Neuromanik

Die Neuromanik, auch Neoromanik genannt, ist ein europäischer Kunststil des 19. Jahrhunderts. Künstler, vor allem Architekten, griffen damals auf Vorbilder der vergangenen zwei Jahrtausende zurück – in diesem Falle auf die Romanik. Daneben gab es jedoch auch Neugotik, Neorenaissance, Neubarock und die Vereinigung mehrerer dieser Stilrichtungen in einem Werk (sog. Eklektizismus), die gemeinsam in der Stilgeschichte als Historismus bezeichnet werden.

Die Kirche in Valwig an der Mosel, 1824–1827 von J. C. von Lassaulx erbaut, gehört zu den ersten neuromanischen Bauten überhaupt.
Dom zu Speyer; das neue Westwerk (links) von Heinrich Hübsch hebt sich deutlich vom älteren Gebäudeteil ab.

Geschichte

Altar in der Pfarrkirche St. Martin in Hundersingen
Plan einer Kirche im neoromanischen Stil
① = Eingangsbereich unter dem Kirchturm ② = große Eingangshalle ③ = kleine Eingangshalle ④ = Sakristei

Wegbereiter der Neuromanik in Deutschland und im europaweiten Rahmen waren in den 1820er-Jahren mit grundlegenden Veröffentlichungen Heinrich Hübsch und Rudolf Wiegmann, welche die Romanik als dem eigenen Land angemessener beurteilten. Zu den ersten Architekten der Neuromanik zählen Johann Claudius von Lassaulx und Friedrich von Gärtner, dessen Rundbogenstil neben der Romanik auch andere Einflüsse zeigte. Da damals der kunstgeschichtliche Begriff der „Romanik“ noch nicht existierte, wurden anfänglich die Bezeichnungen „byzantinischer Stil“, „Rundbogenstil“ oder auch „altchristlicher Stil“ gleichwertig verwendet.

Das 1861 publizierte Eisenacher Regulativ erlaubte als Stil für den protestantischen Kirchenbau neben der altchristlichen Basilika die mittelalterlichen Stile der Romanik und Gotik. Der Höhepunkt der Neuromanik ist 1891 mit dem Wiesbadener Programm über den evangelischen Kirchenbau anzusetzen. Der Stil reicht über das Ende des eigentlichen Historismus um die Jahrhundertwende hinaus bis in die 1920er-Jahre. Die Bautätigkeit der Neuromanik hatte ihren Schwerpunkt im Kirchenbau. Durch die Industrialisierung gab es in den stark wachsenden Städten dazu ein reiches Betätigungsfeld. Im katholischen Süden des deutschsprachigen Raumes ist der Stil dagegen seltener.

Auch im Profanbau ist die Neuromanik zu finden. Beispiele für Renovierungen im Schlösser- und Burgenbau, die Neubauten gleichkamen, sind der Wiederaufbau der romanischen Wartburg bei Eisenach und der Kaiserpfalz Goslar. Als berühmtestes neuromanisches Gebäude überhaupt kann Schloss Neuschwanstein gelten, das jedoch eine eklektizistische Innenausstattung hat. Als die französische Herkunft der lange Zeit als „altdeutsch“ betrachteten Gotik nicht mehr zu bestreiten war, wurde im wilhelminischen Deutschland die Neuromanik als „echter“ deutscher Stil zunehmend auch für öffentliche Profanbauten wie Postämter, Regierungsgebäude oder Verkehrsbauten verwendet. Bekannte Vertreter sind z. B. das Preußische Regierungsgebäude in Koblenz sowie die Bahnhöfe Metz-Ville und Worms Hauptbahnhof.

Stilistisch griff man nicht nur auf die Formelemente der Romanik in Westeuropa zurück, sondern verwendete auch die prächtigeren Formen des byzantinischen Stils. Auch in der Konstruktion der Kirchen blieb man nicht bei romanischen Grundrissen, sondern verwendete die fortschrittlicheren Prinzipien der Gotik, erkennbar an Kreuzrippengewölben und rechteckigen Grundflächen der Joche.

Auch im Altarbau spricht man von Neuromanik. Da in der Romanik jedoch keine Altaraufbauten verwendet wurden, sind „neuromanische“ Hochaltäre oft im Grunde neugotische Altäre, die anstelle von Spitzbögen Rundbögen verwenden und auf Fialen verzichten. Das Fehlen historischer Vorbilder führte immerhin dazu, dass im historistischen Altarbau unter dem Etikett der „Neuromanik“ kreativ mit Formen und Aufbau umgegangen wurde und entsprechende Altäre oftmals spielerischer erscheinen als jene der Neugotik.

Bilder

Außenansichten von Gebäuden
Innenräume

Bedeutende Bauten im neuromanischen Stil

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin (Zustand um 1900)
Haupteingang und Uhrturm des Bahnhofs von Metz
St.-Matthäus-Kirche in Łódź

Deutschland

China

Dänemark

Frankreich

Großbritannien

Italien

Kroatien

Österreich

Polen

Rumänien

Schweiz

Südamerika

Ungarn

Vereinigte Staaten

Siehe auch

Literatur

  • Kathleen Curran: The Romanesque Revival: Religion, Politics, and Transnational Exchange. Pennsylvania State University Press, University Park 2003, ISBN 978-0-271-02215-4.
  • Heinrich Hübsch: In welchem Style sollen wir bauen? Müller, Karlsruhe 1828. (Nachdruck: Müller, Karlsruhe 1984, ISBN 3-7880-9695-0)
  • Albrecht Mann: Die Neuromanik. Eine rheinische Komponente im Historismus des 19. Jahrhunderts. Greven, Köln 1966.
  • Rudolf Wiegmann: Bemerkungen über die Schrift "In welchem Style sollen wir bauen?" von Heinrich Hübsch. In: Kunstblatt. 10, 1829, S. 173–174, 177–179 und 181–183.
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