Kapitell

Das Kapitell [kapiˈtɛl] (auf d​er letzten Silbe z​u betonen, v​on lat. capitellum „Köpfchen“ z​u caput „Kopf“) o​der der Säulenknauf, früher a​uch das Kapitäl genannt, i​st der o​bere Abschluss e​iner Säule, e​iner Ante, e​ines Pfeilers o​der eines Pilasters.

Geschichte

Das Kapitell i​st plastisch deutlich ausgeformt. Es i​st ein wichtiges ornamentales Element u​nd meist floral, m​it Voluten o​der figurativ ausgeführt. Im Laufe d​er Geschichte h​aben sich vielfältige Ausformungen d​er Kapitelle entwickelt, d​ie die Stilkunde untersucht. Die Überleitung v​om Rund d​er Säule z​ur quadratischen Deckplatte i​st das formale Grundthema d​es Säulenkapitells.

Verbreitung

Ägypten

Die ägyptische Architektur h​at die ersten bekannten Steinkapitelle hervorgebracht. Im Wesentlichen werden h​ier fünf Formen unterschieden[1]:

  1. Offenes Papyroskapitell
  2. Geschlossenes Papyroskapitell
  3. Lotoskapitell
  4. Palmenkapitell
  5. Das Hathorkapitell bekrönt die trommelförmige Hathorsäule, ist würfelförmig und zeigt an zwei gegenüberliegenden oder allen vier Seiten das Gesicht der Göttin Hathor unter einem blockförmigen Aufsatz (Sistrum).

Griechenland

In d​er griechischen Architektur werden d​ie Kapitelle i​n drei Haupttypen unterteilt, d​ie in d​er Säulenordnung festgelegt sind: d​as dorische, d​as ionische u​nd das korinthische Kapitell.

Rom

Die klassisch-römische Architektur orientierte s​ich hauptsächlich a​n griechischen Vorbildern; später wurden i​n seltenen Fällen a​uch Anregungen a​us den Provinzen aufgenommen.

Indien

In d​er persisch beeinflussten indischen Kunst g​ibt es – m​it Ausnahme d​er einzeln stehenden Edikt-Säulen d​es Kaisers Ashoka – k​aum echte Säulen; d​ie meisten freitragenden Stützelemente s​ind eher a​ls Pfeiler z​u bezeichnen, b​ei anderen finden s​ich säulenähnliche Einschübe. Entsprechend finden s​ich hier – abgesehen v​on einigen wenigen Lotoskapitellen – überwiegend kämpferähnliche Abschlüsse.

Mittelamerika

Die mittelamerikanische Architektur k​ennt zwar i​n Ansätzen monolithische o​der gemauerte bzw. a​us Trommeln zusammengesetzte Rundstützen, d​iese haben jedoch w​eder ausgeformte Basen n​och Kapitelle.

Liste Kapitellarten

A

  • Adlerkapitell: Kapitell mit Adlern, vorwiegend in der romanischen Baukunst. Häufig aus vier an den Kapitellecken stehenden Adlern gebildet.[2]
  • Achämenidisches Kapitell: siehe persisches Kapitell
  • Ägyptisches Kapitell: sind Lotuskapitell, Lilienkapitell, Papyruskapitell und Zeltstangenkapitell.
  • Akanturkapitell
  • Akanthuskapitell: siehe Korinthisches Kapitell, siehe auch Akanthus
  • Antenkapitell: siehe Antenkapitell
  • Äolisches Kapitell: Das Äolische Kapitell ist nach der griechischen Küstenlandschaft Äolien benannt, in der das äolische Kapitell hauptsächlich vorkommt. Es handelt sich dabei um die Urform des ionischen Kapitells. Das Kapitell besteht aus einem Kranz herabhängender Blätter mit einem Blattknauf. Darauf liegen zwei nach oben ausgerichtete Voluten. Zwischen den Voluten wächst eine Palmette heraus.
  • Antikes Kapitell: Das ist der Sammelbegriff für alle Kapitelle der Griechen und Römer. Dazu gehören das äolische Kapitell, das Antenkapitell, das dorische Kapitell, das ionische Kapitell, das korinthische Kapitell und das Kompositkapitell

B

  • Bilderkapitell: siehe Figurenkapitell
  • Blattkapitell: Ein mit stilisierten oder auch naturgetreuen Blättern versehenes Kapitell wird Blattkapitell genannt. An antiken Kapitellen finden dabei beispielsweise Akanthusblätter Verwendung (siehe korinthisches Kapitell). Dieses Kapitell wurde in stilistischen Abwandlungen von der romanischen Baukunst übernommen. Heimische Blattformen wie Ahornblätter, Eichenblätter, Efeublätter und Weinblätter wurden zuerst naturgetreu später immer stärker stilisiert in der Gotik verwendet. Auch eine Mischform mit Blüten findet sich bei den Mittelalterlichen Kapitellen. In der Renaissance, im Barock und im Klassizismus wurde wieder die klassische Form des korinthischen Kapitells mit Akanthusblättern verwendet.
  • Blütenkapitell: Typische Blütenkapitelle sind das ägyptische Lotuskapitell, Lilienkapitell und Papyruskapitell. Im Mittelalter kommen Blüten auch in Kapitellen vor, jedoch immer vermischt mit Blättern. Diese Mischform wird Blattkapitell genannt.
  • Byzantinisches Kapitell

D

  • Doldenkapitell: Ein Blütenkapitell bei dem die Blütenblätter geöffnet sind wird Doldenkapitell genannt. Diese Kapitelle sind weit ausladend.
  • Doppelwürfelkapitell: Beim Doppelwürfelkapitell liegen je zwei Halbkreisbögen an jeder der Seitenflächen nebeneinander.
  • Dorisches Kapitell: Der Aufbau eines Dorischen Kapitells ist vom Säulenschaft beginnend eine Kerbe, der Säulenhals (Hypotrachelion), die Riemchen oder Ringe (Anuli), das eigentliche Kapitell, welches mit einem Wulst bzw. Polster (Echinus) auf der Säule aufliegt, und als Abschluss die quadratische Deckplatte (Abakus). Siehe auch: Dorische Ordnung.

F

Figurenkapitell
  • Faltenkapitell: romanisches Kapitell
  • Figurenkapitell, Figürliches Kapitell: Bei dieser auch „Bilderkapitell“ genannten Kapitellform sind Menschen, Tiere und auch Fabelwesen (Chimären) abgebildet. Diese Figuren sind teilweise auch zu ganzen Szenen vereint, oft ist eine ganze Legende auf den Kapitellen einer Bogenreihe dargestellt oder eine Blattmaske gewählt. Diese in seltenen Fällen schon in der Spätantike vorkommende Kapitellform ist vor allem in der romanischen Baukunst in Frankreich seit ca. 1100 zu finden. In späterer Zeit (Gotik, Renaissance, Barock etc.) bleiben die Kapitelle wieder ohne figürlichen Schmuck.

H

I

  • Ionisches Kapitell: mit zwei Spiralen im Kapitell, den Voluten. Siehe auch: Ionische Ordnung.
    • ... klassische Form
    • ... mittelalterliche Form
    • ionisches Renaissance-Kapitell

J

  • Januskapitell: zweiköpfiges Kapitell (abgeleitet vom römischen Gott des Anfangs und Endes)

K

Kompositkapitell
Köpfekapitell
  • Kämpferkapitell
  • Kelchblockkapitell: der untere Teil des Kapitells in Kelchform (d. h. nach oben konisch sich verbreiternd), der obere Teil als quadratischer Block ausgebildet romanisches Kapitell
  • Kelchkapitell nach oben konisch sich verbreiterndes Kapitell, in der Regel durchgehend rund, die Überleitung ins Quadrat erfolgt erst mit der Deckplatte.
  • Knollenkapitell
  • Knospenkapitell: Kapitell mit Blattknospen, typische Form der Frühgotik, meist in schlanker Kelchform; (frz. chapiteau à crochets).
  • Kompositkapitell: Aus verschiedenen, ursprünglich nicht zusammengehörenden Teilen bestehendes Kapitell. Ein Kapitell, das aus zwei Teilen besteht. Z. B.: Ein korinthisches Kapitell, auf das ein ionischer Abschluss aufgesetzt wurde. Es kam erst bei den Römern auf, hilft daher bei der Unterscheidung griechischer und römischer Säulen.
  • Korbkapitell Kapitell mit geflochtenen Bändern, byzantinisch
  • Korinthisches Kapitell: siehe auch Korinthische Ordnung
    • Vorstufe: Als Vorstufen des korinthischen Kapitells werden entweder Doppelvoluten-Kapitelle oder ionische Halsmantelkapitelle angesehen. Die Verbreitung der ältesten korinthischen Kapitelle auf der Peloponnes legen einen Bezug zu den gleichfalls peloponnesischen Doppelvoluten-Kapitellen nahe.
    • ... klassische Form: Den Kapitellkörper, Kalathos genannt, umgeben zwei versetzt angeordnete, unterschiedlich hohe Kränze aus je acht stilisierten Akanthusblättern. Aus den Eckblättern entwickeln sich sog. Caules, die jeweils zwei unterschiedlich stark gebildete Pflanzenstängel entlassen. Der kräftigere, Volute genannte Stängel wächst der Abakusecke entgegen, während der kleinere, Helix genannte Stängel sich zur Mitte der jeweiligen Ansichtfläche des Kapitellkörpers wendet. Die Voluten stützen gleichsam den Abakus, dessen Seitenflächen konkav geschwungen sind. Eine Rosette oder Abakusblume ziert die Mitte jeder der vier Abakusseiten.
    • ... mittelalterliche Form
Lotoskapitell mit Löwen, Sarnath, Indien

L

  • Lilienkapitell
  • Lotosknospenkapitell

M

  • Mukarnaskapitell

N

  • Nabatäisches Kapitell

O

  • Ochsenkopfkapitell

P

Persisches Kapitell
  • Palmkapitell: zum einen ein Typus eines ägyptischen Kapitels[3], zum anderen eine alternative Bezeichnung für das romanische Hohlblatt- oder Pfeifenkapitell[4]
  • Papyruskapitell: ein Sammelbegriff für eine Gruppe von ägyptischen Kapitellen, bei denen Papyrus-Stauden nachgebildet wurden:
    • Papyrusdoldenkapitell
    • Papyrusknospenkapitell
    • Palmetten-Papyrus-Kapitell: dieses Kapitell zeigt abwechselnd spitz zulaufende Palmwedel und kleine geschlossene Papyrusdolden, die farblich gegeneinander abgesetzt waren. Dieses Kapitell ist im Tempel von Philae zu finden.
  • Persisches Kapitell: Typisch für das persische Kapitell, das auch achämenidisches Kapitell genannt wird, sind die Darstellungen von Tieren mit zwei Köpfen, meist Löwen oder Stiere, aber auch Mischwesen aus Mensch und Tier. Die Bedeutung dieser doppelköpfigen Wesen konnte noch nicht endgültig geklärt werden.
  • Pfeifenkapitell: romanisches Kapitell, auch Hohlblatt-, Palm- oder Faltenkapitell[4] mit mehreren konkaven oder umgekehrt kegelstumpfartigen Gliederungen.
  • Pilasterkapitell: das Kapitell eines Pilasters, eines flachen Wandpfeilers mit Basis und Kapitell.
  • Pilzkapitell: ein romanisches Kapitell, das nur in der Ottonischen Zeit etwa von 950 bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts verwendet wurde. Über einem „auffallend breiten und wulstigen Halsring“[5] erhebt sich eine gedrungene Kehle, auf der eine etwas auskragende, als nach oben zulaufendes Kugelsegment gestaltete Platte ruht, der charakteristische Pilzhut. Nach oben wird das Kapitell durch eine im Verhältnis zur Gesamthöhe ungewöhnlich hohe Deckplatte abgeschlossen, die gemeinsam mit dem Kapitell aus einem Block gearbeitet wurde. Bekannte Beispiele befinden sich in der Krypta von St. Wiperti in Quedlinburg.
  • Polsterkapitell: Romanisches Kapitell, aus dem Würfelkapitell entwickelt, wobei das Kapitell kissenartig verdickt ist. Besonders im Wormser Dom und seiner Nachfolge verbreitet.

R

Rankenkapitell

S

  • Schildkapitell: romanisches Kapitell Das Schildkapitell ist ein frühromanisches Würfelkapitell, bei dem die ebenen senkrechten Flächen mit leicht profilierten halbkreisförmigen Schilden versehen sind. Es findet sich hauptsächlich in der Lombardei, weshalb es auch lombardisches Kapitell genannt wird.
  • Stalaktitenkapitell kommt in der islamischen Baukunst vor.
  • Sistrumkapitell: ägyptisches Kapitell
  • Sofakapitell

T

Toskanisches Kapitell
  • Tellerkapitell
  • Toskanisches Kapitell
  • Trapezkapitell

V

  • Volutenkapitell

W

Würfelkapitell
(mit Doppelschild)

Z

  • Zeltstangenkapitell: ägyptisches Kapitell. Das Zeltstangenkapitell ist ein äußerst selten zu findendes Kapitell der ägyptischen Baukunst. Die Glockenform des Kapitells ähnelt dem glockenförmigen Aufsatz auf den Zeltstangen, woher es seinen Namen hat. Zeltstangenkapitelle wurden nur in der 18. Dynastie in Karnak und Theben errichtet.
  • Zungenblattkapitell: romanisches Kapitell
  • Ziegelwürfelkapitell: Das Ziegelwürfelkapitell sieht aus wie ein Trapezkapitell und ist aus an den Kanten abgeschliffenen Ziegelsteinen hergestellt.

Galerie

Siehe auch

Säule

Commons: Kapitell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kapitell – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Werner Müller und Gunther Vogel: dtv-Atlas zur Baukunst. Band 1: Allgemeiner Teil. Baugeschichte von Mesopotamien bis Byzanz. Deutscher Taschenbuchverlag, München 1974. ISBN 3-423-03020-8, S. 104f.
  2. Karl Nothnagel: Adlerkapitell, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Bd. 1, Stuttgart 1933, Sp. 180-188
  3. Chapter VI: The Architecture. In: William Matthew Flinders Petrie: The arts & crafts of ancient Egypt. Edinburgh and London 1909, S. 66–67.
  4. Typus: Hohlblattkapitell (’Pfeifenkapitell‘). Arachne-Bilddatenbank des DAI.
  5. Monika-Marie Knoche: Das Pilzkapitell. In: Aachener Kunstblätter. Bd. 41, 1971, S. 201–210 (PDF).
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