Khorasan-Weizen
Khorasan-Weizen (Triticum turgidum × polonicum) ist eine alte Sorte des Sommerweizens, die nach genetischen Untersuchungen eine natürliche Hybride aus Hartweizen (Triticum durum) und einer Weizen-Wildform (Triticum polonicum ) ist.[1] Wie der Name der Weizensorte („Khorasan-Weizen“) andeutet, wird nach dem gegenwärtigen Stand der genetischen Forschung von einem Ursprung in Chorasan, einem historischen Gebiet, welches aus der gleichnamigen Nordostprovinz des Irans und dem heutigen Afghanistan besteht, ausgegangen. Erstmals beschrieben wurde die Sorte bereits im Jahre 1921.[2] Die Anbaugebiete waren ursprünglich der Fruchtbare Halbmond (Ägypten, Levante, Anatolien, Irak, Iran) und der Kaukasus (Armenien, Aserbaidschan, Russland, Usbekistan).[3] Charakteristisch sind die schwarz begrannte Ähre und ein Korn, das deutlich länger ist als das des Hartweizens. Die Sorte eignet sich wie Hartweizen besonders zur Herstellung von Teigwaren.
Landwirte aus Montana (USA) ließen sich das altägyptische Wort „Kamut“ für den biologischen Khorasan-Weizenanbau als Marke schützen und vermarkten ihn unter dieser Bezeichnung. Dadurch bürgerte sich „Kamut“ auch in Deutschland als Synonym für den Khorasan-Weizen ein.
Synonyme
Homotypische Synonyme:
- Triticum turgidum subsp. turanicum (Jakubz.) Á.Löve
- Gigachilon polonicum subsp. turanicum (Jakubz.) Á.Löve
- Triticum durum subsp. turanicum (Jakubz.) L.B.Cai.
Heterotypische Synonyme:
- Triticum orientale Percival
- Triticum percivalii E. Schiem.
- Triticum percivalianum Parodi
- Triticum turanicum var. quasinotabile Udachin & Potokina.[4]
Anbau und Handel
Der Khorasanweizen zählt wie Einkorn und Emmer zu den ältesten kultivierten Getreidearten. Einkorn und Emmer wurden bereits vor 10.000, Khorasanweizen vor etwa 6.000 Jahren angebaut.[5] Die alten Getreidearten liefern weit geringere Erträge als die neueren Kulturformen. Sie sind anspruchsloser und unempfindlicher gegenüber Krankheiten und Schädlingsbefall. Da Khorasanweizen kaum auf Kunstdünger anspricht, war die Sorte für die konventionelle Landwirtschaft nie interessant. Es ist ein ideales Korn für den Bio-Anbau, das allerdings warmes und trockenes Klima bevorzugt. In Deutschland sind die klimatischen Voraussetzungen für den Anbau schwierig.
Hauptanbaugebiete sind Nordamerika und Südeuropa mit einem durchschnittlichen Ertrag von 12 dt/ha. Khorasan-Weizen wird für den deutschen Markt fast ausschließlich aus biologischem Anbau angeboten und kann in Reformhäusern und Naturkostläden gekauft werden.
Alte Getreidearten werden auch in einer Saatgutbibliothek aufbewahrt und vermehrt. Ihre Genreserven sind wichtig für die Züchtung neuer Sorten, besonders im Hinblick auf Resistenzen gegenüber Krankheiten und Schädlingen sowie die Anpassung an extreme beziehungsweise veränderte Standortbedingungen.
Geschichte
Die exakte Herkunft ist unbekannt. Mehrere Legenden, allesamt unbestätigt, versuchen die Kenntnislücke zu füllen. In Ägypten wird er heute Balady Durum genannt, was so viel wie „einheimischer Durum“ heißt. Spekulationen über seinen Ursprung umfassen auch die Einführung durch die Armeen der antiken Griechen, des Römischen Reiches oder möglicherweise auch später durch das Byzantinische Reich. Von Bauern in der Türkei, wo man ihn auf kleinen Feldern finden kann, werden örtliche Legenden erzählt, wonach der Khorasan-Weizen, der auch Kamelszahn oder Weizen des Propheten genannt wird, das Getreide war, das der biblische Noah auf seiner Arche mitbrachte.
Ein Zeitungsartikel in der Great Falls Tribune von Montana (der durch die Unternehmung Kamut International auch im Internet Verbreitung fand) aus den 1960er Jahren berichtet, dass der in Portugal stationierte amerikanische Pilot Earl Dedman 1949 seinem Vater Rube E. Dedman, einem Farmer in Fort Benton, 36 Körner eines Riesenweizens in einem Briefumschlag zusandte. Sechs Jahre später hatte die Familie Dedman 1500 Scheffel in ihrer Kornkammer. Sie nannten den Weizen King Tut Wheat, da die Körner einer schönen Legende nach aus einer Steinkiste in einem ägyptischen Grab bei Dashare stammen.[6] Der in dieser Kamut-Geschichte erwähnte ägyptische Ort Dashare konnte bisher in keinem Atlas gefunden werden. Der Ursprung der Sorte in Ägypten ist durch die eingangs zitierte DNA-Analyse widerlegt, und Weizen bleibt höchstens 200 Jahre keimfähig. Trotzdem kursiert die Geschichte weiterhin im Internet. Der Weizen wuchs als Neuheit auf vielen kleinen Feldern rund um Fort Benton und wurde auf regionalen Messen verkauft.
Im Jahr 1977 erhielt der Farmer Mack Quinn in Montana ein Glas mit Körnern dieser Sorte aus Fort Benton und begann mit dem Anbau. Ab 1980 vermarktete er die alte Khorasan-Weizen-Sorte. Als sein Sohn Robert Quinn den Betrieb übernahm, da sein Vater zum Vorsitzenden des Bauernverbands Montana Farm Bureau Federation gewählt wurde, bemerkte er ab 1984 eine wachsende Nachfrage nach biologisch angebautem Getreide. 1987 stellten sie den Betrieb ganz auf ökologische Landwirtschaft um und ließen sich das altägyptische Wort Kamut (= „Seele der Erde“) (auch Weizensorte Q-77) für Kamut International, Ltd beim United States Patent and Trademark Office für den Anbau registrieren. Sie lassen ausschließlich in den Upper Great Prairies von Nordamerika in USA und Kanada produzieren und exportieren von dort weltweit. Die Hälfte der Produktion wird in Italien vermarktet, der zweitgrößte Markt ist Deutschland.[7][8] 1990 erkannte das US-Landwirtschaftsministerium Kamut gar als „neue Sorte“ an. Anbau und Vertrieb erfolgen nur über Lizenz von Kamut International.[9]
Inhaltsstoffe und Verwendung
Khorasan-Weizen enthält mehr Eiweiß und höhere Anteile an den meisten ungesättigten Fettsäuren, Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen als herkömmliche Weizensorten. Khorasan-Weizen wird in gleicher Weise wie Weizen und Dinkel verwendet, als ganzes Korn oder in Form von Mehl, Flocken oder Grieß und hat einen herzhaften, leicht nussigen Geschmack. Als Hartweizensorte (durum), so genannt wegen seines harten, meist glasigen Endosperms, ist er wegen des hohen Eiweißgehaltes und der Klebereigenschaften gut geeignet für elastische Teige, die sich besonders zur Herstellung von Teigwaren, insbesondere für die klassische italienische Pasta, eignen und für Couscous und Bulgur.
Khorasan-Weizen enthält wie alle Weizenarten Gluten (Klebereiweiß). Für Menschen, die an Zöliakie erkrankt sind, ist er daher nicht geeignet. Dabei handelt es sich um eine Unverträglichkeit von bestimmten Bestandteilen des Glutens, die eine chronische Erkrankung der Dünndarmschleimhaut bewirken.
Die Inhaltsstoffe schwanken naturgemäß, sowohl in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen (Boden, Klima) als auch von der Anbautechnik (Düngung, Pflanzenschutz) und Lagerung.
Angaben je 100 g essbarer Anteil:[10]
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1 semi-essentielle Aminosäuren
1 mg = 1000 µg
Der physiologische Brennwert beträgt 1380 kJ (326 kcal) je 100 g essbarer Anteil.
Literatur
- M. Gökgöl: Die iranischen Weizen. In: Zeitschrift für Pflanzenzüchtung. Band 45, 1961, S. 315–333.
Einzelnachweise
- E. Khlestkina, M. S. Röder, H. Grausgruber, A. Börner: A DNA fingerprinting-based taxonomic allocation of Kamut wheat. In: Plant Genetic Resources. 4, 2006, S. 172–180.
- Triticum orientale Percival. In: USDA ARS-GRIN Taxonomy for Plants. Abgerufen am 26. November 2014.
- Triticum turgidum L. subsp. turanicum (Jakubz.) Á. Löve & D. Löve. In: USDA ARS-GRIN Taxonomy for Plants. Abgerufen am 27. November 2014.
- Triticum turanicum Jakubz., Selekts. Semenov. (Moskau) 5, 1947, S. 46. World Checklist of Selected Plant Families, Royal Botanic Gardens, Kew. Abgerufen am 26. November 2014.
- Getreide 2012, Infodienst Landwirtschaft - Ernährung - Ländlicher Raum Baden-Württemberg, S. 26.
- Clyde Reichelt: King Tut Wheat, "Corn of Egypt's Ancients". In: Great Falls Tribune. 7. Juni 1964, S. 1–4 (kamut.com [PDF]).
- Kamut International Recognized as Montana's Exporter of the Year, kamut.com, 22. März 2011.
- Kamut International (Memento vom 24. März 2006 im Internet Archive). Abgerufen am 26. November 2014.
- Robert Quinn: Why I am an Organic Farmer (Memento vom 24. März 2006 im Internet Archive). Abgerufen am 26. November 2014.
- Nutritional Values (Inhaltsstoffanalyse eines Herstellers) (Memento des Originals vom 6. September 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 1,1 MB).