Kloster Wiblingen
Das Kloster Wiblingen ist eine ehemalige Benediktinerabtei, die 1093 gegründet wurde und bis zur Säkularisation im Jahre 1806 bestand. Danach wurden Teile der Klosteranlage zunächst als Schloss und Kaserne genutzt, im 21. Jahrhundert beherbergt sie Abteilungen des Universitätsklinikums Ulm und eine Akademie für ärztliche Fortbildung. Die Klosteranlage steht im Dreieck zwischen Iller und Donau südlich von Ulm in Baden-Württemberg. Der Ort Wiblingen ist heute ein Stadtteil von Ulm und liegt an der Oberschwäbischen Barockstraße, am Main-Donau-Bodensee-Weg und am Iller-Radweg.
Gründung
Das Kloster Wiblingen verdankt seine Gründung den beiden Grafen Hartmann und Otto von Kirchberg.[1] Im Jahre 1093 beschlossen sie, zu ihrem Seelenheil ein Kloster auf ihrem Land zu stiften.[2] Derartige Stiftungen waren im Hochmittelalter durchaus üblich, sie entsprachen den Frömmigkeitsvorstellungen der damaligen Zeit. Die Mönche hatten als Gegenleistung die Verpflichtung, für das Seelenheil der adligen Stifter zu beten.
Das neue Kloster derer von Kirchberg sollte zu Ehren des Heiligen Martin von Tours errichtet und auf die Regel des Heiligen Benedikt von Nursia verpflichtet werden. Daher ersuchten die Grafen den Abt der Benediktinerabtei St. Blasien, Otto, um die Gründung einer „Kolonie“. Otto entsandte eine Abordnung von Mönchen aus seinem Kloster nach Wiblingen, um dem Wunsch der Grafen zu entsprechen, die Land an der Iller zur Verfügung stellten, auf dem die Mönche unter Leitung erfahrener Baumeister eine Filiation ihrer Abtei errichteten. Im Jahre 1099 wurde sie eingeweiht. Zum ersten Abt des neuen Wiblinger Klosters wurde Werner von Ellerbach, der Vorsteher der Abordnung aus St. Blasien gewesen war, ernannt.
Im gleichen Jahr stifteten die Grafen von Kirchberg dem Kloster Holzpartikel, die angeblich vom Kreuz Christi stammten und die seitdem in der Klosterkirche in Wiblingen in einem Schrein aufbewahrt und verehrt werden. Die Holzstückchen hatten sie von Papst Urban II. als Geschenk nach ihrer Teilnahme am Ersten Kreuzzug (1096–1099) erhalten.
Das Kloster in Mittelalter und früher Neuzeit
Im Jahre 1271 zerstörte ein Brand das Kloster, wodurch ein Neubau notwendig wurde, der Ende des 13. Jahrhunderts ausgeführt wurde. Gegen Ende des späten Mittelalters erreichte das bis dahin vorbildliche Zusammenleben im Kloster Wiblingen unter einigen schwachen Äbten einen Tiefpunkt. Angestoßen von der Melker Reform gelang es jedoch reformeifrigen Äbten ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, das monastische Leben in Wiblingen wieder an der Benediktsregel zu orientieren. Ab dieser Zeit erwuchs dem Kloster durch den Reformeifer der Äbte eine derart große, auch überregionale Bedeutung als neue Stätte besonderer benediktinischer Gelehrsamkeit und mustergültiger Klosterzucht, dass immer wieder Konventuale aus dem Kloster als Reformer anderer Benediktinerklöster in Erscheinung traten.
Im Jahr 1504 fiel die Benediktinerabtei mit allen zugehörigen Ortschaften an das Haus Österreich, unter dessen Herrschaft es bis zur Aufhebung im Jahre 1806 blieb.
Im Dreißigjährigen Krieg kam es in den Klostergebäuden zu Raub und Plünderungen, Soldaten wurden einquartiert. Überdies brach infolge des Krieges in Wiblingen die Pest aus, die viele Mönche und auch den Abt hinwegraffte. Nicht zuletzt durch den bedeutenden Abt Benedikt Rauh (Amtszeit 1635–1663), der auch Feldbischof der bayerischen Armee war, konnte das Kloster die schweren Kriegszeiten glimpflich überstehen und nach Kriegsende einen erneuten Aufschwung nehmen. Die wachsende wirtschaftliche und politische Bedeutung unter den Äbten Ernest Fabri, Maurus Falkner und Modest I. führte im Jahr 1701 zur endgültigen Lösung von der Vogtei und zur Erhebung in den vorderösterreichischen Mediatstand.
Klosterneubau im 18. Jahrhundert
Der Status der Abtei als selbstständiges vorderösterreichisches Territorium war wahrscheinlich der Auslöser für den Klostergedäudeneubau, der 1714 begann und weitgehend vom Spätbarock geprägt ist. Das Kirche stellt dagegen ein Hauptbeispiel des Frühklassizismus in Süddeutschland daraber . Der mittelalterliche Klosterbau hatte eine unregelmäßige Struktur und war immer wieder erweitert und verändert worden, die Kirche stammte aus der Romanik und war aber ebenfalls viele Male umgebaut und erweitert worden. Bis in das späte 17. Jahrhundert erfuhr auch die Klosteranlage stetige Umbauten und Erweiterungen.
Als das Kloster vollends unter vorderösterreichische Hoheit kam, begann – nach dem Vorbild des Escorial in Spanien – eine umfassende Neuplanung mit einer Kirche im Zentrum, die von einem symmetrisch angelegten Geviert und Vorhöfen umgeben ist. Den Plan dazu lieferte, so der Klosterchronist Michael Braig, der bedeutende Barockbaumeister Christian Wiedemann. Nach diesem von dem Mosbrugger-Projekt in Einsiedeln beeinflussten Plan wurde der Bau der Vorhöfe begonnen. Um 1730 erfolgte eine erste Planänderung (Erweiterung), die dazu führte, dass Torhaus und Kirche sich nun nicht mehr auf einer Achse befanden.[3] Weitere Planänderungen folgten: Der ursprünglich vorgesehene Zentralbau wurde durch einen Längsbau ersetzt (überliefert in einem Stich von Gottfried Bernhard Göz), wohl nach dem Vorbild von Weingarten und unter Einbeziehung bestimmter Einflüsse von Kirchenbauentwürfen Caspar Moosbruggers.[4] Der Südtrakt des Klostergevierts blieb unausgeführt, bis die württembergische Heeresverwaltung – angeblich nach alten Plänen – das Geviert im Jahre 1917 schloss.
Nach dem Plan Wiedemanns wurde im Nordtrakt des Klosters der später berühmt gewordene Bibliothekssaal errichtet. Die Bauleitung hatte zum Zeitpunkt seiner Vollendung (1744) wohl schon der Neffe Wiedemanns, Johann, der am Klosterbau zuvor als Parlier gearbeitet hatte.[5] 1750 erfolgte die Berufung Johann Michael Fischers als Bauleiter. Dieser überarbeitete Wiedemanns Pläne (die sich am besten am Holzmodell für das Kloster Schussenried ablesen lassen, das als weitgehende Kopie der Wiblinger Planungen gelten kann). Fischers Leistung für Wiblingen besteht vor allem in dem neugestalteten Osttrakt, dem er einen markanten Risalit gab und damit den Kapitelsaal als Zentrum der klösterlichen Organisation sowie des Selbstverständnisses einer Territorialherrschaft ausübenden Abtei auszeichnete. Vorbild dieser Fassade war das Gebäude der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien – ein bewusstes Zitat der vorderösterreichen Abtei, um ihre Verbundenheit mit dem Kaiserhaus darzustellen.
Bibliothekssaal
Im Inneren des Bibliothekssaals, der im Stil des Rokoko gehalten ist, befindet sich ein großflächiges Deckenfresko, das religiöse Szenen von Adam und Eva im Paradies bis hin zu Klosterszenen darstellt, gemalt 1744 von Franz Martin Kuen (1719–1778). Das Deckenfresko gilt als dessen Hauptwerk.[6] Die Fresken an der Unterseite der Galerien hat Kuen erst 1750 geschaffen. Vor den Bücherregalen stehen an beiden Stirn- und beiden Längsseiten Figuren, die vier christliche und vier weltliche Allegorien darstellen. Die lebensgroßen Figuren schnitzte der Bildhauer Dominikus Hermenegild Herberger. Sie sind weiß lackiert und poliert, ihre Requisiten sind vergoldet. Die vorzüglichen Kompositkapitelle der Säulen sind vergoldet. Sie zeigen unter anderem die Christenlehre, die Askese, die Naturwissenschaften, Justitia und die Zeit (Gott Chronos). Die Bücherschränke, nach Sachgebieten geordnet (über den Regalen finden sich entsprechende Hinweise), beherbergten zu Klosterzeiten mehrere Tausend Schriften, darunter wertvolle Handschriften aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Heute stehen dort vergleichsweise banale Bände der Oberamtsbibliothek aus dem 19. Jahrhundert.
Kirchenbau
Erst Abt Roman Fehr (1768–1798) hat den Grundstein zur neuen Kirche gelegt – der Baumeister war Johann Georg Specht, der aus der späten Auer Zunft hervorgegangen ist und die Kirchenbauten von St. Gallen sowie der Birnau genau kannte. Nach deren Vorbild hat er seinen Bau entworfen – und dieser wäre trotz mancher Vereinfachungen wohl noch recht spätbarock ausgefallen, wäre es nicht ab 1778 dem Freskanten Januarius Zick, gelungen, Specht zu verdrängen. Zick hatte in Schussenried gelernt und wurde dort Architekt. In Wiblingen vollendete er den Bau im griechischen Stil, d. h. im französischen Zopfstil. Im Inneren gelang das, und es ergab sich ein stimmiges Raumbild des frühen Klassizismus mit barocken Reminiszenzen.
Am 28. September 1783 weihte Leopold Wilhelm von Baden, Weihbischof des Bistums Konstanz, dem die Abtei Wiblingen zugehörte, die Klosterkirche feierlich ein. Die Kirchenfassade mit über Eck gestellten Türmen (vgl. die Planungen für St. Gallen) blieb unvollendet, obwohl der letzte Abt Ulrich Keck noch während der Franzoseneinfälle in den 1790er Jahren vergeblich versucht hatte, sie zu vollenden.
Die Basilika ist im Innern ein schönes Beispiel des Frühklassizismus. Die Ausstattung ist aufeinander abgestimmt. Das Programm der vergoldeten Reliefs im Chorgestühl verbildlicht den Bezug zwischen dem Neubau der Klosterkirche und dem Tempel in Jerusalem sowie den Klostergründungen des Hl. Benedikt. Unter dem Chorbogen befindet sich ein Triumphbogenkreuz, um 1480/90 als großartige Schnitzarbeit vom Ulmer Bildhauer Niklas Weckmann geschaffen und von Anfang an für Wiblingen bestimmt und nicht erst nach der Reformation hierher verbracht.[7]
Säkularisation im Jahre 1806 und folgende Nutzung
Nach den Niederlagen in den napoleonischen Kriegen wurde das Österreich zugehörige Kloster 1805 zunächst von badischen und anschließend von bayerischen Truppen besetzt. Im Jahr darauf bezogen die Württemberger das Kloster, nachdem von den Bayern das gesamte Mobiliar versteigert worden war. Das Kloster wurde nun am 27. März 1806 als eines der letzten Klöster im Zuge der Säkularisation offiziell aufgehoben. Damit erlosch die über siebenhundertjährige benediktinische Tradition, die im Kloster Wiblingen zu Hause war. Die Mönche verließen nach und nach das Kloster; einige von ihnen wanderten in die Benediktinerabtei Tyniec bei Krakau aus. Prior Gregor Thomas Ziegler wurde 1822 zum Bischof von Tyniec bei Krakau und 1827 zum Bischof von Linz ernannt.
Das Kloster wurde Residenzschloss von Herzog Heinrich, dem Bruder des Königs Friedrich I. von Württemberg. Den Einwohnern Wiblingens wurde fortan bei Strafe verboten, die Anlage „Kloster“ zu nennen – sie musste vielmehr als „Schloss“ bezeichnet werden. Von dieser Anordnung zeugt der Name der längs der westlichen Klostermauer verlaufenden Straße, die bis heute Schloßstraße heißt.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das frühere Kloster Wiblingen Teil der Bundesfestung Ulm und seit 1848 unter der Bezeichnung Schlosskaserne im Wesentlichen als Infanteriekaserne genutzt. Deshalb wurde das unvollendete Konventgebäude, welches die Klosterkirche umgibt, in den Jahren 1915–1917 komplettiert, indem nach den früheren Plänen die auf einer Kirchenseite noch fehlenden Gebäude ergänzt wurden. Die Nutzung als Kaserne dauerte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an, im Anschluss diente das Kloster der Beherbergung von Kriegsflüchtlingen. In späteren Jahren nutzten es Teile der Universitätsbibliothek Ulm.
Nutzung im 21. Jahrhundert
Klosterhauptbau und Wirtschaftsgebäude
Teile des Nordflügels und das angrenzende frühere Wirtschaftsgebäude beherbergen die Akademie für Gesundheitsberufe[8] sowie das Universitätsklinikum Ulm.
Der Südflügel des Klosters, der 1917 neu errichtet wurde, diente zwischenzeitlich als städtisches Altersheim.
Das kleine Mikroskopmuseum von Johannes Schumann ist auch in Räumlichkeiten des Klosters untergebracht.[9]
Kirchengebäude und Klostermuseum mit Bibliothekssaal: Zugänglichkeit
Die Klosterkirche St. Martin wird heute als katholische Pfarrkirche genutzt. Sie wurde am 5. Mai 1993 von Papst Johannes Paul II. mit dem Apostolischen Schreiben Templum paroeciale zur Basilica minor erhoben. Zugleich sind Teile der Ausstattung Wallfahrtsziele.
Kirche und Bibliothekssaal in der zweiten Etage des Nordflügels können individuell oder im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Die interaktive Ausstellung mit kleinen Filmsequenzen, Modellen und einem Audioguide halten alle Informationen für Besucher bereit.[10] Das Klostermuseum in den ehemaligen Gästezimmern des Konvents ist seit 2006 eröffnet. Das Kloster mit seinem kleinen Geschichtsmuseum und dem Bibliothekssaal wird von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württembergs betreut.
Orgeln in der Kirche
Die erste Orgel der Kirche, die eigentlich nur ein Notbehelf war, war eine Chororgel von Johann Nepomuk Holzhey. Ihr Volumen und ihr Klang waren dem großen Hauptraum und seiner Akustik nicht gewachsen. Ein Benediktinermönch aus dem 18. Jahrhundert, Michael Braig (1774–1832), beschrieb in seiner Chronik die Situation wie folgt: „Die Ausführung der [Haupt]Orgel aber, die dem majestätischen Tempel noch weit mehr Ansehen hätte verschaffen sollen, wurde durch die traurigen Zeiten verhindert.“[11] Bis auf das historische Orgelgehäuse ist von dem Instrument nichts erhalten.
Chororgel (Reiser)
An dessen Stelle baute die Orgelbaufirma Reiser aus Biberach an der Riß im Jahre 1973 ein neues Instrument ein. Doch auch diese Orgel erfüllt nicht alle klanglichen Erwartungen. Das Schleifladeninstrument hat 30 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch. Das Pfeifenwerk befindet sich ausschließlich in dem Orgelgehäuse auf der Südseite des Chorraums. Der Spieltisch wurde in das Chorgestühl integriert. Das Orgelgehäuse auf der Nordseite ist ein Blindprospekt.[12]
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- Koppeln: II/I, I/II, I/P, II/P
- Spielhilfen: zwei feste Kombinationen (pleno, tutti), zwei freie Kombinationen, eine freie Pedalkombination, Zungenabsteller
Hauptorgel (Winterhalter)
Wegen der eingeschränkten Nutzbarkeit der Reiser-Orgel beschloss die Gemeinde einen Orgelneubau. Das neue Instrument sollte neben dem liturgischen Dienst vor allem auch für öffentliche Orgelkonzerte und zur Begleitung von Chören und Orchestern eingesetzt werden. Zur Unterstützung dieses Neubauvorhabens gründete sich zum 1. November 2015 ein Orgelbauförderverein, der zu Pfeifenpatenschaften aufrief.[13] Grundlage der weiteren Planung war ein Angebot der Orgelbaufirma Claudius Winterhalter aus Oberharmersbach. Herstellung und Einbau des Instruments sollten mehr als eine Million Euro kosten. Nach Erreichen der Mindestspendensumme im Jahre 2018 wurde der Auftrag zum Bau der Orgel erteilt.[14]
Die neue Orgel wurde am Pfingstsonntag, dem 23. Mai 2021 eingeweiht.[15][16] Sie hat 44 Register (zuzüglich 6 Transmissionen, 3 Extensionen und 1 Vorabzug) sowie über 3.300 Pfeifen auf drei Manualen und Pedal.[17][18]
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- mechanisch: II/I, I/P, II/P
- elektrisch: III/I, III/II, Sub III/I, Sub III/II, Sub III/III, III/P, Super III/P
- Spielhilfe: Balanciertritt für Schwellwerk mit Pianoprogression
Eine Besonderheit des Instruments ist die Kavalflöte (Nr. 20), die als Horizontalregister oberhalb des Spieltisches untergebracht ist. Es handelt sich dabei um ein Labialregister nach dem Vorbild einer leicht trichterförmigen Hirtenflöte, der gleichnamigen Kaval. Das Register zeichnet sich durch sein Anblasgeräusch und einen besonders tragfähigen Klang aus. Es entnimmt seine Töne C–H den Holzpfeifen der Rohrflöte (Nr. 18), ab b1 überbläst es in die Oktave. Die Mixtur major VI–VIII (Nr. 11) bezieht sich in ihrem Obertonaufbau auf ein 16′-iges Klangfundament und enthält in Anlehnung an süddeutsche Barockorgeln einen Terzchor. Die 32′-Lage des Bourdon wird von C bis H akustisch hergestellt aus dem Subbass (Nr. 43) und offenen 10 2⁄3′-Pfeifen.[19]
Geläut
Die Klosterkirche verfügt über ein vierstimmiges Geläut.[20]
Wallfahrt und Verehrung
Die ehemalige Klosterkirche St. Martin beherbergt folgende drei besondere Stätten, die Ziel der Verehrung von Gläubigen und damit Ziel von Wallfahrten waren bzw. sind.
Heilig-Kreuz-Reliquie
Die Heilig-Kreuz-Reliquie in der Ölbergkapelle, deren Holzpartikel im Jahre 1099 ein Geschenk der Klosterstifter Hartmann und Otto von Kirchberg waren (s. o.) und vom Kreuz Christi stammen sollen, bildeten bzw. bilden den herausragenden Schatz des Klosters bzw. der Basilika.
Im Dreißigjährigen Krieg kam es zu einem für das Kloster schmerzlichen Verlust der Heilig-Kreuz-Reliquie. Aus Angst vor einem Raub oder der Zerstörung in den Kriegswirren ließ der damalige Abt Johannes Schlegel sie verstecken, um sie vor dem plündernden feindlichen Heer der Schweden zu schützen. Nach deren Abzug wurde allerdings das Versteck nicht wieder aufgefunden, da die wenigen mönchischen Zeugen des Verstecks an der infolge des Krieges ausgebrochenen Pest gestorben waren. Die Legende berichtet, ein alter Maurer aus Kärnten, der seinerzeit im Beisein der wenigen Zeugen die Kreuzreliquie hinter dem Hochaltar der Wiblinger Klosterkirche eingemauert hatte, hätte in einem Traum die Vision des Wiblinger Heiligkreuzes gehabt, woraufhin er beschlossen hätte, sich als Greis nochmals auf den Weg ins ferne Wiblingen zu machen, um die Partikel zu verehren. Als er in Wiblingen eintraf, soll er, so die Legende, jedoch erstaunt gewesen sein, dass die Holzpartikel vermisst würden. Die Freude aller Anwesenden soll daher groß gewesen sein, als er im Beisein der Mönche die Reliquie wieder zutage förderte.
Seit der Schenkung im Jahre 1099 wird das Heilige Kreuz in Wiblingen in besonderer Weise verehrt und ist noch immer das Ziel zahlreicher Pilger.
Gebeine des seligen Werner von Ellerbach
Links des Josefsaltars der Basilika befinden sich in einem Vierungspfeiler die vermauerten Gebeine des ersten Abtes des Klosters, des im Jahre 1126 verstorbenen seligen Werner von Ellerbach. Vor dem Abbruch der Vorgängerkirche des jetzigen Gotteshauses wurden sie im Jahre 1782 von ihrem alten Liegeplatz im alten Kirchenbau erhoben und zur weiteren Verehrung in die neue Kirche übertragen, deren Bau zu jener Zeit bereits vollendet war. Von der Verehrung Werners zeugt insbesondere die Tatsache, dass bis in das Kriegsjahr 1629 an seinem Gedenktag, dem 4. Juni, über seinem Grab kleine längliche Brote, die den Namen Wernersbrote trugen, zu seinem Gedenken geweiht und an die anwesenden Gläubigen verteilt wurden.
Einsiedler-Madonna
Rechts des Martinusaltars steht eine Marienstatue mit Strahlenkranz aus dem späten 17. Jahrhundert, die bis ins Jahr 1811 in der 1681 eingeweihten Einsiedeln-Kapelle unweit des Klosters verehrt und zu der Wallfahrten unternommen worden waren. Die Einsiedeln-Kapelle entsprach in ihrer Einrichtung und Größe der Gnadenkapelle im schweizerischen Kloster Einsiedeln, wo auch die Madonna als Kopie der Einsiedler Madonna angefertigt wurde. Nach der Säkularisation des Klosters wurde die Kapelle 1811 abgebrochen und die Madonna daher in die ehemalige Klosterkirche übertragen.
Äbte
Der erste Abt nach Stiftung des Klosters war Werner von Ellerbach. Die Reihe der Äbte aus den drei letzten Jahrhunderten ist:
Martin Stör 1504–1508, Georg Hacker 1508–1527, Heinrich Claus 1527–1550, Othmar Lauffenberger 1551–1553, Petrus Negelin 1553–1556, Augustin Widemann 1556–1563, Martin Hermann 1563–1572, Jodoc Todt 1572–1589, Urban Hafner 1589–1606, Gottfried Munding 1606–1618, Franz Schwarz 1618–1630, Johannes Schlegel 1630–1635, Benedikt Rauch 1635–1663, Ernst Faber 1663–1666, Maurus Falkner 1666–1692, Modestus Huber 1692–1730, Meinrad Hamberger 1730–1762, Modest Kaufmann 1762–1768, Roman Fehr 1768–1798, Ulrich Keck 1798–1806.
Literatur
- Gustav Bölz: Die Baugeschichte des Klosters Wiblingen. Dissertation Technische Hochschule Stuttgart 1922 (maschinenschriftlich vervielfältigt).
- Adolf Feulner: Kloster Wiblingen. Filser, Augsburg 1925 (= Deutsche Kunstführer; Band 1).
- Alois Schwenger: Abtei Wiblingen. Zerle, München 1930.
- Hermann Lemperle: Klosterkirche Wiblingen. Katholisches Stadtpfarramt, Ulm-Wiblingen 31961.
- Wolfgang Urban: Ex bibliotheca monasterii Wiblingensis: Zu den mittelalterlichen Handschriften des Tübinger Wilhelmsstifts. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 6 (1987), S. 221–238.
- Ingrid Kessler-Wetzig: Kloster Wiblingen. Beiträge zur Geschichte und Kunstgeschichte des ehemaligen Benediktinerstiftes. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1993, ISBN 3-88294-189-8.
- Ingrid Wetzig: Ulm-Wiblingen. In: Ludwig Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Baden-Württemberg II. Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen. Berlin 1997, S. 782–789
- Ingrid Münch: Kloster Wiblingen. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 1999, ISBN 3-422-03058-1 (Kunstführer).
- Anton Aubele und Ludwig Ohngemach: Die Familie Wiedemann – eine bisher wenig erforschte Baumeisterfamilie der Barockzeit aus Unterelchingen und Ehingen. In: Geschichte im Landkreis Neu-Ulm. Jahrbuch des Landkreises Neu-Ulm 6 (2000), S. 60–90.
- Michael Braig: Kurze Geschichte der ehemaligen vorderösterreichischen Benediktiner-Abtey Wiblingen in Schwaben. Joseph Rauch, Isny 1834 (Digitalisat); Neuausgabe: Konrad, Weißenhorn 2001, ISBN 3-87437-456-4 (Chronik eines ehemaligen Wiblinger Konventualen).
- Johannes May: Die Bibliothek des Benediktinerklosters Wiblingen. Landratsamt Alb-Donau-Kreis, Ulm ca. 2002, ISBN 3-9806664-7-6.
- Frank Purrmann: Wiblingen und Schussenried. Baugeschichte und baupolitische Beziehungen zweier oberschwäbischer „Escorial-Klöster“ im 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 54/55 (2000–01), S. 199–237, ISBN 978-3-87157-197-8.
- Martina Oberndörfer: Wiblingen. Vom Ende eines Klosters – Die Vorderösterreichische Abtei Wiblingen und ihr Umland im Zeitalter des Barock und der Aufklärung. Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm im Jan Thorbecke Verlag, Ulm 2006, ISBN 3-7995-8034-4.
- Staatsanzeiger-Verlag (Hrsg.): Wiblingen: Kloster und Museum. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Stuttgart 2006, ISBN 3-929981-59-9.
- Martin Kluger: Die Fugger um Augsburg, München und Ulm. Adel, Schlösser und Kirchen. Context Verlag, Augsburg 2012, ISBN 978-3-939645-43-6.
- Otto Beck, Heinz Mayer, Clemens M. Mayer: Basilika St. Martin Ulm-Wiblingen. Kunstverlag Fink, Lindenberg 32013, ISBN 978-3-931820-55-8 (Kunstführer).
Weblinks
- Offizielle Website zu Kloster Wiblingen
- Benediktinerabtei St. Martin Wiblingen in der Datenbank Klöster in Baden-Württemberg des Landesarchivs Baden-Württemberg
- Online-Projekt zum Kloster Ulm-Wiblingen der Albert-Einstein-Realschule Ulm-Wiblingen
- Historisches Lexikon Bayerns: Kirchberg, Grafen von (Sarah Hadry)
Einzelnachweise
- Der Stammsitz der Grafen befand sich im heutigen Oberkirchberg.
- Max Huber/Hans Eugen Specker: Ulm. In: Handbuch der historischen Stätten Baden-Württemberg. Stuttgart 1965, S. 808–819, hier S. 818.
- vergl. Bölz (siehe Literatur), Baugeschichte, 1922
- vergl. Purrmann (siehe Literatur), Wiblingen und Schussenried, 2003
- vergl. Ohngemach/Aubele (siehe Literatur), Familie Wiedemann, 2001
- Matthias Kunze: Franz Martin Kuen. Maler zwischen schwäbischer Frömmigkeit und venezianischer Pracht. In: Ulrich Hoffmann/Matthias Kunze (Hg.): Franz Martin Kuen. 1719–1771. Ein Maler zwischen schwäbischer Frömmigkeit und venezianischer Pracht. Weißenhorn 2020, S. 15–110, hier S. 42.51.
- Alfred Schädler: Nicklaus Weckmann - Bildhauer zu Ulm. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 1992, S. 75f.
- Uniklinik Ulm – Akademie für Gesundheitsberufe. Abgerufen am 9. August 2021.
- Mikroskopmuseum. Abgerufen am 9. August 2021.
- Besuchsinformation. Abgerufen am 9. August 2021.
- Hauptorgel Basilika Wiblingen, Flyer des Orgelfördervereins Basilika Ulm-Wiblingen e. V., Frühjahr 2019, herausgegeben vom Förderverein zusammen mit der Kulturabteilung der Stadt Ulm.
- Informationen zur Orgel der Klosterkirche Wiblingen. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- Pfeifenpatenschaften. Abgerufen am 9. August 2021.
- Kirche – Der Entwurf für die Wiblinger Hauptorgel steht. Abgerufen am 9. August 2021.
- Ulm-Wiblingen: Orgelbau in 130 Sekunden. Abgerufen am 9. August 2021.
- Markus Zimmermann: Nach 238 Jahren: klangliche Vollendung. Die Winterhalter-Orgel in der Basilika St. Matin in Ulm-Wiblingen. In: Ars Organi 69 (2021), Heft 3, ISSN 0004-2919, S. 173–176.
- Disposition. Abgerufen am 9. August 2021.
- Anzahl der Chöre von Mixtur minor 2′ und Mixtur major 2′ im Hauptwerk ergänzt nach einer persönlichen Mitteilung des Erbauers der Orgel, Claudius Winterhalter, vom 16. August 2021.
- Eine ausführliche Klangvorstellung der gesamten Orgel und ihrer einzelnen Register ist auf YouTube abrufbar: Teil 1 und Teil 2, jeweils abgerufen am 26. Oktober 2021.
- Klangaufnahme des Vollgeläuts auf YouTube. Abgerufen am 26. Oktober 2021.