Gerichtsstrukturgesetz
Das Gerichtsstrukturgesetz regelt die Einrichtung der Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern und deren örtliche Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte wird neben dem Gerichtsstrukturgesetz auch durch dessen Ausführungsgesetz[1], einige Verordnungen des Justizministeriums[2] und Staatsverträge mit anderen Ländern[3] geregelt.
Basisdaten | |
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Titel: | Gerichtsstrukturgesetz |
Abkürzung: | GerStrukG nicht amtl. |
Art: | Landesgesetz |
Geltungsbereich: | Mecklenburg-Vorpommern |
Rechtsmaterie: | Rechtspflege |
Ursprüngliche Fassung vom: | 19. März 1991 (GVOBl. M-V S. 103) |
Inkrafttreten am: | 24. April 1991 |
Letzte Neufassung vom: | 7. April 1998 (GVOBl. M-V S. 444, ber. S. 549) |
Inkrafttreten der Neufassung am: |
1. Januar 1998 |
Letzte Änderung durch: | Art. 1 Nr. 6 G vom 11. November 2013 (GVOBl. M-V S. 609) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
2. März 2015 (Art. 6 S. 2 G vom 11. November 2013) |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Das Gerichtsstrukturgesetz wurde mehrfach geändert, wobei die letzte Reform vom November 2013 zu zahlreichen Protesten führte. Mit einem Volksbegehren wandten sich über 120.000 Bürger vor allem gegen die Standortschließungen einiger Amtsgerichte. Am 6. September 2015 fand hierzu ein Volksentscheid statt. Dieser scheiterte allerdings am Zustimmungsquorum.
Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist nicht im Gerichtsstrukturgesetz normiert. Regelungen zum Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern sind stattdessen im Landesverfassungsgerichtsgesetz[4] und in der Landesverfassung[5] enthalten.
Inhalt
Gerichte
Das Gesetz legt folgende Gerichtsstruktur für Mecklenburg-Vorpommern fest:
Zudem wurden sechs Zweigstellen eingerichtet, die jeweils einem Amtsgericht zugeordnet sind.
Amtsgericht | Zweigstelle |
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Ludwigslust | Parchim |
Neubrandenburg | Demmin |
Pasewalk | Anklam |
Wismar | Grevesmühlen |
Waren (Müritz) | Neustrelitz |
Stralsund | Bergen auf Rügen |
In der Anlage zum Gesetz wird die Zugehörigkeit der jeweiligen Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns zu einem Amtsgerichtsbezirk festgelegt.
Staatsanwaltschaften
Beim Oberlandesgericht Rostock wurde die Generalstaatsanwaltschaft Rostock eingerichtet. Sie ist für die Gerichtsbezirke der Landgerichte und somit für das Gebiet des gesamten Landes zuständig. Die in den jeweiligen Landgerichtsbezirken zuständigen Staatsanwaltschaften wurden bei den Landgerichten Neubrandenburg, Rostock, Schwerin und Stralsund eingerichtet.
Das Gerichtsstrukturgesetz regelt nicht die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften. In Mecklenburg-Vorpommern wurden durch eine Verwaltungsvorschrift Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen eingerichtet.[10]
Verordnungsermächtigung
Des Weiteren enthält das Gerichtsstrukturgesetz eine Ermächtigungsgrundlage. Demnach wird das Justizministerium ermächtigt für bestimmte Fälle, wie der Aufhebung eines Gerichts, Rechtsverordnungen zu erlassen. Davon wurde im Januar 2014 mit der Zweigstellenverordnung Gebrauch gemacht. Hiergegen klagte das Präsidium des Amtsgerichts Stralsund vor dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern. Im Rahmen einer Normenkontrolle bestätigte dieses zwar in seinem Urteil vom 2. Juni 2015 die Befugnis des Landtages Mecklenburg-Vorpommern eine solche Verordnungsermächtigung zu erlassen. Die konkrete Ausgestaltung der Zweigstellenverordnung schränkt nach Meinung des Oberverwaltungsgerichts allerdings die Befugnis des Amtsgerichtspräsidiums zur Geschäftsverteilung ein.[11] Dies sei ein Verstoß gegen das Gerichtsverfassungsgesetz und somit gegen höherrangiges Bundesrecht.[12]
Dem voraus ging eine Normenkontrollklage des Präsidiums des Amtsgerichts Bergen auf Rügen, welche im März 2015 wegen fehlender Antragsberechtigung als unzulässig abgewiesen wurde.[13] Das Oberverwaltungsgericht ließ keine Revision gegen dieses Urteil zu. Eine Beschwerde hiergegen hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Erfolg.[14]
Da die Zweigstellenverordnung in wesentlichen Teilen für unwirksam erklärt wurde, erließ das Justizministerium im September 2015 eine Verordnung zu deren Änderung.[15]
Reformen
Erstes, zweites und drittes Änderungsgesetz
Die ursprüngliche Fassung des Gerichtsstrukturgesetzes vom 19. März 1991 wurde mehrfach reformiert. So wechselten durch das Inkrafttreten des ersten Gerichtsstrukturänderungsgesetzes (GStrukÄndG) am 1. Oktober 1994 einige der insgesamt 31 Amtsgerichte in einen anderen Landgerichtsbezirk. Außerdem wurden sämtliche Gerichtsbezirke dem nach der Kreisreform von 1994 geltenden Gebietsstand angepasst.
Mit dem zweiten Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1995 wurde das Arbeitsgericht Neustrelitz am 1. Januar 2002 nach Neubrandenburg verlegt.
Durch das Gesetz über kostensenkende Strukturmaßnahmen wurde das Gerichtsstrukturgesetz ein drittes Mal geändert und dessen Neufassung am 7. April 1998 im Gesetz- und Verordnungsblatt bekanntgemacht. Es kam zu einer Umwandlung von zehn Amtsgerichten in Zweigstellen, welche nacheinander schrittweise bis Mai 2009 geschlossen wurden.
Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz
Amtsgerichtsbezirke
von 2014 bis 2017
Am 9. Oktober 2013 beschloss der Landtag mit Mehrheit der Regierungsfraktionen CDU und SPD das Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz,[16] welches ab dem 6. Oktober 2014 eine schrittweise Reduzierung der Amtsgerichte von 21 auf 10 und die Errichtung von 6 Zweigstellen vorsah. Ebenso wurde das Arbeitsgericht Neubrandenburg aufgehoben und zur auswärtigen Kammer des Arbeitsgerichts Stralsund umgewandelt. Weitere Änderungen betrafen unter anderem das Landessozialgericht, welches am 2. März 2015 seinen Sitz von Neubrandenburg nach Neustrelitz verlegt hat. Außerdem fügte man die Verordnungsermächtigung ins Gerichtsstrukturgesetz ein, woraufhin die Zweigstellenverordnung erlassen wurde.
Proteste gegen die Gerichtsstrukturreform von 2013 führten bereits vor Verabschiedung des Neuordnungsgesetzes zu der Volksinitiative „Für den Erhalt einer bürgernahen Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“ mit etwa 36.000 Unterstützern.[17] Der Landtag stimmte dem Antrag der Volksinitiative zwar zu, sah darin mehrheitlich jedoch keinen Widerspruch zur geplanten Reform.[18] Es folgte ein Volksbegehren bei dem der Verein Pro Justiz Mecklenburg-Vorpommern und der Richterbund Mecklenburg-Vorpommern rund 150.000 Unterschriften für einen Gesetzentwurf zur Aufhebung der Reform sammelten und am 9. Dezember 2014 an die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider übergaben.[19] Die Auszählung und Prüfung der Stimmen wurde bei einem Stand von 120.312 gültigen Unterschriften beendet.[20] Da die damals geltende Mindestanzahl von 120.000 Stimmen überschritten wurde, musste der Landtag sich mit dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens beschäftigen.[21] Dieser blieb jedoch bei seiner Auffassung und lehnte den Gesetzentwurf des Volksbegehrens am 3. Juni 2015 mit Regierungsmehrheit ab,[22] sodass am 6. September 2015 ein Volksentscheid gegen die Gerichtsstrukturreform durchgeführt wurde.[23] Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke hatten von September 2014 bis Juni 2015 drei Gesetzentwürfe zur Aufschiebung der Reform eingebracht, welche ebenfalls keine Mehrheit fanden.[24]
Der Volksentscheid ist unecht gescheitert. Das Zustimmungsquorum von 33,3 Prozent der Stimmberechtigten wurde nicht erreicht, sodass die Gerichtsstrukturreform weiter vollzogen wurde.
Außerdem legte ein in Ahlbeck kanzleiansässiger Rechtsanwalt gegen die Aufhebung der Amtsgerichte Anklam und Wolgast eine Verfassungsbeschwerde ein. Das Landesverfassungsgericht verwarf diese allerdings als unzulässig.[25]
Mit Aufhebung des Amtsgerichtes Ribnitz-Damgarten am 27. Februar 2017 ist die Gerichtsstrukturreform vollständig umgesetzt worden.[26] Bis Februar 2017 entstanden infolge der Reform Baukosten in Höhe von über 6 Mio. Euro.[27] Ein von der Fraktion Die Linke Anfang 2019 eingebrachter Gesetzentwurf, durch den die 6 eingerichteten Zweigstellen zurück in Amtsgerichte umgewandelt worden wären, wurde mehrheitlich abgelehnt.[28] Mit der im August 2020 vorgelegten Evaluation der Gerichtsstrukturreform empfahl das Justizministerium keine grundsätzlichen Veränderungen der eingenommenen Gerichtsstrukturen vorzunehmen.[29]
Weblinks
- Gesamtausgabe des Gerichtsstrukturgesetzes. Abgerufen am 4. August 2015.
Einzelnachweise
- Gesetz zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes vom 10. Juni 1992, GVOBl. M-V 1992, S. 314.
- Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der Gerichte (Konzentrationsverordnung – KonzVO M-V) vom 28. März 1994, GVOBl. M-V 1994, S. 514;
Verordnung über die amtsgerichtlichen Zweigstellen und weitere Vorschriften zur Umsetzung des Gerichtsstrukturneuordnungsgesetzes (Zweigstellenverordnung – ZweigstVO M-V) vom 15. Januar 2014, GVOBl. M-V 2014, S. 29;
Verordnung zur Bestimmung des zentralen Vollstreckungsgerichts vom 16. Dezember 2010, GVOBl. M-V 2010, S. 804;
Landesverordnung zur Konzentration von Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten nach Herkunftsstaaten (Asylverfahrenkonzentrationslandesverordnung – AsylVfKonzLVO M-V) vom 17. Dezember 2015, GVOBl. M-V 2015, S. 642;
Verordnung über die Zuständigkeit der Sozialgerichte vom 15. Dezember 2004, GVOBl. M-V 2004, S. 569. - Abkommen über die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg für die seerechtlichen Verteilungsverfahren vom 6. November 1991, GVOBl. M-V 1992, S. 366;
Abkommen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Mecklenburg-Vorpommern über die Zuständigkeit des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Binnenschiffahrtssachen vom 1. Juni/12. August 1993, GVOBl. M-V 1993, S. 594;
Abkommen über die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg für Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte vom 17. November 1992, GVOBl. M-V 1993, S. 919;
Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Amtsgerichts Rostock für das Seeschiffsregister und im Dispacheverfahren vom 29. August 1994, GVOBl. M-V 1995, S. 655;
Staatsvertrag über die Zuständigkeit des Amtsgerichts Magdeburg für das Binnenschiffsregister vom 6. März 1995, GVOBl. M-V 1995, S. 599;
Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Mecklenburg-Vorpommern über die Errichtung eines gemeinsamen Mahngerichts vom 17. August 2005, GVOBl. M-V 2005, S. 512;
Staatsvertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Freien und Hansestadt Hamburg über die Zuständigkeit des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg in Staatsschutz-Strafsachen vom 16. Februar 2012, GVOBl. M-V 2012, S. 250. - Gesetz über das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Landesverfassungsgerichtsgesetz – LVerfGG M-V) vom 19. Juli 1994, GVOBl. M-V 1994, S. 734.
- Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Mai 1993, GVOBl. M-V 1993, S. 372.
- Art. 1 Abs. 23 Gesetz über kostensenkende Strukturmaßnahmen in Mecklenburg-Vorpommern vom 25. September 1997, GVOBl. M-V 1997, S. 502.
- Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtsstrukturgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz) vom 11. November 2013, GVOBl. M-V 2013, S. 609.
- Gerichtsstrukturänderungsgesetz vom 28. Juni 1994, GVOBl. M-V 1994, S. 657.
- 2. Gerichtsstrukturänderungsgesetz vom 18. Dezember 1995, GVOBl. M-V 1995, S. 652.
- Allgemeine Verwaltungsvorschrift Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen vom 13. April 1993 – III A 321/3262-17 –, AmtsBl. M-V 1993, S. 937.
- OVG M-V, Urteil vom 2. Juni 2015 – 2 K 13/15.
- § 21e Abs. 1 GVG.
- OVG M-V, Urteil vom 25. März 2015 – 2 K 22/14.
- BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 1 BN 1.15.
- Erste Verordnung zur Änderung der Zweigstellenverordnung vom 21. September 2015, GVOBl. M-V 2015, S. 290, (PDF; 29 kB).
- Plenarprotokoll. (PDF; 1,2 MB) 6/50. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 9. Oktober 2013, S. 37–69, 108, abgerufen am 19. Dezember 2014.
- Antrag der Volksinitiative. (PDF; 152 kB) Drucksache 6/1021. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 14. August 2012, abgerufen am 3. Juni 2015.
- Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses. (PDF; 177 kB) Drucksache 6/1263. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 16. Oktober 2012, abgerufen am 10. August 2015.
- Rund 150.000 Unterschriften gegen Gerichtsreform (Memento vom 27. Dezember 2014 im Internet Archive), ndr.de, 9. Dezember 2014.
- Pressemeldung. 1/2015. Landeswahlleiterin Mecklenburg-Vorpommern, 24. Februar 2015, abgerufen am 24. Februar 2015.
- Art. 60 Abs. 1 S. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Mai 1993, GVOBl. M-V 1993, S. 372.
- Beschlussprotokoll. (PDF; 100 kB) 94. Sitzung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 3. Juni 2015, S. 3, abgerufen am 4. Juni 2015.
- Pressemeldung. 111/2015. Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 16. Juni 2015, abgerufen am 17. Juni 2015.
- Beschlussprotokoll. (PDF; 44,0 kB) 77. Sitzung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 15. Oktober 2014, S. 6, abgerufen am 24. Februar 2015.
Beschlussprotokoll. (PDF; 35,1 kB) 86. Sitzung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 28. Januar 2015, S. 5, abgerufen am 24. Februar 2015.
Beschlussprotokoll. (PDF; 94,2 kB) 96. Sitzung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 1. Juli 2015, S. 5, abgerufen am 3. Juli 2015. - Beschluss vom 30. April 2015 – LVerfG 7/14, (PDF; 75 kB).
- Gerichtsreform im Nordosten abgeschlossen. ndr.de, 27. Februar 2017, abgerufen am 4. März 2017.
- Kleine Anfrage der Abgeordneten Jaqueline Bernhardt (DIE LINKE) und Antwort der Landesregierung. (PDF; 239 kB) Drucksache 7/169. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 14. Februar 2017, abgerufen am 20. Juli 2017.
- Beschlussprotokoll. (PDF; 142 kB) 64. Sitzung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 22. Mai 2019, S. 4, abgerufen am 17. November 2020.
- Evaluation der Gerichtsstrukturreform 2014. (PDF; 266 kB) Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 11. August 2020, S. 7, abgerufen am 17. November 2020.