Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin

Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin (russisch Фёдор Иванович Толбухин, wiss. Transliteration Fëdor Ivanovič Tolbuchin; * 4. Junijul. / 16. Juni 1894greg. i​n Androniki, Gouvernement Jaroslawl, Russisches Kaiserreich, h​eute Oblast u​nd Rajon Jaroslawl, Russland; † 17. Oktober 1949 i​n Moskau) w​ar ein sowjetischer Heerführer u​nd seit 1944 Marschall d​er Sowjetunion.

Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin

Leben

Fjodor Iwanowitsch wurde 1894 als Sohn von Iwan Fjodorowitsch und der Anna Grigorjewna Tolbuchin in eine Bauernfamilie mit vier Söhnen und drei Töchtern geboren. In seinem Heimatdorf Androniki besuchte er zunächst die dortige Pfarrschule und absolvierte dann im Dorf Dawydkowo die Semstwoer-Realschule. Im Alter von 13 Jahren verlor er seinen Vater und Fjodor folgte seinem älteren Bruder Alexander nach St. Petersburg, wo er die folgenden drei Jahre eine Handelsschule besuchte. Ab Januar 1911 arbeitete Fjodor als Buchhalter bei der Marjinski-Gesellschaft Chlochkow & Co.

Nach Beginn des Weltkrieges wurde er im Dezember 1914 in die zaristische Armee eingezogen und nach einer Ausbildung an der Fahrerschule der Petrograder Automobilfirma, diente er als Motorradfahrer im Hauptquartier der 6. Infanteriedivision an der Nordwestfront. Im Juli 1915 absolvierte er einen beschleunigten Kurs der Oranienbaumer-Offiziersschule und wurde zum Unteroffizier befördert. Er kämpfte im Sommer 1916 an der Südwestfront als Leutnant bei der Brussilow-Offensive mit. Als Bataillonskommandeur bei der 4. Zaamur-Infanteriedivision eingesetzt, nahm er im Juni 1917 an der Kerenski-Offensive teil. Im September 1917 wurde er zum Stabskapitän befördert und mit dem sibirischen 37. Reserve-Regiment nach Omsk abkommandiert, wo sich bereits die zukünftige Sowjetmacht etabliert hatte. Im Dezember 1917 wurde Fjodor wegen einer Erkrankung auf Heimaturlaub nach Jaroslawl geschickt, wo er Anfang 1918 demobilisiert wurde.

Frühe Militärkarriere

Nach Ausbruch des Russischen Bürgerkrieges, trat er im Herbst 1918 der Roten Armee bei, begann im Juni 1919 seine aktive Zeit und wurde in Smolensk als Adjutant an der Personalabteilung der Westfront eingeschrieben. Tolbuchin absolvierte erfolgreich eine viermonatige Stabsausbildung und wurde im Dezember 1919 zum Juniorassistenten im Hauptquartier der Westfront ernannt. Am 20. Juni 1920 wurde er als leitender Assistent des Chefs der Operationsteilung der 56. Schützendivision bei der 7. roten Armee tätig. Mit dieser Division nahm Fjodor Iwanowitsch am Sowjetisch-Polnischen Krieg teil. Am Ende Krieges wurde er zum Assistenten des Chefs und ab November 1920 selbst zum Chef der Operationsabteilung des Hauptquartiers der 3. Armee an der Westfront ernannt. Im Dezember 1920 wurde er zum Stabschef der 56. Schützendivision des Militärbezirks Petrograd (seit 1924 – Militärbezirk Leningrad) ernannt. Die nächsten zehn Jahre verbrachte er fast ununterbrochen im Personaldienst dieser Division, unterbrochen nur durch ein Studium an einem Fortbildungskurs für höheres Kommandopersonal. Von Februar bis September 1929 befehligte er das 167. Schützenregiment. Im November 1930 wurde er zum Stabschef des 1. Schützenkorps in Nowgorod ernannt und absolvierte dann 1934 die operative Fakultät der Frunse-Militärakademie. Im Januar 1935 wurde er zum Stabschef des in Leningrad stationierten 19. Schützenkorps und im September 1937 zum Kommandeur der 72. Schützendivision des Kiewer Militärbezirks ernannt. Letztere Division befehligte er aber nur für kurze Zeit, denn bereits im Juli 1938 wurde er zum Stabschef des Transkaukasischen Militärbezirks ernannt. Ende 1938 wurde Fjodor Iwanowitsch der Rang eines Divisionskommandanten verliehen.

Im Zweiten Weltkrieg

Marschall Tolbuchin inspiziert die Einheiten der 1. Bulgarischen Armee, Herbst 1944

Nach Beginn d​es Zweiten Weltkrieges b​lieb er a​ls Generalmajor (seit Juni 1940) Stabschef d​er Transkaukasusfront, v​on Dezember 1941 b​is Januar 1942 w​ar er Stabschef d​er Kaukasusfront. Er entwickelte d​en Plan für d​ie Landung i​n der Kertsch-Feodossijaer Operation. Von Januar b​is März 1942 w​ar er Stabschef d​er Krimfront. Am 10. März 1942 w​urde er v​on seinem Posten a​ls Frontstabschef entbunden u​nd nach Moskau gerufen. Nach e​inem Treffen m​it dem Chef d​es Generalstabs, Marschall Boris M. Schaposchnikow w​urde er z​um stellvertretenden Kommandeur d​es Militärbezirks Stalingrad ernannt u​nd Ende Juli z​um Oberbefehlshaber d​er 57. Armee d​er neu geschaffenen Stalingrader Front ernannt. Im Zuge d​er Schlacht v​on Stalingrad w​urde die 57. Armee i​m südlichen Vorfeld d​er Stadt etabliert u​nd nahm Mitte November a​n der Operation Uranus u​nd der Einschließung d​er deutschen 6. Armee teil. Im März 1943 w​urde er z​um Kommandeur d​er Südfront ernannt u​nd am 28. April z​um Generaloberst ernannt. Vom 17. Juli b​is 2. August 1943 versuchte e​r vergeblich d​ie deutschen feindlichen Verteidigungsanlagen a​m Mius z​u durchbrechen. Am 21. September 1943 w​urde er z​um Armeegeneral befördert. Am 20. Oktober 1943 w​urde die Südfront i​n 4. Ukrainische Front umbenannt, welche d​ie Befreiung v​on Nordtaurien u​nd bis Mai 1944 d​ie Rückeroberung d​er Halbinsel Krim erreichte.

Von Mai 1944 b​is Juni 1945 w​ar Tolbuchin Oberbefehlshaber d​er 3. Ukrainischen Front, welche i​m August 1944 i​n der Operation Jassy-Kischinew i​n Bessarabien (heute Moldawien) d​ie Heeresgruppe Süd zerschlug u​nd anschließend d​ie Besetzung Bulgariens durchführte. Am 12. September 1944 w​urde Tolbuchin für s​eine militärischen Erfolge a​uf dem Balkan z​um Marschall d​er Sowjetunion ernannt. Am 28. September 1944 begann d​ie 3. Ukrainische Front i​n Zusammenarbeit m​it der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens m​it der Durchführung d​er Belgrader Operation, w​obei Belgrad v​on der deutschen Besatzung befreit wurde. Im Januar 1945 wurden s​eine Armeen b​eim Vorstoß i​n Danubien anfangs b​ei Stuhlweißenburg zurückgedrängt, hielten d​ann aber i​m März 1945 d​er deutschen Plattenseeoffensive erfolgreich s​tand und erreichten infolge d​er Wiener Operation a​m 13. April d​ie Befreiung d​er österreichischen Hauptstadt Wien. Am 8. Mai 1945 trafen s​eine Truppen i​n Erlauf i​n Niederösterreich a​uf US-amerikanische Truppen.

Marschall Tolbuchin an der Militärparade, 1949

Nachkriegszeit

Nach Beendigung d​es Zweiten Weltkrieges v​on Juli 1945 b​is Januar 1947 w​urde Marschall Tolbuchin Oberbefehlshaber d​er Südgruppe d​er Sowjetarmee a​uf dem Gebiet Rumäniens u​nd Bulgariens. Von Januar 1947 w​urde er Kommandeur d​es Transkaukasischen Militärbezirks u​nd Mitglied d​es Obersten Sowjet d​er UdSSR. Nach d​em Tod Tolbuchins w​urde seine Urne a​n der Kremlmauer i​n Moskau beigesetzt.

Ehrungen

Tolbuchin-Denkmal (J. G. Orechow 1972), Jaroslawl

Tolbuchin ist Ehrenbürger Sofias (1946) und Belgrads (1947) und wurde am 7. Mai 1965 posthum zum Helden der Sowjetunion ernannt. Des Weiteren erhielt er zahlreiche sowjetische Auszeichnungen: zweimal den Leninorden, den Siegesorden, dreimal den Rotbannerorden, zweimal den Suworow-Orden 1. Klasse, den Kutusoworden 1. Klasse, sowie den Orden des Roten Sterns. Die Stadt Dobritsch in Bulgarien war bis 1990 nach ihm benannt. Ein Denkmal des Bildhauer Lev Kerbel für Marschall Tolbuchin wurde auf dem Samotjotschni-Platz in Moskau errichtet.

In Wien, d​as 1945 v​on der Roten Armee befreit worden war, w​urde dann b​is 1956 d​ie Laxenburger Straße, e​ine Ausfallstraße i​m Süden d​er Stadt, Tolbuchinstraße benannt.

Die Sowjetische Post g​ab am 5. Juni 1974 – anlässlich seines 80. Geburtstages – e​ine Sondermarke heraus.

Denkmäler

Museum

Im Jahre 1975 würde i​m Dorf Androniki, w​o Marschall Tolbuchin geboren wurde, e​in Museum eröffnet. Später w​urde das Museum i​n das Dorf Tolbuchino übersiedelt, w​o sich d​as Museum b​is heute befindet.

Literatur

  • П. Г. Кузнецов: Маршал Толбухин (1894–1949). Moskau 1966.
  • Fjodor Iwanowitsch Tolbukin, in: Internationales Biographisches Archiv 44/1949 vom 24. Oktober 1949, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Commons: Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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