Flucht vor dem russischen Überfall auf die Ukraine
Die massenhafte Flucht vor dem russischen Überfall auf die Ukraine hat mit dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar 2022 begonnen. Schon vor dem Einmarsch haben sich andere europäische Länder auf eine mögliche Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet. Bereits in den ersten Tagen nach dem Überfall waren Hunderttausende auf der Flucht. Die meisten haben Aufnahme in den Nachbarstaaten gefunden, die westlich der Ukraine liegen: Polen, Ungarn, Moldau, Rumänien und Slowakei.[1]
Ukrainer dürfen in die Europäische Union für 90 Tage ohne Visum einreisen und erhalten dort nach einer Registrierung für drei Jahre eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Sie können, müssen aber nicht Asyl beantragen. Die Bahnunternehmen in mehreren Staaten lassen ukrainische Flüchtlinge kostenlos mit dem Zug fahren. Viele der Betroffenen konnten von Familienangehörigen aufgenommen werden, die bereits im Aufnahmestaat leben, andere werden in Flüchtlingsunterkünften oder fremden Privatwohnungen untergebracht.
In der Ukraine befanden oder befinden sich auch Menschen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft. Es gibt Berichte über Menschen aus Afrika oder Asien, die beim Grenzübertritt Ungleichbehandlungen erlebt haben. Auch über eine Zurückweisung von Roma wird berichtet.[2] Die beschuldigten Nachbarländer der Ukraine weisen dies von sich. Die EU hat erklärt, dass ihre Grenzen auch für Menschen offen seien, die aus Drittländern stammen und in ihre Heimatländer weiterreisen wollen. Wer in der EU Schutz benötige, könne Asyl beantragen.[3]
Schätzungen
UNOCHA schätzte am 27. Februar, dass es in zwei Monaten in der Ukraine 7,5 Millionen innerstaatliche Flüchtlinge geben werde. 18 Millionen Menschen werden vom Konflikt betroffen sein und 12 Millionen Menschen werden gesundheitliche Hilfe benötigen. Bis zu vier Millionen Menschen werden vor dem Krieg flüchten.[4]
Auf der UNO-Flüchtlingskonferenz wurde am Sonntag, dem 27. Februar 2022 mitgeteilt, dass seit dem Krieg über 368.000 Menschen aus der Ukraine geflohen waren.[5] Mit Stand vom 5. März 2022 waren nach UNHCR-Angaben seit dem 25. Februar 2022 nach UNHCR-Schätzungen mehr als 1,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet, die weit überwiegende Mehrheit davon nach Polen.[6]
Nach einer Untersuchung des Forschungs- und Analyseteams von Direct Relief verzeichneten bis zum 1. März 2022 die polnischen Städte Rzeszów und Lublin den größten Zuwachs an Flüchtlingen. Viele seien wegen der medizinischen Versorgung aus der Ukraine geflohen.[7]
Zahlen zu Flüchtlingen können sich aber rasch ändern und stellen oft nur Schätzungen dar. Die Bewegungen von Land zu Land werden nicht unbedingt offiziell oder gar weltweit zentral registriert.
Humanitäre Korridore
Am 3. März 2022 erklärten Vertreter Russlands und der Ukraine, dass sie sich in Verhandlungen auf die Schaffung „humanitärer Korridore“ geeinigt hatten, um Zivilisten aus besonders umkämpften Kriegsgebieten herausholen zu können.[8] Für den 5. März kündigte Russland daraufhin eine Feuerpause für die Städte Wolnowacha und Mariupol an, um es Zivilisten zu ermöglichen, diese Städte zu verlassen. Diese Korridore seien mit der ukrainischen Seite abgestimmt.[9] Ein Versuch, Zivilisten über einen humanitären Korridor aus Mariupol nach Saporischschja zu evakuieren, wurde allerdings am 5. März 2022 abgebrochen, da die verabredete Feuerpause nicht eingehalten wurde.[10]
Flüchtlingshilfe
Das Hilfswerk Malteser International rechnet damit, dass es einen sehr hohen Hilfsbedarf für die Flüchtlinge geben wird, die aus der Ukraine fliehen. Sie sind seit dem Jahr 1990 in der Ukraine aktiv und arbeiten eng mit der Malteser Deutschland zusammen. Am 24. Februar 2022 hatte sich ein Hilfstransport mit einer mobilen Suppenküche und medizinischem Material von Malteser Deutschland in die betroffenen Gebiete der Ukraine auf den Weg aufgemacht.[11] Der Hilfstransport hat am 26. Februar 2022 die Ukraine erreicht und versorgt die Stadt Iwano-Frankiwsk mit Zelten, Feldbetten, Decken und Lebensmitteln. Sie betreuen die vertriebenen Menschen medizinisch und psychologisch. Die Verbände und Hilfsdienste der Malteser haben ihre Mitarbeiter an die Nachbargrenzen von Ukraine, Polen, Rumänien und Ungarn geschickt, um Flüchtlingen zu helfen: Sie verteilen Lebensmittel und Wasser und leisten medizinische Hilfe, dabei werden sie unterstützt von der Malteser International.[12] Auch andere Hilfsorganisationen sind vor Ort und in den Grenzregionen aktiv.
Die Vereinigten Staaten unterstützen die Ukraine mit humanitärer Hilfe von ca. 54 Millionen US-Dollar, davon kamen ca. 26 Millionen US-Dollar vom Außenministerium und 28 Millionen US-Dollar von der U.S. Agency for International Development. Sie stellten außerdem sauberes Trinkwasser, Unterkünfte, medizinische Notversorgung, Überwinterung und Schutz bereit. Die Finanzierung wird den humanitären Organisationen helfen, den Kontakt zwischen Familienmitgliedern aufrechtzuerhalten, die aufgrund des Konflikts getrennt wurden.[13]
Die niederländische Ministerin für Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit Liesje Schreinemacher stellte für die Opfer der Ukraine 20 Millionen Euro bereit. Das Geld soll für Wasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung verwendet werden. Zusätzlich werden 500.000 Euro bereitgestellt, um den primären Aufnahmebedarf von Flüchtlingen in Moldawien zu decken. Es soll für Decken, Schlafsäcke und Zelte für rund 7.000 Menschen verwendet werden. Die Sachen wurden am 26. Februar 2022 für den Transport verladen. Zudem liefert die Regierung militärische Güter in die Ukraine.[14]
Situation in einzelnen Ländern
Europäische Union
Ukrainer können durch das Assoziierungsabkommen von 2014 für 90 Tage ohne Visum in die EU einreisen.[3] Allerdings benötigen sie einen biometrischen Pass. Dieser wurde jedoch erst 2015 in der Ukraine eingeführt, wodurch erst 19 der 44 Millionen Ukrainer solch einen besitzen. In der Praxis wird Ukrainern daher meist auch mit anderen Identifikationsdokumenten die Einreise gewährt.[15]
Am 4. März aktivierte die Europäische Union erstmals den Mechanismus der Richtlinie für den Fall eines „Massenzustroms“. Dadurch erhalten alle geflüchteten Ukrainer nach einer entsprechenden Meldung vor Ort automatisch für drei Jahre einen Aufenthaltsstatus und eine Arbeitserlaubnis in der EU. Darüber hinaus wird ihnen damit der Zugang zu Sozialhilfe und medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige und unter bestimmten Bedingungen außerdem die Möglichkeit zur Familienzusammenführung gewährt. Die EU-Kommission mobilisierte zudem 90 Millionen Euro an Hilfsgeldern für die Versorgung von Flüchtlingen.[16][17] EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nannte dies eine „historische Entscheidung“.[18]
Ende Februar bat die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten außerdem, die Einreise mitreisender Heimtiere der Flüchtenden zu erleichtern.[19]
Deutschland
Im Schengen-Raum finden keine Kontrollen an den Binnengrenzen statt. Es ist deshalb ungewiss, wie viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. In Brandenburg trafen am 25. Februar 2022 die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Viele Bundesländer haben ihre Hilfe zugesagt. Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, die Rückführung ausreisepflichtiger Menschen in die Ukraine zu stoppen.[1] Die Deutsche Bahn gewährt Flüchtlingen mit ukrainischem Pass oder Personalausweis seit Ende Februar kostenlose Bahnfahrten in Deutschland.[20] Seit dem 1. März 2022 ist auf Initiative des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen die Nutzung aller Busse und Bahnen des Öffentlichen Personennahverkehrs für geflüchtete Ukrainer bis auf Widerruf kostenlos.[21]
Laut Bundesinnenministerium wurden bis zum Mitag des 6. März 2022 37.786 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert.
Österreich
Der österreichische Innenminister Gerhard Karner von der ÖVP und der Bundeskanzler Karl Nehammer teilten mit, dass Österreich Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen möchte. Alle Flüchtlinge dürften sich dann für 90 Tage im Land aufhalten.[5]
Schweiz
Die Schweiz will 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen. Der Kanton St. Gallen hat dafür vor dem Krieg alles vorbereitet.[22][23]
Es ist bereits möglich, dass ukrainische Staatsbürger (mit biometrischem Pass) visafrei in die Schweiz einreisen. Die Aufenthaltsdauer ist drei Monate. Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte am 28. Februar 2022, dass künftig auch Flüchtlinge ohne Pass willkommen seien und der Aufenthalt nicht mehr befristet werde. Bund und Kantone sollen rasch neuntausend Plätze für Flüchtlinge bereitstellen. Laut SRF.ch sind alle politischen Parteien für eine rasche Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge.[24]
Belgien
Der belgische Staatssekretär für Asyl und Migration, Sammy Mahdi, erklärte am 25. Februar 2022, dass Belgien mit Polen und Ungarn solidarisch sei. Er forderte aber, dass Europa die Aufnahme koordinieren müsse.[25] Zwei Tage später verkündete Entwicklungshilfeministerin Meryame Kitir, dass drei Millionen Euro für zusätzliche humanitäre Hilfe an die Ukraine bereitgestellt werden.[4]
Griechenland
Für die 100.000 griechischstämmigen Einwohner der Ukraine in und um Mariupol gibt es Evakuierungsüberlegungen seitens der griechischen Regierung.[26]
Großbritannien
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin schrieb am 5. März 2022 einen Brief an seine britische Kollegin Priti Patel: in den vergangenen Tagen seien 400 ukrainische Flüchtlinge an Grenzposten in Calais vorstellig geworden, um zu zu Angehörigen in Großbritannien weiterzureisen. 150 von ihnen seien aufgefordert worden, nach Paris oder Brüssel zu fahren, um in den dortigen britischen Konsulaten Visa für das Vereinigte Königreich zu beantragen. Dies sei »komplett unangemessenen«. Es sei unerlässlich, dass die konsularische Vertretung des VK – ausnahmsweise und für die Dauer dieser Krise – Visa für die Familienzusammenführung vor Ort in Calais ausstelle. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das VK in der Lage sei, solche Dienste an der polnisch-ukrainischen Grenze anzubieten, nicht aber in seinem direkten Nachbarland Frankreich.
Luxemburg
Das Außenministerium Luxemburgs begrüßt die europäischen Regelungen und hat eine „Erstaufnahmeeinrichtung“ in Luxemburg-Stadt eingerichtet.[28]
Drei luxemburgische Fußballspieler haben die Ukraine auf der Flucht vor dem Krieg verlassen: Enes Mahmutovic, Vincent und Olivier Thill.[29]
Moldau
Moldau und die Ukraine haben eine 955 km lange Landgrenze mit über 50 Grenzübergängen.[30] Moldau hat nur 2,7 Millionen Einwohner und ist ähnlich groß wie NRW. Es hat nach Angaben der Regierung,[31] gemessen an der eigenen Bevölkerungszahl, mehr Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen als jeder andere Staat.[32]
Viele fahren mit dem Auto in die Republik Moldau, zeitweise bildeten sich lange Schlangen.[33] Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița sagte bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken am Morgen des 6. März, mehr als 230.000 Ukrainer seien bereits eingetroffen; von ihnen seien etwa 120.000 in Moldau geblieben.[34]
Niederlande
Die Niederlande hatten vor dem russischen Überfall ihre Landsleute gebeten, die Ukraine zu verlassen. Das Außenministerium rät von Reisen in die Grenzregion zu Russland und Weißrussland ab.[35]
Der Staatssekretär für Migration, Eric van der Burg, meinte am 27. Februar, man habe immer das Prinzip betont, dass Flüchtlinge möglichst in der eigenen Region aufgenommen werden sollen. „Jetzt ist Europa die Region.“ Bis dato waren weniger als 50 Flüchtlinge aus der Ukraine in die Niederlande gekommen.[36]
Polen
Schon am 15. Februar 2022 hat Polen mit einem möglichen russischen Angriff gerechnet. Die Regierung forderte die Gemeinden auf, sich auf bis zu einer Million Flüchtlinge vorzubereiten.[37]
Zum 27. Februar wurde gemeldet, dass mehr als 280.000 Flüchtlinge die Grenze nach Polen überquert hätten.[38] Am Grenzübergang beklagten sich nichteuropäische Studenten von ukrainischen Universitäten über „rassistische“ Ungleichbehandlung.[39] Unabhängige Beobachter und Amnesty International konnten derlei Vorfälle jedoch nicht bestätigen.[40]
Am 5. März 2022 reisten 129.000 Menschen ein, so viele wie noch nie an einem Tag. Busse pendeln in die nahe gelegene Stadt Przemysl.
Rumänien
Rumänien hat eine 601 km lange gemeinsame Grenze mit dem südwestlichen Teil der Ukraine, teils in den Waldkarpaten.
Der rumänische Verteidigungsminister Vasile Dîncu sagte am 22. Februar 2022, Rumänien könne im Notfall 500.000 Flüchtlinge aufnehmen. Zwei Tage später kamen die ersten Flüchtlinge an.[41]
Slowakei
Seit dem Samstag, dem 26. Februar 2022 um 6 Uhr zählten die slowakische Polizei an den drei Grenzübergängen zur Ukraine 12.400 Flüchtlinge. Die Reisepässe wurden nicht verlangt, jeder an den drei Grenzübergängen darf einreisen. Etwa die Hälfte kamen über Vyšné Nemecké. Einen Tag später warten am Nachmittag ca. 900 Fahrzeuge, neun Busse und rund 1.000 Fußgänger. Die Wartezeit beträgt bis zu zehn Stunden.[42]
Ungarn
Ungarn und die Ukraine haben eine etwa 137 km lange germeinsame Grenze. Am 27. Februar 2022 richtete Hungarian Interchurch Aid, ein Mitglied von „Action by Churches Together“ (ACT) am ungarisch-ukrainischen Grenzübergang in Beregsurány (Ungarn) im Ort Asztély (Ukraine) einen 24-Stunden-Flüchtlingshilfsstützpunkt ein.[43]
Vom 24. Februar bis zum 1. März 2022 kamen etwa 105.000 Menschen aus der Ukraine in Ungarn an und etwa 21.000 Ukrainer kehrten über Ungarn in die Ukraine zurück. Da es keine Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Ländern gibt, weiß Ungarn nicht, wie viele Menschen in andere Schengen-Länder weitergereist sind.[44] Bis zum 6. März 2022 waren etwa 169.100 Menschen eingereist. Die Nachrichtensendung heute berichtete am gleichen Abend über Schikanen (einbehaltene Pässe von Menschen, die keinen biometrischen Pass haben etc.).[45]
Vereinigtes Königreich
Das Vereinigte Königreich bietet konsularische Dienste am polnisch-ukrainischen Grenzübergang an, nicht jedoch im französischen Calais, von wo es mit dem Eurotunnel eine direkte Verbindung zum Vereinigten Königreich gibt. Als in Calais 150 von 400 ukrainischen Flüchtlingen bei britischen Grenzposten vorstellig geworden waren und dann aufgefordert wurden, nach Paris oder Brüssel zu fahren, um in den dortigen britischen Konsulaten Visa für das Vereinigte Königreich zu beantragen, beschwerte sich die französische Innenministerin wegen des nicht vorhandenen britischen Konsulats in Calais.[46]
Brasilien
Über ein Dutzend brasilianische Fußballprofis von Schachtjor Donezk und Dynamo Kiew konnten mit ihren Familien per Zug und Bus Rumänien erreichen und von dort aus nach Brasilien fliegen.[47]
Israel
Einige Wochen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 hatte sich Israel auf eine große Zahl ukrainischer Flüchtlinge vorbereitet. Am Samstag, dem 19. Februar 2022, landete ein Sonderflugzeug mit ca. hundert Menschen am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Seit einigen Tagen ist der Lufttraum über der Ukraine geschlossen. Die israelische Regierung hatte sich am Donnerstagmorgen, dem 24. Februar 2022 in einer Notfallsitzung beraten, wie humanitäre Hilfe und Evakuierungen über den Landweg erfolgen könnten.[41] Außerdem nimmt Israel jüdische Flüchtlinge auf.[48]
Vereinigte Staaten
US-Behörden berichten, dass in den Monaten bis einschließlich Januar 2022 die Zahl russischer und ukrainischer Menschen, die über Mexiko einreisen und nach Überqueren der Grenze in den Vereinigten Staaten um Asyl bitten, deutlich zugenommen habe. Am 3. März 2022 erklärte die US-amerikanische Regierung, sie werde Ukrainern, die sich bereits am 1. März 2022 in den USA befanden, temporären Schutz und Arbeitserlaubnisse gewähren.[49][50] Die Regierung geht von mehr als 75.000 Anspruchsberechtigten aus.[51]
Fragen der Gleichbehandlung
Kontroversen entstanden um die Zulassung von Flüchtlingen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft. Dabei handelt es sich unter anderem um Studenten aus afrikanischen Ländern. Dominic Johnson schrieb am 1. März 2022 in der taz, dass Europa mit zweierlei Maß messe. Die Flüchtlinge aus der Ukraine würden weitaus großzügiger aufgenommen werden als die Flüchtlinge aus Syrien im Jahr 2015.[52] Die taz berichtete von bis zu 12.000 nigerianischen Studenten in der Ukraine. Es heiße an den Grenzübergangsstellen immer wieder, dass Afrikaner nicht durchgelassen werden. Die taz erwähnt diesbezügliche Tweets, schreibt aber auch, dass es schwierig sei, die dazu gehörigen Videos zu überprüfen.[53]
Der polnische Grenzschutz hingegen sagte, er helfe allen Menschen, die aus der Ukraine fliehen. Die Nationalität spiele keine Rolle. Es stimme nicht, dass Afrikaner aus rassistischen Gründen zurückgewiesen werden. Vertreter von Ghana und Somalia gaben an, keine Informationen über Probleme ihrer Landsleute aus der Ukraine zu haben. Die Afrikanische Union wiederum klagte über entsprechende Berichte und bezeichnete Versuche, Afrikaner am Grenzübertritt zu hindern, als rassistisch und völkerrechtswidrig.[54] Ein Vertreter von Südafrika klagte ebenfalls über eine schlechte Behandlung von südafrikanischen und anderen afrikanischen Studenten an der Grenze zu Polen, während ein Vertreter Nigerias Polen um Aufklärung bat.[55]
Es gibt darüber hinaus Berichte, dass auch Roma an verschiedenen Grenzen der Grenzübertritt verwehrt wurde.[2]
Marcel Leubrecher erklärte in welt.de, warum man in Osteuropa Flüchtlinge aus der Ukraine lieber aufnehme als solche von anderen Kontinenten. Er nahm dabei Bezug auf die zurückliegenden Zurückweisungen an der Grenze zu Belarus. Ukrainische Flüchtlinge kämen direkt aus einem Land, in dem Krieg herrscht, die Zurückgewiesenen hingegen hätten ihr Fluchtland schon längst verlassen und seien über die Türkei und andere Ländern weitergezogen. Außerdem seien die Ukrainer den Ungarn kulturell ähnlicher als zum Beispiel ein in Afghanistan sozialisierter Mensch. Seit 2014 seien anderthalb Millionen Ukrainer nach Polen gekommen, ohne dass es zu „Integrationsproblemen“ gekommen sei. Schließlich seien die ukrainischen Flüchtlinge großteils Frauen und Kinder, nicht junge Männer wie aus dem Nahen Osten und Nordafrika.[56]
Daniel Thym, der an der Universität Konstanz öffentliches Recht lehrt, verweist darauf, dass die Welt in Staaten unterteilt ist. Nicht alle Staaten haben untereinander dieselben rechtlichen Beziehungen. Darum kann es legitim sein, wenn die Angehörigen des einen Staates mehr Rechte zum Beispiel in Deutschland erhalten als die Angehörigen eines anderen Staates. Es sei normal, dass man eher Menschen aus einem Land hilft, das einem „kulturell, aber auch geografisch relativ nahesteht“. Hinzu komme eine historische Verantwortung Deutschlands für die Ukraine. Es sei nicht rassistisch, ein Naheverhältnis bei Flüchtlingsgruppen zu berücksichtigen und Ukrainern bevorzugt zu helfen. Für Menschen aus der Ukraine (ungeachtet ihrer Herkunft oder Religion) seien EU-Länder wie Polen übrigens das erste Land der Flucht. Allerdings müssten Mindeststandards des Asylrechts für alle Menschen gewahrt werden. Ferner wäre es nicht hinnehmbar, wenn Polen oder Ungarn sich etwa pauschal weigern würden, muslimische Flüchtlinge aufzunehmen.[57]
Weblinks
- Ukraine Refugee Situation. UNHCR (englisch).
Einzelnachweise
- UN-Angaben: 500.000 Menschen aus der Ukraine geflüchtet. In: tagesschau.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- Deutsche Welle (www.dw.com): "Lebst du noch?" Roma organisieren Hilfe in und für die Ukraine | DW | 04.03.2022. Abgerufen am 5. März 2022 (deutsch).
- Chrispin Mwakideu: Afrikanische Studierende berichten von schwieriger Flucht. In: dw.com. Deutsche Welle, 2. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
- België maakt 3 miljoen euro vrij voor humanitaire hulp Oekraïne. In: hln.be. Het Laatste Nieuws, 27. Februar 2022, abgerufen am 1. März 2022 (niederländisch).
- Putin droht weiter: Auch Innenminister will ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. Abgerufen am 28. Februar 2022.
- Ukraine Refugee Situation. UNHCR, abgerufen am 7. März 2022 (englisch).
- Noah Smith: Where Ukrainian Refugees Are Heading – and Why. In: Direct Relief. 2. März 2022, abgerufen am 7. März 2022 (amerikanisches Englisch).
- Kiew und Moskau einig über Schaffung „humanitärer Korridore“. In: dw.com. 3. März 2020, abgerufen am 3. März 2022.
- Russisches Militär kündigt Feuerpause für humanitäre Korridore in Mariupol und Wolnowacha an. In: rnd.de. 5. März 2022, abgerufen am 6. März 2022.
- Ukraine-Krieg: Neuer Evakuierungsversuch in Mariupol. In: tagesschau.de. 6. März 2022, abgerufen am 6. März 2022.
- Ukraine: Malteser International prepares supplies for refugees. Abgerufen am 4. März 2022 (englisch).
- Aid transport has reached Ukraine - Order of Malta network supplies refugees. Abgerufen am 5. März 2022 (englisch).
- The United States Announces Additional Humanitarian Assistance for the People of Ukraine. In: United States Department of State. Abgerufen am 5. März 2022 (englisch).
- Ministerie van Buitenlandse Zaken: Minister Liesje Schreinemacher has made €20 million available for the victims of the war in Ukraine. - News item - Government.nl. 27. Februar 2022, abgerufen am 6. März 2022 (britisches Englisch).
- Oliver Pieper: EU-Asyl-Regelung für ukrainische Flüchtlinge. In: dw.com. Deutsche Welle, 2. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Florian Naumann: Ukraine-Flucht: 7 Millionen Vertriebene möglich, EU ist alarmiert – und will „Massenzustrom“-Klausel ziehen. In: merkur.de. 1. März 2020, abgerufen am 1. März 2022.
- Österreich: Ukraine-Flüchtlinge benötigen in EU kein Asylverfahren. In: vienna.at. 28. Februar 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- „Historische Entscheidung“: EU einigt sich auf Schutzstatus für Geflüchtete. In: n-tv.de. 3. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
- Einreise mit Heimtieren aus der Ukraine – vorübergehend erleichterte Bedingungen. In: bmel.de. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 28. Februar 2020, abgerufen am 1. März 2022.
- Ukraine-Krieg: Deutsche Bahn will ukrainischen Flüchtenden helfen. In: Der Spiegel. 27. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 28. Februar 2022]).
- Ukrainische Geflüchtete können in Deutschland ab sofort kostenlos Bus und Bahn nutzen. In: vdv.de. 1. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Krieg in der Ukraine – «Die Schweiz soll 10’000 ukrainische Flüchtlinge aufnehmen». 25. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Enrico Kampmann: Ukraine-Krieg: Kanton St.Gallen ist auf Flüchtlinge vorbereitet. Abgerufen am 27. Februar 2022.
- Iwan Santoro: Schweiz will ukrainische Flüchtlinge unbürokratisch aufnehmen. In: srf.ch. 1. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Lisa De Bode: Ook België zal Oekraïense vluchtelingen opvangen. In: standaard.be. 25. Februar 2022, abgerufen am 1. März 2022 (niederländisch).
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- Aufnahme von Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. In: gouvernement.lu. Die Luxemburger Regierung, 3. März 2022, abgerufen am 6. März 2022.
- Dan Elvinger: Flucht / Luxemburger Fußballprofis haben Ukraine verlassen: Mahmutovic in Polen, Thill-Brüder in Ungarn. Abgerufen am 28. Februar 2022.
- Liste)
- siehe auch en:Gavrilița Cabinet
- Michael Martens (FAZ): Moldau: „Der Exodus wird noch größer werden“. faz.net 6. März 2022.
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- Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen: Frankreich wirft Großbritannien »Mangel an Menschlichkeit« vor. In: Der Spiegel. 6. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 6. März 2022]).
- EU beschließt Ausschluss von sieben russischen Banken aus Swift. In: Der Spiegel. 2. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
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- Dominic Johnson: : Auf der Flucht sind nicht alle gleich. In: taz.de. 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Dunkle Haut kann Flucht erschweren. In: taz.de. 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Polnischer Grenzschutz weist Rassismus-Vorwürfe zurück. In: zeit.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Wurden flüchtende Afrikaner aus der Ukraine an der Grenze abgewiesen? Polen weist Vorwürfe zurück. In: rnd.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Marcel Leubacher: Die seltsame Verwunderung über die Aufnahmebereitschaft der Osteuropäer. In: welt.de. 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Dietmar Hipp: »Ukrainern bevorzugt zu helfen, ist kein Rassismus«. In: spiegel.de. SPIEGEL, 3. März 2022, abgerufen am 6. März 2022.