit einer Spillanlage werden die Drehgestelle der alten Spurweite unter den Fahrzeugen weggezogen und diejenigen für die neue Spurweite unter die Wagen gezogen. Die Drehgestelle werden bei diesem Vorgang mit über die Rahmen gelegten Klammern miteinander verbunden, so dass der Tausch der Drehgestelle in einem Arbeitsgang der Spillwinde erledigt werden kann. Nachdem die neuen Drehgestelle unter den Wagen positioniert sind, werden die Wagenkasten wieder abgesenkt und die Drehgestelle mit dem Wagenkasten verbunden.
Bei Güterwagen können Drehgestelle oder Radsätze gewechselt werden. Beim Wechsel der Radsätze müssen auch die Bremssohlen entsprechend umgestellt werden. Das Verfahren wird an der spanisch-französischen Grenze auch bei Drehgestellwagen angewendet. Für den Wechselverkehr mit Spanien und Portugal zugelassene Wagen haben dafür verstellbare Bremsdreiecke und einen deutlich größeren Abstand zwischen den Rahmenwangen. Der Radsatzwechsel erfordert jedoch besondere Fördereinrichtungen für den An- und Abtransport.
An der westlichen Grenze des russischen Breitspurnetzes werden zusätzlich bei Reisezugwagen auch die Kupplungen ausgetauscht. Russische Güterwagen, die wegen der Bauart des Bodenrahmens nicht mit Seitenpuffern ausgerüstet werden können, werden im Regelspurnetz mit Kuppelwagen befördert.
Umspuranlagen sind als Witterungsschutz für die Mitarbeiter meist in einer Halle untergebracht. Beim Übergang zwischen dem westeuropäischen Normalspurnetz und der russischen Breitspur verfügt das Mischspurgleis, auf dem der Drehgestellwechsel vorgenommen wird, über zusätzliche Schienen auf der Innenseite, die die Regelspurradsätze an den Rückflächen führen. An den spanisch-französischen Übergängen ist wegen des größeren Unterschiedes zur iberischen Breitspur ein einfaches Vierschienengleis möglich.
- mit seitlichen Hebeböcken (rot) angehobener Wagenkasten
- Austausch der Drehgestelle, im Bild die Regelspurdrehgestelle
- Austausch der Kupplung
- Links vom Rad sind die Seile der Spillanlage zu sehen, rechts die Führungsschiene für die Regelspurradsätze
Automatische Umspuranlagen
Die automatischen Umspuranlagen können nur von Fahrzeugen mit speziell an die Anlage angepassten Laufwerken benutzt werden, zu einer Normung kam es bisher nur in sehr geringem Maß. Der Spurwechsel wird während der langsamen Fahrt durch die Anlage vollzogen. Beim Befahren der Anlage mit etwa 15 km/h wird von Betätigungsschienen der Entriegelungsmechanismus des Laufwerks geöffnet, so dass die Radscheiben von Führungsschienen auf die neue Spurweite eingestellt werden können. Es ist zu unterscheiden, ob die Räder während der Umspurung entlastet oder belastet sind.
Umspurung mit entlasteten Rädern
Bei den in Spanien für Reisezüge eingesetzten Systemen von Talgo und CAF werden während des Umspurvorgangs die Fahrzeuge von seitlich angebrachten Gleitschienen getragen, so dass die Räder während des Umspurvorgangs entlastet sind und von speziellen Führungsschienen seitlich verschoben werden können. Die Räder werden von Riegeln in der Position gehalten, die während des Befahrens von einer Entriegelungsschiene nach unten gezogen werden und am Ende des Spurwechsels durch Federkraft in die verriegelnde Stellung zurückkehren. Beim System Talgo sitzt jede Radscheibe auf einer einzelnen Stummelachse, die samt ihren Lagern verschoben wird. Beim System CAF werden die Radscheiben auf den Achsen verschoben. Beide Systeme sind in Spanien im betrieblichen Einsatz.
Das Talgo-System ist eines der am längsten eingesetzten Systeme. Seit 1969 sind über drei Millionen Umspurvorgänge durchgeführt worden, ohne dass dabei Ausfälle aufgetreten sind. Einzig Vereisungen können zu Störungen führen, die den Zug in der Umspuranlage verklemmen können.
In Spanien sind automatische Umspuranlagen in Betrieb, die sowohl mit dem System Talgo als auch mit dem System CAF arbeiten können. Die bisher eingesetzten Anlagen verfügen über zwei Gleisroste mit den für die beiden Systeme unterschiedlichen Hilfseinrichtungen. Vor der Durchfahrt eines Zuges wird der zum System passende Gleisrost heruntergeklappt oder seitlich in Position geschoben.
In der Schweiz wurde für den Einsatz auf der GoldenPassLine von Prose ein System entwickelt, bei dem schmalspurige Reisezugwagen mit den Drehgestellen EV09 auf Normalspurstrecken übergehen können. Die Umspuranlage verschiebt die beiden Hälften des längs geteilten Drehgestellrahmens gegeneinander. Neben der Änderung der Spurweite wird auch die Höhe der Auflage des Wagenkastens geändert, um die Einstiege den unterschiedlichen Bahnsteighöhen in den beiden Netzen anzupassen.
Auch in Japan wird ein System zum automatischen Spurwechsel an Reisezügen erprobt.
Umspurung mit belasteten Rädern
Für den Güterverkehr sind Systeme entwickelt worden, die es erlauben, Wagen auch mit belasteten Rädern umzuspuren. Damit die Räder während des Verstellens der Spurweite nicht auf die Schienen aufklettern, darf bei diesen Systemen die Spurweite nur langsam geändert werden, so dass die Umspuranlage wesentlich länger ist als bei Systemen für entlastete Räder.
Die PKP und die DB AG haben eine einheitliche Umspurtechnik entwickelt, auf der sowohl Radsätze der Bauart SUW-2000 (PKP) als auch der Bauart DB AG/Rafil V automatisch umgespurt werden können. Hierbei werden die Radscheiben auf der starren Achse entriegelt, in die jeweilige Endstellung verschoben und anschließend wieder verriegelt. Dieser Vorgang kann je nach Bauart der Umspuranlage bei beiden Radscheiben eines Radsatzes gleichzeitig erfolgen (symmetrische Anlage) oder zunächst bei den Radscheiben der einen und dann der anderen Seite vorgenommen werden (asymmetrische Anlage). Asymmetrische Anlagen benötigen eine längere Strecke für die Umspurung als symmetrische Anlagen. Die Anlagen für die Systeme SUW-2000 und DB AG/Rafil V sind länger als Umspuranlagen des Talgo-Systems, da die Radscheiben unter Last verschoben werden und daher das Verhältnis von Spurveränderung zu Umspurstrecke kleiner sein muss. Sie benötigen jedoch keine beweglichen Teile am Gleis, damit ist auch kein Witterungsschutz erforderlich. Spurwechselradsätze der Bauarten SUW-2000 und DB AG/Rafil V können auch unter Reisezugwagen eingesetzt werden.
Güterverkehr
Im Schienengüterverkehr werden oft keine umspurbaren Fahrzeuge eingesetzt. Anstelle dessen werden oft die Güter umgeladen, was heute mit Containern oder Wechselpritschen mit relativ wenig Aufwand verbunden ist.
Alternativ werden bei hohem Verkehrsaufkommen auch Strecken mit anderer Spurweite in Gebiete verlängert, wo diese nicht die übliche Spurweite der Mehrheit der vorhandenen Strecken ist. Hier kommen oft auch Mehrschienengleise zum Einsatz.
Für den Transport einzelner Fahrzeuge können auch Rollwagen und Rollböcke zum Einsatz kommen. Bei diesen werden Wagen einer Spurweite auf Wagen bzw. Laufwerke der anderen Spurweite verladen.
Triebfahrzeuge
Lokomotiven und Triebwagen können grundsätzlich ebenfalls umgespurt werden, jedoch geschieht das wegen des großen Aufwandes in der Regel nicht während des Betriebes, sondern im Rahmen von Umrüstarbeiten in Werkstätten. Die Triebfahrzeuge verbleiben somit während ihres betrieblichen Einsatzes in dem Netz ihrer angestammten Spurweite. Ausnahmen sind die Fahrzeuge mit angetriebenen Spurwechseldrehgestellen der Bauarten Talgo und CAF.
Einige Lokomotiv- (und auch sonstige Fahrzeug)bauarten sind konstruktiv für den Betrieb auf unterschiedlichen Spurweiten vorbereitet. Dazu gehören beispielsweise die Diesellokomotiven LTS M62, die Renfe-Baureihen 252 und 449, viele Lokomotiven, Triebwagen und Wagen der Tunesischen Staatsbahn und die Lokomotiven der Bauart Gmeinder D 75 BB-SE. Bei derartigen Fahrzeugen erfordert die Umspurung nur den Tausch von Teilen, aber keine Schneid- und Schweißarbeiten. Erleichternd ist im europäischen Raum, dass Zug- und Stoßvorrichtung und Bremse im Regelspur- sowie iberischen und osteuropäisch-russischen Breitspurnetz weitgehend identische Maße aufweisen. Beispiele für umspurbar ausgelegte Dampflokomotiven waren die EAR-Garratts der Reihe 59, die lettischen Baureihen Bt/Pt und Ct/Rt sowie die für die Warschau-Wiener Eisenbahn gebauten russischen Maschinen der Baureihe SW. Sie entsprachen dem mitteleuropäischen Lichtraumprofil, zum Umspuren musste man lediglich die Radsterne von den Achswellen und als Folge die Radreifen und Treib- bzw. Kuppelzapfen abpressen und wenden sowie die Stellung der Bremsklötze und Bahnräumer anpassen.
Tiefgreifend ist die Umspurung von Fahrzeugen, die nicht dafür ausgelegt wurden. Der Aufwand steigt mit der Spurweitendifferenz stark an. Relativ einfach war die Umspurung von durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg erbeuteten Breitspurwagen, wobei Kesselwagen besonders gesucht waren. Nach Kriegsende wurden andererseits erbeutete oder als Reparation beschlagnahmte deutsche Fahrzeuge auf russische Breitspur gebracht. Beispiele sind Dampflokomotiven der deutschen Baureihe 52, Triebwagen der Berliner S- und U-Bahn sowie Ellok der Baureihen E 44 und E 94. Wegen der Breite der Drehgestellrahmen und des fehlenden Einbauraumes eigneten sich die beiden letzten Baureihen nicht für den Umbau auf die russische Breitspur und die Mittelpufferkupplung der Bauart SA3. Die Folge waren schwere Schäden. Von 1958 bis 1960 wurden etwa 1500 Maschinen der SŽD-Baureihe FD an China abgegeben und dort auf Regelspur umgebaut.
Umspurung durch Drehgestelltausch
Die PKP verfügt über Rangierlokomotiven, die sowohl mit regel- als auch mit breitspurigen Drehgestellen ausgerüstet werden können. Sie werden an der polnischen Ostgrenze eingesetzt und je nach Güteraufkommen für den Einsatz auf dem entsprechende Streckennetz vorbereitet.
Die RENFE besitzt mit der Baureihe 252 universell einsetzbare Elektrolokomotiven, die sowohl im Normalspur- wie im Breitspurnetz eingesetzt werden können. Die im normalspurigen Hochgeschwindigkeitsnetz verkehrenden Lokomotiven dieser Baureihe werden sowohl vor Schnellzüge aus Talgo-Wagen, wie auch vor den Güterzügen auf der Strecke von der französischen Grenze nach Barcelona verwendet. Einige Loks dieser Baureihe wurden schon mehrfach umgespurt.
Mit dem Bau der ersten normalspurigen Hochgeschwindigkeitsstrecke wurden dem französischen TGV ähnelnde Triebzüge der Baureihe 100 beschafft. Ein Teil der Züge wurde mit Breitspurdrehgestellen als Baureihe 101 abgeliefert und auf der Strecke entlang dem Mittelmeer zwischen Barcelona und Valencia eingesetzt. Mit dem steigenden Bedarf an regelspurigen Hochgeschwindigkeitszügen wurden diese 2009 wieder mit regelspurigen Drehgestellen ausgerüstet und in die Baureihe 100 eingegliedert.
Auch die CP verfügte mit der Baureihe 9020 über umspurbare Lokomotiven.
Triebfahrzeuge mit Talgo-Drehgestellen
Die von Talgo Ende der 1960er Jahre entwickelte Technik erlaubt das Umspuren von Fahrzeugen während langsamer Fahrt durch eine entsprechend eingerichtete Umspuranlage. Bis zum Jahr 2000 wurde diese Technik nur für antriebslose Wagen eingesetzt, welche mit Lokomotiven bespannt wurden, die im Netz ihrer angestammten Spurweite verblieben. Im Jahr 2000 wurde der Talgo XXI vorgestellt, der als erstes während der Fahrt umspurbares Triebfahrzeug gilt. 2005 folgte mit Travca L 9202 der Prototyp einer mehrsystemfähigen Elektrolokomotive. Danach folgten mit den Triebköpfen für die Hochgeschwindigkeitszüge der RENFE-Baureihe 130, die ersten in Serie gebauten Fahrzeuge, welche betrieblich Umspuranlagen befahren.
Beim umspurbaren Talgo-Antrieb ist jedes Laufrad mit seinem Großzahnrad fest verbunden und seitenverschiebbar im Drehgestell gelagert. Auf der Vorgelegewelle sitzen Ritzel, die durch ihre Breite immer mit den Großzahnrädern im Eingriff stehen, unabhängig von der Spurweitenstellung. Die Gleitstücke und Entriegelungsorgane für den Umspurvorgang entsprechen denen der Mittelwagen.
Triebfahrzeuge nach anderen Systemen
In Spanien wird neben dem System Talgo auch noch das System CAF benutzt. Auf damit ausgerüsteten Drehgestelle laufen nur die Triebzüge der Baureihen 120 und 121 sowie zwei Einheiten der Reihe 594. Die japanische Kikan Kahen Densha verfügt über angetriebene Achsen, welche ebenfalls mit einer automatischen Umspuranlage zwischen Kapspur und Normalspur geändert werden können.
Technische Anforderungen an umspurbare Fahrzeuge
Umspurbare Fahrzeuge müssen den Bedingungen in beiden Netzen entsprechen, beispielsweise beim Fahrzeugumgrenzungsprofil, den Kupplungen, der Bremsausrüstung und der Achs- und Meterlast. Das wird umso komplizierter, je stärker die Normen der beteiligten Netze voneinander abweichen und je größer die Differenz der Spurweiten ist. Bei Fahrzeugen, die auf dem europäischen Regel- und dem iberischen sowie GUS-Breitspurnetz verkehren sollen, ist es durch die auf den Regeln der Technischen Einheit im Eisenbahnwesen beruhenden Normung noch vergleichsweise einfach. Für den Übergang zwischen dem GUS-Breitspurnetz und China oder Korea sind wegen der unterschiedlichen Kupplungshöhen umstellbare Kupplungsaufnahmen erforderlich, sofern die Wagen nicht als geschlossene Gruppen übergehen und Kuppelwagen eingesetzt werden. Weichen die Systeme zu sehr voneinander ab, wie künftig zwischen MOB und Simmentalbahn, dann sind die Fahrzeuge im jeweils fremden Netz nicht freizügig einsetzbar.
Standardisierung
Der Internationale Eisenbahnverband (UIC) und die Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSShD) gründeten im November 2011 eine gemeinsame Arbeitsgruppe „Automatische Spurwechselsysteme“ (JWG AGCS). Ziel ist die Normierung für automatische Spurwechselsysteme zwischen russischer Breit-, europäischer Regel- und iberischer Breitspur, sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr.[2]
Anwendungen
Verkehr mit Bahnen nach russischen Normalien
Die Eisenbahnen in Finnland, dem Baltikum, Belarus, der Ukraine, der Republik Moldau, den kaukasischen Staaten sowie Zentralasien und der Mongolei sind nach russischen Normalien gebaut und haben eine Spurweite von 1520 mm. Umspurungen sind nötig, um in das Eisenbahnnetz des übrigen Europas zu gelangen, sowie für eine Weiterfahrt nach China.
Finnland
Wagen, die vom westeuropäischen auf das finnische Netz per Trajekt übergehen, werden in einer Umspuranlage im Hafen von Turku angehoben und die Drehgestelle oder Einzelachsen ausgewechselt. In Tornio gibt es an der Bahnstrecke Boden–Haparanda außerdem eine asymmetrische Umspuranlage, die jedoch kaum genutzt wird. Dies ist die einzige Gleisverbindung zwischen dem finnischen und dem schwedischen Netz. Die Umspuranlage im Hafen von Turku ist abgebaut, der Eisenbahnfährverkehr zwischen Stockholm und Turku wurde 2007 eingestellt.
Deutschland
Im Fährhafen Mukran in Sassnitz im Nordosten Rügens befindet sich eine Umspuranlage – ausschließlich für den Güterverkehr –, in der Wagen umgespurt werden, bevor sie per Trajekt nach Klaipėda zur Weiterfahrt auf den Breitspurstrecken des Baltikums befördert werden. Dies geschieht durch Austauschen der Drehgestelle. Es handelt sich um die einzige derartige Anlage in Deutschland.
Polen
Umspurungen sind nötig im Verkehr mit Litauen, Belarus und der Ukraine. Eine automatische Anlage für das System SUW 2000 befindet sich an der Grenze zur Ukraine in Przemyśl.
Litauen
Eine asymmetrische Anlage für Radsätze der Bauarten SUW-2000 und DB AG/Rafil V wird auf dem litauischen Bahnhof Mockava eingesetzt. Bis zur Einstellung der Verbindung wurde auch ein tägliches Reisezugpaar zwischen Warschau und Vilnius mit SUW-2000-Spurwechselradsätzen umgespurt.
Moldau
Die Umspurung für den Übergang aus dem rumänischen in das moldauische Bahnnetz erfolgt auf dem Bahnhof Ungheni. Dieser Bahnhof befindet sich noch im (gut restaurierten) Originalzustand des Erbauungsjahres 1876 und ist als Doppelbahnhof mit zwei Gleisseiten, einer normalspurigen und einer breitspurigen, angelegt.
Belarus
Der für Fahrten aus Europa in das Breitspurnetz der GUS wichtigste Umspurbahnhof ist Brest, wo die Reisezugwagen in entsprechend ausgerüsteten Hallen umgespurt werden. Außer den Drehgestellen werden auch die Kupplungen gewechselt und die Übergangsbrücken umgestellt. Bedingt durch das unstarre Prinzip der SA3-Mittelpufferkupplung ist bei deren Einsatz eine höhere Lage der Übergangsbrücken erforderlich. Bis Mitte der 1990er Jahre verkehrten aus Weitstreckenwagen gebildete Stammwagenzüge in das Regelspurnetz, bei diesen wurden die Kupplungen nur an den Endwagen gewechselt.
China
Im Verkehr mit China findet die Umspurung der Züge an den Grenzen nach Kasachstan in Dostyk und Korgas, zur Mongolei in Eren Hot sowie an den Grenzbahnhöfen der transmandschurischen Eisenbahn in Sabaikalsk und in Ussurijsk statt.
Die Eisenbahnen in China und Korea verwenden Mittelpufferkupplungen der Bauart Janney in einer Höhe von 790 Millimetern über Schienenoberkante, die dort während der japanischen Invasion im Zweiten Weltkrieg eingeführt wurden. Zum Ausgleich des Höhenunterschiedes sind ein Teil der übergangsfähigen Wagen mit höhenverstellbarer Kupplungsaufnahme ausgerüstet.
Talgo-Züge
Anlagen für Fahrzeuge mit Talgo-Laufwerken wurden 1969 in Portbou und Irún an der spanisch-französischen Grenze für die Talgo RD (rodadura desplazable) errichtet und wurden vom Catalán Talgo zwischen Barcelona und Genf sowie von den Hotelzügen nach Paris, Zürich und Mailand genutzt. Die Verbindungen nach Zürich und Mailand wurden 2012 eingestellt, die Verbindung nach Paris folgte Ende 2013.[veraltet][3]
Reisezüge aus Regelfahrzeugen
Bis zum Fahrplanwechsel 1994 verkehrten Reisezüge, die aus gewöhnlichen Drehgestellwagen gebildet wurden, von Frankreich nach Spanien und Portugal. Die letzten Züge waren der 310/313 »Sud-Expres« von Paris Austerlitz nach Lissabon Santa Apolónia mit Kurswagen nach Porto, der 300/301 »Puerta del Sol« nach Madrid Chamartín (von 1991 bis 1993 mit einem Kurswagen von und nach Moskau, der dabei zweimal umgespurt werden musste) und die Kurswagenverbindung Paris–Algeciras. Das Spurwechselverfahren ähnelte dem an den Übergängen zum russischen Breitspurnetz, nur waren die Hebeböcke verfahrbar, um sie an den Anhebepunkten der Wagen positionieren zu können. So waren unterschiedliche Wagenbauarten behandelbar und die Wagenzüge konnten im gekuppelten Zustand angehoben werden. Zumindest beim 300/301 wurden nur Schlaf-, Liege- und Autotransportwagen umgespurt, während die Fahrgäste in den Sitzwagen umsteigen mussten.
Die Umspuranlage für Reisezugwagen in Hendaye ist inzwischen abgebrochen worden. Ihre Lage am Ende der breitspurigen Bahnsteiggleise ist noch erkennbar.
Güterverkehr
Für den Güterverkehr zwischen Frankreich und Spanien gibt es in Hendaye/Irún und Cerbère/Portbou Umspuranlagen, wo die Achsen getauscht werden – auch an den Drehgestellwagen.
Die Umspuranlage in Cerbère wird jährlich von ca. 1300 Güterzügen mit rund 40 000 Güterwagen genutzt. Für einen einzelnen Wagen dauert der Umspurvorgang ca. 3 Minuten, für einen Doppelwagen etwa doppelt so lange. Ein 700 Meter-Güterzug mit 44 Wagen wird etwa in zwei Stunden umgespurt.[4]
Verkehr innerhalb Spaniens
Mit dem Bau der regelspurigen AVE-Strecken kamen seit 1992 Anlagen für den Übergang vom spanischen Breitspurnetz auf die Neubaustrecken in Madrid, Córdoba, Saragossa, Lleida, Sevilla, Antequera-Santa Ana und bei Tarragona hinzu. Mit dem fortschreitenden Schnellfahrstreckenbau wurden Spurwechselanlagen schon mehrfach wieder abgebaut (beispielsweise in Córdoba und Lleida) und umgesetzt. Diese Anlagen können sowohl von Fahrzeugen nach dem System Talgo wie auch von solchen nach dem System CAF befahren werden. Täglich werden heute über fünfhundert Züge umgespurt.
Japan
In Japan sind umspurbare Triebzüge für die Spurweiten 1067 und 1435 mm in Entwicklung. 1998 wurde der erste Kikan Kahen Densha („Zug mit wechselbarer Spurweite“) genannte Versuchszug gebaut. Dieser hatte angetriebene Achsen, die automatisch umgespurt werden konnten. Zu Versuchszwecken wurden zwei unterschiedliche Bauarten von Drehgestellen verwendet. 2006 wurde er durch einen zweiten auf der Shinkansen-Baureihe E3 basierenden Versuchszug abgelöst.[5]
Trotz der Inbetriebnahme der regelspurigen Shinkansen-Strecke durch den Seikan-Tunnel im Jahr 2015 musste der Güterverkehr mit kapspurigen Zügen aufrechterhalten werden. Hierzu wird das Konzept Torein on Torein (Zug auf Zug) erarbeitet. Es sah vor, die kapspurigen Wagen für die Fahrt durch den Seikan-Tunnel auf gedeckte, regelspurige Transportwagen zu verladen. Von der praktischen Einführung dieses Systems nahm man jedoch bisher Abstand, stattdessen erhielten beide Streckengleise die in der festen Fahrbahn bereits vorbereiteten dritten Schienen.
- Kikan Kahen Densha, erste Version
- Kikan Kahen Densha, zweite Version
- Torein on Torein-Mockup
Schweiz
Neben dem normalspurigen Streckennetz gibt es in der Schweiz, vor allem in den Alpen, zahlreiche meterspurige Bahnen. Eine Umspurung zwischen Normal- und Meterspur gab es aber bisher nicht und ist erst für die GoldenPassLine vorgesehen. Dafür wurde das neuartige Drehgestell EV09[6] entwickelt. Besonderheiten sind:
- Beim Umspuren werden die Halbachsen (Laufrad auf Achsstummel) nicht axial gegen die Achslager, sondern die in den Achslagern axial festen Halbachsen als Einheiten quer zur Fahrtrichtung auf einer Drehgestellkonsole verschoben (je Seite zwei Halbachsen in Tandemanordnung auf einem Halbrahmen).
- Beim Umspuren wird auch die Höhe der Drehgestelle verändert und damit die Einstiegshöhe der Wagen an die unterschiedlichen Bahnsteighöhen im Schmalspur- und Normalspurnetz angepasst.
Im Jahr 2010 wurde ein Panoramawagen mit den Prototypen der neuen Drehgestelle ausgerüstet und umfangreich getestet. Im Bahnhof Montreux wurde dafür eine Umspuranlage errichtet.[7][8] Der ursprünglich beim Fahrplanwechsel Ende 2020[9][10] geplante Einsatz dieser Technik im fahrplanmäßigen Verkehr zwischen Montreux (Meterspur bis Zweisimmen) und Interlaken (Normalspur ab Zweisimmen) musste durch Lieferverzögerungen bei den umspurbaren Drehgestellen infolge der Corona-Pandemie vorerst auf 2022 verschoben werden.[11]
Die Umspuranlage im Bahnhof Zweisimmen ist fertiggestellt. Die als geschlossene Einheiten verkehrenden Züge[12] können hier in langsamer Fahrt (15 km/h) umgespurt werden. Mit einer weiteren Umspuranlage (zurück auf Meterspur) in Interlaken ließe sich die GoldenPassLine auf der Brünigbahn bis Luzern verlängern. Wegen der Zahnstangenabschnitte zwischen Meiringen und Giswil über den Brünigpass und dem dadurch erhöhten Aufwand bei den umspurbaren Drehgestellen, die für diesen Abschnitt Bremszahnräder erhalten müssten, wird dieser Plan vorerst nicht weiter verfolgt.
Literatur
- Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Berlin, Wien 1912 (zeno.org)
- Automatische Spurwechselsysteme in Spanien. In: Eisenbahn-Revue International 2009, S. 404–407
Weblinks
- Villmann Schwartze: Vorstellung des Spurwechselradsatzes „RAFIL/DBAG Typ V“ sowie der zugehörigen Systemkomponenten (Memento vom 2. Dezember 2011 im Internet Archive) (PDF; 2,96 MB)
- Video: Fahrt über die Umspuranlage in Medykaan der polnisch-ukrainischen Grenze
Einzelnachweise
- Reichsbahndirektion in Mainz (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion in Mainz vom 4. Dezember 1926, Nr. 54. Bekanntmachung Nr. 912, S. 432.
- Projekt „Automatische Spurwechselsysteme“ auf www.uic.org
- Prolongación del régimen de circulación Trenhotel Joan Miró y Francisco de Goya hasta el 13 de Diciembre de 2013. (PDF; 58 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: elipsos.com. September 2013, ehemals im Original; abgerufen am 17. November 2013 (spanisch). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Was macht eigentlich... das Team der Umspuranlage in Cerbère? In: DB Cargo – Marketing (Hrsg.): railways. Nr. 03/2020, ISSN 1867-9668, S. 70 (dbcargo.com [PDF]).
- Development of The Gauge Change Train System in Japan (Memento vom 22. September 2010 im Internet Archive) (Entwicklung eines spurweitenverstellbaren Zugs in Japan)(PDF; engl.; 973 kB)
- Spurwechseldrehgestell EV09. (PDF) Prose AG, abgerufen am 31. Dezember 2016.
- Guido Lauper: Per Bahn ohne umsteigen von Montreux nach Interlaken? In: Berner Zeitung vom 19. Mai 2015
- hav: Treffpunkt Prose. In: Eisenbahn-Revue International. 7/2011, S. 339.
- Schweiz Aktuell im Schweizer Fernsehen vom 23. Juli 2019
- 58 Millionen für Bahnhof Zweisimmen. In: Berner Zeitung vom 12. August 2015
- Einführung des Goldenpass Express auf Dezember 2022verschoben. In: Pressemitteilung MOB. Montreux Oberland Bahn, 9. November 2020, abgerufen am 12. April 2021.
- Christoph Gyr: Entwicklung des spurwechselfähigen Laufdrehgestells EV09. In: Eisenbahn-Revue International. 8–9/2011, S. 382–386.