Mariupol
Mariupol (ukrainisch Маріуполь, russisch Мариуполь; 1948–1989 Schdanow, russisch Жданов) ist eine Stadt in der Oblast Donezk in der Ukraine mit rund 440.000 Einwohnern (Stand 2018).[1] Die Stadt war historisch eines der wichtigsten Zentren der Griechen in der Ukraine, die bis heute eine wichtige Minderheit in der Stadt sind. Mariupol befindet sich am Ufer des Asowschen Meeres an der Mündung des Kalmius und ist eine bedeutende Hafen- sowie Universitätsstadt und Wirtschaftszentrum. Rund 9 km westlich der Stadt befindet sich ein ziviler Flughafen mit einer Start- und Landebahn von 2570 m.
Mariupol | |||
Маріуполь | |||
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Basisdaten | |||
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Oblast: | Oblast Donezk | ||
Rajon: | Kreisfreie Stadt | ||
Höhe: | 22 m | ||
Fläche: | 203,96 km² | ||
Einwohner: | 444.493 (2018) | ||
Bevölkerungsdichte: | 2.179 Einwohner je km² | ||
Postleitzahlen: | 87500 | ||
Vorwahl: | +380 629 | ||
Geographische Lage: | 47° 6′ N, 37° 33′ O | ||
KOATUU: | 1412300000 | ||
Verwaltungsgliederung: | vier Stadtrajone, drei Siedlungen städtischen Typs, ein Dorf, eine Siedlung | ||
Bürgermeister: | Wadym Boitschenko | ||
Adresse: | пр. Леніна 70 87500 м. Маріуполь | ||
Website: | www.mariupolrada.gov.ua | ||
Statistische Informationen | |||
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Administrative Gliederung
Mariupol gliedert sich in die vier Stadtrajone Rajon Zentral (bis zum 28. Januar 2016 Rajon Schowtnewe),[2] Rajon Kalmius, Rajon Liwobereschna und Rajon Prymorske, wobei der Rajon Kalmius noch in die drei Siedlungen städtischen Typs Sartana, Staryj Krym und Talakiwka, das Dorf Hnutowe (Гнутове) und die Siedlung Lomakyne (Ломакине) unterteilt wird.
Ende 2014 kamen noch Teile des durch den Ukrainekrieg besetzten Rajons Nowoasowsk hinzu. Dies sind die Dörfer Prymorske, Wynohradne und Pionerske,[3] die Fläche des Stadtgebiets beträgt somit 2015 203,96 Quadratkilometer.[4]
Geschichte
Die Stadt wurde 1789 gegründet und war lange ein Zentrum pontos-griechischer Kultur, bis Ende des 19. Jahrhunderts war die Mehrheit der Stadtbevölkerung griechischer Herkunft. Auch der heutige Name der Stadt ist griechischen Ursprungs (griechisch Μαριούπολη/Mariúpoli; „Stadt Marias“). Die Stadt ist außerdem Heimat des berühmten Malers Archip Kuindschi. Im 19. Jahrhundert war die Stadt das administrative Zentrum des Ujesd Mariupol im Gouvernement Jekaterinoslaw. Die 1933 eröffnete Straßenbahn Mariupol fährt bis heute.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 war die Stadt zwischen dem 8. Oktober 1941 und dem 10. September 1943 von Truppen der Wehrmacht besetzt. Die Stadt erlitt schwere Zerstörungen, ein großer Teil der jüdischen Gemeinde der Stadt, 1926 noch etwa 11 % der Bevölkerung, fiel dem Holocaust zum Opfer. Zu Beginn der Besatzung zählte man etwa 241.000 Einwohner, Ende 1943 lebten nur noch 85.000 Menschen in der Stadt. Viele Mariupoler wurden 1942 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt und kehrten erst 1945 zurück. Ab 1942 war Mariupol ein Hauptoperationsgebiet sowjetischer Partisanen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ein rascher Wiederaufbau, bereits wenige Jahre nach dem Krieg erreichte die Einwohnerzahl Mariupols den Vorkriegswert und stieg bis 1989 auf weit über eine halbe Million Menschen an. Zahlreiche Industriebetriebe wurden in der Stadt angesiedelt, die Hafenanlagen ausgebaut. Zwischen 1948 und 1989 hieß die Geburtsstadt des sowjetischen Funktionärs Andrei Schdanow ihm zu Ehren Schdanow (russisch Жданов).
Seit 1991 gehört die Stadt zur unabhängigen Ukraine. Seitdem hat Mariupol, wie zahlreiche andere Städte der Ukraine und anderer postsowjetischer Staaten, mit einem Strukturwandel und damit verbundenen Problemen, insbesondere Einwohnerrückgang, zu kämpfen.
Im März 2014 forderte eine prorussische Demonstration eine Stadtratssitzung, bei der über ein Referendum nach dem Vorbild der Krim beraten werden sollte.[5] Von Mai bis Juni 2014 fand zwischen ukrainischem Militär und Volksmilizen der Kampf um Mariupol statt. Mit entscheidend dafür, dass Mariupol letztlich unter ukrainischer Hoheit blieb, war der Seitenwechsel der lokalen Oligarchen, „erschreckt von der Rechtlosigkeit“.[6] Nach Meinung von Aktivisten unterschieden durch den Konflikt die Menschen in Mariupol nun zwischen der Heimat und der ungeliebten Staatsmacht im fernen Kiew: „Politiker könne man abwählen, ohne das Land zu wechseln.“[6] Am 24. Januar 2015 eröffneten prorussische Rebellen mit einem Raketenangriff eine Offensive, die nach ukrainischen Behördenangaben mindestens 30 Todesopfer und 97 Verletzte forderte.[7] Als Reaktion darauf wurde eine Gegenoffensive gestartet, mit der erneute Angriffe gegen zivile Ziele verhindert oder zumindest erschwert werden sollten. Diese Gegenoffensive erfolgte maßgeblich durch das paramilitärische Regiment Asow und endete mit der Einnahme von taktischen Positionen nordöstlich Mariupols und in der Ortschaft Schyrokyne.[8]
Beim Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 konnte die Russische Armee zwar nicht auf direktem Weg bei Schyrokyne durchbrechen, erreichte aber von der Krim her kommend sowie über amphibische Landungen Mariupol und begann es am 28. Februar einzuschließen.[9]
Wirtschaft
Mariupol ist ein bedeutendes Industriezentrum und internationaler Seehafen am Asowschen Meer; die Stadt gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszentren der Ukraine. Die hier angesiedelten Metallurgiekombinate (u. a. Asowstal und Illich Iron & Steel Works) tragen einen wichtigen Teil zu den Exportgütern des Landes bei. Beide sind Teil der Metinvest-Gruppe, die dem Milliardär Rinat Achmetow gehört. Zu den großen Arbeitgebern zählt ferner das Maschinenbauunternehmen Asowmasch. Von Bedeutung ist außerdem der Handelshafen. Im kleineren Rahmen gibt es hier auch eine Solarindustrie.
Die Schifffahrt nahm massiven Schaden durch wirtschaftliche Umwälzungen durch den nahen Krieg im Donbass und die Eröffnung der Krim-Brücke und russische Schikanen mit langen Wartezeiten in Kertsch; im Hafen von Mariupol halbierte sich der Umsatz von 2013 bis 2018 und geplante Ausbauten wurden obsolet, gemäß dem Direktor des Hafens von Mariupol waren diese wirtschaftlichen Auswirkungen von Russland beabsichtigt. Die Stahlwerke konnten zudem außer Spezialanfertigungen kaum mehr Güter wie Eisenbahnschienen nach Russland liefern und hatten seit dem Beginn des Krieges 40 Prozent der Kapazität abgebaut.[6]
Bildung
Es gibt in der Stadt eine Technische Universität[10] und die Staatliche Universität Mariupol. Daneben existieren eine Humanitäre Hochschule sowie mehrere Berufsschulen.
Kultur
Die Stadt beherbergt mehrere Musikschulen, ein Heimatkundemuseum, eine Kuindschi-Ausstellung und ein Russisches Stadttheater. Neben zahlreichen orthodoxen Kirchen findet sich in der Stadt auch eine im Jahr 2007 eröffnete Moschee.
Sport
Mariupol ist Sitz des ukrainischen Fußballvereins FK Mariupol, der seine Heimspiele im Wolodymyr-Bojko-Stadion austrägt. Auch der erfolgreiche Basketballclub BK Asowmasch Mariupol ist in der Stadt beheimatet.
Bevölkerung
Bevölkerungszusammensetzung
Im Jahr 2002[11] setzte sich die Bevölkerung wie folgt zusammen:
- Ukrainer 248.683 (48,7 %)
- Russen 226.848 (44,4 %)
- Griechen 21.923 (4,3 %)
- Weißrussen 3.858 (0,8 %)
- Armenier 1.205 (0,2 %)
- Juden 1.176 (0,2 %)
- Bulgaren 1.082 (0,2 %)
- andere: 6.060 (1,2 %)
Beim Zensus 1882 (14.980 Einwohner) war die Bevölkerungsverteilung noch wie folgt:
- Griechen (60 %)
- Juden (28 %)
- Russen (10 %)
- Ukrainer (2 %)
Sprachen
Fast 90 % der Bewohner Mariupols gaben 2001 Russisch als Muttersprache an, knapp 10 % haben Ukrainisch als Muttersprache. Alle weiteren Sprachen liegen unterhalb von 1 %.[12] Jiddisch war früher neben Russisch Hauptsprache von Mariupol. Heute wird es nur noch von einer kleinen Minderheit der Juden gesprochen. Viele Überlebende des Holocaust sind nach Israel oder in die USA ausgewandert. Griechisch wird ebenfalls kaum noch gesprochen. Historisch stellten die Griechen (siehe Griechische Minderheit in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion) einen hohen Bevölkerungsanteil in Mariupol, gingen mit der Zeit jedoch in der slawischen Bevölkerung auf. Zudem wanderten viele verbliebene Griechen nach dem Zerfall der Sowjetunion in den 1990er Jahren nach Griechenland aus.
Beim Zensus 1882 (14.980 Einwohner) war der Anteil der gesprochenen Sprachen:
- Griechisch (52 %)
- Russisch (35 %)
- Jiddisch (12 %)
- Ukrainisch (weniger als 1 %)
Söhne und Töchter der Stadt
- Rustam Adschi (* 1973), Ringer
- Sergei Baltatscha (* 1958), sowjetischer Fußballspieler
- Wiktor Barjachtar (1930–2020), Physiker und Hochschullehrer
- Nikki Benz (* 1981), Model, Filmregisseurin und Pornodarstellerin
- Olha Beresnjewa (* 1985), Schwimmerin
- Waleri Alexejewitsch Bossenko (1927–2007), Philosoph
- Anatoli Gawrilow (* 1946), Schriftsteller
- Alexander Gurow (* 1971), Profiboxer
- Diana Hacıyeva (* 1989), aserbaidschanische Singer-Songwriterin und Komponistin
- Oleksandr Jaroslawskyj (* 1959), Unternehmer, Mäzen und Sportfunktionär
- Hryhorij Komyschenko (* 1972), Ringer
- Borys Kolesnikow (* 1962), Unternehmer und Politiker
- Felix Krivin (1928–2016), russischer, ukrainischer und israelischer Schriftsteller und Kinderbuchautor
- Archip Kuindschi (1841–1910), russischer Maler der Peredwischniki
- Oleh Kyrjuchin (* 1975), Boxer
- Dmytro Lysenko (* 1981), Wasserspringer
- Alexander Pawlowitsch Mogilewskij (1885–1980), Maler
- Gennadiy Mokhnenko (* 1968), Pastor und Missionar
- Pavlos Nirvanas (1866–1937), griechischer Schriftsteller
- Wjatscheslaw Olijnyk (* 1966), Ringer
- Iwan Ostoslawski (1904–1972), russischer Aerodynamiker und Hochschullehrer
- Oleksandr Radtschenko (* 1976), Fußballspieler
- Dmitri Sablin (* 1968), russischer Politiker
- Alexander Sacharoff (1886–1963), Maler, Tänzer und Choreograf
- Iwan Timofejewitsch Sawenkow (1846–1914), Physiklehrer, Archäologe und Schachspieler
- Andrei Schdanow (1896–1948), sowjetischer Politiker und enger Mitarbeiter Stalins
- Oleksandr Sydorenko (1960–2022), sowjetischer Schwimmer
- Georgi Tschelpanow (1862–1936), russischer Psychologie, Logiker und Philosoph
- Wiktor Tschukarin (1921–1984), sowjetischer Turner
- Sjarhej Wojtschanka (1955–2004), weißrussischer Künstler und Designer
- Anna Zatonskih (* 1978), ukrainisch-US-amerikanische Schachspielerin
Konsulate
In Mariupol gibt es ein griechisches sowie ein zyprisches Generalkonsulat.
Literatur
- Grunau und die Mariupoler Kolonien. Reihe: Sammlung Georg Leibbrandt, 4. Bearbeiter Jacob Stach. Materialien zur Geschichte deutscher Siedlungen im Schwarzmeergebiet, 7. Hrsg. Emil Meynen. S. Hirzel, Leipzig o. J. (1942)[13]
Varia
In der 2017 veröffentlichten romanhaften Biographie Sie kam aus Mariupol von Natascha Wodin spielt die Stadt – wie es der Buchtitel vermuten lässt – eine wichtige Rolle.[14][15]
Weblinks
Einzelnachweise
- Bevölkerungszahlen auf pop-stat.mashke.org.
- http://marsovet.org.ua/news/show/id/11474
- Верховна Рада України; Постанова від 11.12.2014 № 32-VIII Про зміни в адміністративно-територіальному устрої Донецької області, зміну і встановлення меж міста Маріуполь, Волноваського, Новоазовського та Тельманівського районів Донецької області
- Верховна Рада України; Постанова від 20.05.2015 № 457-VIII Про внесення змін до Постанови Верховної Ради України від 11 грудня 2014 року № 32-VIII „Про зміни в адміністративно-територіальному устрої Донецької області, зміну і встановлення меж Волноваського, Новоазовського та Тельманівського районів Донецької області“
- Demonstranten in Mariupol drängten in den Stadtrat, Website der Stadt Mariupol am 18. März 2014.
- Die ukrainischen Häfen im Asowschen Meer stecken im russischen Würgegriff fest, NZZ, 24. November 2018
- Prorussische Rebellen starten Offensive auf Mariupol, auf de.nachrichten.yahoo, abgerufen am 24. Januar 2015.
- „Azov Battalion spearheads Ukrainian counter-offensive.“ In: Kyiv Post, abgerufen am 15. Juni 2015.
- Luke Harding: Residents in Mariupol this morning said the port city on the sea of Azov was surrounded by Russian forces and under heavy attack., The Guardian, 28. Februar 2022, 09:14h
- Pryazovskyi State Technical University (PSTU).
- http://history.org.ua/LiberUA/NatsSklRMDonObl/NatsSklRMDonObl.pdf
- Die Angaben der Volkszählung vom 5. Dezember 2001 zu MARIUPOL sind unter dem Donetska Oblast geführt: Distribution of the population by native language, Donetska oblast auf der Website von gov.ua – Database Census – Main Regional Statistical Office.
Die Statistik ist nicht direkt per Link abrufbar.
Es müssen folgende Auswahlen auf dem angegebenen Link vorgenommen werden:
- 1. Select region.
- 2. Select Year
- 3. Select Indicated as a native language
- 4. Auf Continue klicken
- Folgendes Ergebnis sollte erscheinen:
- MARIUPOL (miskrada)
- 2001(05.12)
- 9,87 Ukrainian
- 89,53 Russian
- m. MARIUPOL
- 2001(05.12)
- 10,10 Ukrainian
- 89,39 Russian.
- Diese Reihe diente im Sinn ihres Namensgebers dazu, fortdauernd deutsche Gebietsansprüche auf sowjetische Gebiete zu erheben.
- Angaben aus Verlagsmeldung
- Deutsche Nationalbibliothek