Portugiesisch-ungarische Beziehungen
Die portugiesisch-ungarischen Beziehungen beschreiben das zwischenstaatliche Verhältnis zwischen Portugal und Ungarn. Die Länder unterhalten seit 1974 erneuerte diplomatische Beziehungen.[1] Sie sind Mitglieder der Europäischen Union. Außerdem gehören sie gemeinsam u. a. der NATO, der OECD, der OSZE und dem Schengen-Raum an. Seit 2016 hat Ungarn zudem Beobachterstatus in der Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder.[2]
Ungarn | Portugal |
Seit dem Mittelalter kreuzten sich die Geschichte der beiden Länder mehrmals, wenn auch selten tiefgreifend. Neben diesen historischen Berührungspunkten bestehen im Sport und in der Kultur, insbesondere in der Literatur Berührungspunkte und gegenseitiges Interesse. Seit den 1990er Jahren haben auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zugenommen.
Während seiner Zeit als Botschafter am Habsburgerhof in Wien ab 1745 diskutierte der portugiesische Gesandte und spätere Staatsmann Sebastião José de Carvalho e Mello mit den Esterházys auch über die Rivalität zwischen dem portugiesischen Portwein und dem ungarischen Tokajer.[3]
Geschichte
Elisabeth von Ungarn war die Tante von Elisabeth von Portugal, die bereits zwölfjährig mit König D. Dinis verheiratet und damit von 1282 bis 1325 Königin von Portugal wurde.
Auf seiner mehrjährigen Reise, den Paradas, kam der portugiesische Thronfolger Peter von Portugal zwischen 1425 und 1428 auch in das Königreich Ungarn. Er traf dort mit König Sigismund zusammen, für den er danach während der Hussitenkriege (1419–1434) in Böhmen kämpfte. Über das Wirken Peters in Ungarn sind ansonsten wenig Details bekannt.[3]
Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn erkannte die 1910 ausgerufene Republik Portugal im September des gleichen Jahres an.[1]
Nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) ging Österreichs Kaiser Karl I. nach Madeira ins Exil. Er war als Karl IV. auch der letzte König Ungarns. Afonso Costa unterzeichnete am 4. Juni 1920 für Portugal als Teil der siegreichen Alliierten den Vertrag von Trianon, mit dem Ungarn einen Friedensvertrag erhielt, jedoch große Teile seiner Gebiete verlor.
Im Zweiten Weltkrieg (1939–1945) ermöglichte Botschafter Carlos Sampaio Garrido etwa 1.000 jüdischen Menschen über die portugiesische Botschaft in Budapest die Flucht vor Nazideutschland, darunter auch einige Familienangehörige von Zsa Zsa Gabor.
Ungarns Regierungschef Miklós Horthy ging später selbst ins portugiesische Estoril ins Exil, wo er 1957 starb.
Direkte diplomatische Beziehungen nahmen Portugal und Ungarn am 1. Juli 1974 wieder auf, nach dem Ende des antikommunistischen Estado Novo-Regimes durch die portugiesische Nelkenrevolution vom 25. April 1974.
Seit 1977 ist Portugiesisch Lehrsprache in Ungarn und wird in Universitäten, Gymnasien, Instituten und Privatschulen in Budapest und Szeged gelehrt.[3]
Portugal trat 1986 der EU bei, Ungarn folgte 2004, nach dem Mauerfall 1989, bei dem Ungarn eine wesentliche Rolle spielte.
Diplomatie
Portugal und Ungarn nahmen ihre früheren diplomatischen Beziehungen am 1. Juli 1974 wieder auf. Erster portugiesischer Botschafter in Budapest wurde am 15. November 1974 Fernando Lopes Vieira.[1]
Portugal unterhält seine Botschaft in der ungarischen Hauptstadt Budapest im dortigen MOM Park, Alkotás Utca Nr. 53. Portugiesische Konsulate sind in Ungarn keine eingerichtet.
Ungarns Botschaft in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon residiert in der Calçada de Santo Amaro Nr. 85. Zudem unterhält Ungarn Konsulate in Porto, in Faro an der Algarve, und in Funchal auf der Insel Madeira.
Wirtschaft
Die portugiesische Außenhandelskammer AICEP ist in Budapest mit einer Niederlassung an der portugiesische Botschaft präsent.[4] Zudem besteht in Lissabon seit 2007 die bilaterale portugiesisch-ungarische Handelskammer Câmara de Comércio Luso-Húngara.[5]
Als wichtigstes portugiesisches Unternehmen in Ungarn kann Corticeira Amorim gelten. Der Weltmarktführer für Korken ist dort insbesondere über sein Tochterunternehmen Hungarokork - Amorim Zrt mit Sitz in Veresegyház aktiv.
Im Jahr 2016 exportierte Portugal Waren im Wert von 200,4 Mio. Euro nach Ungarn (2015: 198,6 Mio.; 2014: 213,9 Mio.; 2013: 181,1 Mio.; 2012: 153,1 Mio.; 2011: 122,3 Mio.), davon 36,1 % Maschinen und Geräte, 16,0 % Kunststoffe, 13,0 % Fahrzeuge und Fahrzeugteile und 6,0 % Chemisch-pharmazeutische Produkte.
Im gleichen Zeitraum lieferte Ungarn Waren im Wert von 271,7 Mio. Euro an Portugal (2015: 267,2 Mio.; 2014: 231,1 Mio.; 2013: 208,9 Mio.; 2012: 238,9 Mio.; 2011: 257,9 Mio.), davon 35,6 % Maschinen und Geräte, 26,7 % Fahrzeuge und Fahrzeugteile, 16,4 % Chemisch-pharmazeutische Produkte und 3,7 % Optik- und Präzisionsinstrumente.
Damit stand Ungarn für den portugiesischen Außenhandel 2015 an 26. Stelle als Abnehmer und an 27. Stelle als Lieferant. Im ungarischen Außenhandel 2015 stand Portugal damit an 32. Stelle unter den Abnehmern und an 37. Stelle unter den Lieferanten.[6]
Partnerstädte
Die erste portugiesisch-ungarische Städtefreundschaft gingen 1992 die beiden Hauptstädte Lissabon und Budapest ein. Nach dem EU-Beitritt Ungarns 2004 gingen portugiesische und ungarische Kommunen drei weitere Partnerschaften ein (Stand 2010).
Kultur
Institutionen
Das portugiesische Kulturinstitut Instituto Camões ist mit einem Sprachzentrum in Budapest und mit Lektoraten u. a. an einer Reihe ungarischer Universitäten präsent.[7]
Literatur
Unter den wertvollsten Stücken der Nationalbibliothek Ungarns ist die 1489 in Lissabon in Hebräisch erschienene Ausgabe der Comentários sobre o Pentateuco, die bekannten Tora-Kommentare des Nachmanides, das erste in Lissabon gedruckte Buch. Die Nationalbibliothek beherbergt eine Vielzahl weiterer portugiesischer Übersetzungen und Bücher.[3]
Der ungarische Dichter Miklós Zrínyi (1620–1664) nahm Bezug auf die Lusiaden des portugiesischen Dichters Luís de Camões († 1580), insbesondere in seinem Epos „Der Fall von Sziget“ (Obsidio Szigetiana). Ungarische Übersetzungen von Teilen der Lusiaden sind seit 1796 belegt und erschienen dort erstmals 1805 in Buchform. 1860 erschien erstmals eine vollständige ungarische Version der Lusiaden, während die moderne Übersetzung von 1984 stammt. Weitere Gedichte und Sonette von Camões wurden 1992/1993 übersetzt und veröffentlicht.[3]
Im Jahr des Österreichisch-Ungarischen Ausgleichs 1867 verfasste der ungarische Autor János Vajda (1827–1897) das patriotische, nach Portugal benannte Stück Canção lusitana.[3]
Eine Reihe portugiesischer Literaten, darunter Teófilo Braga, bewunderten den ungarischen Revolutionsheld und Byron der Puszta, Sándor Petőfi (1823–1849). Antero de Quental übersetzte Petőfi ins Portugiesische, vermutlich von einer deutschen Quelle ausgehend.[3]
Tibor Déry (1896–1977) veröffentlichte 1969 eine Novellensammlung unter dem Titel Die Prinzessin von Portugal, jedoch ohne tieferen Bezug zur Portugiesischen Literatur zu nehmen.
Eine Vielzahl portugiesischer Autoren wurden ins Ungarische übersetzt, am häufigsten Fernando Pessoa und José Saramago.[3]
Musik
Der portugiesische Komponist Vianna da Motta war 1885 Schüler von Franz Liszt in Weimar. Fernando Lopes-Graça wurde stark von Béla Bartók beeinflusst. Eine Vielzahl Werke portugiesischer Komponisten wie Motta, Lopes-Graça oder Joly Braga Santos wurden in Budapest aufgenommen und danach als Tonträger veröffentlicht.[3]
Eine Reihe portugiesischer Musikgruppen waren schon in Ungarn zu Gast, etwa Moonspell oder Blasted Mechanism. Die Werke einiger portugiesischer Musiker sind auch in Ungarn erschienen, etwa Aurea, die zudem mit dem ungarischen Sänger Nikolas Takács ein Duett aufnahm und mehrmals dort gastierte.
Bildende Künste
1994 wurde in Lissabon die Stiftung Fundação Árpád Szenes-Vieira da Silva gegründet. Sie funktioniert als Museum für das Werk des ungarischen Malers Árpád Szenes und der portugiesischen Malerin und Grafikerin Maria Helena Vieira da Silva. Das Paar lernte sich 1929 in Paris kennen und heiratete 1930.
In der zentralen Haltestelle Deák Ferenc tér, in der sich die drei wichtigsten U-Bahnlinien der Metró Budapest kreuzen, wurde 1996 ein Bild bemalter Azulejos des portugiesischen Künstlers João Rodrigues Vieira (1934–2009) installiert. Die drei jeweils wichtigsten Dichter beider Länder sind dort mit Versen zu sehen, die in die jeweils andere Sprache übersetzt sind.[8]
Film
Der ungarische Filmregisseur Ladislao Vajda drehte insbesondere in den 1940er Jahren einige Filme des portugiesischen Kinos, etwa O Diabo São Elas (1945), Três Espelhos oder Viela, Rua Sem Sol (beide 1947).
Ungarische Regisseure sind häufig bei Filmfestivals in Portugal zu Gast. So gewann der Ungar Pál Erdöss das wichtigste portugiesische Festival, das Festróia, 1991 mit seinem Werk Homo Novus. Beim Fantasporto gewann Károly Ujj Mészáros 2015 den Hauptpreis für Liza, die Fuchsfee.
Sport
Fußball
Die portugiesische Fußballnationalmannschaft und Ungarns Nationalelf trafen bisher 14 Mal aufeinander (Stand Januar 2017), wobei es zehn portugiesische Siege und vier Unentschieden gab. Erstmals spielten sie am 26. Dezember 1926 in einem Freundschaftsspiel in Porto gegeneinander, vor 10.000 Zuschauern trennte man sich 3:3. Es war erst das achte Spiel der portugiesischen Auswahl und das erste unter Trainer Cândido de Oliveira.
Bei der EM 2004 in Portugal war Ungarn nicht qualifiziert. Bei der EM 2021 war die ungarische Hauptstadt Budapest einer der Austragungsorte. Am 15. Juni 2021 besiegte Portugal dabei Ungarn in der Gruppe F mit 3:0. Portugal war kein Austragungsort der EM 2021.
1964 unterlag der MTK Budapest im Finale des Europapokals der Pokalsieger dem portugiesischen Klub Sporting Lissabon.
Der ungarische Nationalspieler Miklós Fehér spielte den größten Teil seiner Karriere bei portugiesischen Klubs. Für Benfica Lissabon stand er am 25. Januar 2004 auswärts bei Vitória Guimarães auf dem Platz, als er einen Herzstillstand erlitt und verstarb.
Handball
Die Portugiesische und die Ungarische Männer-Handballnationalmannschaft trafen erstmals am 22. Januar 1992 im österreichischen Stockerau aufeinander, die Ungarn gewannen 24:21. Insgesamt trafen die Teams sieben Mal aufeinander, mit fünf ungarischen und zwei portugiesischen Siegen.[9]
Bei der Handball-Europameisterschaft der Männer 1994 in Portugal trafen Ungarn und der Gastgeber in der Gruppe B der Vorrunde aufeinander, Ungarn gewann 19:18 und wurde am Ende siebter, der Gastgeber wurde letzter (12.) Ungarn wird zusammen mit der Slowakei erstmals 2022 die EM ausrichten, die Handball-EM der Männer 2022.
Bei der Handball-Weltmeisterschaft der Männer 2003 in Portugal trafen die beiden Auswahlen nicht aufeinander. Portugal wurde am Ende 12., Ungarn siebter. Ungarn richtete die WM bislang noch nicht aus (Stand 2021).
Gelegentlich treten Spieler beider Länder auch im jeweils anderen Land an, etwa der portugiesische Nationalspieler Miguel Martins, der seit 2021 beim ungarischen Spitzenklub SC Szeged spielt.
Weblinks
- Seite zu den diplomatischen Beziehungen zu Ungarn des Diplomatischen Instituts beim portugiesischen Außenministerium
- Website der portugiesischen Außenhandelskammer AICEP zu Ungarn
Einzelnachweise
- Übersicht über die diplomatischen Beziehungen zu Ungarn beim diplomatischen Institut im portugiesischen Außenministerium, abgerufen am 4. Mai 2019
- Webseite der CPLP zum Status des assoziierten Beobachters, CPLP-Website, abgerufen am 8. Mai 2017
- Fernando Cristóvão (Hrsg.): Dicionário Temático da Lusofonia. Texto Editores, Lissabon/Luanda/Praia/Maputo 2006 (ISBN 972-47-2935-4), S. 817
- Übersicht über die Aktivitäten in Ungarn, Website der portugiesischen Außenhandelskammer AICEP, abgerufen am 16. Februar 2017
- Website der Câmara de Comércio Luso-Húngara (Memento des Originals vom 26. Oktober 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (portugiesisch und ungarisch), abgerufen am 16. Februar 2017
- Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zwischen Portugal und Ungarn, Excel-Datei-Abruf bei der portugiesischen Außenhandelskammer AICEP, abgerufen am 16. Februar 2017
- Übersicht über die Aktivitäten in Ungarn, Website des portugiesischen Kulturinstituts Instituto Camões, abgerufen am 16. Februar 2017
- Fernando Cristóvão (Hrsg.): Dicionário Temático da Lusofonia. Texto Editores, Lissabon/Luanda/Praia/Maputo 2006 (ISBN 972-47-2935-4), S. 818
- Länderspielstatsitik der Ungarischen Handball-Nationalmannschaft der Männer beim ungarischen Verband, abgerufen am 4. September 2021