Operation Catapult
Die Operation Catapult war eine Unternehmung der Royal Navy Großbritanniens am 3. Juli 1940 während des Zweiten Weltkriegs gegen den Großteil der im Hafen von Mers-el-Kébir liegenden Flotte des ehemaligen Verbündeten Frankreich. Zuvor war der gemeinsame Abwehrkampf gegen die deutsche Invasion in Frankreich, die zur französischen Kapitulation am 22. Juni (Waffenstillstand von Compiègne) geführt hatte, gescheitert. Die Flotte sollte weitgehend ausgeschaltet werden, um eine mögliche Übergabe der Schiffe durch das Vichy-Regime an Deutschland zu verhindern. Die Operation begann am frühen Morgen zusammen mit der Operation Grasp, bei der alle in britischen Gewässern befindlichen französischen Schiffe gekapert und beschlagnahmt wurden. Bei dem britischen Angriff starben etwa 1300 französische Seeleute. In der Folge brach die Vichy-Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ab.
Vorgeschichte
Mit der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 verlor Großbritannien den wichtigsten damaligen Verbündeten gegen Deutschland. Die Kapitulationsbedingungen für Frankreich sahen eine eigenständige Regierung und Administration vor, die auch die Kontrolle über die französische Flotte behalten sollte. Die meisten Flotteneinheiten waren schon vor der Kapitulation ins Mittelmeer ausgelaufen und lagen dort in auswärtigen Häfen. Das Gros der Flotte lag in Mers-el-Kébir bei Oran, dem Kriegshafen Frankreichs in Algerien. Der britische Premierminister Winston Churchill traute den Zusagen der Vichy-Regierung nicht, dass sie einen Zugriff der Deutschen auf die Schiffe verhindern würde. Für Großbritannien bestand die Gefahr, dass die französische Flotte auf Seiten der Achsenmächte gegen die Royal Navy eingesetzt werden könnte. Daher beschloss er, einen Schlag gegen diese Schiffsverbände auszuführen.
Die britische Admiralität meldete ihrer politischen Führung am 27. Juni, dass bis zum 3. Juli ein Flottenverband vor Mers-el-Kébir in Stellung gebracht werden könne. Diese Force H unter dem Kommando von Vizeadmiral James Fownes Somerville bestand aus dem Flugzeugträger HMS Ark Royal, dem Schlachtkreuzer HMS Hood, den Schlachtschiffen HMS Valiant, HMS Resolution und HMS Nelson sowie weiteren Kreuzern und Zerstörern.[1]
Am 3. Juli erschien ein britischer Flottenverband vor Oran und überraschte die nicht kampfbereite französische Flotte. Die Briten stellten dem französischen Admiral Marcel Gensoul auf Befehl Churchills ein Ultimatum mit mehreren Optionen, zum einen die, dass er mit seinen Schiffen und den Besatzungen in britische Häfen einlaufen dürfe, von wo aus er und seine Männer nach Frankreich zurückgebracht würden. Als Alternative wurde eine Überführung in entfernte französische Häfen, beispielsweise nach Martinique, vorgeschlagen. Dort sollten die Schiffe unter britischer Kontrolle abgerüstet werden. Es wurde ferner das sofortige Überlaufen vorgeschlagen und er könne mit seinen Schiffen gemeinsam mit den Briten gegen die Deutschen und Italiener kämpfen. Zudem wurde eine Rückgabe der Schiffe an Frankreich nach Kriegsende versprochen. Als letzte Variante wurde vorgebracht, die Schiffe selbst zu versenken. Sollten die Franzosen sich nicht für eine der Optionen entscheiden können, drohte ihnen der britische Flottenverband die sofortige Vernichtung an.[2]
Das Ultimatum
Im Hafen lagen neben den älteren Schlachtschiffen Provence und Bretagne auch die modernsten Schlachtschiffe Dunkerque und Strasbourg sowie der Seeflugzeugträger Commandant Teste und sechs Zerstörer. Dem Befehlshaber der „Force H“, Admiral James Somerville, stationiert in Gibraltar, wurde befohlen, das Ultimatum zu überbringen.
“It is impossible for us, your comrades up to now, to allow your fine ships to fall into the power of the German enemy. We are determined to fight on until the end, and if we win, as we think we shall, we shall never forget that France was our Ally, that our interests are the same as hers, and that our common enemy is Germany. Should we conquer we solemnly declare that we shall restore the greatness and territory of France. For this purpose we must make sure that the best ships of the French Navy are not used against us by the common foe. In these circumstances, His Majesty’s Government have instructed me to demand that the French Fleet now at Mers el Kebir and Oran shall act in accordance with one of the following alternatives;
- (a) Sail with us and continue the fight until victory against the Germans.
- (b) Sail with reduced crews under our control to a British port. The reduced crews would be repatriated at the earliest moment. If either of these courses is adopted by you we will restore your ships to France at the conclusion of the war or pay full compensation if they are damaged meanwhile.
- (c) Alternatively if you feel bound to stipulate that your ships should not be used against the Germans unless they break the Armistice, then sail them with us with reduced crews to some French port in the West Indies — Martinique for instance — where they can be demilitarised to our satisfaction, or perhaps be entrusted to the United States and remain safe until the end of the war, the crews being repatriated.
If you refuse these fair offers, I must with profound regret, require you to sink your ships within 6 hours. Finally, failing the above, I have the orders from His Majesty’s Government to use whatever force may be necessary to prevent your ships from falling into German hands.”
„Es ist uns, die wir bis heute Ihre Kameraden sind, unmöglich zu erlauben, dass Ihre ausgezeichneten Schiffe in die Gewalt des deutschen Feindes fallen. Wir sind entschlossen, bis zum Ende zu kämpfen, und falls wir, wie wir glauben, siegen werden, werden wir niemals vergessen, dass Frankreich unser Verbündeter war, dass wir die gleichen Ziele haben und dass unser gemeinsamer Feind Deutschland ist. Wir erklären feierlich, dass wir, falls wir siegen, die Größe und das Territorium Frankreichs wiederherstellen werden. Zu diesem Zweck müssen wir sicherstellen, dass die besten Schiffe der französischen Flotte nicht durch den gemeinsamen Feind gegen uns eingesetzt werden können. Unter diesen Umständen hat mich die Regierung Seiner Majestät angewiesen, von der französischen Flotte in Mers el Kebir und Oran zu verlangen, dass sie entsprechend einer der folgenden Alternativen handeln möge:
- a) Mit uns zu fahren und den Kampf gegen Deutschland bis zum Sieg fortzusetzen.
- b) Mit reduzierter Besatzung unter unserer Kontrolle zu einem britischen Hafen zu fahren. Die reduzierte Besatzung würde zum frühestmöglichen Zeitpunkt in die Heimat zurückgeführt werden. Falls eine dieser Möglichkeiten von Ihnen angenommen wird, so werden wir Ihre Schiffe zum Ende des Krieges an Frankreich zurückgeben oder volle Entschädigung zahlen, falls sie zwischenzeitlich beschädigt werden sollten.
- c) Alternativ, falls Sie Sich der Festlegung verpflichtet fühlen, dass Ihre Schiffe nicht gegen die Deutschen eingesetzt werden sollten, außer wenn diese den Waffenstillstand brechen, dann fahren Sie sie mit uns unter reduzierter Besatzung zu einem französischen Hafen der Westindischen Inseln – zum Beispiel Martinique – wo sie zu unserer Zufriedenheit demilitarisiert oder gegebenenfalls den Vereinigten Staaten anvertraut werden können und bis zum Ende des Krieges sicher sind, während die Besatzungen in die Heimat zurückgeführt werden.
Sollten Sie diese gerechten Angebote ablehnen, muss ich mit tiefem Bedauern fordern, dass Sie ihre Schiffe innerhalb von 6 Stunden versenken. Schlussendlich, sollte obiges nicht befolgt werden, habe ich von der Regierung Seiner Majestät den Befehl erhalten, jedwede notwendige Gewalt anzuwenden, um zu verhindern, dass Ihre Schiffe in deutsche Hände fallen.“
Nicht Admiral James Somerville übergab das Ultimatum, sondern der besser französisch sprechende Captain Cedric Holland, ein kommandierender Offizier der HMS Ark Royal. Admiral Gensoul, beleidigt, weil die Nachricht nicht von einem gleichrangigen Offizier überbracht wurde, schickte den Lieutenant Bernard Dufay, um die Nachricht anzunehmen, was für Verzögerung und Verwirrung sorgte.
Noch bevor die Verhandlungen abgeschlossen wurden, begannen Swordfish-Kampfflugzeuge des Trägers Ark Royal, eskortiert von Skuas, die Hafeneinfahrt zu verminen. Als erste Kampfhandlung versuchten französische P-36-Jäger, dies zu unterbinden. Dabei wurde eine Skua abgeschossen. Deren Besatzung war der einzige britische Verlust bei dieser Operation.
Der Angriff
Die Operation Catapult begann am frühen Morgen des 3. Juli 1940 zusammen mit der Operation Grasp, bei der alle in britischen Gewässern befindlichen französischen Schiffe gekapert und beschlagnahmt wurden. Die Force H mit der Hood als Flaggschiff steuerte auf den Hafen von Mers-El-Kébir zu und übersandte den Franzosen kurz nach Mitternacht ein letztes Ultimatum. Nachdem keine Antwort eingetroffen war, wurde das Ultimatum um einen Punkt erweitert: Die Franzosen wurden aufgefordert, ihre Schiffe an Ort und Stelle zu versenken. Um das Ultimatum zu unterstreichen, stiegen gegen 1:00 Uhr Flugzeuge von der Ark Royal auf, um die Hafeneinfahrt zu verminen. Dies alarmierte zwar die Franzosen; sie hatten die britischen Drohungen bis dahin für einen Bluff gehalten. Auf das Ultimatum antworteten sie aber wiederum nicht. Um 16:46 Uhr bekam Somerville die Nachricht, dass er nun freie Hand habe, da sich französische Verstärkung auf dem Weg befinde. Churchill befahl das Feuer auf die französischen Schiffe.
Nach Ablauf des Ultimatums eröffnete die Hood um 16:56 Uhr mit ihrer schweren Schiffsartillerie das Feuer auf das Schlachtschiff Bretagne, das innerhalb weniger Minuten kenterte, sank und 977 Seeleute mit in die Tiefe riss. Die britischen Schiffe feuerten etwa eine Viertelstunde lang weiter. Danach waren die Schlachtschiffe Dunkerque und Provence außer Gefecht gesetzt und wurden ins Flachwasser gesteuert, um das Sinken zu verhindern. Der Zerstörer Mogador wurde schwerstbeschädigt und wurde ebenfalls auf Grund gesetzt. Alle drei Schiffe wurden bald nach dem Angriff geborgen und wieder repariert. Somerville ordnete eine Feuerpause an und forderte die Franzosen noch einmal auf, ihre Schiffe selbst zu versenken. Damit sie nicht in Schussreichweite der französischen Küstengeschütze und Schiffe verblieb, zog er gleichzeitig seine Streitmacht weiter vom Hafen zurück. Das Schlachtschiff Strasbourg nutzte diese Chance und entkam zusammen mit sechs Zerstörern durch die verminte Hafenausfahrt. Eine Verfolgung durch die Hood und Flugzeuge der Ark Royal brachte keinen Erfolg. Das Schiff konnte nach Toulon entkommen.
Das einzige größere französische Schiff, welches das Bombardement praktisch ohne Schaden überstand, war die Commandant Teste. Sie entkam während der Nacht aus dem verminten Hafen und lief über Arzew zunächst nach Bizerta und dann nach Toulon. Dabei wurde das Schiff von einem britischen U-Boot gesichtet, das aber keine Gelegenheit zum Angriff fand.[3]
Die Dunkerque wurde drei Tage später durch Torpedobomber der Ark Royal angegriffen. Ein Torpedo traf das neben dem Schlachtschiff verankerte Hilfsschiff, ein weiterer brachte dessen Wasserbombenladung zur Explosion. Unterhalb von Turm „B“ des Schlachtschiffs wurde die Bordwand durch diese Explosion großflächig aufgerissen. Die Dunkerque machte stark Wasser und sackte auf den seichten Hafengrund. Es kam zu weiteren Verlusten von 154 Toten und Verwundeten.[4]
Beteiligte Einheiten
Royal Navy (Force H)
- Hood – Schlachtkreuzer
- Resolution – Schlachtschiff
- Valiant – Schlachtschiff
- Ark Royal – Flugzeugträger (mit 24 Skuas und 30 Swordfish)
- Arethusa – Leichter Kreuzer
- Enterprise – Leichter Kreuzer
- Active – Zerstörer
- Escort – Zerstörer
- Faulknor – Zerstörer
- Fearless – Zerstörer
- Foresight – Zerstörer
- Forester – Zerstörer
- Foxhound – Zerstörer
- Keppel – Zerstörer
- Vidette – Zerstörer
- Vortigern – Zerstörer
- Wrestler – Zerstörer
Französische Marine
- Dunkerque – Schlachtschiff
- Strasbourg – Schlachtschiff
- Bretagne – Schlachtschiff
- Provence – Schlachtschiff
- Commandant Teste – Seeflugzeugträger
- Kersaint – Zerstörer
- Lynx – Zerstörer
- Mogador – Zerstörer
- La Terrible – Zerstörer
- Tigre – Zerstörer
- Volta – Zerstörer
Alexandria
In Alexandria, dem Stützpunkt der britischen Mittelmeerflotte, erreichte Admiral Andrew Browne Cunningham eine Übereinkunft mit dem Befehlshaber der französischen Force X, Vizeadmiral René-Emile Godfroy. Die dort liegenden französischen Schiffe wurden im Beisein der Briten abgerüstet und bewegungsunfähig gemacht.
Ergebnis
Der Angriff schädigte das Verhältnis zwischen Frankreich und Großbritannien nachhaltig und stärkte den Rückhalt des Vichy-Regimes in der französischen Armee.
Bei dem Angriff in Mers-el-Kébir starben je nach Quelle 1147 bis ca. 1300 französische Seeleute, 351 bis ca. 400 wurden verwundet. Sechs britische Flugzeuge wurden von französischen Flugabwehrkanonen abgeschossen. Die Franzosen bombardierten aus Vergeltung am 24. und 25. September 1940 Gibraltar, wobei aber nur geringe Schäden verursacht wurden.
Als die Wehrmacht im November 1942 den Rest Frankreichs besetzte, versenkte sich die französische Flotte im Hafen von Toulon selbst.
Siehe auch
Literatur
- Bertrand M. Gordon: Historical Dictionary of World War II France – the Occupation, Vichy and the Resistance, 1938–1946. Greenwood Press, Westport Connecticut 1998, ISBN 978-0-313-29421-1. Lemma Mers-el-Kébir, S. 242 f.
- Romedio Graf von Thun-Hohenstein: Unternehmen „Catapult“. War der Überraschungsangriff bei Oran ein schwerwiegender Fehler? In: Die Zeit. Nr. 28, 6. Juli 1990, S. 45 f.
Weblinks
Einzelnachweise
- John D. Grainger: Traditional Enemies: Britain’s War With Vichy France 1940–1942, Barnsley, 2013, S. 28, ISBN 978-1-78159-154-3.
- Gordon, B.: Historical Dictionary of World War Two France: The Occupation, Vichy and the Resistance, 1938–1946 (Westport, Conn., 1998), S. 242f.
- John Jordan: The aircraft transport Commandant Teste. In: Warship 2002–2003. Conway’s Maritime Press, ISBN 0-85177-926-3 (englisch).
- Vincent P. O’Hara: Struggle for the Middle Sea. The great Navies at War in the Mediterranean Theater, 1940–1945. US Naval Institute Press, Annapolis MD 2009, ISBN 978-1-59114-648-3.