Wolfram von Richthofen
Wolfram (gen. Ulf) Karl Ludwig Moritz Hermann Freiherr von Richthofen (* 10. Oktober 1895 in Barzdorf im Kreis Striegau; † 12. Juli 1945 in Bad Ischl) war ein deutscher Heeres- und Luftwaffensoldat. Als Stabschef der Legion Condor war er im Spanischen Bürgerkrieg verantwortlich für die kriegsvölkerrechtswidrige Zerstörung von Guernica. Im Zweiten Weltkrieg war er zeitweise Befehlshaber der Luftflotte 4 und der Luftflotte 2 sowie ab 1943 Generalfeldmarschall der Luftwaffe des Deutschen Reichs.
Leben
Kaiserreich und Erster Weltkrieg
Seine Eltern waren Wolfram von Richthofen († 1922) und Therese Götz von Olenhusen. Ulf wurde Adoptivsohn seines Onkels, des Kavallerie-Generals Manfred von Richthofen. 1913 trat Ulf im Alter von 18 Jahren als Fähnrich in das Husaren-Regiment „von Schill“ (1. Schlesisches) Nr. 4 der Preußischen Armee ein. Im Jahr 1914 wurde er nach dem Besuch der Kriegsschule Kassel zum Leutnant befördert. Bis 1917 nahm er mit dem Regiment am Ersten Weltkrieg teil, in dem er es zum Führer einer Eskadron brachte. Danach wechselte er in die Fliegertruppe und durchlief eine Ausbildung zum Flugzeugführer in der Fliegerersatzabteilung in Halle. Nach deren Abschluss ging Richthofen im März 1918 erneut in den Fronteinsatz als Pilot in der Jagdstaffel 11, die von seinem berühmten Cousin Manfred von Richthofen, dem „Roten Baron“ geführt wurde. Bis zum Kriegsende errang Richthofen acht Luftsiege.
Weimarer Republik
Aus dem aktiven Militärdienst schied Richthofen zum Anfang des Jahres 1920 als Oberleutnant aus. In Breslau heiratete er 1920 Jutta von Selchow (1896–1991). Anschließend studierte er bis 1923 an der Technischen Hochschule Hannover Maschinenbau und schloss als Diplom-Ingenieur ab.
1922 kam sein erster Sohn zur Welt, Wolfram (1944 verschollen).
Im November 1923 trat Richthofen in Ohlau als Leutnant in das 11. (Preußisches) Reiter-Regiment der Reichswehr ein. Dort blieb er nur kurz, denn Richthofen war bereits in dieser Zeit an den Vorbereitungen zum verdeckten Aufbau einer zukünftigen Luftwaffe beteiligt. Offiziell tat er Dienst bei der Berliner Stadtkommandantur, tatsächlich arbeitete er für das Heereswaffenamt. Ab 1925 trug Richthofen wieder den Dienstgrad eines Oberleutnants. Am 1. November 1928 wurde er Kompanieführer in der 5. Kraftfahr-Abteilung und am 1. Februar 1929 zum Hauptmann befördert. Während dieser Zeit promovierte Richthofen mit einer Studie zum „Einfluß der Flugzeugbauarten auf die Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebes“ an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg zum Dr.-Ing. Die Erkenntnisse dieser Untersuchung, bei der es darum ging, qualitativ hochwertige Flugzeugtypen für bestimmte luftkriegerische Aufgaben zu optimieren, wurden von Richthofen später auch bei den Luftangriffen auf Gernika und Wieluń angewendet und weiter erprobt.[1]
Im April 1929 wurde Richthofen für zweieinhalb Jahre als Attaché an die deutsche Botschaft in Rom versetzt, um dort – immer noch inoffiziell – die italienischen Luftstreitkräfte kennenzulernen. Nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt war, wurde er wiederum als Kompaniechef eingesetzt, diesmal in der 6. (Preußische) Kraftfahrt-Abteilung.
Anfänge
Zum 1. Oktober 1933 trat Richthofen in die neu eingerichtete deutsche Luftwaffe über. Bei dieser wurde er zunächst im Reichsluftfahrtministerium Chef der Entwicklungsabteilung. Im Jahr 1934 wurde er zum Major befördert und 1936 zum Oberstleutnant.
Spanischer Bürgerkrieg
Ab 1936 wurde Richthofen als Mitglied der Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Falangisten im Kampf gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung eingesetzt. Dabei sah Richthofen seine Abkommandierung nach Spanien als Chance an, neue Flugzeugtypen und Bomben unter Kriegsbedingungen zu testen.[2]
Richthofen war Stabschef der Legion Condor während ihres sehr bekannt gewordenen Luftangriffs auf Gernika im April 1937. Dieser Angriff, bei dem die religiöse Hauptstadt des Baskenlandes fast vollständig zerstört und hunderte Zivilisten getötet wurden, war das erste Flächenbombardement auf Zivilisten in der Kriegsgeschichte und der erste große Verstoß der deutschen Luftwaffe gegen das Kriegsvölkerrecht.[3] Richthofen notierte seine Bewertung des Angriffs in seinem Kriegstagebuch: „Die 250er warfen eine Anzahl Häuser um und zerstörten die Wasserleitung. Die Brandbomben hatten nun Zeit, sich zu entfalten und zu wirken. Die Bauart der Häuser: Ziegeldächer, Holzgalerie und Holzfachwerkhäuser, führte zur völligen Vernichtung. (..) Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll.“[4] Das damit begangene Kriegsverbrechen ist bis zu seinem Tod niemals eindeutig thematisiert worden noch wurde er dafür rechtlich zur Verantwortung gezogen.
Nach der Rückkehr aus Spanien im Oktober 1937 wurde Richthofen im Januar 1938 zum Oberst befördert und übernahm am 1. April 1938 das Kampfgeschwader 257 in Lüneburg. Bereits am 1. November 1938 wurde er zum Generalmajor und Befehlshaber der Legion Condor ernannt, bei der er bis zum Ende des Bürgerkriegs im Frühjahr 1939 blieb.
Zweiter Weltkrieg
Beim Überfall auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Richthofen als „Fliegerführer zur besonderen Verfügung“ zur Unterstützung der 10. Armee eingeteilt. Am 1. September 1939 befehligte er noch vor dem offiziellen Kriegsbeginn einen Luftangriff auf die polnische Stadt Wieluń. Deren weitgehende Zerstörung durch 87 deutsche Sturzkampfbomber (mehrere Luftangriffe von 4:35 bis 14:00 Uhr) führte zum Tod von bis zu 1.200 der 16.000 Einwohner. Dem Militärhistoriker Hans-Erich Volkmann zufolge wählte Richthofen Wieluń als grenznahes militärisches Übungsziel aus, um möglichst ohne eigene Verluste die Einsatzfähigkeit und Funktionstüchtigkeit der Sturzkampfbomber zu erproben, habe aber keinen Terrorangriff beabsichtigt. Da es sich um einen Angriff auf ein nicht militärisches Ziel handelte, sei die Bombardierung als Kriegsverbrechen zu werten.[5][6] Der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller betont hingegen, dass der Angriff militärischen Zielen gegolten habe, da in Wieluń eine polnische Division und eine Kavalleriebrigade in Stellung ging. Wegen Bodennebels seien diese Ziele aber weitestgehend verfehlt worden. Der Angriff sei daher trotz der verheerenden Wirkung kein beabsichtigter Terrorangriff gewesen.[7]
Bei Beginn des Westfeldzuges war Richthofen Kommandierender General des VIII. Fliegerkorps und erhielt am 18. Mai 1940 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Im Balkanfeldzug befehligte Richthofen die Verbände in der Luftlandeschlacht um Kreta. Im Krieg gegen die Sowjetunion war Richthofens Fliegerkorps anfänglich zur Unterstützung der Panzergruppe 3 eingesetzt. Am 17. Juli 1941 wurde er mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz dekoriert.
Am 1. Februar 1942 wurde Richthofen zum Generaloberst befördert, im Juli dieses Jahres übernahm er von Alexander Löhr die Führung der Luftflotte 4, mit der er an der Schlacht von Stalingrad teilnahm. Am 16. Februar 1943 wurde er zum Generalfeldmarschall ernannt und damit außer Göring der jüngste Inhaber dieses Dienstgrades in der Luftwaffe sowie in der Wehrmacht. Ende Juni 1943 übernahm er zusätzlich die Führung der Luftflotte 2 von Albert Kesselring, zu deren Chef er dann im September ernannt wurde. Mitte 1944 wurde bei Richthofen ein Hirntumor festgestellt, der operativ entfernt werden musste, er gab daraufhin sein Kommando ab.
Am 12. Juli 1945 starb er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft im Luftwaffenlazarett von Bad Ischl.
Schriften
- Einfluß der Flugzeugbauarten auf die Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebes. Fakultät für Maschinenwesen, Dissertation, Berlin 1929.
Literatur
- Gerhard Hümmelchen: Generalfeldmarschall Wolfram Frhr. v. Richthofen. in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende. Bd. 2, Primus Verlag, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-089-1, ISBN 3-534-12678-5 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), S. 169–174.
- Wolfgang Schmidt: Richthofen, Wolfram Karl Ludwig Moritz Hermann Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 545 f. (Digitalisat).
- Hans-Erich Volkmann: Wolfram von Richthofen, die Zerstörung Wieluńs und das Kriegsvölkerrecht. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift. 70 (2011), Heft 2, S. 287–328.
Weblinks
- Literatur von und über Wolfram von Richthofen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Wolfram von Richthofen in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Nachlass Bundesarchiv N 671
- Liste der Luftsiege im Ersten Weltkrieg, www.theaerodrome.com (englisch)
Einzelnachweise
- Hans-Erich Volkmann: Wolfram von Richthofen, die Zerstörung Wieluńs und das Kriegsvölkerrecht. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift. 70 (2011), Heft 2, S. 287–328, hier S. 316 ff.
- Hans-Erich Volkmann: Wolfram von Richthofen, die Zerstörung Wieluńs und das Kriegsvölkerrecht. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift 70 (2011), S. 316.
- Klaus A. Maier: Die Zerstörung Gernikas am 26. April 1937. (PDF; 2,2 MB), In: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung. Ausgabe 1/2007, S. 18–22.
- Tagebuch von Wolfram von Richthofen, zitiert nach Hubert Brieden, Heidi Dettinger, Marion Hirschfeld: Ein voller Erfolg der Luftwaffe. Die Vernichtung Guernicas und deutsche Traditionspflege., Nördlingen, 1997, S. 72.
- Hans-Erich Volkmann: Wolfram von Richthofen, die Zerstörung Wieluńs und das Kriegsvölkerrecht. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift. 70 (2011), S. 287–328, insbesondere S. 290 (zur Zahl der Opfer), S. 314 ff. (Wieluń als militärisches Übungsziel) u. S. 326 ff. (Kriegsverbrechen).
- Joachim Trenkner: Ziel vernichtet. In: Die Zeit. Ausgabe 7/2003.
- Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg 1939–1945. Ch. Links Verlag, Berlin 2004, ISBN 978-3-86153-317-7, S. 54; Horst Boog: Bombenkriegslegenden. in: Militärgeschichtliche Beiträge. 9/1995, S. 22.