Bonner Münster
Das Bonner Münster, auch Münsterbasilika genannt, ist die katholische Hauptkirche in Bonn und ein Wahrzeichen der Stadt. Es wurde im 11. Jahrhundert als romanische Stiftskirche St. Cassius und Florentius des Cassius-Stifts erbaut. Nach der Säkularisation des Stiftes am Beginn des 19. Jahrhunderts und dem Abriss der benachbarten Pfarrkirche St. Martin im Jahr 1812 kam das Münster in den Besitz der Pfarre St. Martin. Seit 1956 trägt das Münster den Titel Basilica minor. Das Bonner Münster wird seit 2017 generalsaniert, der Innenraum ist seit dem 31. Oktober 2021 wieder geöffnet.
Vorgeschichte
Altäre für römische Götter wie Mercurius Gebrinius und die Matronae Aufaniae[1][2], die im Bereich des Münsters gefunden wurden, deuten darauf hin, dass an dem Ort, an dem später die Kirche errichtet wurde, in der Römerzeit eine Kultstätte bestand. Gräber, Grabmale und eine Cella memoriae, eine antike römische Toten-Gedenkstätte, weisen auf die Existenz einer „kleinen Nekropole“[3] hin, die seit dem 2. Jahrhundert hier bestand. Die Cella memoriae war ein Fachwerkbau und hatte im Innenraum steinerne Bänke und zwei Tische. Hier wurde der Toten bei einer kultischen Mahlzeit gedacht.
Um die Mitte des 6. Jahrhunderts wurde am Platz der schon im 4. Jahrhundert wieder abgebrochenen Toten-Gedenkstätte ein Saal erbaut, ein 13,70 Meter langes und 8,80 Meter breites Gebäude, dessen Längsachse sich von Südwest nach nordost erstreckte. Bereits während der Bauzeit oder kurz danach wurde in dem neuen Rechtecksaal die erste Bestattung in einem Plattengrab vorgenommen. Kurze Zeit später entstand der erste Estrich. Die Lage des ältesten Grabes wurde darin durch ein Kreuz aus Buntmarmorplättchen kenntlich gemacht. Die hier bestatteten Merowinger rechneten sich also dem christlichen Glauben zu. Die ersten Gräber in dem Gebäude zeichnen sich „durch ihre aufwändige Gestaltung, die reichen und zum Teil importierten Beigaben und natürlich ihre Lage aus“.[4] Weitere Bestattungen in dem Gebäude und im Außenbereich fanden in der Folgezeit statt.
Spätestens am Ende des 7. Jahrhunderts siedelten sich Kleriker in der Nähe der Architektur an und vermutlich „lebten hier Abt Gislo und ein Diakon, die in der ältesten Schriftquelle zu den Bauten am Ort des Münsters aus der Zeit um 691/92 genannt werden.“[4] Das Aussehen des Saalbaus wurde durch An- und Umbauten immer wieder verändert. Mehrere Grabräume und andere Bauteile wurden angefügt. Am Ende des 8. Jahrhunderts folgten weitere Um- und Ausbauarbeiten. Vor dem Gebäude wurde ein Mörtelestrich ausgebracht, der wahrscheinlich Teil des 787/88 genannten Atriums ist. Mit diesen Arbeiten endete die Baugeschichte dieser Architektur.
Das Gebäude wurde wohl schon im Mittelalter als Grabstätte der als Märtyrer verehrten Cassius und Florentius angesehen. Mit der Gründung des Cassius-Stiftes in karolingischer Zeit am Ende des 8. Jahrhunderts entstand an diesem Ort die Stiftskirche St. Cassius und Florentius.
- Innenausstattung der Cella memoriae
- Antiker Weihaltar für die Matronae Aufaniae, bei Ausgrabungen im Bonner Münster gefunden
- Antiker Weihaltar für Mercurius Gebrinius, bei Ausgrabungen im Bonner Münster gefunden
- Estrichkreuz (6. Jh.)
- Vorläuferbauten des Münsters
- Infotafel an der Münsterbasilika
Architektur
Die alte Stiftskirche wurde um 1050 abgerissen und wich einem geosteten Neubau im romanischen Stil. Dieser Neubau war eine der ersten Kirchengroßanlagen im Rheinland, eine dreischiffige Kreuzbasilika.
Die Querarme des Baus, die von einer fast quadratischen Vierung ausgingen, überragten nur wenig die Seitenschiffe. Die Basilika hatte eine doppelte Choranlage: einen Langchor über einer dreischiffigen Krypta im Osten, unter der sich eine Gruft befand, und einen Westchor ebenfalls mit Krypta. Vom Bauwerk des 11. Jahrhunderts sind außer der Gruft noch Teile der Ostkrypta und des Hochchores sowie der Westbau erhalten.
In der Gruft befinden sich drei Steinsarkophage und eine weitere ziegelummauerte Bestattung, in denen die Reliquien der Bonner Märtyrer Cassius, Florentius und Gefährten gelegen haben sollen. 1166 ließ Gerhard von Are die Reliquien in kostbare Schreine legen, die ihren Platz am Hochaltar fanden.
Der Propst Gerhard von Are ließ ab 1140 die den Ostchor um ein quadratisches weiteres Joch und die Apsis verlängern, dazu die Flankentürme dieses Chores errichten. Die Apsis, von innen ein Halbrund mit ungegliederter Halbkuppel, hat außen, ebenfalls halbrund, eine reich gegliederte Fassade mit sieben nahe beieinander stehenden Fenstern, darüber einer Zwerggalerie und darunter flachen Rundbogenblenden. Die Außenwände der Krypta sind aus dunkelfarbigem Bruchstein, die Wandflächen der übrigen Gebäudeteile aus Tuffstein. Dieser Erweiterungsbau konnte 1153 eingeweiht werden. Die Reliquien ließ Gerhard von Are 1166 in kostbare Schreine unter dem Hochaltar legen. Bautätigkeit dieses Propstes ist auch der Kreuzgang an der Südseite der Kirche zu verdanken.
Ohne überlieferten Baubeginn wurden danach Schritt für Schritt alle Teile der Kirche außer Ostjoch und Ostapsis ersetzt oder erneuert, zunächst in staufisch geprägter Romanik, dann in romanisch-gotischem Übergangsstil: zunächst wurde das Querhaus ersetzt, das an beiden Enden in Konchen endet, im Unterschied zu ihren Kölner Vorbildern und o. g. Bonner Ostapsis mit polygonalen 5/12 Schlüssen und Rippengewölben, und über der Vierung ein zunächst eingeschossiger achteckiger Turm errichtet. Als Nächstes wurden bis etwa 1210 die beiden alten Joche des Ostchors erhöht und mit spitzbogigen Gewölben mit Wulstrippen im Stil der Frühgotik gedeckt, außerdem die Chorflankentürme um je zwei noch ganz romanische Geschosse erhöht.
Die nächste Bauphase war die Neuaufführung des Langhauses mit Verbreiterung der Seitenschiffe, Aufgabe der Westkrypta und Umgestaltung der Westapsis. Ihre genaue Datierung der Neuaufführung des Langhauses ist unter Kunsthistorikern umstritten und variiert zwischen den Jahren 1220 bis 1240; auf letztgenanntes Jahr deutet die einzige plausible Quelle aus der Chronik des Klosters Floreffe hin, die eine Zerstörung des alten Langhauses durch Brand im Jahr 1239 festschreibt. Das Langhaus zeigt beispielhaft die Vermengung romanischer und gotischer Formen im rheinischen Übergangsstil: Die Seitenschiffe haben Rippengewölbe und spitzbogige Gurtbögen, aber ihre Arkaden und Schildbögen sind noch rundbogig. Runbogig sind auch die Arkaden der Emporen, aber die Kreuzrippengewölbe des Mittelschiffs sind ganz und gar spitzbogig.
Um 1240 entstanden das gotische Portal zum Münsterplatz, sowie die oberen Geschosse und das Pyramidendach des Vierungsturms.
1583–1589 und 1689 wurde das Münster erheblich zerstört. 1883–1889, 1934 und nach Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg wurde es restauriert.
Ausstattung
Innen
Enthält das Kirchengebäude romanische und gotische, so überwiegen bei der Ausstattung barocke Stilelemente. Sehenswert im Innern sind zwei Altäre aus Marmor (17. und 18. Jahrhundert), die Bronzestatue der Heiligen Helena, das Sakramenthäuschen, der Kreuzgang und die Krypta. Sieben Chorfenster wurden von Alexander Linnemann aus Frankfurt geschaffen.
- Bronzestatue der Hl. Helena
- Zugang zur Gruft
- Gruft mit drei Grabplatten
Krypta und Gruft
Der westliche Teil der Krypta mit seinen quadratischen Kreuzgratgewölben stammt aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. Der östliche Teil wurde von Gerhard von Are angebaut.
Der in der Krypta zu besichtigende Schrein wurde 1971 von Hein Gernot geschaffen. Die historischen Schreine wurden 1587 durch Martin Schenk von Nideggen und seine Söldner geraubt und vermutlich eingeschmolzen. Die Soldateska raubte nahezu den gesamten Kirchenschatz und zerstörte die Fenster und Teile der Inneneinrichtung des Münsters.
Eine Falltür aus Bronze verschließt den Zugang zur Gruft. Sie ist nur während der Oktav des Stadtpatronenfestes (10. Oktober) zugänglich. In der Gruft bedecken vier Marmorplatten Gräber, in denen die legendären christlichen Märtyrer Cassius und Florentius gelegen haben sollen, denen im 12. Jahrhundert Malusius als dritter Märtyrer zugesellt wurde. Die schwarzen Marmorplatten wurden 1701 von einem Kanoniker gestiftet.
Grabstätte
Vier Erzbischöfe wurden im Bonner Münster beigesetzt:
- Engelbert II. von Falkenburg: 56. Erzbischof von Köln von 1261 bis 1274
- Siegfried von Westerburg: 57. Erzbischof von Köln von 1275 bis 1297
- Heinrich II. von Virneburg: 59. Erzbischof von Köln von 1304 bis 1332
- Ruprecht von der Pfalz: 66. Erzbischof von Köln von 1463 bis 1480
Bis heute sind jedoch nur das Hochgrab Ruprechts von der Pfalz im östlichen Seitenschiff und die Grabplatte Engelberts von Falkenburg an einer Wand im Westchor erhalten.
Heinrich II. von Virneburg wurde in der Barbarakapelle der Münsterkirche neben seiner Schwester, der Äbtissin Ponzetta von Dietkirchen, beigesetzt. Sein Grab ist nicht mehr erhalten. Auch das Grab Siegfrieds von Westerburg ist nicht mehr nachweisbar.
Im Kreuzgang befindet sich eine Gruft mit den Gräbern ehemaliger Münsterpfarrer. Sie beherbergt auch das Grab des Kölner Weihbischofs Walter Jansen, der auf eigenen Wunsch als früherer Stadtdechant und Pfarrer am Bonner Münster dort bestattet werden wollte.
Martins-Reliefs
Im Außenbereich des Münsters befinden sich an mehreren Stellen Denkmäler und Kunstwerke. Dazu gehören Ernemann Sanders Bronzereliefs mit Szenen aus dem Leben des Heiligen Martin. Die vier Reliefs sind eingefasst von einem Rahmenwerk, einem Eckaufbau aus Trachytblöcken. 1961 wurde dieser Teil der Mauer des Pfarrgartens neben dem Chor des Bonner Münsters aufgestellt. Fragmente von Pilastern, Kapitellen und Architraven lassen die Steinblöcke als Reste einer antiken Architektur erkennen. Sie wurden bei Grabungen 1929/30 im Fundament des mittelalterlichen Münsters, im Bereich von Krypta und Kreuzgang gefunden. „Diese sämtlichen Trachytquader müssen von einem sehr großen, monumental ausgestatteten Bauwerk stammen, dessen zweigeschossige Außenseiten sich zum Teil in Bogenöffnungen auflösen und mit Pilastern mit korinthischen Kapitellen verziert waren.“[5] Wo dieses Bauwerk auf dem Terrain des römischen Bonn errichtet worden war, ist nicht bekannt. Spätestens kurz vor dem Neubau des Münsters samt Stiftsanlage im 11. Jahrhundert wurde es abgebrochen. Das Steinmaterial wurde zur Fundamentierung der neuen Kirche benutzt.
Das größere Stück des Eckbaus zeigt drei rundbogige Nischen, das im Winkel angefügte kürzere Stück nur eine Rundbogennische. Diese Vertiefungen, alle 165 Zentimeter hoch, doch unterschiedlich breit zwischen 80 und 90 Zentimeter, bergen seit 1983 die Martins-Reliefs von Ernemann Sander.[6]
Grundriss der alten Tauf- und Pfarrkirche St. Martin
Im Bereich des im Osten an den Chor des Münsters anschließenden Martinsplatz gibt es in der Pflasterung und im Asphalt der Straße ein Band aus Porphyrquadern. Dieses Band zeichnet den Grundriss der alten Tauf- und Pfarrkirche St. Martin aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts nach. Sie war ein Rundbau mit doppelgeschossigem Umgang, halbrunder Apsis im Osten und einer zweistöckigen Westvorhalle über leicht trapezförmig sich verjüngendem Grundriss. Der kleine Zentralbau stürzte bei einem Sturm 1812 ein und wurde daraufhin abgerissen.
Pranger
Vor dem Hauptportal des Münsters, im Bereich des Münsterplatzes, steht der Bonner Pranger. Er befindet sich auf einer Trachytplatte. Die Säule ragt 2,70 Meter hoch und besteht aus römischem Sandstein. Bekrönt ist die Säule von einer Trachytkugel, dem Hoheitszeichen des Gerichtsherrn. Ein abgebrochener Eisendübel an halber Säulenhöhe lässt auf ein Halseisen an dieser Stelle schließen. Die Säule wurde 2005 durch einen Verkehrsunfall zerbrochen und anschließend restauriert.
Martinsbrunnen
Den Martinsbrunnen vor dem Westportal des Münsters schuf 1902 der Berliner Bildhauer Georg Christian Heinrich Götschmann (1857–1929).[7][8] Er selbst nannte seinen Brunnen Martinitreiben: Die Szenerie zeigt Kinder, die versuchen, Gänse für das Festessen am Martinstag zusammenzutreiben.[9] Im Zweiten Weltkrieg wurden die Bronzefiguren eingeschmolzen und 1958 nach alten Gipsformen durch Ingeborg von Rath rekonstruiert.
Skulpturen
Ebenfalls im Bereich des Hauptportals befindet sich seit 2001 Eduardo Chillidas monumentale Stahlkonstruktion „De Musica IV“. Weniger auffallend und ebenfalls noch im Bereich des Münsterplatzes befindet sich eine Skulptur von Ansgar Nierhoff. Ausgleich nach dem Bildersturm hat der Künstler das vierteilige Kunstwerk genannt. Es besteht aus einer Stahlkugel und, unmittelbar an das Mauerwerk des Münsters angelehnt, einer Stange und zwei Kreishälften. Auf dem Martinsplatz liegen seit 2002 die aus thailändischem Granit gehauenen Köpfe von Cassius und Florentius. Der türkische Künstler Iskender Yediler hat sie geschaffen.
- Martinsbrunnen vor dem Westgiebel des Münsters
- Granitköpfe von Cassius und Florentius vor der Außenwand der Krypta unter der Ostapsis
Orgel
Eine erste Orgel im Bonner Münster lässt sich für das Jahr 1230 nachweisen; das Instrument befand sich zunächst an der Ostwand im nördlichen Querschiff. Im 15. Jahrhundert wurde das Instrument dann ins Mittelschiff umgesetzt, und dort als Schwalbennest-Orgel installiert. Im Jahre 1652 wurde im Westchor des Münsters eine neue Orgel errichtet, welche mit 1.200 Talern sehr teuer war. Im Jahre 1794 wurde im Münster eine Orgel aufgestellt, die von dem Orgelbauer Peter Kemper (Poppelsdorf) an sich für eine Kirche im lettischen Riga erbaut worden war, die allerdings aufgrund Anweisung der französischen Besatzer nicht nach Riga ausgeliefert werden durfte. Dieses Instrument wurde bis in die 1920er-Jahre gespielt, als die Orgelbaufirma Klais den Auftrag erhielt, eine neue große Orgel für das Münster zu erbauen. Geplant waren zunächst 109 Register; realisiert wurden aber zunächst nur 30 Register, die später auf 70 Register ausgebaut werden sollten. Das Instrument – Opus 937 von Orgelbau Klais – wurde 1940 eingeweiht, allerdings bei einem Bombentreffer stark beschädigt. Nach dem Krieg wurde es als Behelfsorgel wiederhergestellt und bis 1961 genutzt; heute befinden sich Teile dieses Instrument in St. Michael (Endenich), wo aus den Resten des Pfeifenmaterials der Münsterorgel ein gehäuseloses Instrument von Johannes Klais Orgelbau entstanden ist.[10]
Die heutige Orgel auf der Westempore wurde im Jahre 1961 als Opus 1208 ebenfalls von dem Orgelbauer Johannes Klais (Bonn) erbaut. Das Instrument hatte zunächst 60 Register und wurde 1982 auf heute 69 Register (5112 Pfeifen) auf vier Manualwerken und Pedal erweitert. Das Schwellwerk ist in zwei Sektionen (Schwellwerke A und B) unterteilt. Das Hauptwerk verfügt über drei Horizontal-Register. Die Spieltrakturen und die Registertrakturen sind jeweils elektrisch.[11]
Eine Besonderheit des Instruments ist der Orgelprospekt, der von dem Bildhauer Manfred Saul (Hennef, Sieg) gestaltet wurde. Das mit hölzernen Skulpturen geschmückte Gehäuse zeigt zum einen biblische Begebenheiten, und zum anderen auch zeitgenössische Ereignisse, etwa die erste erfolgreiche Transplantation eines menschlichen Herzens, und die ersten Astronauten im All.[12]
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- Koppeln:
- Manualkoppeln: I/II, III(A)/II, III(B)/II, IV/II, III(A)/I, III(B)/I, IV/I, IV/III,
- Pedalkoppeln: I/P, II/P, III(A)/P, III(B)/P, IV/P
- Chamadwerkskoppeln: Ch/I, Ch/II, Ch/III, Ch/IV, Ch/P
- Spielhilfen: Setzeranlage, 3 Freie Kombinationen, Tutti, Registercrescendo.
Glocken
Das Geläut besteht aus acht historisch bedeutsamen Glocken. Die sechs größeren Glocken, gegossen von Martin Legros aus Malmedy 1756 und am 8. Dezember desselben Jahres geweiht, bildeten das Geläut der ehemaligen Stiftskirche St. Cassius und Florentius. Die vier größeren Glocken waren das Sonn- und Festtagsgeläut, die beiden kleineren Glocken dienten hingegen als Chorgeläut für die Stundengebete des Stiftes. Mit dessen Aufhebung und dem Abriss der benachbarten Pfarrkirche St. Martin wurde nicht nur deren Patronat, sondern auch ihr zweistimmiges Pfarrgeläut aus den Jahren 1687 und 1757 übertragen.[13]
Zweimal liefen die Münsterglocken Gefahr, zerstört zu werden. In den Weltkriegen sollten sie eingeschmolzen werden. Dazu wurden sie auf den Glockenfriedhof nach Hamburg gebracht. Beide Male kehrten die Glocken zurück. Des Weiteren riss beim Hochziehen der zweitgrößten Glocke ein Seil, doch den 20 Meter tiefen Sturz überstand sie. Jedoch ist an der Schärfe (untere Kante der Glocke) ein Stück Glockenbronze herausgebrochen. Alle Glocken hängen im barocken Holzglockenstuhl in der Glockenstube des 81,4 Meter hohen Vierungsturmes.
Die Glocken von 1756 bilden eines der größten noch vollständig erhaltenen und aus einem Guss entstandenen Barockgeläute.
Nr. |
Widmung |
Gussjahr |
Gießer |
Masse (kg, ca.) |
Durchmesser (mm, ca.) |
Schlagton (HT-1/16) |
Herkunft |
1 | Muttergottes und Clemens, gen. Kurfürstenglocke | 1756 | Martin Legros | 3.400 | 1.780 | b0 –2 | – |
2 | Cassius und Florentius, Mallusius und Achatius | 2.400 | 1.580 | h0 | – | ||
3 | Helena | 1.650 | 1.390 | d1 –7 | – | ||
4 | Donatus und Agatha | 1.450 | 1.320 | es1 –5 | – | ||
5 | Joseph | 280 | 770 | c2 –9 | – | ||
6 | Johannes Nepomuk | 200 | 690 | d2 –6 | – | ||
7 | Dreifaltigkeit | 1757 | 220 | 700 | d2 +3 [=es2 –13] | ehem. St. Martin | |
8 | Jesus, Maria und Joseph | 1687 | Johannes Bourlet | 110 | 550 | fis2 [=ges2] –5 | ehem. St. Martin |
Glocke Nr. |
Inschrift |
1 | Auf Veranlassung von Clemens August, dem Herzog von Bayern, Erzbischof von Köln, Kurfürst des heiligen Römischen Reiches, berühmter Meister des deutschen Ordens, Bischof von Paderborn, Hildesheim, Münster und Osnabrück ist, ausgezeichnet zu seiner Zeit durch fürstliche Freigebigkeit und Ehre seiner Tugend. Der Kirche und Stadt zur Zierde und zum Wohle. In Ewigkeit göttlichen Willens der Jungfrau und Gottesmutter und dem heiligen Klemens das Lob. Ich wurde 1756 gegossen. |
2 | Dem hochwürdigsten und erlauchten Manne Johann Arnold Joseph von Achatius, Stiftsherr der Kölner Domkirche, von St. Cassius und Florentius zu Bonn, von Sankt Andreas in Köln und des adligen Klosters Schwarz-Rheindorf, sowie seiner vortrefflichen und tugendhaften Schwester und Klosterfrau Franziska Theresia von Achatius, die sich beide um die Münsterkirche sehr verdient gemacht, widmet das Bonner Capitel durch diese Glocke ein immer dauerndes Denkmal im Jahr 1756. Martinus Legros aus Malmedy hat mich zu Ehren der heiligen Cassius, Florentius, Malusius, der Schutzpatrone dieser Kirche sowie zur Ehre des heiligen Achatius gegossen. |
3 | Der heiligen Helena Augusta, der Gründerin der Bonner Kirche, der hehren Mutter, haben dies eherne Denkmal aus Frömmigkeit und Dankbarkeit gewidmet die Prälaten und Stiftsherren 1756. Legros goss mich. |
4 | Dem heiligen Bischof und Märtyrer, dem heiligen Donatus und der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Agatha, den Schutzpatronen gegen Blitze und Feuer gewidmet 1756. Martinus Legros goss mich. |
5 | Dem göttlichen Joseph, der allerheiligsten Gottesgebärerin versprochen, 1756. Auf Kosten der Erzbruderschaft der seligen Jungfrau Maria zur Fürsprache der Verstorbenen. Legros goss mich. |
6 | Dem heiligen Märtyrer Johannes von Nepomuk, 1756. Legros goss mich. |
7 | Zu Ehren der Dreifaltigkeit, 1757. Legros goss mich. |
8 | JESUS, MARIA, JOSEPH / JOH. BOURLET VON GIRLICH GOSS MICH / 1687 |
Es wird jeweils eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn geläutet. Die Dauer des Läutens richtet sich nach Art des Anlasses.
Anlass | Anzahl Glocken |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
Weihnachten, Jahreswechsel, Ostern, das Stadtpatronefest und Fronleichnamsprozession; Eröffnung der Festdekade, Festhochamt mit Kerzenopfer des Rates der Stadt Bonn und Abschluss des Stadtpatronefestes | 8 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
Werktage der Festdekade | 6 | 2 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | ||
Sonntageinläuten am Vorabend um 19 Uhr (zuvor 3 mal 3 Schläge auf Glocke 2) und übrige Hochfeste | 4 | 1 | 2 | 3 | 4 | ||||
Hochamt im Jahreskreis, Pontifikalamt | 3 | 1 | 2 | 4 | |||||
Palmsonntag, Gründonnerstag | 3 | 1 | 3 | 4 | |||||
Sonntagsmessen im Jahreskreis (mittags und abends) | 3 | 2 | 3 | 4 | |||||
Allerseelen | 2 | 1 | 3 | ||||||
Sonntagsmessen in der Fastenzeit (mittags und abends) | 2 | 2 | 3 | ||||||
Feste an Werktagen | 2 | 2 | 4 | ||||||
Abendmesse werktags | 1 | 3 | |||||||
Morgenmesse werktags, Mittagsgebet | 1 | 4 | |||||||
Angelusläuten um 7 und 19 Uhr (sonntags auch um 12 Uhr), zuvor 3 mal 3 Schläge auf Glocke 2 | 1 | 5 |
- Cassius und Florentius
- Helena
- Donatus und Agatha
Stadtdechanten und Pfarrer am Bonner Münster
- 1920–1949 Johannes Hinsenkamp
- 1949–1973 Hermann Josef Stumpe
- 1973–1975 Josef Plöger
- 1975–1983 Walter Jansen
- 1983–1998 Wilhelm Passavanti
- 1998–2018 Wilfried Schumacher
- seit 2019 Wolfgang Picken
Krönungsstätte
Das Bonner Münster wurde in seiner Geschichte zweimal Krönungsstätte deutscher Könige.
Heinrich II. von Virneburg krönte am 25. November 1314 Friedrich III. von Österreich (genannt der Schöne) zum deutschen König, nachdem zuvor dessen Vetter Ludwig von Bayern zum König gewählt und in Aachen gekrönt worden war. Als Gegenkönig konnte Friedrich III. sich bis 1322 halten, dann wurde er in der Schlacht bei Mühldorf vernichtend geschlagen.
Die zweite Königskrönung fand am 26. November 1346 statt. Diesmal krönte Erzbischof Walram von Jülich auf Wunsch und Drängen des Papstes den Markgrafen Karl von Mähren zum Gegenkönig. Karl IV., wie er sich von nun an nannte – 1355 in Rom zum Kaiser gekrönt und Begründer der Universität Prag – gilt als bedeutender Herrscher des Mittelalters.
Basilica minor
Pfingstsonntag 1956 erhob der Apostolische Nuntius, Erzbischof Aloysius Muench, das Münster zur Päpstlichen Basilica minor. Das Münster sei wegen seiner historischen Vergangenheit, Schönheit und Monumentalität das „wertvollste Denkmal“ in der Stadt, schrieb Papst Pius XII. zur Begründung der Auszeichnung.
Restaurierungsarbeiten
Am 2. Februar 2006 wurde im Zuge von Restaurierungsarbeiten eine neue Bekrönung auf dem Bonner Münster installiert. Sie ersetzt einen schmucklosen fünfzackigen Blitzableiter. Außer einem Kreuz ist die Bekrönung mit einer vergoldeten Krone mit einem Durchmesser von 1,5 Meter geschmückt.
Zur Durchführung umfangreicher Sanierungsarbeiten am und im gesamten Münster wurde die Kirche im Juli 2017 „für mindestens zwei Jahre“ geschlossen. Die Generalsanierung betraf insbesondere die Statik der Basilika sowie das äußere Mauerwerk, das zu einem großen Teil durch Witterungseinflüsse geschädigt worden war. Außerdem wurden Kunstwerke wie Altäre, die Wandmalereien im Hochchor und das Apsismosaik gereinigt und ausgebessert.
Der sanierte Kreuzgang wurde am 3. Juni 2021 (Fronleichnam) wiedereröffnet, Krypta und Innenraum der Basilika am 31. Oktober 2021. Der Abschluss der gesamten Sanierungsmaßnahme ist für die Folgejahre geplant.[14]
Die Kosten waren mit rund 22,2 Millionen Euro veranschlagt, deren Großteil das Erzbistum Köln trägt.[15]
Das Bonner Münster als Vorbild für die Berliner Gedächtniskirche
Zur Zeit Preußens studierten die Kronprinzen des Hauses Hohenzollern in Bonn an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Kaiser Wilhelm II., der in Bonn studiert hatte, war von der Architektur des Bonner Münsters so sehr beeindruckt, dass er später maßgeblichen Einfluss auf die Bauarbeiten der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg nahm und sie in Anlehnung an das Münster bauen ließ.
- Bonner Münster
(Grafik von 1905) - Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin entstand nach dem Vorbild des Bonner Münsters
(um 1900)
Literatur
nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet
- Stefan Bodemann: Das Bonner Münster – ein europäisches Monument, mit Fotos von Norbert Bach, Freiburg 2009.
- Stefan Bodemann (Text), Norbert Bach (Fotos): Mitten im Leben vom Tod umfangen. Der Kreuzgang des Bonner Münsters. Bonn 2009, ISBN 978-3-00-028485-4.
- Andreas Denk, Ingeborg Flagge: Architekturführer Bonn. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-496-01150-5, S. 2–3.
- Dietrich Höroldt: Das Stift St. Cassius zu Bonn: Von den Anfängen der Kirche bis zum Jahre 1580. In: Bonner Geschichtsblätter, Band 11 (1957).
- Jürgen Kaiser, Andreas Lechtape: Das Bonner Münster. Geschichte – Architektur – Kunst – Kult. Regensburg 2002.
- Manfred Koch: Das Münster, ehemals Stiftskirche St. Cassius und Florentius. Schnell und Steiner Verlag, Regensburg 1990.
- Josef Niesen: Bonner Personenlexikon. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. Bouvier, Bonn 2011, ISBN 978-3-416-03352-7.
- NN: Bonn und sein Münster, Festschrift für Johannes Hinsenkamp. Bonn 1947.
- Lorna Pethig: Die Restaurierungsgeschichte der Bonner Münsterkirche. Arbeitshefte der Rheinischen Denkmalpflege 79. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2012.
- Richard Pick: Zur Geschichte der Münsterkirche in Bonn. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Heft 42, Köln 1884, S. 71–119 Textarchiv – Internet Archive
Weblinks
Einzelnachweise
- Rheinisches Landesmuseum Bonn: Weihaltar für die Aufanischen Matronen. (Nicht mehr online verfügbar.) In: rlmb.lvr.de. Landschaftsverband Rheinland (LVR), 2013, archiviert vom Original am 15. Oktober 2013; abgerufen am 29. August 2013.
- Annette Kuhn: Die Aufanischen Matronen. (PDF) In: wirfrauen.de. Wir Frauen e. V., Februar 2004, abgerufen am 8. Dezember 2015 (Professorin für Geschichtsdidaktik und Frauenforschung an der Uni Bonn).
- Ulrike Müssemeier: Die merowingerzeitlichen Funde aus der Stadt Bonn und ihrem Umland. Dissertation. Bonn 2004, urn:nbn:de:hbz:5-03442.
- Christoph Keller: Legende auf dem Prüfstand. In: Archäologie in Deutschland. Band 5, Mai 2006.
- Hans Lehner/Walter Bader: Baugeschichtliche Untersuchungen am Bonner Münster, Bonn 1932
- Wilfried Hansmann: Die Martins-Reliefs am Bonner Martinsplatz. In: Gero Sander (Hrsg.): Ernemann Sander, Bonn 1997.
- Name aus Taufschein zur Taufe am 1. Dezember 1857 der evangelischen Kirche zu Fischbach i. R.
- Lebensdaten nach: lot-tissimo.com abgerufen am 15. November 2013
- Horst-Pierre Bothien, Erhard Stang: Geheimnisvolles Bonn. Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen 2003, ISBN 3-8313-1342-3, S. 8–9.
- Vgl. die Informationen auf der Website des Erzbistums Köln
- Zur Disposition
- Informationen zur Orgel
- Martin Seidler: Kölner Glocken und Geläute. In: Förderverein Romanische Kirchen Köln e. V. (Hrsg.): Colonia Romanica. Nr. IV. Köln 1989, S. 13.
- Bonner Münster: Kreuzgang des Bonner Münsters: Arbeiten laufen auf Hochtouren. Abgerufen am 29. Juni 2021.
- Bonner Münster für zwei Jahre geschlossen, deutschlandfunkkultur.de, 23. Juli 2017, abgerufen am 23. Juli 2017