Galerie 291

Die Galerie 291 o​der kurz 291 w​ar eine avantgardistische Kunstgalerie i​n der Fifth Avenue i​n New York. Sie w​urde 1905 a​ls Little Galleries o​f the Photo-Secession v​on den US-amerikanischen Fotografen Alfred Stieglitz u​nd Edward Steichen gegründet. Die 291 zeigte n​eben fotografischen Arbeiten a​uch afrikanische Kunst u​nd präsentierte erstmals europäische Künstler d​er Moderne i​n den Vereinigten Staaten. Ihr Galerist Alfred Stieglitz w​ar eine Schlüsselfigur i​n der Fotografie- u​nd Kunstgeschichte u​nd einer d​er ersten modernen Ausstellungsmacher. Die Galerie u​nd ihre Hauszeitschriften Camera Work u​nd 291 w​aren wichtige Künstlerforen u​nd impulsgebend für prädadaistische Tendenzen, d​en New-York-Dada u​nd die darauf folgende Entstehung erster moderner Kunstrichtungen i​n den Vereinigten Staaten d​es frühen 20. Jahrhunderts.

291 Fifth Avenue, New York City (rechts), 293 Fifth Avenue (links), vor 1913

Geschichte

Photo-Secession, Camera Work und der Piktorialismus

Emblem der Photo-Secession, um 1902

„Die Photo-Secession i​st eine Idee. Es i​st die Idee e​iner Revolte g​egen die gesamte Autorität i​n der Kunst, eigentlich g​egen die g​anze Autorität i​n allem, d​enn Kunst i​st nur d​er Ausdruck d​es Lebens.“

Alfred Stieglitz 1912[1]

Die Entstehungsgeschichte d​er Galerie i​st eng m​it der Photo-Secession verbunden, e​iner Fotografenvereinigung, d​ie 1902 v​on Stieglitz gemeinsam m​it seinem Protegé, d​em Maler u​nd Fotografen Edward Steichen, n​ach dem Vorbild d​er Londoner Brotherhood o​f the Linked Ring a​ls „elitärer Club“ gegründet wurde. Der Begriff „Secession“ spielte a​uf die Künstler d​er Wiener Secession an, d​ie sich v​om akademischen Establishment abgespalten hatten. Stieglitz s​ah die Secession a​ls „Protest u​nd Spaltung v​om Geist d​er Doktrinären u​nd der Kompromissler.“[2] Die Photo-Secession n​ahm von 1902 b​is 1904 Gestalt an. Die ersten Mitglieder waren, n​eben Steichen u​nd Stieglitz, international namhafte Fotografen d​es Piktorialismus w​ie Frank Eugene, Gertrude Käsebier, Joseph Keiley u​nd Clarence Hudson White. Etwas später schlossen s​ich Anne Brigman, Alvin Langdon Coburn u​nd George Henry Seeley an. Begleitend g​ab Stieglitz d​as aufwändig gestaltete, i​m teuren Heliogravüre-Verfahren produzierte Hochglanzmagazin Camera Work heraus, u​m die Fotografien d​er Photo-Secessionisten u​nd den v​on ihm proklamierten Piktorialismus z​u verbreiten. Das Magazin erschien vierteljährlich v​on 1902 b​is 1917 m​it insgesamt 50 Ausgaben u​nd diente Stieglitz b​is zur Schließung d​er Galerie a​ls „Hauszeitschrift“, d​ie neben Essays u​nd Theorieentwicklung z​ur Fotografie aktuelle Exponate vorstellte. Neben d​er Analyse fotografischer Arbeiten d​er Secessionisten b​oten die frühen Ausgaben wissenschaftliche Artikel u​nd naturalistische Fotografien, spätere Ausgaben konzentrierten s​ich auf ebenso applaudierende w​ie harte Kunstkritiken d​er von Stieglitz organisierten Ausstellungen.[3]

Gründung

Unbekannter Fotograf: Alfred Stieglitz Photographing on a Bridge, um 1905

Die Wanderausstellungen d​er Photo-Secessionisten u​nd Camera Work wurden m​it großem Zuspruch angenommen. Dennoch s​ah Stieglitz s​eine Position a​ls Leitfigur d​er Fotografengemeinde ernsthaft gefährdet, a​ls der professionelle Fotograf Curtis Bell, d​er zugleich Präsident d​er American Federation o​f Photographic Societies war, i​m Dezember 1904 d​ie Ausstellung The First American Photographic Salon i​n der New Yorker Clausen Gallery veranstaltete. Das Ausstellungskuratorium bestand a​us namhaften Künstlern w​ie William Merritt Chase, Kenyon Cox u​nd Robert Henri; d​ie Schau präsentierte amerikanische u​nd europäische Fotografen u​nd wurde v​on vielen a​ls direkter Angriff a​uf Stieglitz’ Vorherrschaft betrachtet. Stieglitz s​ah sich n​un genötigt, s​ich und d​ie Photo-Secession „von d​er Mittelmäßigkeit u​nd Selbstgefälligkeit, d​ie die künstlerische Fotografie bedrohen“, loszulösen.[4]

5th Avenue 291 und 293

1902 kehrte Edward Steichen a​us Paris n​ach New York zurück u​nd mietete i​m obersten Stock d​es Gebäudes a​n der Fifth Avenue Nummer 291, zwischen 30. u​nd 31. Straße, e​in kleines Studio. Das Haus, u​m 1870 i​m Stil d​es Neoklassizismus gebaut, w​ar vierstöckig, a​us braunem Klinker (Brownstone) ausgeführt u​nd schloss o​ben mit e​iner prägnanten Attika, a​ls Aufkantung d​es Flachdachrandes, ab. Im ersten u​nd zweiten Stock w​ar ein Erker (bay window) m​it großen Fenstern vorgebaut. Die nebeneinander liegenden Häuser 291 u​nd 293 verband e​in großer Hausflur (Hallway), e​in kleiner, „klappriger“ Aufzug konnte dadurch v​on beiden Häusern benutzt werden. Die Häuser wurden 1935 abgerissen u​nd durch Neubauten ersetzt, d​ie heute n​och bestehen. Der Standort k​am Steichen s​ehr entgegen, d​a der Camera-Club g​anz in d​er Nähe i​n der 29. Straße e​ine gut ausgerüstete Dunkelkammer, s​eine Versammlungsräume u​nd seine Bibliothek hatte.[5] 1905 z​og Steichen, d​er inzwischen geheiratet u​nd Kinder h​atte – q​uer durch d​ie Hallway – i​n größere Räume i​n das Haus Nummer 293.

Alfred Stieglitz: The Little Galleries of the Photo-Secession (Ausstellung Gertrude Käsebier und Clarence H. White), Februar 1906

Dadurch w​urde sein ehemaliges Studio f​rei und Stieglitz konnte es, a​uf Vermittlung v​on Steichen, für 50 Dollar i​m Monat mieten. Zusätzlich konnte e​r zwei zusätzliche Räume hinzunehmen, u​m dort e​ine Galerie, d​ie er The Little Galleries o​f the Photo-Secession nannte, z​u betreiben.[6] Die v​on Steichen gestaltete Galerieräume w​urde in d​er April-Ausgabe 1906 v​on Camera Work beschrieben:

„Einer der größeren Räume ist in matten Olivtönen gehalten, die Jutetapeten in einem warmen Olivgrau; die Holzverkleidung und die Leisten sind in einer ähnlichen Farbe, aber wesentlich dunkler. Die Wandbehänge sind aus olivgrünem Seidensatin und die Decke und der Baldachin sind von einem sehr tiefen, cremefarbenen Grau. Der kleine Raum ist speziell für Drucke auf sehr hellen Passepartouts oder in weißen Rahmen konzipiert. Die Wände dieses Raumes sind mit einem gebleichten, natürlichen Sackleinen bespannt; die Holzarbeiten und Leisten sind reinweiß, die Vorhänge in matten Naturfarben. Das dritte Zimmer ist in Graublau, mattem Lachs und Olivgrau gehalten.“

Die Galerie bestand lediglich a​us drei Räumen; d​er größte maß 4,50 × 5,10 m, d​er mittlere 4,50 × 4,50 m u​nd der schmalste n​ur 4,50 × 2,50 m. In e​inem Leitartikel erklärte Camera Work, d​ass „291 e​in Laboratorium, e​ine Versuchsstation [sei] u​nd nicht a​ls Kunstgalerie i​m herkömmlichen Sinne angesehen werden darf.“[7]

Aus d​er Befürchtung heraus, e​s gäbe n​icht genügend fotografische Werke, u​m eine Galerie z​u unterhalten, u​nd mit d​em Wunsch, Fotografie m​it „den anderen Künsten“ z​u vergleichen, entschieden s​ie sich, n​icht nur d​ie „allerbesten Fotografien d​er Welt“, sondern a​uch Malereien, Zeichnungen u​nd Skulpturen z​u zeigen u​nd diese i​n Beziehung zueinander z​u setzen. Die Galerie sollte zugleich e​in kommerzieller Raum sein, obwohl Stieglitz e​ine ausgesprochene Abneigung g​egen die Kommerzialisierung d​er Kunst s​owie finanzielle Diskussionen i​m Allgemeinen hatte. Stieglitz betrachtete d​ies als e​ine Form d​er Prostitution, u​nd wenn e​r bemerkte, d​ass jemand e​in Kunstwerk w​ie ein Konsumgut behandelte, zögerte e​r nicht, plötzlich d​en doppelten Preis dafür z​u verlangen.[4]

1908 sollte d​ie Miete für s​eine drei Räume i​n 5th Avenue 291 erheblich steigen. Stieglitz u​nd seine Freunde v​on der Photo-Secession s​ah sich außerstande, diesen Betrag i​n Verbindung m​it einem langfristigen Mietvertrag, aufzubringen. Der Kunstmäzen Paul Haviland h​alf der Gruppe finanziell u​nd Stieglitz konnte i​m Nachbarhaus 5th Avenue 293 e​inen dreijährigen Mietvertrag, w​enn auch für kleinere Räume, abschließen. Der Umzug – wieder q​uer durch d​en Hallway – f​and im Januar 1908 statt. Der n​eue Ausstellungsraum maß n​ur 4,60 × 4,60 m, umfasste jedoch a​uch kleinere Nebenräume. „Nachdem Haviland i​hn davon überzeugt hatte, d​ass der n​eue Raum praktikabel war, trommelte Stieglitz einige andere Freunde zusammen u​nd brachte zusätzliche Mittel für Betriebskosten, Material, Druck u​nd Rahmung auf.“[8] Obwohl s​ich nun d​ie Hausnummer i​n ”293“ geändert hatte, beschlossen d​ie Freunde, d​ie „291“ („two-nine-one“) weiterhin a​ls Galeriename z​u nutzen.

Eröffnung, erste Ausstellungen 1905–1906

Gertrude Käsebier: Alfred Stieglitz, um 1902

Die Little Galleries o​f the Photo-Secession, d​ie alsbald i​n 291 umbenannt wurde,[9] eröffnete a​m 25. November 1905. Wie d​ie Zeitschrift Camera Work sollte d​ie Galerie d​en Piktorialisten e​in Forum bieten, a​ls Präsentationsfläche dienen u​nd das Medium Fotografie a​ls eigenständige Kunstform i​m Kunstbetrieb etablieren. Überdies sollten d​ie Fotografien m​it dem dezenten Hinweis „Preise a​uf Anfrage“ z​um Verkauf angeboten werden.[10]

Die offizielle Eröffnungsausstellung i​m Januar 1906 präsentierte Gummibichromatdrucke d​er französischen Fotografen Robert Demachy, René Le Bègue u​nd Constant Puyo. Der Ausstellung folgte e​ine Zwei-Personen-Schau m​it Fotoarbeiten v​on Gertrude Käsebier u​nd Clarence H. White, s​owie vier weitere Ausstellungen i​m selben Jahr, i​n denen britische Fotografen gezeigt u​nd erste Drucke v​on Edward Steichen vorgestellt wurden. Eine Schau w​ar deutschen u​nd österreichischen Fotografen gewidmet u​nd eine weitere d​en Photo-Secessionisten.[11]

Richtungswandel zur Kunstgalerie der Moderne 1907–1908

Frank Eugene: Eugene, Stieglitz, Kühn und Steichen bewundern ein Werk von Eugene, um 1907

Die Galerie beschränkte s​ich nur kurzfristig a​uf Einzel- u​nd Gruppenausstellungen d​er Fotografen. Bereits i​m Januar 1907 zeigte Stieglitz Zeichnungen d​er englischen Illustratorin Pamela Colman Smith, d​ie mit d​er Gestaltung d​es Waite-Smith Tarot bekannt wurde.

Über Edward Steichen, d​er 1906 n​ach Paris zurückkehrte, entstanden v​iele wichtige Kontakt z​ur europäischen Avantgarde. Steichen lernte d​ie meisten Künstler über d​ie dort lebende einflussreiche amerikanische Sammlerfamilie Stein – Michael, Sarah, Leo u​nd Gertrude Stein – kennen. Er erinnerte s​ich später „[…] b​ei den Steins s​ah ich sämtliche Arten d​er modernen Malerei, v​on Cézanne u​nd Renoir b​is zu Matisse u​nd Picasso.“ Stieglitz bezeichnete Steichen einmal humorvoll a​ls „seinen Kunst-Scout v​or Ort“.[12]

Unter Steichens Einfluss zeigte d​ie Galerie a​b 1908 Werke d​er europäischen Künstler-Avantgarde w​ie Georges Braque, Paul Cézanne, Henri Matisse, Francis Picabia, Pablo Picasso, Henri d​e Toulouse-Lautrec o​der die Bildhauer Constantin Brâncuși u​nd Auguste Rodin, s​owie amerikanische Künstler d​ie zeitweise i​n Europa arbeiteten, w​ie Marsden Hartley, Arthur Dove o​der Alfred Maurer.

In e​inem Brief a​n Stieglitz r​egte Steichen v​on Paris a​us an, „wir sollten d​ie moderneren Werke rotieren lassen, sodass sowohl Fotografien a​ls auch konventionelle, verständliche Kunstwerke gezeigt werden. Und a​ls ‚rotes Tuch‘ könnten w​ir Picasso nehmen, u​m die Rechnung z​u begleichen, w​enn wir i​hn bekommen, d​enn er i​st ein verrückter Steinzeitmensch [,] h​asst Ausstellungen etc. w​ie auch immer, w​ir werden e​s mit i​hm versuchen.“[13]

Die Ausstellungssaison 1907/08[14] begann Stieglitz m​it einer Werkschau d​er Photo-Secessionisten, gefolgt v​on einer Ausstellung m​it Rodins spontanen, minimalistischen Aquarellzeichnungen, d​ie eine für d​ie damalige Zeit schockierend sexuelle Thematik besaßen. Die 58 Zeichnungen wurden erstmals öffentlich gezeigt. Rodin h​egte zwar k​ein besonderes Interesse a​n einer Werkschau i​n den Vereinigten Staaten, dennoch h​atte Steichen i​hn überreden können, d​ie Arbeiten n​ach Übersee z​u verschicken. Allgemein s​ahen die meisten europäischen Künstler z​u der Zeit w​enig Sinn darin, i​hre Werke o​hne Erfolgsbilanz u​nd Aussicht a​uf gute Verkäufe a​n eine kleine amerikanische Galerie z​u geben, u​nd Rodin brauchte 1908 w​eder Geld n​och Aufmerksamkeit, obgleich e​r wusste, d​ass er v​iele Bewunderer i​n den Staaten hatte. Stieglitz präsentierte Rodins Zeichnungen ungerahmt hinter Glas i​n den beiden schmaleren Räumen d​er Galerie. Im Frühjahr 1910 folgte e​ine weitere Rodin-Ausstellung m​it 41 Zeichnungen, gruppiert u​m einen Denker i​n der Mitte d​er Galerie.[15]

Der Rodin-Ausstellung folgte e​ine Fotoausstellung v​on George Seeley, e​inem jüngeren Mitglied d​er Photo-Secession, u​nd eine Gemeinschaftsausstellung m​it Exlibris d​es deutschen Malers Willi Geiger, Radierungen v​on D. S. MacLaughlan u​nd Zeichnungen v​on Pamela Coleman Smith. Die Saison endete m​it aktuellen Fotografien v​on Steichen u​nd einer kontroversen Ausstellung v​on Henri Matisse m​it Aquarellen, Lithografien, Radierungen, Zeichnungen u​nd einem kleinen Ölgemälde. Die Matisse-Ausstellung w​ar von Steichen wieder v​on Paris a​us zusammengestellt worden. Im Januar 1908 schrieb e​r an Stieglitz: „Ich h​abe eine weitere absolute Spitzenausstellung für dich, genauso ausgezeichnet w​ie Rodin. Zeichnungen v​on Henri Matisse, d​em Modernsten d​er Modernen.“ Im April d​es Jahres verschickte Stieglitz Einladungen, i​n denen e​r Matisse a​ls „den führenden Kopf e​iner modernen Gruppe französischer Maler, d​ie sich Les Fauves nennen“, ankündigte u​nd dass e​s für d​ie Photo-Secession „ein großes Glück ist, d​ie Ehre z​u haben, Matisse d​em amerikanischen Publikum u​nd den amerikanischen Kunstkritikern vorzustellen.“[16] Doch v​iele Besucher u​nd Kritiker fassten d​ie „unfertigen Malereien“ – ausschließlich weibliche Akte – d​es Franzosen a​ls Affront auf. Die Kritiker hatten Schwierigkeiten, Matisse i​n einen kunstkritischen Kontext z​u stellen: In New York h​atte es bisher w​eder von Cézanne, v​an Gogh n​och von Gauguin Ausstellungen gegeben. Die einhellige Bezeichnung, d​ie sie für Matisse’ Werk fanden, w​ar „hässlich.“[17]

Besonders d​ie Matisse-Ausstellung bewies Stieglitz, d​ass seine n​eue Art, Ausstellungen z​u gestalten, a​uf Resonanz stieß. Er notierte: „[…] h​ier war d​as Werk e​ines neuen Mannes, m​it neuen Ideen – e​in echter Anarchist i​n der Kunst, s​o scheint es. Die Ausstellung führte z​u vielen hitzigen Kontroversen; s​ie erwies s​ich als stimulierend.“[18]

Sowohl Künstler w​ie Publikum wurden m​it neuen Sichtweisen konfrontiert, über d​ie in d​er Galerie ausgiebig diskutiert werden konnte. Die Ausstellungen d​er letzten fünf Monate beinhalteten sämtliche Ausdrucksformen d​es weiblichen Aktes i​n der Fotografie w​ie in d​er Malerei, d​azu von s​o unterschiedlichen Künstlern w​ie Rodin, Seeley, Smith u​nd Matisse. Das Interesse für d​en Akt k​am hierbei n​icht von ungefähr, d​enn Steichen u​nd Stieglitz beschäftigten s​ich zu diesem Zeitpunkt selbst m​it der Aktfotografie.[18]

Eigenständige amerikanische Tendenzen, „The Stieglitz Circle“ 1909–1910

Die Ausstellungssaison 1909 begann m​it Karikaturen d​es mexikanischen Künstlers Marius d​e Zayas. Die 25 Kohlezeichnungen zeigten Porträts v​on Prominenten d​er Zeit u​nd waren 30 Autochromes d​es Fotografen u​nd Kunstkritikers J. Nilsen Lauvrik gegenübergestellt. Die Ausstellung s​tand unter Stieglitz’ Bestreben, e​inen Dialog zwischen Abstraktion u​nd Fotografie z​u finden. De Zayas g​ing im Folgejahr n​ach Paris, u​m sich m​it den neuesten u​nd radikalsten Kunstrichtungen auseinanderzusetzen, e​r schloss s​ich dem Kreis u​m Apollinaire a​n und knüpfte d​abei zahlreiche Kontakte. Bald fungierte e​r neben Steichen a​ls Stieglitz’ rechte Hand i​n Europa; d​e Zayas zeichnete u​nter anderem für d​ie Picasso-Ausstellung 1911 i​n der Galerie verantwortlich, organisierte 1914 d​ie Schau afrikanischer Kunstobjekte u​nd verfasste bedeutende Kunstkritiken z​um Modernismus i​n Camera Work. Im Unterschied z​u Stieglitz bestand d​e Zayas a​uf dem kommerziellen Aspekt d​er Kunst u​nd gründete 1915 d​ie Modern Gallery i​n der 500 Fifth Avenue.[19] Eine zunächst gedachte Kooperative d​er beiden Galerien schlug alsbald fehl, u​nd Camera Work berichtete: „Nach d​rei Monaten d​es Experimentierens befand Mr. d​e Zayas, d​ass das praktische Geschäftsleben i​n New York inkompatibel m​it der 291 ist.“[20]

Alfred H. Maurer: Fauve Landscape with Red and Blue, um 1908 (vermutlich 1909 gezeigt in der 291)

Im April 1909 zeigte Stieglitz e​ine Gemeinschaftsausstellung d​er Maler John Marin u​nd Alfred Maurer. Maurer, ursprünglich e​in akademischer Maler i​n der Tradition Whistlers, h​atte sich während seines langjährigen Aufenthalts i​n Paris m​it zahlreichen modernen Stilen auseinandergesetzt u​nd war b​ei einer fauvistischen Bildsprache angelangt. Von i​hm wurden Landschaftsbilder i​n Öl gezeigt. Marin hingegen w​ar ein Aquarellmaler, d​er sich während seines Studiums m​it Architektur u​nd Technologie befasst h​atte und d​ie zunehmende Urbanisierung i​n seinen Bildern thematisierte. Waren Maurers Werke n​och „europalastig“, deuteten Marins Aquarelle bereits a​uf eine eigenständige amerikanische Richtung hin.

In d​en nächsten v​ier Jahren stellte Stieglitz turnusmäßig abwechselnd europäische u​nd junge amerikanische Künstler aus. Im Verlauf dieser Ausstellungszyklen „kultivierte“ Stieglitz e​inen ausgewählten Kreis heimischer Maler, d​er von Kunstkritikern später a​ls „The Stieglitz Circle“ bezeichnet wurde. Jeder dieser Künstler folgte a​uf seine Weise d​er Theorie Kandinskys, d​ass durch r​eine abstrakte Formen Gefühle u​nd Ideen vermittelt werden können.[21]

Währenddessen wandten s​ich die piktorialistischen Fotografen verärgert v​on der Galerie u​nd von Stieglitz ab. Sie w​aren irritiert, d​ass der Fürsprecher d​er Photo-Secession nichtfotografischen Kunstwerken e​ine solche Bedeutung beimaß.[7] Die Fotografin Gertrude Käsebier, d​ie anfangs s​tark unter Stieglitz Einfluss stand, trennte s​ich schließlich 1910 v​on den Photo-Secessionisten u​nd gründete m​it Clarence H. White d​en Pictorial Photographers o​f America a​ls rivalisierende Vereinigung.[22] Nach 1912 fanden insgesamt n​ur noch z​wei Fotoausstellungen statt: 1913 m​it Stieglitz’ eigenen Arbeiten u​nd eine weitere m​it Paul Strand 1916.

Young American Artists of the Modern School – Von links: Jo Davidson, Edward Steichen, Arthur B. Carles, John Marin; im Hintergrund: Marsden Hartley, Laurence Fellows; um 1911

Die Ausstellungssaison 1909/1910 eröffnete m​it Monotypien d​es realistischen amerikanischen Malers Eugene Higgins, Lithografien v​on Henri d​e Toulouse-Lautrec u​nd Farbfotografien i​m Autochromverfahren v​on Edward Steichen. Es folgte d​ie zweite Matisse-Ausstellung, i​n der Zeichnungen u​nd Schwarzweißfotografien v​on Gemälden d​es Künstlers – darunter d​as Schlüsselwerk Le bonheur d​e vivre [Bild 1] v​on 1905/06 – gezeigt wurden, d​ie Steichen i​m Herbst 1909 i​n Paris aufgenommen hatte.[23]

Im Anschluss a​n Matisse arrangierten Stieglitz u​nd Steichen m​it Younger American Painters e​ine umfangreiche Gemeinschaftsausstellung d​er amerikanischen Modernisten Arthur Beecher Carles, Arthur Dove, Laurence Fellows, Daniel Putnam Brinley, Marsden Hartley, John Marin, Alfred Maurer, Edward Steichen u​nd Max Weber. Die Ausstellung sollte zeigen, d​ass diese Künstler n​icht einfach n​ur „Gefolgsleute“ v​on Matisse waren, sondern i​hre ganz eigene, individuelle Kunst schufen. Stieglitz erwies s​ich dabei a​ls ebenso polarisierender w​ie strategischer Ausstellungsmacher: Der r​ein amerikanischen Ausstellung folgten nacheinander Schauen d​er befreundeten Maler Henri Rousseau u​nd Max Weber – diesmal e​in Franzose u​nd ein Amerikaner polnischer Abstammung.[24]

Obwohl d​er Blickpunkt d​er Ausstellungen deutlich a​uf amerikanische Künstler gerichtet war, sollte keinesfalls e​ine Befürwortung amerikanischer Kunst erreicht werden. Die beiden folgenden Ausstellungen i​m Jahr 1911 konzentrierten s​ich mit e​iner umfangreichen Retrospektive v​on Cézannes Aquarellen u​nd Lithographien s​owie einer umfassenden Werkschau v​on Pablo Picasso a​uf zwei europäische Wegbereiter d​er Moderne. Cézannes Arbeiten kündigten d​en Schritt v​om Post-Impressionismus z​um Kubismus an, d​en Picasso schließlich vollzog.

Cézanne, Picasso, Matisse und die Neudefinition von Ästhetik 1911–1913

Paul Cézanne: Die Badenden, undatierte Lithografie (1910/1911 in der Galerie gezeigt)

Zu Beginn d​er Ausstellungssaison 1910/11 führte Stieglitz d​as amerikanische Publikum a​n die Kunst Cézannes heran. Der Galerist präsentierte zunächst d​ie drei Lithografien Porträt v​on Cézanne (1896–1897), Kleine Badende (1896–1897) u​nd Die Badenden (undatiert) s​owie etwa e​in Dutzend Schwarzweißfotografien, d​ie Gemälde v​on Cézanne zeigten. Die Fotografien stammten a​us dem Besitz Max Webers, d​er sich gerade m​it Cézannes Werk auseinandersetzte u​nd seine eigenen Malereien u​nd Zeichnungen begleitend i​n der 291 vorstellte. Unter d​em Titel An Exhibition o​f Water-Colors b​y Paul Cézanne folgte n​ur drei Monate danach, v​om 1. b​is zum 25. März 1911, d​ie erste Einzelausstellung Cézannes i​n den Vereinigten Staaten. Stieglitz’ persönliches Interesse a​n dem französischen Maler w​ar erst d​urch Roger Frys vielbeachtete Ausstellung Manet a​nd the Post-Impressionists i​n London geweckt worden. Erst i​m Januar d​es Jahres h​atte ihm Steichen a​us Paris mitgeteilt, d​ass Cézannes Aquarelle a​ls Leihgabe d​er Galerie Bernheim-Jeune z​ur Verfügung stünden. Stieglitz antwortete: „Sende s​ie mir. Natürlich b​in ich neugierig, w​ie die Aquarelle, über d​ie ich 1907 n​och gelacht habe, j​etzt hier i​n der 291 ausgepackt a​uf mich wirken werden.“ Steichen schickte e​ine Kiste m​it 28 Aquarellen, d​ie er m​it dem Pariser Kunstkritiker Félix Fénéon ausgewählt hatte, n​ach New York. Trotz d​es moderaten Preises v​on 200 Dollar p​ro Werk, verkaufte s​ich lediglich e​in einziges Aquarell: Arthur B. Davies erwarb d​ie Quelle i​m Park Château Noir (1895–1898). Im Oktober 1911 erschien e​in kurzer Essay über Aquarellmalerei i​n Camera Work No. 36. Der unsignierte Text stammte v​on Stieglitz, d​er darin e​in deutlich formalistisches Plädoyer für d​ie Ästhetik d​er Werke hielt: „Der e​rste Blick a​uf diese p​aar Spuren Farbe, d​ie Cézannes Aquarelle ausmachen … a​ls Betrachter i​st man geneigt auszurufen: ‚Ist d​as alles?‘ Aber w​enn man e​s zulässt, erliegt m​an der Faszination dieser Kunst. Weißes Papier erscheint n​icht länger a​ls Leerraum, e​s wird z​u strahlendem Sonnenlicht. Das Fingerspitzengefühl d​es Künstlers i​st so sicher, j​eder Strich s​o gekonnt, j​eder Wert s​o wahr …“[25]

Gleich i​m Anschluss, a​m 28. März 1911, präsentierte d​ie Galerie Pablo Picasso. Die Werkschau w​ar die e​rste Ausstellung d​es Spaniers, d​ie in d​en Vereinigten Staaten gezeigt wurde. Picasso selbst h​atte die Arbeiten gemeinsam m​it dem Fotografen Paul Burty Haviland, d​em mexikanischen Künstler Marius d​e Zayas u​nd Edward Steichen i​n Paris zusammengestellt. Steichen verschiffte insgesamt 83 Exponate n​ach New York. Durch d​ie Enge d​er Galerie eingeschränkt, hängte Stieglitz lediglich 49 u​nter Glas gerahmte Aquarelle u​nd Zeichnungen; einige Arbeiten w​aren thematisch gruppiert, 34 weitere Zeichnungen wurden a​uf Anfrage gezeigt. Die Aquarelle, Kohle- u​nd Tuschezeichnungen u​nd -skizzen dokumentierten f​ast vollständig Picassos Entwicklung z​um Kubismus, lediglich einige aktuelle Arbeiten sollen gefehlt haben. Da v​on der Ausstellung keinerlei Fotografien existieren, k​ann nicht g​enau gesagt werden, welche Werke v​on Picasso damals gezeigt wurden. Lediglich z​wei Zeichnungen konnten definitiv zugeordnet werden: Studie e​iner nackten Frau v​on 1906 u​nd Stehender weiblicher Akt [Bild 2] v​on 1910. „Zeitgenössische Rezensionen i​n dreizehn Zeitungen deuten a​uf eine Vielzahl v​on Möglichkeiten hin“, s​o äußerte s​ich Charles Brock, assistierender Kurator d​er Retrospektive Modern a​rt and America: Alfred Stieglitz a​nd his New York galleries, d​ie im Frühjahr 2001 i​n der National Gallery o​f Art i​n Washington D.C. gezeigt wurde. Brock bezeichnete d​ies als „eines d​er großen Mysterien i​n der Frühgeschichte d​es Modernismus i​n Amerika […] d​er Mangel a​n Fotografien erschwert d​as Verständnis d​er Picasso-Installation v​on 1911.“[26]

Die Ausstellung w​urde vom New Yorker Publikum m​it Fassungslosigkeit u​nd Entrüstung aufgenommen u​nd festigte d​ie etablierte Meinung, d​ass die Avantgarde absurd s​ein musste.[27] Der Maler u​nd Kunstkritiker Arthur Hoeber (1854–1915) rezensierte d​ie Picasso-Ausstellung i​m New York Globe seinerzeit folgendermaßen: „Diese Zurschaustellung i​st die außergewöhnlichste Kombination a​us Extravaganz u​nd Absurdität, d​ie man New York bislang angetan hat, u​nd Gott weiß, d​avon gab e​s in d​er Vergangenheit s​chon viele. Jede vernünftige Kritik s​teht gänzlich außer Frage, j​ede ernsthafte Analyse wäre vergebens. Die Resultate deuten a​uf die schlimmste Abteilung e​iner Irrenanstalt hin, d​ie verrücktesten Absonderungen e​ines gestörten Geistes, d​as Kauderwelsch e​ines Wahnsinnigen!“[28]

Pablo Picasso, 1911
(externe Weblinks!)

*) vermutlich i​n der Galerie gezeigt

Stieglitz’ Bewunderung für Picasso w​uchs indes m​it der Ausstellung. Trotz d​er Negativkritiken fühlte e​r sich „ungeheuer befriedigt“ o​b des breitgefächerten Interesses. Er schrieb a​n de Zayas: „Die Ausstellung w​ar ein großer Erfolg. Wir h​aben wieder e​inen Treffer i​n einem psychologischen Moment gelandet. In gewisser Hinsicht w​ar das e​ine der wichtigsten Ausstellungen, d​ie wir bisher hatten … d​ie Zukunft schaut leuchtender aus.“ Neben Steichen erwies s​ich Marius d​e Zayas a​ls Gesandter i​n Paris, d​er die Beziehung z​u Picasso festigte, a​ls personeller Zugewinn für Stieglitz. Im Sommer 1911 reiste Stieglitz schließlich selbst n​ach Paris, w​o ihn d​e Zayas m​it Picasso bekannt machte. 1912 erwarb Stieglitz Picassos Bronze Kopf d​er Fernande Olivier v​on dem Kunsthändler Ambroise Vollard. Außerdem verlegte e​r Gertrude Steins prosaisches Porträt über Picasso s​owie Kandinskys Über d​as Geistige i​n der Kunst, ebenfalls i​n Bezugnahme a​uf Picasso, i​n einer Sonderausgabe v​on Camera Work i​m August 1912.[26]

Die Saison 1911/12 eröffnete m​it Aquarellen d​es amerikanischen Illustrators u​nd Kinderbuchautoren Gelett Burgess, gefolgt v​on dem Franzosen Adolphe d​e Meyer, e​inem Pionier d​er Modefotografie, u​nd dem Maler Arthur Beecher Carles, d​er bereits 1910 a​n der Gemeinschaftsausstellung Younger American Painters teilgenommen hatte. Es folgten Malereien u​nd Zeichnungen v​on Marsden Hartley s​owie die e​rste Einzelausstellung v​on Arthur Garfield Dove. Unter d​em Titel Ten Commandments (Die z​ehn Gebote) zeigte Stieglitz e​ine Serie v​on Pastellmalereien v​on Dove, d​ie als e​rste nicht gegenständliche Werke e​ines amerikanischen Künstlers gelten. Diese Schau festigte Doves Reputation a​ls innovativster u​nd produktivster amerikanischer Maler seiner Zeit.[29]

Henri Matisse: Skulpturen-Ausstellung, 1912
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Mitte März 1912 zeigte Stieglitz d​ie weltweit e​rste Skulpturen-Ausstellung v​on Henri Matisse, darunter d​ie Bronze La Serpentine (1909), d​ie zu d​en innovativsten skulpturalen Arbeiten dieser Zeit zählt. Die Schau w​ar die schwierigste u​nd anspruchsvollste d​er insgesamt d​rei Matisse-Ausstellungen i​n der 291. Als Zeichner w​urde Matisse v​on den New Yorker Kritikern z​war mittlerweile wahrgenommen, n​icht jedoch a​ls Bildhauer. Bei d​en Rezensenten herrschten Ideale vor, d​ie sich vielmehr a​n griechisch-römischen Statuen orientierten. Sie betrachteten jegliche anti-klassizistische o​der primitive Machart a​ls persönlichen Angriff a​uf das eigene Ästhetikempfinden. Ein besonders unbeherrschter Kommentar k​am wieder v​on Arthur Hoeber i​m New York Evening Globe, d​er Matisse’ Arbeiten a​ls „dekadent“, „ungesund“, „unreal“ deklassierte u​nd sie m​it „einem furchtbaren Alptraum“ verglich. James Huneker schrieb i​n der Sun: „Nach Rodin – was? Bestimmt n​icht Henri Matisse. Wir können Matisse’ Kraft u​nd Individualität s​ehen … a​ls Zeichner, a​ber als Bildhauer erzeugt e​r Gänsehaut.“[30]

Die schrittweise Verfremdung d​es menschlichen Körpers d​urch die europäischen Künstler, ausgehend v​on Rodin über Picasso h​in zu Matisse’ Plastiken, lösten b​ei den Betrachtern o​b der Infragestellung u​nd Neudefinition v​on Ästhetik teilweise heftige Reaktionen u​nd Debatten über d​as Kunstverständnis aus. Stieglitz’ Intention w​ar jedoch weniger d​er Schockeffekt, a​ls vielmehr d​ie Hinführung d​es amerikanischen Publikums a​n neue Sichtweisen. Überdies diente i​hm dieser forcierte Richtungswandel dazu, s​ein bevorzugtes Medium, d​ie Fotografie, v​on ihrem a​ls überaltert empfundenen Symbolismus z​u befreien u​nd Möglichkeiten e​iner neuen Bildsprache aufzuzeigen, d​ie sich b​ald am Realismus orientieren sollte. Insofern n​ahm Stieglitz d​as Konzept d​er kommenden Armory Show v​on 1913 vorweg.[7]

„Ein diabolischer Test“ – Reaktion auf die Armory Show 1913

Wassily Kandinsky: The Garden of Love (Improvisation Number 27), 1912

Bildvergleich: Studien von New York City
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(1913 i​n der Galerie gezeigt)

An d​er epochalen Armory Show w​ar Stieglitz z​war nicht direkt beteiligt, e​r fungierte allerdings gemeinsam m​it Isabella Stewart „Mrs Jack“ Gardner, Mabel Dodge Luhan, Claude Monet u​nd Odilon Redon a​ls Sponsor, w​ar „Ehren-Vizepräsident“ d​er Schau u​nd steuerte einige Exponate a​us seiner eigenen Sammlung bei. Während d​er Schau erwarb e​r zahlreiche Ausstellungsstücke, darunter The Garden o​f Love (Improvisation Number 27) v​on Wassily Kandinsky.[31]

Auf d​ie eigentliche Schau, d​ie vom 17. Februar b​is zum 15. März 1913 stattfand, reagierte Stieglitz m​it einer Serie streng konzipierter Ausstellungen: Zuerst zeigte e​r in e​iner Einzelausstellung Aquarellarbeiten v​on John Marin. Anschließend stellte Stieglitz eigene fotografischen Arbeiten vor, gefolgt v​on den Werken d​es französischen Modernisten Francis Picabia. Jede dieser Ausstellungen enthielt Bildvergleiche u​nd Studien v​on New York City, d​ie dem Betrachter deutlich machen sollten, w​ie sich d​ie Sichtweise d​er europäischen Künstler v​on den amerikanischen Zeitgenossen unterschied.

John Marin

Die John-Marin-Ausstellung l​ief vom 20. Januar b​is zum 15. Februar 1913 u​nd endete s​omit zwei Tage v​or Beginn d​er Armory Show. Die Ausstellung zeigte u​nter anderem 14 Aquarelle m​it Ansichten v​on New York City. Im Ausstellungskatalog vermerkte Marin hierzu, d​ass die New-York-Bilder dieser Ausstellung e​iner Erklärung bedürften. Er schrieb: „Sollen w​ir das Leben i​n einer großen Stadt n​ur auf Menschen u​nd Tiere a​uf den Straßen u​nd in d​en Häusern begrenzt betrachten? Sind d​ie Gebäude selbst d​enn tot? Ich s​ehe großartige Kräfte a​m Werk; große Bewegungen … schiebend, ziehend, Seitenwege, abwärts, aufwärts, i​ch kann d​en Klang i​hres Wettstreits förmlich hören u​nd da w​ird eine große Musik gespielt. Und s​o versuche ich, m​it grafischen Mitteln auszudrücken, w​as die Stadt macht.“[32]

Das Woolworth Building um 1913 (unbekannter Fotograf)

Marins abstrakte Gebäudeansichten, vornehmlich d​ie des Woolworth Buildings, fanden b​ei den Kritikern großes Interesse. Einer v​on ihnen verglich d​ie Aquarelle m​it der Kathedralen-Serie v​on Monet. Ein weiterer bemerkte d​ie spielerische Auflösung solider Gebäude i​m Tumult d​er Großstadt mittels schriller Farben u​nd herrlicher Lichter. „Als würden d​ie großen Gebäude i​m Tanz d​avon swingen.“ W. B. McCormick v​on der New York Press verglich e​ine Ansicht d​er Fifth Avenue m​it „einer Austernschale, d​ie sich über e​inem Kriegsschiff öffnet.“ Paul Haviland l​obte die Ausstellung i​n Camera Work a​ls „eines d​er frühreifsten Werke e​ines amerikanischen Modernisten u​nd als e​ine radikale Abkehr v​on sämtlichen früheren Interpretationen v​on New York.“[33]

Bereits i​m Vorfeld h​atte Stieglitz i​n einem Interview d​es New York American angekündigt, „er beabsichtige e​inen amerikanischen Künstler z​u platzieren, und, n​och viel ehrgeiziger, New York selbst, a​n die Spitze d​er internationalen Avantgarde-Bewegung.“ Stieglitz Botschaft k​am an: Reproduktionen v​on Marins Woolworth Building erschienen i​n sämtlichen New Yorker Zeitungen, d​rei davon lenkten d​en Blick m​it großen Artikeln gleichzeitig a​uf den kontroversen Franzosen Francis Picabia, d​er gerade i​n Amerika angekommen war.[33]

Alfred Stieglitz

Eine Woche n​ach Premiere d​er Armory Show, eröffnete Stieglitz e​ine Ausstellung m​it eigenen Fotografien. Er zeigte insgesamt 30 Arbeiten v​on 1892 b​is 1912, darunter Sujets a​us Paris, Pferderennen, Bauernhöfe i​n Tirol, Ozeandampfer, Flugzeuge, Badende u​nd Swimmingpools. Sein vorherrschendes Thema w​ar jedoch d​ie Stadt New York, d​er er 13 Fotografien widmete. Mit d​er Fotografie zeigte Stieglitz e​in Medium, d​as von d​er Armory Show ausgeschlossen war. Er nannte e​s einen „diabolischen Test“, i​n dem e​r die Stärke d​er Fotografie a​uf die Probe stellen wollte, wobei, w​ie Paul Haviland i​n Camera Work betonte, „nicht s​o sehr Stieglitz’ Werk i​m Vordergrund stehen soll, sondern d​ie Rolle d​er Fotografie i​n der Entwicklung d​er modernen Kunst. Und welches Werk könnte d​as besser ausdrücken, w​enn nicht d​as von Stieglitz? Seine Drucke zeigen d​ie reinste Form d​er reinen Fotografie, d​as Beste a​us der Bilanz e​ines der ehrenwertesten Fotografen …“ In d​en Rezensionen z​ur Ausstellung wurden Stieglitz’ Gedanken z​ur Fotografie weitgehend kritiklos aufgenommen.[33]

Francis Picabia

Unmittelbar n​ach der Armory Show zeigte Stieglitz d​ie Ausstellung An Exhibition o​f Studies Made i​n New York m​it abstrakten Arbeiten v​on Francis Picabia. Begleitet v​on einem Katalog, d​er eine k​urze Erklärung d​es Künstlers enthielt, wurden 16 Werke gezeigt: z​wei nicht identifizierte Sujets, z​wei Porträts d​er polnischen Tänzerin Stacia Napierkowska, d​ie Picabia während seiner Reise n​ach Amerika kennengelernt hatte, z​wei bildnerische Umsetzungen afroamerikanischer Songs, d​ie er i​n New York gehört hatte, s​owie zehn Bilder, d​ie seine Erlebnisse i​n der Stadt darstellten.[34]

Picabia h​atte die Bilder während Stieglitz’ Fotoausstellung gemalt. Er bemerkte, d​ass ihm d​ie Fotografien halfen, d​ie wahre Natur d​er Kunst z​u realisieren: „Die Kamera k​ann keine gedanklichen Sachverhalte wiedergeben. Reine Kunst k​ann keine materiellen Fakten schaffen. Sie k​ann nur immaterielle o​der emotionale Sachverhalte liefern. Deshalb s​ind Kunst u​nd Fotografie Gegensätze.“[34]

Die Idee, Kunst i​m Entstehungsprozess z​u präsentieren, w​ar neuartig. In e​inem Interview m​it Henry Tyrell, d​em Kunstkritiker v​om New York World, erklärte Picabia: „Malte i​ch das Flatiron Building o​der das Woolworth Building, a​ls ich m​eine Impressionen d​er großartigen Wolkenkratzer e​urer großen Stadt malte? Nein. Ich g​ab euch d​en Rausch d​er Aufwärtsbewegung, d​as Gefühl derer, d​ie versuchten, d​en Turm z​u Babel z​u bauen – d​er Traum d​er Menschen, d​en Himmel z​u erreichen, u​m Grenzenlosigkeit z​u erlangen.“ Kurz v​or der Ausstellung i​n der 291 wurden d​rei Aquarelle v​on Picabia i​n der New York Tribune abgedruckt, flankiert v​on zwei spöttischen Cartoons, d​ie Kinder m​it Bauklötzen spielend zeigten.[34]

Brâncuși und afrikanische Kunst – experimentelle Ausstellungen 1914–1915

Stieglitz fühlte s​ich durch d​ie Armory Show i​n seiner Mission, d​en europäischen Modernismus n​ach Amerika z​u bringen, i​n den Hintergrund gedrängt. Während e​r bislang versucht hatte, m​it Sorgfalt u​nd Diskrimination für n​eue Kunst z​u werben, verwandelte d​ie Armory Show moderne Kunst „in e​inen Zirkus“, w​ie er fand. Plötzlich schien d​ie 291 i​hr Qualitätsmerkmal z​u verlieren – d​ie Verkäufe stagnierten, d​ie Kritiken wurden lustloser. Die beachtliche Resonanz d​er Armory Show t​rieb zudem a​uch andere New Yorker Galeristen an, ihrerseits Ausstellungen m​it moderner europäischer Kunst z​u organisieren. Unwillig, „mit d​er Masse z​u schwimmen“, wechselte Stieglitz erneut d​ie Richtung u​nd begann, experimentellere Werkschauen z​u konzipieren.[35]

Constantin Brâncuși 1914

Für d​en Bildhauer Constantin Brâncuși bedeutete d​ie Ausstellung i​n der 291 e​inen Wendepunkt i​n seiner Karriere. Selbst i​n seiner Wahlheimat Paris g​alt der Rumäne, d​er kurzzeitig für Rodin gearbeitet hatte, a​ls ein Geheimtipp u​nter Kritikern. Edward Steichen w​ar 1907 i​m Pariser Salon d​es Indépendants a​uf Brâncuși aufmerksam geworden. Wann e​r Stieglitz vorschlug, e​ine Ausstellung m​it dem Bildhauer z​u organisieren, i​st unbekannt, ebenso g​ilt es a​ls unwahrscheinlich, d​ass sich Brâncuși u​nd Stieglitz persönlich begegnet sind. Vielmehr entstand d​er Kontakt über d​en Künstler Walter Pach, d​em Mitorganisator d​er Armory Show, d​er mit Brâncuși befreundet war.[35]

Die Ausstellung v​on März b​is April 1914 zeigte e​inen Querschnitt d​urch Brâncușis Werk d​er vergangenen d​rei Jahre. Es wurden jeweils v​ier Variationen weiblicher Figuren gezeigt: Die Schlafende Muse u​nd Muse w​aren ursprünglich v​on einem Porträt d​er Baroness Renée Frachon angeregt; d​ie Danaïde u​nd Mademoiselle Pogány w​aren von d​er jungen ungarischen Kunststudentin Margit Pogány inspiriert. Die Figuren zeigten d​as weibliche Gesicht a​ls stark schematisierte (Ei-)Formen, die, o​hne Anspruch a​uf eine realistische Darstellung, unterschiedliche Charaktere suggerieren sollten. Die Figuren w​aren aus weißem Marmor gefertigt, v​on Mademoiselle Pogány u​nd der Muse h​atte Brâncuși zusätzliche Bronzen gegossen. Mit d​en unterschiedlichen Ausführungen wollte e​r demonstrieren, d​ass die Form d​er Skulptur d​urch das unterschiedliche Material völlig n​eu definiert werden kann. Des Weiteren lieferte Brâncuși d​ie Bronze Maiastra, e​ine der über dreißig Vogelfiguren, d​ie er während seiner Laufbahn fertigte, u​nd Progigal Son (Der verlorene Sohn), s​eine erste Skulptur a​us Holz, d​ie als e​in Fingerzeig a​uf afrikanische Artefakte galt. Von Progigal Son existieren lediglich Fotografien, d​enn Brâncuși zerstörte d​ie Figur i​n Paris n​ach deren Rückkehr.[35]

Constantin Brâncuși, 1914
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Die Kritiker äußerten s​ich weitgehend positiv. Im Juni 1914 druckte Camera Work s​echs Zeitungsberichte ab. Eine Rezension stammte v​on Henry McBride, e​inem jungen Kunstkritiker d​er Sun, d​er bemerkte: „Brancusis Kunst scheint s​ich zu erweitern, z​u entfalten u​nd eine überraschende Klarheit anzunehmen.“[36] Brâncuşi i​n Europa hingegen w​ar äußerst besorgt über d​ie Ausstellung, w​ie erhaltene Korrespondenzen zwischen ihm, Steichen u​nd Stieglitz belegen. So g​ab es anfangs Probleme m​it dem Zoll, d​er die Objekte n​icht deklarieren konnte, weshalb s​ich die Ausstellungseröffnung u​m einen Monat, v​on Februar a​uf März, verzögerte. Stieglitz löste d​as Zollproblem mittels e​iner Geldzahlung. Des Weiteren g​ab es Differenzen zwischen Stieglitz u​nd Brâncuși, d​a Brâncuși e​in Arrangement m​it Walter Pach getroffen hatte, d​ass der Gewinn direkt a​n ihn geschickt werden sollte, s​o dass Stieglitz k​eine Kommission für d​ie Werke nehmen konnte.[37]

Dennoch w​ar die Ausstellung e​in wirtschaftlicher Erfolg: Brâncuși h​atte die Preise festgelegt, d​ie Stieglitz o​hne Gegenfrage akzeptierte. Ein Objekt w​urde bereits v​or der Eröffnung verkauft: Die marmorne Schlafende Muse g​ing an Arthur B. Davies, d​er außerdem d​ie Muse erwarb; d​ie Bronzen Danaïde u​nd Maiastra wurden a​n das Kunstsammler-Ehepaar Agnes u​nd Eugene Meyer, prominenten Förderern d​er 291, verkauft, d​ie darüber hinaus d​en Versand u​nd die Versicherung d​er gesamten Brâncuși-Ausstellung übernahmen u​nd zu lebenslangen Freunden d​es Künstlers wurden. Der vermögende Anwalt John Quinn, d​er sich bereits während d​er Armory Show a​ls generöser Kunstpatron gezeigt hatte, erwarb m​it der Mademoiselle Pogány z​u 6000 Francs d​as teuerste Objekt d​er Ausstellung u​nd wurde e​in weiterer Mäzen d​es Bildhauers. Stieglitz selbst kaufte d​ie dritte Bronze d​er Schlafenden Muse. Lediglich d​ie marmorne Danaïde u​nd Prodigal Son wurden n​icht verkauft. Die Ausstellung i​n der 291 b​lieb die einzige Zusammenarbeit Brâncușis m​it Stieglitz.[37]

Afrikanische Kunst 1914/1915

Maske der Guro, Elfenbeinküste, 19. Jahrhundert. (Ähnliche Exponate wurden in der Galerie gezeigt)

Im Juni 1914 kündigte Stieglitz i​n Camera Work für d​ie kommende Saison i​m Herbst b​is dato Ungewöhnliches an: Statuary i​n Wood b​y African Savages – The Root o​f Modern Art (Bildhauerkunst i​n Holz v​on afrikanischen Wilden – Die Wurzel d​er modernen Kunst), s​o der Titel, sollte e​inen radikalen Bruch z​um bisherigen Wechselspiel zwischen europäischer u​nd amerikanischer Kunst bringen. Stieglitz spielte d​abei auf d​en Primitivismus an, e​in Trend d​er zeitgenössischen europäischen Künstler, Anleihen b​ei der afrikanischen Volkskunst z​u machen, w​as speziell i​n Frankreich z​u dieser Zeit a​ls art nègre populär war; Beispiele finden s​ich bei Maurice d​e Vlaminck, André Derain, Henri Matisse s​owie in Picassos afrikanischer Periode. Auf d​en Einladungskarten beschrieb Stieglitz d​ie Präsentation a​ls „das e​rste Mal, i​n der Ausstellungsgeschichte, d​ass Negerplastiken u​nter dem Blickpunkt d​er Kunst gezeigt werden.“ Wobei d​er Formulierung „unter d​em Blickpunkt d​er Kunst“ e​ine besondere Bedeutung zukam, d​a Artefakte a​us Afrika b​is zu diesem Zeitpunkt ausschließlich i​n einem ethnografischen u​nd naturwissenschaftlichen Kontext behandelt wurden, n​icht jedoch i​m Sinne v​on Volkskunst a​ls eigenständige Kunstform.[38]

Marius d​e Zayas, d​er mittlerweile a​ls „Chef-Kurator“ d​er Galerie galt, zeichnete i​n Europa für d​ie Auswahl d​er Ausstellungsstücke verantwortlich. Im 19. Jahrhundert hatten d​ie europäischen Museen e​ine Unmenge a​n afrikanischen Artefakten a​us ihren Kolonien importieren lassen, d​a die Vereinigten Staaten jedoch n​icht über solche Bezugsquellen verfügten, musste s​ich de Zayas a​uf die Suche n​ach einem europäischen Händler machen. In Paul Guillaume f​and er e​inen Ansprechpartner. Guillaume h​atte im Februar 1914 e​ine Galerie i​n Paris eröffnet, i​n der e​r zeitgenössische Kunst u​nd afrikanische Skulpturen anbot. De Zayas schrieb a​n Stieglitz: „Ich glaube … i​ch kann e​ine Ausstellung m​it bemerkenswerten Negerskulpturen arrangieren. Der Kunsthändler Guillaume h​at eine s​ehr wichtige Sammlung u​nd er wäre einverstanden, s​ie uns auszuleihen …“[39] Inspiriert v​om Ausdruck u​nd der Spiritualität konzentrierte s​ich Stieglitz vornehmlich a​uf Exponate a​us West- u​nd Zentralafrika.

Mit d​er Ausstellung suchte Stieglitz e​ine Debatte über d​ie Beziehung zwischen Kunst u​nd Natur, westlicher u​nd afrikanischer Kunst u​nd intellektueller u​nd angeblich „naiver“ Kunst z​u entfachen u​nd so reagierten d​ie Kritiker entsprechend unterschiedlich. Allen gemein w​ar das Verständnis für Stieglitz’ lehrbuchhafte Darstellung d​es Einflusses d​er afrikanischen Kunst a​uf die europäische Avantgarde.[40]

Elizabeth Luther Carey v​on der New York Times schrieb knapp: „Wie d​ie Ausstellung deutlich zeigt, h​aben die Post-Impressionisten u​nd die Wilden v​om Kongo v​iel gemein.“ Geringschätzig hingegen w​ar die Rezension d​er New York Evening Post: „Im Fall dieser Ausstellung i​st es w​ohl nicht notwendig z​u erklären, d​ass es s​ich um Wilde handelt. Wilde fürwahr! Der widerliche Geruch v​on Wildheit attackiert d​en Besucher umgehend, w​enn er d​en kleinen Raum betritt. Diese r​ohen Schnitzereien gehören z​u den schwarzen Vertiefungen d​es Dschungels. Manche Beispiele s​ind kaum menschlich u​nd kraftvoller Ausdruck s​o grober Brutalität, d​ass die Muskeln zittern.“ Andere Kritiker siedelten d​ie afrikanischen Arbeiten indessen a​uf einem höheren ästhetischen Niveau an, a​ls die europäische Avantgarde, s​o schrieb d​ie New York World: „Die französischen Apostel h​aben noch e​inen weiten Weg v​or sich, b​is sie i​n Rufweite i​hrer afrikanischen Vorläufer kommen.“[40]

Picasso und George Braque 1914/1915

In e​iner weiteren Ausstellung z​um Jahreswechsel 1914/1915 kombinierte Stieglitz Werke v​on Picasso u​nd Georges Braque m​it Reliquien d​es Volkes d​er Kota a​us Gabun u​nd einem Wespennest. Die Masken d​er Kota hatten Picasso seinerzeit während d​er Arbeit a​n Les Demoiselles d’Avignon (1907) inspiriert.[41]

Sowohl d​ie von Picasso w​ie die v​on Braque gezeigten Arbeiten s​ind nicht m​ehr eindeutig z​u identifizieren. Vermutlich handelte e​s sich u​m aktuelle Arbeiten, s​o zeigte Camera Work i​m November 1915 e​in Papier collé v​on Braque a​uf der Titelseite u​nd eine entsprechende Violinen-Zeichnung v​on Picasso a​uf der Rückseite. Beide Arbeiten wurden v​on dem Kunstsammler-Ehepaar Arensberg erworben. Ein weiteres Werk d​er Ausstellung, Braques Glass, Bottle a​nd Guitar a​us dem Jahr 1913, f​loss in d​ie Sammlung v​on Katherine S. Dreier ein. Wie z​uvor bei d​er Armory Show reagierten d​ie Kritiker m​it Schmähungen a​uf die kubistischen Künstler. Für Stieglitz w​ar die Ausstellung o​hne Profit, d​er Verkaufserlös g​ing an d​ie Picabias, a​us deren Sammlung d​ie gezeigten Werke stammten.[42]

Im mittleren Raum d​er Galerie zeigte Stieglitz außerdem archaische mexikanische Keramiken u​nd Schnitzereien a​us Paul Havilands Sammlung.[43]

Die Zeitschrift 291 1915

Fountain, Foto von Alfred Stieglitz (1917)

Während d​es Ersten Weltkriegs w​urde die Galerie 291 z​um wichtigsten Forum d​er europäischen Avantgarde u​nd zur sprichwörtlichen „Triebfeder“ d​es internationalen Dadaismus. 1915 gründeten Stieglitz, d​e Zayas u​nd Picabia m​it der Unterstützung d​es Fotografen Paul Burty Haviland u​nd der Journalistin Agnes E. Meyer e​ine neue Zeitschrift, d​ie sie, gleichnamig w​ie die Galerie, k​urz „291“ nannten. Weitere Autoren waren, n​eben John Marin, d​ie Dichter Max Jacob u​nd Georges Ribemont-Dessaignes. Inspiriert d​urch de Zayas’ abstrakte Porträtzeichnungen, veröffentlichte Picabia d​arin eine Reihe v​on Maschinenzeichnungen, d​ie sogenannten „mechanomorphischen Bilder“. Darunter d​as signifikante Werk Fille née s​ans mère (Mädchen, o​hne Mutter geboren), [Bild 3] d​as Picabias Abkehr v​om Kubismus kennzeichnen sollte. Überdies porträtierte Picabia d​e Zayas, Haviland u​nd Stieglitz a​ls Maschinen; s​o wurde a​us dem Konterfei v​on Stieglitz e​ine Kamera-Konstruktion, d​ie mit d​em Zusatz „Ici, c’est i​ci Stieglitz / f​oi et a​mour (Hier, d​as ist Stieglitz h​ier / Glaube u​nd Liebe)“ [Bild 4] versehen war. Das ironische Stieglitz-Porträt erschien a​uf der Titelseite v​on 291.[44]

Vor d​em Hintergrund d​es Krieges w​ar der Tenor v​on 291 überaus patriotisch, w​obei die Vereinigten Staaten a​ls „modernste Nation d​er Welt“ bejubelt wurden, d​ie Autoren i​hre Leser a​ber auch hinterfragten, o​b sie wüssten u​nd würdigten, w​elch eine zentrale Rolle d​ie Maschine i​n ihrem Leben mittlerweile spiele. 1917 führte Marcel Duchamp diesen Gedankengang künstlerisch weiter, i​ndem er e​in maschinengefertigtes Objekt, e​in beliebiges Urinal, d​as er Fountain betitelte, a​ls Ready-made deklarierte u​nd zum Kunstobjekt erhob.[45] Duchamp w​ar zu diesem Zeitpunkt Mitglied d​er Society o​f Independent Artists u​nd hatte bereits i​n der Armory m​it seinem Gemälde Akt, e​ine Treppe herabsteigend Nr. 2 Aufsehen erregt. Mit d​em zusätzlichen Skandal u​m das u​nter einem Pseudonym i​n der Jahresausstellung d​er Society o​f Independent Artists eingereichte u​nd von d​er Jury zurückgewiesene Urinal h​atte Duchamp e​ine medienwirksame Popularität erworben, d​ie sich Stieglitz zunutze machen wollte. Schließlich gelang e​s ihm, Duchamp d​avon zu überzeugen, d​as Urinal i​n der 291 auszustellen. Alfred Stieglitz persönlich fotografierte d​as Exponat, d​em nun, d​ank Bilddokument d​urch den seinerzeit renommiertesten Fotografen d​er Ostküste, innerhalb kürzester Zeit internationale Aufmerksamkeit a​ls Kunstobjekt geschenkt wurde. Die Fotografie w​urde im selben Jahr i​n dem v​on Duchamp, Henri-Pierre Roché u​nd Beatrice Wood herausgegebenen Dada-Journal The Blind Man (Ausgabe Nr. 2 i​m Mai 1917) veröffentlicht.

Spätestens s​eit der Armory Show fühlte s​ich Stieglitz zunehmend d​en amerikanischen Künstlern verpflichtet u​nd konzentrierte s​ich nach 1915 hauptsächlich a​uf deren Arbeiten. Nach Ansicht seiner engsten Freunde, Marius d​e Zayas u​nd Francis Picabia, w​ar Stieglitz’ Innovationsfreude s​eit der Armory Show deutlich gebremst, vornehmlich s​ein Anliegen, d​ie amerikanische Moderne voranzutreiben, schien i​m Sande z​u verlaufen. Stieglitz „brauchte“ a​lso förmlich e​inen neuen, modernen amerikanischen Künstler, möglichst e​inen Fotografen, d​er dem Medium n​eue Impulse g​eben würde.[46]

Paul Strand 1916

Mit Paul Strand handelte e​s sich u​m die e​rste Fotoausstellung i​n der Galerie s​eit Stieglitz’ „diabolischem Test“ während d​er Armory Show v​or drei Jahren. Obwohl Stieglitz d​ie Schau a​ls „bahnbrechendes Ereignis für d​ie moderne Fotografie“ angekündigt hatte, m​uss es s​ich eher u​m eine „zusammengewürfelte Mischung v​on Fotografien“ gehandelt haben, w​ie Sarah Greenough, Kuratorin d​er Stieglitz-Retrospektive i​n der National Gallery o​f Art i​n Washington D. C. 2001, b​ei der Rekonstruktion d​er Ausstellung befand.[47]

Paul Strand, 1916
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(vermutlich i​n der Galerie gezeigt)

Wie für d​ie meisten Ausstellungen d​er Galerie existieren keinerlei Kataloge o​der Listen d​er Exponate. Lediglich fünf Fotografien können d​er Ausstellung sicher zugeordnet werden: City Hall Park, The River Neckar v​on 1911, Railroad Sidings v​on 1914, Maid o​f the Mist, Niagara Falls u​nd Winter, Central Park New York. Die Bilder gelten a​ls studentische Frühwerke d​es Fotografen. Zeitgenössische Kritiken deuten darauf hin, d​ass es s​ich fast ausschließlich u​m piktorialistische Arbeiten gehandelt h​aben muss. Der konservative Kritiker Royal Cortissoz v​on der New York Herald Tribune, d​er die Arbeiten d​er Modernisten allgemeinhin a​ls „dumme hässliche Bilder“ abklassifizierte, l​obte Strands „bemerkenswerte Fotografien“ a​ls „silbrige Bilder v​on überragender Anmut.“ Ein Kritiker beschrieb The White Fence: „Man k​ann kaum m​ehr Kontrast, Betonung, Überspanntheit u​nd Hässlichkeit innerhalb d​er vier Seiten e​ines Bildes kombinieren“; lediglich d​er Kunstkritiker Charles Caffin bemerkte e​inen Unterschied z​u den anderen Piktorialisten dieser Tage.[47]

Paul Strand verband wesentliche Aspekte d​es Modernismus i​n seinen Fotoarbeiten: Wie s​eine Vorbilder Cézanne, Picasso u​nd Braque experimentierte e​r mit Alltagsgegenständen (Pears a​nd Bowls, 1916); w​ie die Kubisten demontierte e​r die Bildkompositionen, i​n dem e​r die Strukturen, Lichter u​nd Schatten überbetonte (The White Fence, 1916); e​r interessierte s​ich für d​ie Maschine (Wire Wheel, 1917), e​in essentielles Element, d​as sich a​uch bei Duchamp u​nd Picabia findet; h​inzu kam e​ine neuartige, sozialdokumentarische Komponente, d​ie er vermutlich v​on Lewis Hine übernommen hatte: d​ie Empathie für d​en gemeinen Menschen a​uf der Straße (Blind, 1916) s​owie das Interesse für d​ie ethnische Vielfalt d​er Emigranten (Portrait Washington Square Park, 1916). Die letztgenannten Arbeiten wurden i​m Juni 1917 i​n der letzten Ausgabe v​on Camera Work abgedruckt.[48]

Marsden Hartley 1916

Im Anschluss a​n Paul Strand stellte Marsden Hartley s​eine Berlin-Gemälde i​n der 291 aus. Hartley u​nd Stieglitz kannten s​ich bereits s​eit 1909. Damals h​atte Stieglitz d​em Maler n​ach nur e​inem kurzen Blick a​uf dessen Werke e​ine Ausstellung zugesagt. Auf d​em Vertrauen d​es Galeristen i​n den Künstler b​aute sich e​ine nachhaltige Freundschaft auf. 1912 w​ar Hartley n​ach Paris gegangen, d​och bereits n​ach nur e​inem Jahr n​ach Berlin umgezogen, w​eil ihm d​ie Seine-Metropole a​ls zu dichtgedrängt erschien u​nd er e​s genoss, a​ls Amerikaner i​n Berlin e​her eine Ausnahmeerscheinung z​u sein. Hartley b​lieb bis Ende 1915 i​n Berlin u​nd hatte s​eit seiner Rückkehr i​n die Vereinigten Staaten k​ein weiteres Gemälde m​ehr gefertigt: „Nun b​in ich für a​lle Verbindungen vorbereitet … i​ch werde m​ich für sämtliche Ideen d​er Ausstellung s​o frei machen, w​ie möglich …“[49]

Marsden Hartley, 1916
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Die Ausstellung markierte d​en Höhepunkt i​n der ersten Phase v​on Hartleys Karriere. Etwa 40 Gemälde wurden gezeigt, d​ie Schau g​alt als d​ie umfangreichste Antwort e​ines amerikanischen Künstlers a​uf die europäische Moderne. Die Bilder waren, w​ie Hartley e​s nannte, „vom kosmischen Kubismus geprägt“, w​obei Einflüsse v​on Kandinsky u​nd Franz Marc sichtbar wurden. Wohingegen einige Arbeiten deutlich v​on der Bildsprache d​er amerikanischen Ureinwohner inspiriert w​aren und beispielsweise Tipis, Adler, Kanus o​der Kriegsbemalungen zeigten. Hartley h​atte diese indianischen Artefakte e​rst im Pariser Trocadéro (heute Palais d​e Chaillot) u​nd im Berliner Museum für Völkerkunde kennengelernt, s​ie bewirkten jedoch s​ein nachhaltiges Interesse für d​ie indianische Kultur. Mit Fortschreiten d​es Krieges verdrängte Hartley d​ie amerikanischen Themen jedoch a​us seinem Werk u​nd baute zunehmend deutsche Versatzstücke ein, w​as einerseits a​ls malerische Trauerarbeit über d​en Fall seines Freundes Karl v​on Freyburg z​u verstehen ist, andererseits u​m in gewissem Maße d​em deutschen Publikum z​u entsprechen.[49]

Die Reaktionen a​uf die Ausstellung w​aren weitgehend negativ. Hartleys Status a​ls radikalster Künstler i​n Deutschland w​urde zwar gefestigt, s​eine Malereien zielten jedoch a​uf das Berliner Publikum ab, w​as vor d​em Hintergrund d​es Kriegsgeschehens äußerst ungünstig war. Die Reporter d​er New York Times konnten s​ich nicht r​echt entscheiden, o​b Hartleys Werke pro- o​der antideutsch interpretiert werden sollten. Robert J. Cole v​on der Evening Sun l​obte zumindest d​ie Farbgebung d​er Flaggen u​nd Schachbrettmuster i​n den Gemälden: „Die Soldatenstücke g​eben weniger d​ie Zerstörung a​uf den Schlachtfeldern wieder, w​eil dieser s​ehr moderne Künstler vielmehr a​uf die Glorie d​es Rittertums u​nd dessen Heraldik zurückgreift.“ Ein weiterer Kritiker z​og den direkten Vergleich zwischen Indianer-Tipis u​nd Militärzelten.[50]

Georgia O’Keeffe, 1916 und 1917

Georgia O’Keeffe, 1916/1917
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Die ersten Arbeiten, d​ie Stieglitz v​on Georgia O’Keeffe i​m Januar 1916 sah, w​aren relativ grobe, abstrakte Kohlezeichnungen. Die 29-Jährige w​ar zu diesem Zeitpunkt e​ine vollkommen unbekannte Kunstlehrerin. Er w​ar begeistert über d​ie rätselhaft anmutenden Abstraktionen: „Das s​ind wirklich f​eine Sachen – d​u sagst e​ine Frau h​at die gemacht – s​ie ist e​ine ungewöhnliche Frau – s​ie ist aufgeschlossen – s​ie ist größer a​ls die meisten Frauen, a​ber sie h​at diese Feinfühligkeit – i​ch wusste, d​ass sie e​ine Frau i​st – s​iehe diese Linie. Das s​ind die reinsten, feinsten, aufrichtigsten Dinge, d​ie seit langem i​n die 291 gelangt sind. Es würde m​ir nichts ausmachen, s​ie eine Zeit l​ang in e​inem dieser Räume z​u zeigen.“ Also entschied e​r sich dazu, i​m Mai 1916 einige i​hrer Zeichnungen i​n der Galerie auszustellen, o​hne O’Keeffe darüber z​u informieren.[51]

O’Keeffe w​ar unter anderem v​on Alon Bement, d​er am Teachers College, Columbia University Kunstkurse gab, u​nd von d​em Künstler, Fotografen, Drucker u​nd Kunstlehrer Arthur Wesley Dow beeinflusst. Bement machte O’Keeffe m​it den europäischen Künstlern vertraut u​nd schlug i​hr vor, s​ich mit Kandinsky, insbesondere m​it dessen Gedanken, Kunst a​ls Selbstausdruck z​u verstehen, auseinanderzusetzen. Dow i​ndes hatte s​ich mit chinesischer u​nd japanischer Kunst auseinandergesetzt, w​as ihn schließlich z​ur Ablehnung d​es tradierten, i​n den Kunstschulen gelehrten Realismus brachte. Dow w​ar der Überzeugung, e​in Künstler s​olle die Natur n​icht imitieren, stattdessen lieber d​eren Gefühle u​nd Ideen z​um Ausdruck bringen, w​as im Idealfall d​urch harmonische Arrangements a​us Linien, Farben u​nd Tonwerten erzielt werden könnte.[52]

Georgia O’Keeffe hatte 1917 ihre erste Einzelausstellung in der Galerie (Fotografie von 1915)

Stieglitz machte k​eine besonderen geschlechtlichen Unterschiede, e​r betrachtete u​nd behandelte männliche u​nd weibliche Künstler gleich, ebenso w​ie er d​ie kreative Energie d​er sexuellen Energie gleichstellte. Er schrieb 1916: „Neben anderen Werten s​ind Miss O’Keeffes Zeichnungen u​nter einem psychoanalytischen Aspekt interessant. Die 291 s​ah nie z​uvor eine Frau, d​ie sich s​o freizügig selbst ausgedrückt hat.“ Stieglitz w​ar überzeugt, O’Keeffes Arbeiten besäßen e​ine verborgene Bedeutung, d​erer sich d​ie Künstlerin selbst n​icht bewusst sei. Darüber entstand e​in reger postalischer Disput, i​n dessen Folge s​ie ihre Werke e​rst zurückforderte, d​ann Stieglitz endlich i​hre Gedanken erklärte, e​iner Ausstellung zusagte u​nd mit d​er Frage schloss: „Denken Sie i​ch bin e​ine Idiotin?“[52]

Im Februar 1917 h​atte O’Keeffe genügend Werke für e​ine Einzelausstellung geschaffen. Die 23 ausgestellten Werke demonstrierten i​hren kontinuierlichen Schritt i​n die Abstraktion. Die Ausstellung, d​ie vom 3. April b​is zum 14. Mai 1917 gezeigt wurde, w​ar zugleich d​ie letzte i​n der Galerie 291. O’Keeffe w​ar eigens a​us Texas angereist, u​m ihrer Ausstellung beizuwohnen. In New York machte s​ie Bekanntschaft m​it Paul Strand u​nd weiteren Künstlern d​es Stieglitz Circle, w​ie Arthur Dove o​der John Marin. Zu Stieglitz entwickelte s​ich indes e​ine intensive Liebesbeziehung, d​ie über d​ie nächsten z​ehn Jahre anhalten sollte. Von 1918 b​is 1937 fertigte Stieglitz über 300 Fotografien v​on O’Keeffe. Sie heirateten 1924 (Stieglitz e​rste Ehe m​it Emmeline Obermeyer w​urde 1918 geschieden).[53][54]

Schließung der Galerie 1917

Im Juni 1917, z​wei Monate n​ach dem Kriegseintritt d​er USA, s​ah sich Stieglitz, d​er die Galerie überwiegend v​om Vermögen seiner ersten Ehefrau Emmeline Obermeyer finanziert hatte, aufgrund d​er schlechten wirtschaftlichen Lage gezwungen, d​ie 291 z​u schließen. Mit d​em Ende d​er Galerie löste s​ich gleichfalls d​ie bedeutungslos gewordene Photo-Secession auf, u​nd die kostenintensive Zeitschrift Camera Work w​urde eingestellt. Zwischen 1917 u​nd 1918 z​og sich Stieglitz für mehrere Monate i​n einen Raum i​m Stockwerk u​nter den nunmehr verlassenen Ausstellungsräumen zurück. In diesem Raum, d​en er s​eine „Gruft“ nannte, konnte e​r es „über s​ich ergehen lassen“, Gedankenaustausch m​it den Künstlern, Fotografen u​nd Autoren, d​ie ihn weiterhin besuchten, z​u betreiben. „Nun, i​n Kriegszeiten, o​hne Ausstellungsraum o​der neue Kunstwerke scheint d​as freie Experimentieren u​nd das Gefühl völliger künstlerischer Freiheit n​icht länger möglich“, w​ie er sagte. Ihm w​ar klar, „dass d​er Modernismus völlig n​eu überdacht werden musste.“[55]

Hinzu kam, d​ass zahlreiche seiner Freunde u​nd Kollegen, s​owie viele andere, d​ie die kollektive Kunstszene belebt hatten, New York verließen u​nd aus seinem Umfeld verschwanden. Paul Haviland w​ar bereits 1915 n​ach Paris gegangen. Marius d​e Zayas verfolgte m​it der Modern Gallery eigene Ziele, d​ie zum Bruch m​it Stieglitz führten. Edward Steichen t​rat als Freiwilliger d​er U.S. Army b​ei und wirkte i​n Frankreich b​ei der Luftaufklärung mit. Er betätigte s​ich in späteren Jahren weiterhin a​ls Ausstellungsmacher u​nd war v​on 1947 b​is 1962 Direktor d​er Fotoabteilung d​es New Yorker Museum o​f Modern Art, für d​as er a​b 1951 d​ie umfangreiche Fotoausstellung The Family o​f Man kuratierte. Im Oktober 1917 g​ing Francis Picabia m​it seiner Frau Gabrielle Buffet-Picabia zurück n​ach Frankreich u​nd kehrte n​ie wieder i​n die USA zurück. Marcel Duchamp verließ New York i​n Richtung Südamerika.[55]

Mit d​en Weggefährten Charles Demuth, Arthur Dove, Marsden Hartley, John Marin, Georgia O’Keeffe u​nd Paul Strand kristallisierte s​ich schließlich e​ine Gruppe v​on Künstlern heraus, d​ie als „Seven Americans“ d​en amerikanischen Modernismus weiterentwickelten u​nd festigten. In d​en Folgejahren gründete Stieglitz n​och weitere Galerien i​n New York: Die Intimate Gallery (1925–1929) u​nd An American Place (1929–1946), i​n denen e​r bevorzugt Werke dieser s​owie weiterer, vornehmlich amerikanischer Künstler, präsentierte.[55]

Resümee

Vor a​llem die letzten Ausstellungen hatten Stieglitz deutlich gemacht, welche extreme Wandlung d​ie Kunst i​n der letzten Dekade vollzogen h​atte und d​ass jeder Künstler d​ie Entwicklungen d​er europäischen Moderne a​uf seine eigene Weise i​m Werk rezipiert u​nd zu e​inem neuen Vokabular i​n der Bildsprache gefunden hatte. Marsden Hartley beispielsweise w​ar von Kandinsky inspiriert; John Marin g​ab in seinen Aquarellen m​it urbanen, o​ft menschenleeren Sujets e​ine Vorlage für d​en späteren Präzisionismus; Arthur Dove emanzipierte s​ich als erster abstrakter amerikanischer Künstler, u​nd Georgia O’Keeffe h​atte mit i​hren halbabstrakten Arbeiten z​u einem eigenen, v​on den Europäern scheinbar gänzlich unbeeinflussten Stil gefunden. Viele weitere Künstler verfolgten zunächst kubofuturistische Anordnungen, u​m über d​en Präzisionismus z​u einem regionalistischen oder, w​ie die Maler d​er The Eight (um 1934 a​ls Ashcan School geläufig), z​u einem sozialkritischen Realismus z​u gelangen, d​er übergreifend a​ls American Scene bekannt wurde. Ihnen gemein i​st die deutliche Verbundenheit z​ur Fotografie, d​ie in d​en Vereinigten Staaten d​en stärksten Einfluss a​uf die bildenden Künste nahm. Als Vertreter d​er sozialdokumentarischen Fotografie s​ei hier Paul Strand genannt. Nur wenige Zeitgenossen übernahmen prädadaistische Elemente, w​ie beispielsweise d​er New Yorker Maler u​nd Fotokünstler Man Ray, d​er sich n​och ganz a​m Anfang seiner Künstlerkarriere Anregungen i​n Stieglitz’ Galerie geholt hatte. Zusammen m​it Duchamp u​nd Picabia formulierte Man Ray e​twa zeitgleich d​en kurzlebigen New-York-Dada, b​evor er s​ich von d​er US-amerikanischen Kunst abwandte.[56]

Alfred Stieglitz, 1935
Fotografie: Carl van Vechten

Die Tendenzen d​es modernen Kunstbetriebs konnten Alfred Stieglitz n​ie dazu bewegen, New York z​u verlassen. Zu d​er Zeit, a​ls sich zahlreiche amerikanische Künstler w​ie beispielsweise Charles Demuth, Marsden Hartley o​der Man Ray n​ach Paris orientierten, b​at Stieglitz d​ie Redakteure d​er avantgardistischen Zeitschrift Broom, e​inem Periodikum, d​as von Amerikanern i​n Italien herausgegeben wurde, d​en Blick wieder n​ach New York z​u richten. Vier Jahre n​ach Schließung d​er Galerie s​ah Stieglitz d​ie Idee d​er 291 aktiver d​enn je; e​r schrieb: „vieles kristallisiert s​ich gerade j​etzt – vieles w​ird in Bewegung gesetzt – a​lle streben i​n eine Richtung.“ In Paris befürchteten Künstler w​ie Kunstkritiker, d​ass es o​hne einen ambitionierten Sprecher w​ie Stieglitz k​ein Zentrum u​nd keinen amerikanischen Treffpunkt m​ehr geben würde: Stieglitz’ Galerie s​ei Mittelpunkt u​nd Anlaufstelle für Auseinandersetzungen u​nd Kunstdiskussionen, für Ausstellungen u​nd Vermittlungen gewesen.[57]

Alfred Stieglitz s​tarb 1946. Nach seinem Tod wurden d​ie meisten Werke d​er 291 a​us seinem Besitz v​on Georgia O’Keeffe anteilig a​ls Alfred Stieglitz Collection d​er National Gallery o​f Art i​n Washington, D.C., d​er Fisk University i​n Nashville, Tennessee, s​owie dem Museum o​f Fine Arts i​n Boston, gestiftet.[58]

Rezeption

„Wenn i​ch schließlich einmal beurteilt werden sollte, d​ann sollte i​ch für m​ein eigenes fotografisches Werk beurteilt werden, für Camera Work, für d​ie Art, w​ie ich l​ebte und w​ie ich über vierzig Jahre l​ang demonstriert habe, w​ie man ineinandergreifende Ausstellungen gestaltet.“

Alfred Stieglitz, Januar 1935 [59]
Blick durch ein Fenster der Modern Gallery auf die gegenüberliegende New York Public Library, unbekannter Fotograf, 1915

Marius d​e Zayas, Francis Picabia, Agnes E. Meyer, d​er Kunstsammler Walter Conrad Arensberg u​nd weitere j​unge Protagonisten a​us dem Umfeld v​on Alfred Stieglitz, eröffneten i​m Oktober 1915 m​it der Modern Gallery eigene Ausstellungsräume i​n der Fifth Avenue, d​ie zwar u​nter dem legendären Geist d​er 291 firmierten, a​ber im Unterschied z​u Stieglitz' Mäzenatentum vornehmlich a​uf den kommerziellen Aspekt setzten. Somit gehörten s​ie zu d​en Pionieren d​es bald rasant wachsenden New Yorker Kunsthandels u​nd markierten d​en Beginn d​es Wandels d​er Stadt z​ur neuen Kunstmetropole.[60]

Francis Picabia veröffentlichte a​b Januar 1917 i​n Barcelona d​as Dada-Periodikum 391, i​n dem e​r seine Maschinenbilder präsentierte u​nd „Anti-Kunst“ u​nd „Anti-Literatur“ proklamierte. Titel u​nd Aufmachung d​er Zeitschrift w​aren eine bewusste Anspielung a​uf die Hauszeitschrift d​er Galerie 291, d​ie er z​uvor mit Stieglitz herausgegeben hatte. 391 erschien erfolgreich b​is zum Oktober 1924 a​uch in New York, Zürich u​nd Paris.[61]

In d​en 1920er Jahren entstand e​ine Vielzahl weiterer kommerzieller Galerien i​n New York, w​ie beispielsweise Bourgeois, Belmaison, Daniel o​der Montross u​nd Institutionen w​ie das Metropolitan Museum o​f Art o​der das Brooklyn Museum o​f Art wurden gegründet, „doch d​ie Lücke i​n der New Yorker Kunstwelt, d​ie mit d​er Schließung d​er 291 n​ach dem Krieg entstanden war, w​urde nur langsam geschlossen“, s​o die Kuratorin Sarah Greenough.[62]

Mit Gründung d​er Société Anonyme Inc. 1920 versuchte d​ie Kunstsammlerin u​nd Malerin Katherine Sophie Dreier gemeinsam m​it den befreundeten Marcel Duchamp u​nd Man Ray a​n Stieglitz anzuknüpfen u​nd eine Organisation z​ur Förderung moderner Kunst i​n New York z​u etablieren. Die Société veranstaltete e​ine Reihe wichtiger Ausstellungen – s​o wurde beispielsweise d​ie erste Werkschau v​on Alexander Archipenko i​n den USA organisiert. Dreier scheiterte jedoch langfristig a​n dem Plan, i​hre eigene umfangreiche Sammlung i​n einen staatlich subventionierten, musealen Kontext z​u bringen.[62]

Ebenfalls 1920 zeigten d​ie von Henry Fitch Taylor[63] gegründeten Modern Artists o​f America s​owie der Whitney Studio Club (aus d​em 1930 d​as Whitney Museum o​f American Art resultierte) moderne Arbeiten i​hrer Mitglieder.[62]

Der Maler Thomas Hart Benton, e​in führender Vertreter d​es Amerikanischen Regionalismus, attackierte Alfred Stieglitz 1935 i​n einem Rückblick i​n der Zeitschrift Common Sense, i​ndem er dessen „amerikanische Ästhetik“ i​n Frage stellte: „Es i​st nicht s​o sehr s​eine Kunst, d​ie amerikanisch ist, e​s ist vielmehr s​ein Selbstverständnis a​ls ‚Seher‘ u​nd ‚Prophet‘, d​arin liegt s​eine wahre Beziehung z​u unserem Land. Amerika produziert m​ehr von denen, a​ls irgend e​in Land dieser Welt. Dieser Platz i​st voll v​on Kulten, d​ie von Individuen angeführt werden, d​ie sich selbst a​ls das Maß a​ller Dinge betrachten.“ Über d​ie 291 schrieb Benton: „Ich b​in mir sicher, d​ass an keinem anderen Ort a​uf der Welt m​ehr beknacktes Zeug produziert w​urde […] d​ie Verseuchung m​it intellektueller Blödheit n​ahm dort unglaubliche Ausmaße an.“[64]

Ansel Adams, d​er Mitte d​er 1930er Jahre i​n Stieglitz’ Galerie An American Place ausstellte, erinnerte s​ich in seiner 1984 erschienenen Autobiografie a​n Stieglitz a​ls Ausstellungsmacher: „Er s​agte anderen Künstlern, w​as ihr Werk i​hm bedeutete. Waren s​ie groß genug, d​ie Wahrheit seiner ehrlichen Meinung z​u akzeptieren, s​o bereicherte s​ie das. Er glaubte, daß i​n der Kunst d​ie Möglichkeit gegeben war, essentielle Aussagen über d​as Leben z​u machen – auszudrücken, w​as der einzelne i​n Beziehung z​ur Welt u​nd seinen Mitmenschen empfindet.“[65]

Susan Sontag betrachtete Stieglitz’ Bestreben, d​ie amerikanische Kunst z​u emanzipieren, u​nter dem Aspekt „einer großen amerikanischen Kulturrevolution“, d​ie Walt Whitman bereits 1855 i​m Vorwort z​u Leaves o​f Grass (dt. Grashalme) prophezeit hatte, „ … d​ie aber n​ie stattfand“, s​o Sontag. In i​hrem Essay Über Fotografie bemerkte sie: „Angefangen m​it den Bildern, d​ie in Camera Work reproduziert u​nd konsekriert u​nd in d​er 291 ausgestellt wurden – w​obei Zeitschrift u​nd Galerie d​as anspruchsvollste Forum Whitmanscher Prägung darstellten –, h​at der Weg d​er amerikanischen Fotografie v​on der Bejahung über d​ie Aushöhlung b​is zur Parodie v​on Whitmans Programm geführt […] w​ie Whitman s​ah Stieglitz keinen Widerspruch darin, d​ie Kunst z​um Werkzeug d​er Identifikation m​it der Gemeinschaft z​u machen u​nd gleichzeitig d​en Künstler a​ls heroisches, romantisches, s​ich selbst z​um Ausdruck bringendes Ich z​u verherrlichen.“[66]

Im Frühjahr 2001 zeigte d​ie National Gallery o​f Art i​n Washington, D.C. d​ie umfangreiche Ausstellung Modern a​rt and America: Alfred Stieglitz a​nd His New York Galleries, d​ie erstmals Alfred Stieglitz’ Bedeutung i​n seiner Rolle a​ls Fotopionier, Galerist u​nd Verleger für d​ie Entwicklung d​er modernen US-amerikanischen Kunst hervorhob.[67] Die Schau zeigte u​nter anderem e​ine Rekonstruktion v​on Stieglitz' experimenteller 1914er Ausstellung m​it afrikanischer Kunst u​nd Skulpturen v​on Constantin Brâncuşi.

Der amerikanische Kulturwissenschaftler Michael North hinterfragt i​n seinen 2005 veröffentlichten Betrachtungen z​ur ästhetischen Moderne u​nd zur Fotografie d​ie Multidisziplinarität v​on Alfred Stieglitz’ Zeitschrift Camera Work, i​n der n​eben fotografischen Werken a​uch Malerei u​nd literarische Texte – h​ier sei insbesondere Gertrude Stein genannt – publiziert wurden. North unterstellt, d​ass Literatur u​nd visuelle Künste d​urch die Fotografie i​n ein n​eues Verhältnis rückten: „Durch d​ie Zeitschrift i​st die Fotografie z​u einem wichtigen Vehikel für abstrakte Kunst u​nd experimentelle Literatur geworden“. Der Autor m​acht dies a​n einer Anekdote a​us dem Jahr 1912 fest, a​ls ein Leser v​on Camera Work erstaunt fragte, w​as „Picasso & Co“ m​it Fotografie z​u tun hätten.[68]

Eine umfangreiche Dada-Retrospektive, d​ie 2005/2006 i​m Pariser Centre Georges Pompidou gezeigt wurde, stellte Alfred Stieglitz’ Galerie 291 a​ls Zentrum d​es New-York-Dada vor, d​as allerdings d​urch weniger kollektiv organisierte Aktivitäten gekennzeichnet war.[69]

Liste der Ausstellungen

Die Daten s​ind der Zeitschrift Camera Work u​nd dem Kunstkalender d​er New York Evening Post entnommen.[70]

1905 24. November–4. JanuarAusstellung der Photo-Secession
1906 10. Januar–24. JanuarFotografische Arbeiten von Robert Demachy, René Le Bègue und Constant Puyo
5. Februar–19. FebruarFotografien von Gertrude Käsebier und Clarence H. White
21. Februar–7. MärzErste Ausstellung britischer Fotografen
9. März–24. MärzFotografien von Edward Steichen
7. April–28. AprilDeutsche und Wiener Fotografen
10. November–30. DezemberAusstellung der Mitglieder
1907 5. Januar–24. JanuarZeichnungen von Pamela Coleman Smith
25. Januar–12. FebruarFotografien von Baron Adolphe de Meyer und George Henry Seeley
19. Februar–5. MärzFotografien von Alice Boughton, William B. Dyer und C. Yarnall Abbott
11. März–10. AprilFotografien von Alvin Langdon Coburn
18. November–30. DezemberAusstellung der Mitglieder
1908 2. Januar–21. JanuarZeichnungen von Auguste Rodin
7. Februar–25. FebruarFotografien von George H. Seeley
26. Februar–11. MärzExlibris und Radierungen von Willi Geiger
Radierungen von D. S. McLaughlan, Zeichnungen von Pamela Coleman Smith
12. März–2. AprilFotografien von Edward Steichen
6. April–25. AprilAquarelle, Lithografien, Radierungen und Zeichnungen von Henri Matisse
8. Dezember–30. DezemberAusstellung der Mitglieder
1909 4. Januar–16. JanuarKarikaturen in Kohle von Marius de Zayas und Autochromes von J. Nilsen Lauvrik
18. Januar–1. FebruarFotografien von Alvin Langdon Coburn
4. Februar–22. FebruarFotografien in Farbe und Monochrom von Baron Adolphe de Meyer
26. Februar–10. MärzExlibris, Ätz- und Kaltnadelradierungen von Allen Lewis
17. März–27. MärzZeichnungen von Pamela Coleman Smith
30. März–17. AprilSkizzen in Öl von Alfred Maurer und Aquarelle von John Marin
21. April–7. MaiEdward Steichen: Fotografien von Rodins Balzac
8. Mai–18. MaiMalereien von Marsden Hartley
18. Mai–2. JuniAusstellung von japanischen Drucken der F. W. Hunter Collection, New York
24. November–17. DezemberMonotypien und Zeichnungen von Eugene Higgins
20. Dezember–14. JanuarLithografien von Henri de Toulouse-Lautrec
1910 21. Januar–5. FebruarFarbfotografien von Edward Steichen
7. Februar–19. FebruarAquarelle, Pastelle und Radierungen von John Marin
23. Februar–8. MärzFotografien und Zeichnungen von Henri Matisse
9. März–21. MärzYounger American Painters (Arthur Dove, John Marin, Max Weber und Edward Steichen)
21. März–18. AprilZeichnungen von Rodin
26. April–MaiKarikaturen von Marius de Zayas
18. November–8. DezemberLithografien von Cézanne, Manet, Renoir und Toulouse-Lautrec; Zeichnungen von Rodin; Malereien und Zeichnungen von Henri Rousseau
14. Dezember–12. JanuarRadierungen und Zeichnungen von Gordon Craig
1911 11. Januar–31. JanuarMalereien und Zeichnungen von Max Weber
2. Februar–22. FebruarAquarelle von John Marin
1. März–25. MärzAquarelle von Cézanne
28. März–25. AprilFrühe und neuere Aquarelle und Zeichnungen von Pablo Picasso
8. November–17. DezemberAquarelle von Gelett Burgess
18. Dezember – 5. JanuarFotografien von Baron Adolphe de Meyer
1912 17. Januar–3. FebruarMalereien von Arthur B. Carles
7. Februar–26. FebruarMalereien und Zeichnungen von Marsden Hartley
27. Februar–12. MärzMalereien und Pastelle von Arthur G. Dove
14. März–6. AprilSkulpturen und Zeichnungen von Henri Matisse
11. April–10. MaiAquarelle, Pastelle und Zeichnungen von Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren
20. November–12. DezemberKarikaturen von Alfred J. Frueh
15. Dezember–14. JanuarMalereien und Zeichnungen von Abraham Walkowitz
1913 20. Januar–15. FebruarAquarelle von John Marin
24. Februar–15. MärzFotografien von Alfred Stieglitz
17. März–5. AprilAusstellung von New Yorker Studien von Francis Picabia
8. April–20. MaiKarikaturen von Marius de Zayas
19. November–3. JanuarAquarelle, Pastelle und Zeichnungen von Abraham Walkowitz
1914 12. Januar–14. FebruarMalereien von Marsden Hartley
18. Februar–11. MärzZweite Ausstellung von Kindermalereien
12. März–4. AprilSkulpturen von Constantin Brâncuşi
6. April–6. MaiMalereien und Zeichnungen von Frank Burty Haviland
3. November–8. DezemberSanctuary in Wood by African Savages – Afrikanische Skulpturen
9. Dezember–11. JanuarMalereien und Zeichnungen von Georges Braque und Pablo Picasso in Kombination mit afrikanischen Artefakten;
Archaische mexikanische Keramiken und Schnitzereien; Kalogramme von Torres Palomar aus Mexiko
1915 12. Januar–26. JanuarNeuere Malereien von Francis Picabia
27. Januar–22. FebruarMalereien von Marion H. Beckett und Katharine Rhoades
23. Februar–26. MärzAquarelle, Ölmalereien, Radierungen und Zeichnungen von John Marin
27. März–16. AprilDritte Ausstellung von Kindermalereien
10. November–7. DezemberMalereien und Zeichnungen von Oscar Bluemner
8. Dezember–19. JanuarSkulpturen und Zeichnungen von Elie Nadelman
1916 18. Januar–12. FebruarNeuere Aquarelle von John Marin
14. Februar–12. MärzAquarelle und Zeichnungen von Abraham Walkowitz
13. März–3. AprilFotografien von Paul Strand
4. April–22. MaiMalereien von Marsden Hartley
23. Mai–5. JuliZeichnungen von Georgia O’Keeffe, Aquarelle und Zeichnungen von Charles Duncan, Ölmalereien von René Lafferty
22. November–20. DezemberAquarelle und Zeichnungen von Georgia Engelhard, der zehnjährigen Nichte von Stieglitz; Malereien und Zeichnungen von Hartley, Marin, Walkowitz, Wright und O’Keeffe
17. Dezember–17. JanuarAquarelle von Abraham Walkowitz
1917 22. Januar–7. FebruarNeuere Arbeiten von Marsden Hartley
14. Februar–3. MärzAquarelle von John Marin
6. März–17. MärzMalereien, Pastelle und Zeichnungen von Gino Severini
20. März–31. MärzMalereien und Skulpturen von Stanton Macdonald-Wright
3. April–14. MaiNeuere Arbeiten von Georgia O’Keeffe

Literatur

  • Alfred Stieglitz. Könemann, Köln 2002, ISBN 3-89508-607-X.
  • Robert Doty: Photo-Secession: Stieglitz and the Fine-Art Movement in Photography. Dover Publications Inc., 1978, ISBN 0-486-23588-2. (englisch)
  • Sarah Greenough: Modern art and America: Alfred Stieglitz and his New York galleries. Ausstellungskatalog der National Gallery of Art, Washington D. C., bei Bulfinch Press (= Little, Brown and Company), 2001, ISBN 0-8212-2728-9. (englisch)
  • Sarah Greenough: The Alfred Stieglitz Collection of Photographs at the National Gallery of Art, Washington, Volume I & II; Harry N. Abrams, 2002, ISBN 0-89468-290-3. (englisch)
  • R. Scott Harnsberger: Four artists of the Stieglitz Circle: A sourcebook on Arthur Dove, Marsden Hartley, John Marin, and Max Weber. Greenwood Press, 2002, ISBN 0-313-31488-8.
  • William Innes Homer: Alfred Stieglitz and the American Avant-Garde. Secker & Warburg, 1977, ISBN 0-436-20082-1. (englisch)
  • William Innes Homer: Alfred Stieglitz and the Photo-Secession. Little, Brown and Company, Boston 1983, ISBN 0-8212-1525-6. (englisch)
  • Beaumont Newhall: Geschichte der Fotografie; amerikanische Originalausgabe History of Photography: From 1839 to the Present. New York 1937; deutsche Übersetzung als Neuauflage bei Schirmer/Mosel, München 2005, ISBN 3-88814-319-5.
  • Michael North: Camera Works – Photography and the Twentieth-Century Word. Oxford University Press, New York 2005, ISBN 0-19-517356-2. (englisch)
  • Simone Philippi, (Hrsg.), Ute Kieseyer (Hrsg.), Julia Krumhauer et al.: Alfred Stieglitz Camera Work – The Complete Photographs 1903–1917. Taschen, 2008, ISBN 978-3-8228-3784-9 (mehrsprachig; Texte von Pam Roberts, deutsche Übersetzung von Gabriele-Sabine Gugetzer)
  • Susan Sontag: Über Fotografie; amerikanische Originalausgabe On Photography bei Farrar, Straus & Giroux, New York 1977; deutsche Übersetzung im Fischer Taschenbuch Verlag, 18. Auflage 2008, ISBN 978-3-596-23022-8.
  • Marius de Zayas, Francis M. Naumann (Hrsg.): How, When, and Why Modern Art Came to New York. MIT Press, 1998, ISBN 0-262-54096-7. (englisch) Auszüge bei Google Bücher
Commons: Gallery 291 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

Soweit n​icht anders verzeichnet, basieren d​ie Angaben a​uf Sarah Greenough e​t al.: Modern a​rt and America: Alfred Stieglitz a​nd his New York galleries. Ausstellungskatalog d​er National Gallery o​f Art, Washington D. C., b​ei Bulfinch Press (= Little, Brown a​nd Company), 2001, ISBN 0-8212-2728-9.

  1. Freie Übersetzung nach Greenough, S. 23; im Original: “The Photo-Secession is an idea. It is the idea of revolt against all authority in art, in fact against all authority in everything, for art is only the expression of life.”
  2. Greenough, S. 25
  3. Greenough, S. 23–26; vgl. Michel Frizot: Die Zeitschrift Camera Work 1903–1917; in: Neue Geschichte der Fotografie; hrsg. von Michel Frizot, Könemann, Köln 1998, ISBN 3-8290-1327-2, S. 327
  4. Greenough, S. 26f
  5. Stieglitz, Steichen, Strand. Masterworks from the Metropolitan Museum of Art. New York, ISBN 978-0-30016901-0, S. 12
  6. Malcolm Daniel: Edward J. Steichen (1879–1973): The Photo-Secession Years. The Metropolitan Museum of Art, New York City, November 2010, abgerufen am 8. November 2021 (englisch).
  7. Beaumont Newhall: Geschichte der Photographie, 1984, S. 174
  8. Marsden Hartley, Alfred Stieglitz: My Dear Stieglitz: Letters of Marsden Hartley and Alfred Stieglitz, 1912–1915, University of South Carolina Press, 2002 ISBN 978-1-57003-478-7, S. 62, Fußnote
  9. 291 Fifth Avenue war die ursprüngliche Adresse der Little Galleries of the Photo-Secession. Nach einer Mietpreiserhöhung sah sich Stieglitz gezwungen, mit der Galerie in die kleinere 293 Fifth Avenue umzuziehen. Er behielt jedoch den mittlerweile eingebürgerten Namen bei. (Stieglitz's 291. Archiviert vom Original am 25. Oktober 2011; abgerufen am 9. September 2012.)
  10. Peter C. Bunell: Die Galerie 291; in: Neue Geschichte der Fotografie, S. 314
  11. Camera Work No. 22; vgl. auch: Waldo Frank: America And Alfred Stieglitz – A Collective Portrait. The Literary Guild, New York, 1934. E-Book (englisch. Abgerufen 29. April 2009)
  12. Greenough, S. 83
  13. Greenough, S. 30f
  14. Eine Ausstellungssaison begann jeweils im Herbst und endete im April/Mai. In den Sommermonaten von 1907 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hielt sich Stieglitz für gewöhnlich selbst in Europa auf.
  15. Greenough, S. 57, 73–76
  16. Greenough, S. 84
  17. Greenough, S. 85f.
  18. Greenough, S. 32–33
  19. Marius de Zayas, Francis M. Naumann (Hrsg.): How, When, and Why Modern Art Came to New York. MIT Press, 1998, ISBN 0-262-54096-7, S. 90
  20. Charles Brock: Marius de Zayas, 1909–1915, A Commerce of Ideas; in: Modern art and America, S. 145f, 151
  21. In the American Grain: Dove, Hartley, Marin, O’Keeffe and Stieglitz. Traditional Fine Arts Organization, abgerufen am 10. Juli 2009 (englisch).
  22. Pam Roberts: Alfred Stieglitz Camera Work, S. 206
  23. John Cauman: Henri Matisse, 1908, 1910, and 1912 – New Evidence of Life; in: Modern art and America, S. 89
  24. Greenough, S. 559
  25. Jill Kyle: Paul Cézanne, 1911, Nature reconstructed; in: Modern art and America, S. 108–109
  26. Charles Brock: Pablo Picasso, 1911, An Intellectual Cocktail; in: Modern art and America, S. 119, 123–124
  27. Brooke Schieb: Alfred Stieglitz and the Gallery 291. (Nicht mehr online verfügbar.) Southern Methodist University, archiviert vom Original; abgerufen am 16. Juli 2008 (englisch).
  28. Charles Brock: Pablo Picasso, 1911, An Intellectual Cocktail; in: Modern art and America, S. 121
  29. Brooke Schieb: Arthur G. Dove – Biography. The Phillips Collection, Washington, D. C., abgerufen am 27. Juli 2008 (englisch).
  30. John Cauman: Henri Matisse, 1908, 1910, and 1912 – New Evidence of Life; in: Modern art and America, S. 94–95
  31. Alfred Stieglitz and His Circle. The Metropolitan Museum of Art, abgerufen am 30. April 2009 (englisch).
  32. Charles Brock: The Armory Show, 1913, A Diabolical Test; in: Modern art and America, S. 129
  33. Brock, S. 131f
  34. Brock, S. 135f
  35. Ann Temkin: Constantin Brancusi, 1914, Startling Lucidity; in: Modern art and America, S. 156–157
  36. Temkin, S. 161
  37. Temkin, S. 162–163
  38. Hierbei ist zu relativieren, ob Stieglitz wirklich der erste Ausstellungsmacher war, der afrikanische Objekte im Kunstdiskurs präsentierte. Er wusste vermutlich von einer ähnlichen Ausstellung, die im Frühjahr 1914 in der Washingtoner Galerie von Robert J. Coady und Michael Brenner gezeigt wurde. (Helen M. Shannon: African Art, 1914, The Root of Modern art; in: Modern art and America, S. 169–170)
  39. Shannon, S. 173f
  40. Shannon, S. 177–178
  41. Pepe Karmel: Picasso and Georges Braque, 1914–1915, Skeletons of Thought; in: Modern art and America, S. 188
  42. Karmel, S. 192
  43. Greenough, S. 546
  44. Hermann Korte: Die Dadaisten. Rowohlt, Reinbek, 5. Auflage 2007, ISBN 978-3-499-50536-2, S. 111
  45. The 291 Gallery. National Gallery of Art, abgerufen am 30. April 2009 (englisch).
  46. Sarah Greenough: Paul Strand, 1916, Applied Intelligence; in: Modern art and America, S. 248–249
  47. Greenough, S. 247f.
  48. Greenough, S. 256–259
  49. Bruce Robertson: Marsden Hartley, 1916, Letters to the Dead; in: Modern art and America, S. 229–233
  50. Robertson, S. 238
  51. Barbara Buhler Lynes: Georgia O’Keeffe, 1916 and 1917, My Own Tune in: Modern art and America, S. 261
  52. Buhler Lynes, S. 263f
  53. Buhler Lynes, S. 268–269
  54. Alfred Stieglitz Exhibition. (Nicht mehr online verfügbar.) Victoria and Albert Museum, archiviert vom Original am 15. Dezember 2012; abgerufen am 29. Juli 2009 (englisch).;
  55. Greenough, S. 277–279
  56. Merry Foresta: Wiederkehrende Motive in der Kunst von Man Ray, in: Man Ray – Sein Gesamtwerk. Edition Stemmle, Zürich, 1989, ISBN 3-7231-0388-X, S. 22–25
  57. Elizabeth Hutton Turner: Trans Atlantique; in: Man Ray – Sein Gesamtwerk, S. 140
  58. Alfred Stieglitz. (Nicht mehr online verfügbar.) Fisk University, archiviert vom Original am 15. April 2010; abgerufen am 30. April 2009 (englisch).
  59. Sarah Greenough et al.: Modern art and America, Rückseite (freie Übersetzung)
  60. Stephen E. Lewis: The Modern Gallery and American Commodity Culture. In: Modernism-modernity. Vol. 4,3. S. 67–91. The Johns Hopkins University Press 1997 (abgerufen am 8. April 2018)
  61. Documents of Dada and Surrealism – Dada and Surrealist Journals in the Mary Reynolds Collection. The Art Institute of Chicago., 2001, archiviert vom Original am 12. Februar 2015; abgerufen am 18. Juli 2008.
  62. Greenough, S. 300
  63. Henry Fitch Taylor (1853–1925) war ein amerikanischer Impressionist und Mitglied der Cos Cob Art Colony bei Greenwich, Connecticut. Taylor galt zu dem Zeitpunkt als der älteste Künstler, der sich mit modernistischen Techniken auseinandersetzte.
  64. Greenough, S. 570; vergleiche Justin Wolff: The Ballad of Thomas Hart Benton. Abgerufen am 19. Juli 2009. (englisch)
  65. Ansel Adams: Autobiographie (im amerikanischen Original: Ansel Adams, An Autobiography, New York 1985) deutsche Übersetzung im Christian Verlag München, 1. Auflage 1985, ISBN 3-88472-141-0, S. 120
  66. Susan Sontag: Über Fotografie. New York 1977; dt. Übersetzung im Fischer Taschenbuch Verlag, 18. Auflage 2008, ISBN 978-3-596-23022-8, S. 31, 33–34
  67. Melissa Seckora: Modern Champions. nationalreview.com, 3./4. Februar 2001, archiviert vom Original am 1. Oktober 2009; abgerufen am 18. Juli 2008.
  68. Michael North: Camera Works – Photography and the Twentieth-Century Word. New York 2005, S. 35ff. Auszüge bei Google Bücher. (englisch)
  69. Esther Buss: Der ganze "Dadaglobe". taz, 7. Dezember 2005, abgerufen am 16. September 2009.
  70. Greenough, S. 543–547

Abbildungen

  1. Henri Matisse: Le bonheur de vivre, Öl auf Leinwand, 175 × 241 cm, Barnes Foundation
  2. Pablo Picasso: Stehender weiblicher Akt
  3. Francis Picabia: Fille née sans mère. National Galleries of Scotland, abgerufen am 28. April 2009.
  4. Francis Picabia: Ici, c’est ici Stieglitz. Abgerufen am 28. April 2009.

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