Pavia
Pavia, italienisch ausgesprochen [paˈviːa] (), ist eine Stadt mit 73.334 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2019) in der südwestlichen Lombardei im Norden Italiens am Fluss Ticino, etwa 35 Kilometer südlich von Mailand gelegen.
Pavia | ||
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Staat | Italien | |
Region | Lombardei | |
Provinz | Pavia (PV) | |
Lokale Bezeichnung | Pavia | |
Koordinaten | 45° 11′ N, 9° 9′ O | |
Höhe | 77 m s.l.m. | |
Fläche | 62 km² | |
Einwohner | 73.334 (31. Dez. 2019)[1] | |
Postleitzahl | 27100 | |
Vorwahl | 0382 | |
ISTAT-Nummer | 018110 | |
Volksbezeichnung | Pavesi | |
Schutzpatron | San Siro di Pavia | |
Website | Pavia |
Pavia ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, bekannt für ihre landwirtschaftlichen Produkte wie Weine, Reis, Getreide und Molkereiprodukte. Mehrere Industriegebiete liegen in den Vororten Pavias. Die Stadt beherbergt eine der ältesten Universitäten Europas, die Universität Pavia. Seit dem 1. Jahrhundert ist der Ort Sitz eines Bistums.
Geschichte
Bereits in der vorrömischen Zeit war die damalige Stadt Ticinum Papiae eine größere Siedlung und später im Römischen Reich befestigte Garnison. Unter Kaiser Aurelian befand sich hier unter Leitung von Gaius Valarius Sabinus die größte römische Münzprägeanstalt.
Schließlich wurde die Garnison zur Zitadelle umgebaut und war das letzte Bollwerk der Ostgoten, die Italien Ende des 5. Jahrhunderts erobert hatten, gegen die Oströmer. Nach der Eroberung durch die Langobarden, die 568 in Italien einfielen (Pavia fiel aber erst nach einer dreijährigen Belagerung) wurde Pavia Hauptstadt des Langobardenreichs. Nach der Ende des 8. Jahrhunderts verfassten Historia Langobardorum wurde Pavia um 680 von einer so schweren Pestwelle getroffen, dass alle Überlebenden aus der Stadt flohen (liber V, 5). Der arianische Bischof von Pavia, Anastasius, sei schon unter König Rothari zur katholischen Lehre konvertiert (IV, 42). Zwar war Pavia vielfach die Residenz der Langobardenkönige, doch herrschte Perctarit zunächst von Mailand aus, dieser bekämpfte seinen Bruder Godepert, der in Pavia residierte (IV, 51). Perctarit kehrte nach einer langen Flucht zurück und nahm in Pavia Residenz. Zwar bekämpften sich immer wieder Thronprätendenten, doch andererseits statteten die Könige die Stadt mit wichtigen Reliquien und Kirchen aus, was zum Wachstum der Stadt und zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg wesentlich beigetragen hat.
Im Verlauf des Langobardenfeldzuges von 773 bis 774 wurde die Stadt von Karl dem Großen nach neunmonatiger Belagerung eingenommen. Ab 888 ließen sich die sogenannten Nationalkönige aus dem fränkischen Adel hier krönen.
Im Oktober 951 heiratete der römisch-deutsche König Otto I. hier Adelheid, die Witwe des italienischen Königs Lothar II., und übernahm die langobardisch-italienische Krone, wodurch Reichsitalien entstand. 1004 wurde Heinrich II. hier zum italienischen König gewählt und gekrönt. In der Stadt gab es eine von Theoderich gebaute Pfalz, die von Otto III. prächtig ausgeschmückt wurde.[2] Die Bewohner zerstörten diese nach dem Tod Heinrichs II. 1024, was zu einem Streit mit Konrad II. führte, der sie als seinen Besitz beanspruchte.[3] Bis ins Spätmittelalter hinein behielt Pavia, nun Teil des Heiligen Römischen Reiches, allerdings eine große symbolische Bedeutung.
In den folgenden Jahrhunderten gehörte Pavia zu den wichtigsten Städten Italiens. Im Jahr 1359, nach einer langen Belagerung,[4] wurde es von der Familie der Visconti, den Herrschern Mailands, erobert und wurde ein Zentrum der norditalienischen Kunst und Wissenschaft; 1361 wurde der erste Lehrstuhl an der Universität eingerichtet. Studenten der christlichen Länder Europas strömten nach Norditalien.
Während der Kriege um Italien kam es ab dem 28. Oktober 1524 zur mehrmonatigen Belagerung der Stadt durch ein französisches Heer mit König Franz I. an der Spitze.[5] Die Niederlage und Gefangennahme des Königs von Frankreich in der Schlacht bei Pavia im Februar 1525 ist eines der bedeutendsten Ereignisse der europäischen Frühneuzeit. Sie ging dem Krieg von 1526/27 voraus, der die Italiener Karl V. unterlegen zeigte und in eine bis 1713 währende spanische Besetzung führte. Pavia wurde durch österreichische Potentaten bis 1796 regiert, als es schließlich in die Hände der französischen Armee unter Napoleon Bonaparte geriet.
1815 wurde die österreichische Verwaltung wiederhergestellt, bis der zweite italienische Unabhängigkeitskrieg 1859 und die im Jahr darauf folgende Vereinigung Italiens folgte. Von 1859 bis 1927 existierte der Kreis Pavia. Aus dieser Zeit stammt die alte deutsche Bezeichnung für die Stadt: Pawei.
In Pavia lebte 1894 in der Via Ugo Foscolo, 11 (Hause Cornazzani) für etwa ein Jahr der fünfzehnjährige Albert Einstein mit seiner Familie.
Die aus dem nahen Lodi stammende Schriftstellerin Ada Negri verewigte in dem 1936 erschienenen Gedicht I giardini nascosti (Die verborgenen Gärten) ihr geliebtes „Pavia, [backstein-]rotes, Stadt meines Friedens“.[6][7]
Sehenswürdigkeiten
Von den Baudenkmalen Pavias sind mehrere romanische und sämtliche der Gotik Backsteinbauten, ebenso der zur Renaissance gehörende Dom.
Romanische Bauwerke
Die beiden großen romanischen Basiliken, gleichzeitig errichtet im ersten Drittel bzw. der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, stehen am Anfang der Lombardischen Romanik.
San Michele Maggiore
Die Basilika San Michele Maggiore ist überwiegend aus einem recht empfindlichen Sandstein errichtet, im Gegensatz zu den überwiegend aus Backstein gemauerten meisten romanischen und gotischen Kirchen der Region. In ihrer während der langobardischen Periode errichteten Vorgängerkirche wurde im Jahre 774 Karl der Große zum König gewählt und löste Desiderius als letzten Langobardenkönig ab. Das Gebäude wurde im Jahre 1004 bei einem Aufstand gegen die dort erfolgte Königswahl und Krönung Heinrichs II. durch einen Brand zerstört. Von ihr stammt noch der untere Teil des Glockenturms. Die Arbeiten am heutigen Bau begannen um 1100 und waren 1155 abgeschlossen.
San Pietro in Ciel d’Oro
Die großteils aus Backstein errichtete Basilica minor San Pietro in Ciel d’Oro[8] (‚Sankt Peter im goldenen Himmel‘) ist über dem Grab des von Theoderich dem Großen hingerichteten Philosophen Severinus Boëthius errichtet und birgt außerdem die Gebeine des Kirchenvaters Augustinus von Hippo.
- San Pietro in Ciel d’Oro
- Grabmal des Langobardenkönigs Luitprand
- San Pietro in Ciel d’Oro, Grabmal des Heiligen Augustinus
Torre Civica
Die Torre Civica, also der Stadtturm, wurde im 11. Jahrhundert errichtet. 1583–1585 setzte der Architekt Pellegrino Tibaldi ihm ein Glockengeschoss auf. Hier wurden die Glocken des Doms aufgehängt, der keinen eigenen Campanile bekam. Am 17. März 1989 stürzte der Turm ein, vier Menschen kamen dabei ums Leben.
Broletto
Im 12. Jahrhundert als Bischofspalast errichtet, diente der Broletto später als Palazzo Comunale (Rathaus). Im 20. Jahrhundert hatten zeitweise die Faschisten in dem Gebäude ihre örtliche Zentrale.
- Reste der Torre Civica
- Der Broletto, rechts dahinter der Dom
Geschlechtertürme
Im 12. Jahrhundert wurden in Pavia etwa fünfzig Geschlechtertürme errichtet, von denen noch drei als freistehende Türme erhalten sind. Reste mehrerer weiterer Türme sind heute in Häusern verbaut.[9][10]
Castello Visconteo
Das Castello Visconteo wurde 1360 von Galeazzo II. Visconti errichtet. Heute ist im Schloss das Städtische Museum untergebracht. Der das Schloss umgebende Park erstreckte sich einstmals über zehn Kilometer bis zur Certosa di Pavia. Heute noch sind Teile davon unter dem Namen Parco della Vernavola erhalten.
Santa Maria del Carmine
Errichtet 1371 bis 1461, gilt die Karmeliterkirche Santa Maria del Carmine als bedeutendstes Zeugnis der Lombardischen Gotik.
San Francesco d’Assisi
Die ihrem Ordensgründer geweihte Franziskanerkirche ist die zweite große gotische Backsteinkirche der Stadt.
- Certosa di Pavia
- Santa Maria del Carmine.
- Castello Visconteo.
Certosa di Pavia
Die Kartause von Pavia ist ein beeindruckender Klosterkomplex acht Kilometer nördlich von Pavia. Im Kern gotischen Stils, weist sie auch Bauteile der Renaissance und des Barock auf. Die Anlage wurde von Gian Galeazzo Visconti gestiftet und im Jahre 1396 wurde mit dem Bau begonnen. Bis ins 18. Jahrhundert wurde sie mehrmals erweitert und umgestaltet. Das Kloster wird heute von Zisterziensermönchen bewirtschaftet und kann täglich (außer montags) besichtigt werden.
Ponte Coperto
Das historische Zentrum der Stadt befindet sich nördlich des Flusses Ticino, direkt gegenüber liegt der Stadtteil Borgo Ticino, der ursprünglich außerhalb der Stadtbefestigung lag. Beide Seiten wurden von der 1351 bis 1354 errichteten Ponte Coperto verbunden. Im Zweiten Weltkrieg wurde diese gotische Brücke zerstört. Die heutige Brücke ist eine Rekonstruktion aus den 1950er-Jahren und steht einige Meter östlich des ursprünglichen Standortes. Von den Resten der alten Brücke sind die meisten nur noch bei Niedrigwasser sichtbar.
- Ponte Coperto
- Rest des alten Ponte Coperto
- Stadtteil Borgo Ticino
- Kirche San Teodoro.
Renaissance und später
Dom von Pavia
Pavias Dom ist ein imposantes Bauwerk mit dem Grundriss in der Form eines griechischen Kreuzes. Mit dem Bau der Kathedrale wurde bereits 1488 begonnen, sie blieb allerdings bis 1898 unvollendet. In diesem Jahr wurden die Fassade und die Kuppel nach Originalplänen von Giovanni Antonio Amadeo ergänzt. Die achteckige Kuppel ist mit einer Höhe von 97 Metern, einem Gewicht von ca. 20.000 Tonnen und einer Anzahl von 34 Fenstern die drittgrößte Kuppel Italiens, nur überboten vom Petersdom in Rom und Santa Maria del Fiore in Florenz.
Palazzo Centrale der Universität
Bauphasen 1534, 1661–1671, 1783, zuletzt 1845–1850 die neue Aula Magna mit klassizistischem Portikus.
- Aula Magna der Universität
- Einkaufszentrum Cupola Arnaboldi, 1879–1882
- Giuseppe Piermarini, Universität (1771–1773)
- Pellegrino Tibaldi, Collegio Borromeo (1564–1588).
- Pellegrino Tibaldi, Collegio Ghislieri (1571–1585).
- Collegio Castiglioni (1429).
Verkehr
Pavia besitzt mit den Autobahnen A53 und A54 zwei Stadtumfahrungen, die an die Autobahn A7 (Mailand–Genua) angeschlossen sind. Die Benutzung der beiden Umfahrungen ist kostenfrei.
Der Bahnhof Pavia ist der wichtigste Bahnhof von Pavia.
Städtepartnerschaften
Pavia pflegt Städtepartnerschaften[11] mit
- Besançon in der Region Bourgogne-Franche-Comté, Frankreich
- Vilnius in Litauen
- Hildesheim in Niedersachsen, Deutschland
- Ayamé in der Elfenbeinküste
- Bethlehem in Palästina
- Hersbruck in Bayern, Deutschland
Söhne und Töchter der Stadt
- Epiphanius von Pavia (439–496), Bischof und Staatsmann
- Sibyllina Biscossi (1287–1367), Selige, Keklusin
- Opicinus de Canistris (1296 – ca. 1353), Kleriker an der Kurie in Avignon, berühmt wegen der von ihm erstellten moralisierenden Landkarten
- Gian Galeazzo Visconti (1351–1402), Regent in Mailand
- Agostino Mainardi (1482–1563), Mönch, Lehrer, Rektor und Prior im Augustinerorden in Pavia, Reformator von Chiavenna
- Gerolamo Cardano (1501–1576), Arzt und Mathematiker
- Francesco Corbetta (1615–1681), Gitarrist und Komponist
- Johann Anton Tillier (IX.) (getauft 1722–1761), Offizier und Magistrat
- Alessandro Rolla (1757–1841), Violinspieler und Komponist
- Gaetano Fraschini (1817–1887), Opernsänger (Tenor)
- Luigi Cremona (1830–1903), Mathematiker, Statiker und Politiker
- Felice Casorati (1835–1890), Mathematiker
- Achille Bizzoni (1841–1903), Journalist, Übersetzer und Schriftsteller
- Edoardo Bassini (1844–1924), Chirurg
- Ambrogio Robecchi (1870–1963), Radrennfahrer
- Enrica Malcovati (1894–1990), Altphilologin
- Claudia Muzio (1889–1936), Opernsängerin
- Carla Marangoni (1915–2018), Turnerin
- Giorgio Rochat (* 1936), Historiker
- Drupi (* 1947), Sänger (Pop und Rock)
- Maurizio Giammarco (* 1952), Jazz-Saxophonist, Komponist und Arrangeur
- Edoardo Bellotti (* 1957), Organist und Cembalist
- Adriano Aguzzi (* 1960), italienisch-schweizerischer Mediziner und Hochschullehrer
- Andrea Re (* 1963), Leichtgewichtsruderer
- Andrea Migliavacca (* 1967), katholischer Geistlicher, Bischof von San Miniato
- Ada Rovatti (* 1976), Jazzmusikerin (Saxophon)
- Carolina Pini (* 1988), Fußballspielerin
- Manfredi Rizza (* 1991), Kanute
Einzelnachweise
- Statistiche demografiche ISTAT. Monatliche Bevölkerungsstatistiken des Istituto Nazionale di Statistica, Stand 31. Dezember 2019.
- Johannes Laudage, Die Salier – Das erste deutsche Königshaus, C.H. Beck, 3. Auflage, München 2011, ISBN 978-3-406-53597-0, S. 17.
- Wilfried Hartmann (Hrsg.): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 1: Frühes und Hohes Mittelalter 750–1250, Reclam, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-15-017001-4, S. 236–237.
- Fabio Romanoni: "Come i Visconti asediaro Pavia". Assedi e operazioni militari intorno a Pavia dal 1356 al 1359, in "Reti Medievali – Rivista", VIII. 2007 (academia.edu [abgerufen am 7. Oktober 2019]).
- Ferdinand Gregorovius: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter: vom V. bis zum XVI. Jahrhundert, Band 2, ISBN 978-3-406-07107-2, S. 559. (Vorschau in der Google-Buchsuche, Neuauflage 2013, abgefragt am 15. Februar 2017)
- Ada Negri: I giardini nascosti. In: Il dono (Das Geschenk), Mondadori, Mailand 1936, S. 56 f.
- Foto der Gedenktafel für Ada Negri am Haus der Familie Boerchio im Corso Giuseppe Garibaldi 67 und Gedicht I giardini nascosti (hier „Pavia“ betitelt) bei magicamente.net.
- La tomba di sant’Agostino – Pavia, Offizielle Website
- Torri medievali (Die mittelalterlichen Türme) auf Pavia Turismo, der offiziellen Tourismus-Webseite der Stadtgemeinde Pavia, abgerufen am 1. November 2019.
- Pavia e le sue antiche torri (Pavia und seine alten Türme) auf visitapavia.it, abgerufen am 1. November 2019.
- Gemellaggi della Regione Lombardia (PDF; 9,88 MB)
Weblinks
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