Portugiesisch-tschechische Beziehungen
Die portugiesisch-tschechischen Beziehungen beschreiben das zwischenstaatliche Verhältnis zwischen Portugal und Tschechien. Die Länder können historisch auf eine seit dem 18. Jahrhundert bestehende Verbindung zurückblicken und pflegen seit 1974 erneuerte diplomatische Beziehungen.[1]
Portugal | Tschechien |
Beide Länder sind u. a. Partner in der Europäischen Union, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der NATO. Tschechien ist zudem seit Ende 2016 Beobachter in der Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder, dessen Gründungsmitglied Portugal ist.
Insbesondere die Geschichte der portugiesisch-tschechischen Familie Silva-Tarouca und das anhaltende Interesse an der portugiesischen Sprache in tschechischen Bildungs- und Kulturinstitutionen bilden wesentliche Verbindungselemente der bilateralen Beziehungen beider Länder.
Geschichte
Als Dokument eines ersten offiziellen Kontaktes Tschechiens mit Portugal gelten die Tagebücher des Václav Šašek z Bířkova und des Deutschen Gabriel Tetzel von Nürnberg, die mit einer transeuropäischen Mission im Auftrag des böhmischen Königs Georg von Podiebrad 1466 bis nach Portugal kamen. Die Mission, an der u. a. auch Jaroslav Lev von Rosental teilnahm, wandte sich an alle wichtigen europäische Höfe zur Absprache einer Verteidigung gegen den näherrückenden Türkenkriege, aber auch zur Verbesserung des Ansehens Böhmens nach den Hussitenkriegen und den Differenzen mit Papst Paul II. Die Aufzeichnungen enthalten auch ausführliche Bemerkungen zu Landschaft und Gesellschaft, darunter Beschreibungen von Bräuchen, der Erwerb und die Haltung von Sklaven, die Auswirkungen der Pest und die dortigen Vorsichtsmaßnahmen.
Möglicherweise kam der portugiesische Diplomat und Gelehrte Damião de Góis durch Böhmen. Zweifelsfrei belegt ist die Lehrtätigkeit Bento Pinhels an der Universität von Prag Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, der als Benedetto Pinelli bekannter wurde.
Im 18. Jahrhundert heiratete João Gomes da Silva Johanna von Menezes, Gräfin von Tarouca. Er wurde Gesandter des portugiesischen Hofes in Wien. Sein Sohn Emanuel Silva-Tarouca (portugiesisch: Manuel de Meneses de Castro, deutsch: Emanuel Tellez, Menezes und Castro, Herzog von Sylva-Tarouca und Turnhout, k. k.) wurde Diplomat und bevorzugter Berater der Kaiserin Maria Theresia von Österreich. Er gründete den österreichisch-tschechischen Zweig der Familie, das Geschlecht der Silva-Tarouca. Er erwarb u. a. das Schloss von Čechy pod Kosířem, fortan Familienfideikommiss der Silva-Tarouca, und Landgüter in Krakovec und Drahanovice, die von 1768 bis 1945 in Familienbesitz blieben.
Der hochrangige Politiker und engagierte Botaniker Ernst Emanuel von Silva-Tarouca ließ das alte Schloss Průhonice bei Prag erneuern und war Mitgründer des angrenzenden 220 Hektar großen Parks. Der zwischen 1885 und 1917 angelegte Park gehörte zu den schönsten englischen Gärten in Europa und war insbesondere für seine Rhododendren-Sammlung bekannt.
Im 19. Jahrhundert waren regelmäßig auch Portugiesen unter den Besuchern Karlsbads.
Nach der Ausrufung der Republik Portugal 1910 und der Gründung der demokratischen Tschechoslowakei 1918 nahmen beide Länder 1921 diplomatische Beziehungen auf. Nach 1937 wurden sie unterbrochen. Nach der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 und dem Ende des antikommunistischen autoritären Estado Novo-Regimes wurden sie wieder aufgenommen.
Seit dem Ende des Ostblocks ab 1989 haben sich die Beziehungen beider Länder stetig intensiviert, insbesondere durch die Bemühungen Václav Havels und Mário Soares, der auch durch die Universität Prag ausgezeichnet wurde.[2]
Diplomatie
Die Botschaft Portugals befindet sich in der Na Zátorce 10 im Prager Stadtteil Bubeneč im Stadtbezirk Prag 6.
Die tschechische Botschaft in Lissabon, die neben Portugal auch für Kap Verde und São Tomé und Príncipe zuständig ist, hat ihren Sitz in der Rua Pêro de Alenquer 14 in der Gemeinde São Francisco Xavier im Lissabonner Stadtteil Belém. Daneben arbeiten tschechische Honorarkonsuln im nordportugiesischen Santo Tirso, in Faro an der Algarveküste, und in Funchal auf der portugiesischen Insel Madeira.[3]
Kultur
Institutionen und Abkommen
1976 schlossen die Tschechoslowakei und Portugal ein Kulturabkommen. Neben Literatur und Musik kamen auch portugiesische Künstler anderer Bereiche dorthin. Eine Ausstellung Paula Regos und zwei Ausstellungen portugiesischer Fotografen fanden statt.[2]
Das portugiesische Kulturinstitut Instituto Camões hat in Tschechien seinen Sitz in Prag und ist mit einer Vielzahl von Projekten und Kooperationen im Land aktiv.
Zum Portugal-Tag am 10. Juni 2012 gründete in Prag eine lusophile Gruppe um Hochschullehrer der Universitäten Prag, Brünn und Olmütz und die Übersetzerin Lada Weissová die Sociedade Checa de Língua Portuguesa (deutsch: Tschechische Gesellschaft der Portugiesischen Sprache). Ehrenpräsidentin wurde die Übersetzerin Pavla Lidmilová.[4]
In Brünn hat die Gesellschaft der Freunde lusophoner Länder ihren Sitz, gegründet durch den Lusitanisten Anton Pasienka.
Am 30. März 2016 beantragte Tschechien die Aufnahme in die Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder (CPLP) als assoziierter Beobachter. Begründet wurde der Antrag mit bereits in der Tschechoslowakei entstandenen Initiativen und der steigenden Verbreitung und Lehre der portugiesischen Sprache in dem Land, in dem hunderte Studenten Portugiesisch lernen und zudem immer mehr tschechische Unternehmen in Brasilien und den afrikanischen PALOP-Ländern präsent sind.[5]
Am 1. November 2016 wurde Tschechien in Brasília von der CPLP der Status eines assoziierten Beobachters verliehen.[6]
Sprache und Lusitanistik
Das portugiesische Kulturinstitut Instituto Camões führt in Prag ein Sprachzentrum und unterstützt eine Reihe von Projekten an Schulen und Hochschulen. Zudem vergibt die einflussreiche portugiesische Gulbenkian-Stiftung Stipendien und fördert Bücherkäufe und Übersetzungen. Daneben wird insbesondere an Prager Sprachschulen Portugiesisch angeboten.
Mit der Prager Karls-Universität, der Masaryk-Universität in Brünn und der Palacký-Universität Olmütz haben die wichtigsten tschechischen Hochschulen komplette Studiengänge der Lusitanistik bzw. Lehrgänge zur portugiesischen Sprache, portugiesischen Literatur und portugiesischen Kultur. An der Karls-Universität Prag beschäftigt sich das rege Zentrum der Iberisch-Amerikanischen Studien mit Themen der Lusitanistik.[2]
Auch an der Universität Pilsen wird inzwischen Portugiesisch unterrichtet. In Pilsen leben einige Dutzend portugiesische Studenten der Medizin.
Professor Jan Klíma von der Universität Hradec Králové gilt als Spezialist für die Geschichte der lusophonen Länder.[2]
Musik
Dank des portugiesisch-tschechischen Kulturabkommens 1976 bereisten gelegentlich portugiesische Musiker das Land. So trat beispielsweise der portugiesische Pianist Sequeira Costa bereits vor 1989 dort auf, ebenso war die portugiesische Gruppe Trovante dort auf einem Festival des politischen Liedes zu Gast.[2]
Seit dem Ende des Eisernen Vorhangs ab 1989 sind portugiesische Musiker häufiger in Tschechien zu hören, etwa 2003 die blinde Fado-Sängerin Dona Rosa[2] oder mehrmals die portugiesische Heavy-Metal-Band Moonspell.
Literatur und Theater
Aus allen Bereichen der portugiesischen Kultur fand in Tschechien die portugiesische Literatur die weiteste Verbreitung. 1836 erschien dort eine erste tschechische Übersetzung der Lusiaden des portugiesischen Nationaldichters Luís de Camões, die 1902 erstmals in kompletter Übersetzung durch den Lyriker Jaroslav Vrchlický in Tschechien erschienen. Es folgten weitere tschechische Übersetzungen portugiesischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu erwähnen sind insbesondere die Werke Eça de Queiroz, häufig von Zdenek Hampl übersetzt, Professor an der Prager Karls-Universität und Mitbegründer des dortigen Studiengangs der Lusitanistik. Pavla Lidmilová gilt als bedeutende lusophone Übersetzerin[7] vor allem brasilianischer Literatur, aber auch einer Vielzahl portugiesischer Werke, darunter Romane Mário de Sá-Carneiros und die Lyrik Fernando Pessoas, diese gelegentlich in Zusammenarbeit mit dem Lyriker Josef Hirsal.[2]
Die tschechischen Autoren mit den meisten Übersetzungen ins Portugiesische sind Franz Kafka und Milan Kundera, die in Portugal auch allgemein als bekannteste Autoren aus dem heutigen Tschechien gelten, zusammen mit Rainer Maria Rilke. Die erste gesicherte Übersetzung tschechischer Literatur ins Portugiesische ist die 1926 übersetzte Erzählung Jan Nerudas Der Vampir (O Vampiro). Als erstes Buch, das aus dem Tschechischen ins Portugiesische übersetzt wurde, gilt Karel Josef Beneš’ A Vida Doutra (deutscher Titel: Das geraubte Leben), das 1943 in Portugal erschien. Unter den weiteren, mehrfach übersetzten Autoren sind Bohumil Hrabal, Václav Havel und Karel Čapek zu nennen.[8]
Der tschechische Schriftsteller und Theaterregisseur František Listopad zog 1959 nach Portugal. Er lehrte dort zunächst an der Technischen Universität Lissabon, war ab 1982 Direktor an der portugiesische Theater- und Filmhochschule und wurde ein bekannter Fernseh-, Theater- und Opernregisseur in Portugal. Von 1984 bis 1987 leitete er das Studio, der kleinere, innovativere Saal des Teatro Nacional D. Maria II. 2017 starb er in seiner Wahlheimat in Lissabon.
Film
Der portugiesische Film wurde unter Filmfreunden in Tschechien insbesondere durch Werke Manoel de Oliveiras bekannt, die auf Filmfestivals und im tschechischen Fernsehen liefen.[2]
Der tschechische Film ist auch unter Filmfreunden in Portugal bekannt und angesehen. Filme aus Tschechien werden häufig auf portugiesischen Filmfestivals gezeigt. So wurden Jakubiskos Lepšie byť bohatý a zdravý ako chudobný a chorý 1993 und Jan Svěráks Leergut 2008 beim Festróia-Filmfestival mit dem Goldenen Delphin als bester Film ausgezeichnet.
Städtepartnerschaften
Nach dem EU-Beitritt Tschechiens 2004 gingen portugiesische und tschechische Kommunen bisher drei Städte- und Gemeindefreundschaften ein (Stand 2010). In der Zeit der vorhergehenden portugiesisch-tschechoslowakischen Beziehungen ist keine Partnerschaft vereinbart worden.[9]
Wirtschaft
Die portugiesische Außenhandelskammer AICEP unterhält in Prag eine Niederlassung.[10]
Im Jahr 2015 führte Tschechien Waren und Dienstleistungen aus Portugal im Wert von 353,3 Millionen Euro ein (2014: 357,5 Millionen, 2013: 325,3 Millionen, 2012: 366,1 Millionen, 2011: 330,6 Millionen), davon 22,0 % Maschinen und Geräte, 16,6 % Kunststoffprodukte, 14,4 % Fahrzeuge und Fahrzeugteile und 13,7 % Textilien.
Im gleichen Zeitraum importierte Portugal aus Tschechien Waren und Dienstleistungen im Wert von 483,9 Millionen Euro (2014: 417,1 Millionen, 2013: 326,0 Millionen, 2012: 313,3 Millionen, 2011: 373,0 Millionen), davon 41,6 % Fahrzeuge und Fahrzeugteile, 25,9 % Maschinen und Geräte, 6,5 % Metalle und 6,4 % Kunststoffe.
Damit steht Tschechien für den portugiesischen Außenhandel an 20. Stelle bei den Abnehmerländern und an 19. Stelle bei den Lieferländern. Für die tschechische Außenwirtschaft steht Portugal an 32. Stelle der Abnehmerländer und an 35. Stelle der Lieferländer.[11]
Der Anteil tschechischer Touristen am weiter wachsenden Tourismus in Portugal betrug mit Einnahmen von 20,5 Millionen Euro etwa 0,18 % Marktanteil (2014: 20,2 Millionen= 0,19 %; 2013: 19,5 % = 0,21 %; 2012: 19,6 Millionen = 0,23 %; 2011: 16,9 Millionen = 0,21 %).[11]
Sport
Fußball
Die Portugiesische Fußballnationalmannschaft und die Tschechische Nationalelf trafen bisher nur einmal aufeinander, im Viertelfinale der EM 2012. Am 21. Juni 2012 im Warschauer Narodowy-Stadion setzten sich die Portugiesen dabei 1:0 gegen die Elf aus Tschechien durch. Gegen die frühere Tschechoslowakische Nationalmannschaft spielte die portugiesische Auswahl zuvor zehnmal, erstmals am 24. Januar 1926. Beim Freundschaftsspiel vor 12.000 Zuschauern im Campo do Ameal in Porto trennte man sich 1:1. Insgesamt war Tschechien viermal siegreich, dreimal Portugal, und dreimal ging das Spiel unentschieden aus.[12]
Andere
Im Rahmen zweier Freundschaftsspiele im südportugiesischen Elvas besiegte die Portugiesische Eishockeynationalmannschaft im Januar 2015 eine Reserveauswahl der Tschechischen Eishockeynationalmannschaft mit 6:4 und 6:2.[13]
Weblinks
Einzelnachweise
- Übersicht über die diplomatischen Beziehungen zu Tschechien auf der Website des Diplomatischen Instituts des portugiesischen Außenministeriums, abgerufen am 4. Mai 2019
- Fernando Cristóvão (Hrsg.): Dicionário Temático da Lusofonia. Texto Editores, Lissabon/Luanda/Praia/Maputo 2006, S. 846 (ISBN 972-47-2935-4)
- Kontakte auf der Website der tschechischen Botschaft in Portugal, abgerufen am 4. Februar 2017
- Bericht über die Gründung der Sociedade Checa de Língua Portuguesa, Kopie der Mitteilung des Instituto Camões auf www.ventosdalusofonia.wordpres.com, abgerufen am 4. Februar 2017
- República Checa solicitou estatuto de observador associado da CPLP - „Tschechische Republik beantragt Status eines assoziierten Beobachters in der CPLP“, Artikel vom 31. März 2016 auf www.observalinguaportuguesa.org, abgerufen am 4. Februar 2017
- Eintrag zu Tschechien bei der CPLP (mit PDF-Abruf der Resolution zur Aufnahme), abgerufen am 4. Februar 2017
- Profil der Übersetzerin Pavla Lidmilová (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Website des tschechischen Literaturmagazins PLAV, abgerufen am 4. Februar 2017
- Literatura checa traduzida para português - „Portugiesische Übersetzungen tschechischer Literatur“, Abhandlung von Jaroslav Špirk auf der Website der Karls-Universität Prag, abgerufen am 4. Februar 2017
- Liste der portugiesisch-tschechoslowakischen Städtepartnerschaften beim Verband der portugiesischen Verwaltungskreise (ANMP), abgerufen am 16. Mai 2020
- Seite der AICEP zur Niederlassung in Prag, abgerufen am 4. Februar 2017
- Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zwischen Portugal und Tschechien, Excel-Datei-Abruf bei der portugiesischen Außenhandelskammer AICEP, abgerufen am 4. Februar 2017
- Siehe Liste der Länderspiele der portugiesischen Fußballnationalmannschaft#Länderspielbilanzen
- Hóquei no gelo: Portugal venceu República Checa em Elvas - „Eishockey: Portugal besiegt Tschechische Republik in Elvas“, Artikel vom 12. Januar 2015 im Nachrichtenportal ElvasNews, abgerufen am 4. Februar 2017