Einkorn
Einkorn (Triticum monococcum), auch Blicken oder Kleiner Spelz genannt,[1] ist eine der ältesten domestizierten Getreidearten. Einkorn stammt vom wilden Weizen (Triticum boeoticum Boiss.) ab, der im Gegensatz zu Einkorn eine brüchige Ährchengabel (Rhachis) hat. Einkorn galt als Vorläufer von Emmer, Dinkel und Saatweizen, bis durch genetische Untersuchungen festgestellt wurde, dass Emmer von Wildem Emmer aus der Südosttürkei abstammt.
Einkorn | ||||||||||||
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Einkorn (Triticum monococcum) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Triticum monococcum | ||||||||||||
L. |
Domestikation
Das Ursprungsgebiet von domestiziertem Einkorn ist umstritten. Heun und andere argumentieren anhand genetischer Untersuchungen von Einkorn aus der Türkei, dem Kaukasus und dem Libanon für eine Herkunft aus der südöstlichen Türkei (Karacadağ), während Martin K. Jones et al. (2006)[2] und andere den Ursprung in der südlichen Levante sehen, wo Emmer, Einkorn und Gerste seit dem präkeramischen Neolithikum A 8000–7700 v. Chr. domestiziert wurden. Die Nachweise werden allerdings angezweifelt. Sicher domestiziertes Einkorn stammt aus dem präkeramischen Neolithikum B (6700–6000 v. Chr.), zum Beispiel aus Jericho und Tell Aswad II.
Am oberen Euphrat wurde domestiziertes Einkorn in den vorkeramischen Schichten von Mureybit, Nevalı Çori (7200 v. Chr.) Jerf el Ahmar, Abu Hureyra (7800–7500 v. Chr.) und Dja'de gefunden. Aus Siedlungen wie Cafer Höyük, Nevalı Çori und Cayönü liegt jedoch auch wildes Einkorn vor, was auf die Bedeutung dieser Pflanze als Sammelpflanze bereits im Mesolithikum bzw. Epipaläolithikum hinweist.
Funde
Einkorn und Emmer gehören zu den wichtigsten Kulturpflanzen der Bandkeramik. Erst in der späten Bandkeramik gewinnt auch Binkelweizen (T. compactum) an Einfluss. So war Einkorn in der linearbandkeramischen Kultur (zwischen 5700 und 4100 v. Chr.), die sich aufgrund des allgemeinen Klimawandels als neolithische Kultur mit Ackerbau und Viehzucht in Mitteleuropa behaupten konnte, ein fester Bestandteil der agrarischen Produktion.[3] Diese Kultur mit ihren fast dörflichen Siedlungen nutzte zunächst die tief liegenden Lößflächen für ihren Feldbau.[4][5] Angebaut wurden neben Einkorn (Triticum monococcum) noch Emmer (Triticum dicoccum),[6] Dinkel (Triticum aestivum subsp. spelta), Lein (Linum usitatissimum) und die Hülsenfrüchte Linse und Erbse, vermutlich im Schwendbau.[7] So weisen geoklimatische bzw. geoökologische Forschungen auf ein sehr mildes Klima während der Ausbreitung der bandkeramischen Kultur in Mitteleuropa hin.
Reste von Einkorn wurden unter anderem bei der steinzeitlichen Gletschermumie „Ötzi“ in den Alpen gefunden.[8]
Anbau
Einkorn ist relativ anspruchslos in Bezug auf die Qualität des Bodens. Außerdem ist es resistent gegen viele Schädlinge wie Wurzelfäule, Spelzenbräune oder den Mutterkorn-Pilz und kann sich besser gegen die Konkurrenz von Ackerunkräutern durchsetzen als moderne Weizensorten. Allerdings ist der Ertrag erheblich geringer als bei den modernen Weizen-Sorten, auf sandigen Böden werden Erträge von lediglich 1,2 bis 2,1 t/ha erzielt.[9]
Wurde der Anbau von Einkorn im 20. Jahrhundert wirtschaftlich nahezu bedeutungslos, so wird Einkorn heute doch z. B. in der Schweiz, in Deutschland, in Österreich im Waldviertel, in Italien als lokale Spezialität im Piemont und der Provinz Brescia und in der Türkei weiterhin angebaut. Zunehmend werden auch verarbeitete Produkte wie Nudeln, Brot und Bier aus Einkorn angeboten.
Inhaltsstoffe und Verwendung
Einkorn enthält relativ mehr Proteine (Aminosäuren), Lipide (meist ungesättigte Fettsäuren), Fructane und Spurenelemente (Mineralstoffe einschließlich Zink und Eisen) als Weizen, andererseits ist es ärmer an Ballaststoffen.[10][11] Ein hoher Gelbpigmentgehalt an Beta-Carotin gibt dem Einkorn-Mehl eine gelbliche Farbe.[12] Der Gehalt an Carotinen (α und β) in Einkorn (Monlis) übertraf den Gehalt in Weizen (Serio) um etwa das 8-fache; darüber hinaus verlief der Verlust an Carotinoiden beim Lagern in Weizen rascher. Um einem Verlust an Carotinoiden vorzubeugen, wird eine Lagertemperatur unter 20 °C empfohlen.[13]
Literatur
- Mark Nesbitt: Where was einkorn wheat domesticated? In: Trends in Plant Science, Band 3, Nummer 3, 1998, S. 82–83.
- Mark Nesbitt, Delwen Samuel: Wheat Domestication. Archaeobotanical Evidence. In: Science, Band 279, Nummer 5356, März 1998, S. 1433.
- Jared Diamond: The First Farmers. In: Science, Band 278, Nummer 5341, November 1997, S. 1243–1244.
- Manfred Heun, Ralf Schafer-Pregl, Dieter Klawan, Renato Castagna, Monica Accerbi, Basilio Borghi, Francesco Salamini: Site of Einkorn Wheat Domestication Identified by DNA Fingerprinting. In: Science, Band 278, Nummer 5341, November 1997, S. 1312–1314, ISSN 0036-8075.
- Gordon Hillman, Robert Hedges, Andrew Moore, Susan Colledge, Paul Pettitt: New evidence of Late-glacial cereal cultivation at Abu Hureyra on the Euphrates. In: The Holocene, Band 11, Nummer 4, 2001, S. 383–393.
- Marcel Mazoyer, Laurence Roudart: A history of world agriculture from the Neolithic Age to the current crisis. In: Monthly Review Press, 2006.
- Klaus Schmidt: Sie bauten die ersten Tempel. Das rätselhafte Heiligtum der Steinzeitjäger. Die archäologische Entdeckung am Göbekli Tepe. C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53500-3.
Weblinks
- Einkorn im National Center for Biotechnology Information (NCBI)
- Einkorn. FloraWeb.de
- Verbreitungskarte für Deutschland. In: Floraweb.
- Triticum monococcum L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)
- Das Einkorn – eine ausführliche Beschreibung Getreidezüchtungsforschung Darzau
- Zur Taxonomie der Weizenarten (englisch)
Einzelnachweise
- Waldemar Ternes, Alfred Täufel, Lieselotte Tunger, Martin Zobel (Hrsg.): Lebensmittel-Lexikon. 4., umfassend überarbeitete Auflage. Behr, Hamburg 2005, ISBN 3-89947-165-2.
- Manon Savard, Mark Nesbitt, Martin K. Jones: The role of wild grasses in subsistence and sedentism: new evidence from the northern Fertile Crescent (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive). In: World Archaeology, Band 38, Nr. 2, August 2006, S. 179–196, doi:10.1080/00438240600689016.
- Grafik über die Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise (8.500 bis 3.900 v. Chr.)
- H. T. Waterbolk: Food Production in Prehistoric Europe. The spread of farming from the Aegean to the North Sea between 8000 and 3000 B.C. is discussed. In: Science, Band 162, Nr. 6, Dezember 1968, S. 1093–1102.
- E. Gehrt, M. Geschwinde, M. W. I. Schmidt: Neolithikum, Feuer und Tschernosem – oder: Was haben die Linienbandkeramiker mit der Schwarzerde zu tun? Archäologisches Korrespondenzblatt, Band 32, 2002, S. 21–30.
- Jürgen Franssen: Vom Jäger zum Bauern Wirtschaftsformen im neolithischen Anatolien.
- Thomas Miedaner: Kulturpflanzen. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-55293-9, S. 20 ff.
- Das war Ötzis letztes Mahl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.07.18
- Anbauhinweise zum Einkorn. In: www.darzau.de. Getreidezüchtungsforschung Darzau, abgerufen am 5. September 2014.
- Alyssa Hidalgo, Andrea Brandolini: Nutritional properties of einkorn wheat (Triticum monococcum L.). In: Journal of the Science of Food and Agriculture, Band 94, Nr. 4, September 2013, S. 601–612, doi:10.1002/jsfa.6382.
- T. Akar, M. F. Cengiz, M. Tekin: A comparative study of protein and free amino acid contents in some important ancient wheat lines. In: Quality Assurance and Safety of Crops & Foods, Band 11, Nr. 2, 2019, S. 191–200 (PDF).
- M. G. D'Egidio, S. Nardi, V. Vallega: Grain, flour, and dough characteristics of selected strains of diploid wheat, Triticum monococcum L [1993]. In: Cereal Chemistry (USA), Band 70, Nr. 3, 1994, S. 298–303.
- Alyssa Hidalgo, Andrea Brandolini: Kinetics of carotenoids degradation during the storage of einkorn (Triticum monococcum L. ssp. monococcum) and bread wheat (Triticum aestivum L. ssp. aestivum) flours. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry, Band 56, Nr. 23, November 2008, S. 11300–11305, doi:10.1021/jf802448t.