Mohrenstraße (Berlin)
Die Mohrenstraße ist eine Straße im Berliner Ortsteil Mitte.
Mohrenstraße | |
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Blick entlang der Straße nach Osten | |
Basisdaten | |
Ort | Berlin |
Ortsteil | Mitte |
Anschlussstraßen | Voßstraße (westlich), Hausvogteiplatz (östlich) |
Querstraßen | Wilhelmstraße, Mauerstraße Glinkastraße, Friedrichstraße, Charlottenstraße, Markgrafenstraße, Jerusalemer Straße |
Plätze | Zietenplatz, Gendarmenmarkt, Hausvogteiplatz |
Bauwerke | siehe: → hier |
Nutzung | |
Nutzergruppen | Straßenverkehr |
Technische Daten | |
Straßenlänge | rund 900 Meter |
Sie verläuft von West nach Ost zwischen der Wilhelmstraße und dem Hausvogteiplatz und bildet an einem Teilabschnitt die südliche Grenze des Gendarmenmarkts. Am westlichen Ende der Mohrenstraße liegt der gleichnamige U-Bahnhof der Linie U2. Die in der Straße zahlreich erhaltenen oder nach Kriegszerstörungen wieder aufgebauten Gebäude stammen weitestgehend aus der Gründerzeit und stehen unter Denkmalschutz.
Geschichte
Die Straße entstand um das Jahr 1700 bei der Anlage der Friedrichstadt und endete im Westen ursprünglich an der Mauerstraße. Zusammen mit weiteren Straßen rund um den Hausvogteiplatz bildete sie durch die dort ansässigen Konfektionsfirmen in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg das Hauptzentrum der deutschen Textilkonfektion.[1]
Die Straße wurde neben anderen um 1700 angelegt. Joachim Ernst Berger (1666–1734), der 1697–1732 Prediger der lutherischen Gemeinde in der Friedrichstadt war, schreibt in seiner Chronik der Friedrichstadt: „A Eodem [1707] im Ausgang besagten Monaths [May], bekahmen die Gaßen, dem publico zum besten, ihre Nahmen.“ Der von Berger genannte 9. Straßenname ist die Mohren-Straße.[2] Im ersten Stadtplan der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin aus dem Jahre 1710 ist die Mohrenstraße ebenfalls dokumentiert.
Karl Marx wohnte 1837–1838 während seines Studiums in der Mohrenstraße 17. Im September 1929 wurde auf Antrag der SPD-Stadtverordnetenfraktion eine Gedenktafel an dem Haus angebracht, die aber bereits im Juli 1933 von den Nationalsozialisten wieder entfernt wurde.[3]
Im Jahr 1946 befanden sich in der Mohrenstraße die Redaktionsräume der Zeitschrift Die Weltbühne, die 1946 von Maud von Ossietzky im „v. Ossietzky-Verlag“ neu herausgegeben wurde.[4]
Mit Umgestaltung beziehungsweise Bebauung der einstigen Stadtplätze Zietenplatz und Wilhelmplatz (später: Thälmannplatz) zu DDR-Zeiten wurde der Straßenabschnitt, der die Verbindung zur Wilhelmstraße herstellt, in die Mohrenstraße mit einbezogen.
Deutungen zur Herkunft des Straßennamens
Variante 1: Nach einem schwarzen Bewohner der Straße
Über den Ursprung des Straßennamens schrieb Leopold Freiherr von Zedlitz 1834: „Den Namen erhielt sie, wie man erzählt, von einem Mohren, welcher sich in den Diensten des Markgrafen von Schwedt befand, und durch die Freigebigkeit des Gebieters hier ein Haus bauen konnte.“[5]
Variante 2: Nach schwarzen Bewohnern der Straße
Hermann Vogt schrieb 1885 zur Namensgebung: „bei Anlage der Friedrichstadt neu entstanden, hat ihren Namen von den Mohren empfangen, die Friedrich Wilhelm I. von den Holländern erhalten und in einem Hause dieser Straße einquartiert hatte, um sie von hier aus den einzelnen Regimentern als Janitscharenträger zu überweisen“.[6] Da Friedrich Wilhelm I. 1713 gekrönt wurde und 1714 die „Anschaffung von 150 Mohren“ plante, könne die Namensgebung nach obiger Aussage auf die Zeit um 1715 eingegrenzt werden.[7] Im Berliner Adressbuch des Jahres 1900 heißt es entsprechend: „Nach dem von Friedrich Wilhelm I. hier einquartirten Mohren, die er von den Holländern erhalten hatte und als Janitscharenträger verwandte“.[8] Diese Variante ist aber eindeutig falsch, da die Namensgebung bereits 1707 erfolgte und im ersten Stadtplan der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin aus dem Jahre 1710 die Mohrenstraße dokumentiert ist.[9]
Variante 3: Nach angesiedelten ehemaligen Sklaven
Andere Angaben sprechen für eine Straßenbenennung während der Regierungszeit König Friedrichs I. (1688–1713), der zugleich Herrscher über die Handelskolonie Groß Friedrichsburg in Westafrika war und schon als Kurfürst Friedrich III. die nach ihm benannte Friedrichstadt in Berlin anlegen ließ. So berichtet Friedrich Nicolai über den Stadtteil, der die Mohrenstraße und den Gendarmenmarkt umfasst: „Die erste Anbauung geschah gleich 1688, von der jetzigen Kronenstraße bis zur Jägerstraße, auf dem Grunde des ehemaligen Churfürstlichen Vorwerks und Gartens […] 1706 bekamen die Straßen ihre Namen.“[10] Auch im Berliner Stadtplan von 1710, der allerdings einen späteren Rekonstruktionsversuch darstellt, ist die Mohrenstraße bereits namentlich verzeichnet.[11]
Gesichert ist, dass zur brandenburgisch-preußischen Kolonialzeit (1682/1683–1717) Jungen und junge Männer aus Westafrika als Militärmusiker, Hof- und Kammerdiener in Berlin arbeiten mussten. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte 1680 seinen nach Westafrika entsandten Kapitän Bartelsen beauftragt, „ein halb Dutzend Sklaven von 14, 15 und 16 Jahren, welche schön und wohlgestaltet seien“, zu erwerben und an seinen Hof nach Berlin zu übersenden.[12] Im Jahr 1682 befahl er Kapitän Voss dann, mit „zwantzig großen Sclaven von 25 bis 30 Jahren und zwantzig Jungen von 8 bis 16 Jahren“ zurückzukommen.[13] Auch zeitgenössische Abbildungen belegen die Anwesenheit mehrerer Menschen dunkelhäutiger Herkunft in Berlin, so zum Beispiel Peter Schenks kolorierter Kupferstich Schwarzer Militärmusiker am Brandenburger Hof (1696–1701)[14] und Paul Carl Leygebes berühmtes Gemälde Tabakskollegium Friedrichs I. in Preußen von etwa 1709/1710, auf dem drei junge Schwarze und ein Diener mit Turban im Schloss zu sehen sind.[15]
Variante 4: Nach dem Ort der Unterkunft einer afrikanische Delegation
Der Historiker Ulrich van der Heyden vertritt die Theorie, dass die Straßenbezeichnung zur Zeit ihrer Entstehung überhaupt nicht rassistisch oder kolonialistisch konnotiert gewesen sei und stattdessen nach einer geehrten Delegation afrikanischer Repräsentanten aus der brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg (im späteren Ghana) benannt wurde. Die Delegation der Afrikaner soll unter der Leitung des Häuptlings Janke aus dem Dorf Pokesu (später: Princes Town) gestanden haben und in einem Gasthaus vor den Toren Berlins einquartiert gewesen sein. Sie hätte dem Großen Kurfürsten Ende des 17. Jahrhunderts ihre Aufwartung gemacht, nachdem sogenannte Schutzverträge unterzeichnet worden waren. Die Delegierten sollen insgesamt vier Monate in Berlin geweilt haben und, wie damals üblich, zu Fuß vom Quartier zum Schloss gegangen sein. Der wiederholt genutzte Weg habe von den Berlinern daraufhin den Namen Mohrenweg erhalten.[16]
Christian Kopp, Aktivist bei Berlin Postkolonial e. V., wirft Ulrich van der Heyden im Online-Magazin Lernen aus der Geschichte vor, die historischen Belege für seine These schuldig zu bleiben.[17] Der Gesandte Janke sei – abgesehen von einem Diener – allein nach Berlin gekommen, um sich dem Kurfürsten zu unterwerfen. Dieser Besuch wäre bereits 1684, also Jahre vor der offiziellen Benennung der Mohrenstraße erfolgt. Bezüglich dieser Gegenthesen stützt sich Kopp auf Richard Schück. Über eine Unterbringung in einem Wirtshaus an der späteren Mohrenstraße sei angeblich nichts überliefert. Auch auf dem historischen Stadtplan von Johann Bernhardt Schultz aus dem Jahr 1688 wäre kein Mohrenweg oder ein Wirtshaus eingezeichnet.
Ausgewählte Bauwerke
18.–20. Jahrhundert
Eigentümer vieler Häuser dieser Straße waren im 19. Jahrhundert vor allem Versicherungen, Bankiers, Handwerksmeister oder wohlhabende Kaufleute. Folgende ausgewählte Gebäude sind erwähnenswert:
Bauensemble Nr. 1–5 war im Jahr 1890 eine Adresse des Hotels Kaiserhof am Wilhelmplatz. Außerdem beherbergte es das Stadtpostamt Nr. 50 mit einer Telegrafenstation. Im Haus Nummer 9 der Mohrenstraße gab es um das Jahr 1900 die Weinhandlung Traube und Sohn.[8] Carl Stangen unterhielt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Gebäude Mohrenstraße 10 sein auch international agierendes Reisebüro (Carl Stangen’s Reisebureau).
Nr. 11/12 war das Hotel Stadt Magdeburg mit einer Weingroßhandlung darin. Im Haus Nummer 20 befand sich das Hotel Zum Norddeutschen Hof.
Der Dichter Heinrich Stieglitz und seine Frau Charlotte hatten 1829 in der Mohrenstraße 27 ihre erste gemeinsame Wohnung bezogen.[18] Nr. 27/28 beherbergte das Hospiz der Berliner Stadtmission.
Im Haus 31 residierte das Hotel de France sowie das Café Schiller. Unter den Kolonnaden hatten sich Geschäfte angesiedelt (Laden 1 = Perückenmacher, Laden 2 = Fleischer, [1900: Bienenerzeugnisse], Laden 3 = Handschuhhandlung, Laden 4 = Zündwaren [1900: Parfümerie], Laden 5 = Hofschuhmacher). Das Gebäude Nr. 31 war die 16. Gemeindeschule mit der 1. Städtischen Volksbibliothek darin. Und mehrere Verlage sind ebenfalls ausgewiesen.
In der Mohrenstraße 49 befand sich seit dem 18. Jahrhundert die Gaststätte Englisches Haus. In ihr trafen sich zeitweilig der 1749 gegründete Berliner Montagsclub, die Militärische Gesellschaft, die Berliner Liedertafel, der Verein Berliner Künstler und die literarische Gesellschaft Tunnel über der Spree.[19]
Berichtenswert ist noch, dass im Haus Nr. 66 das Gesandtschaftbüro der Vereinigten Staaten (von Amerika) etabliert war.[20]
DDR-Pressezentrum
In der Mohrenstraße 36/37 hatte sich während der DDR-Zeit das Internationale Pressezentrum befunden, in dem das Mitglied des Politbüros Günter Schabowski am 9. November 1989 neue Reiseregelungen für DDR-Bürger verkündete. Auf Nachfrage von Journalisten erklärte er sie sogar für ab „sofort“ gültig, da ihm die bis zum folgenden Morgen vorgesehene Sperrfrist nicht bekannt war. Als die Medien davon berichteten, erfolgte im Laufe des Abends der Ansturm auf die Berliner Mauer, womit der 9. November 1989 ungeplant zum Datum des Mauerfalls wurde.[21] Eine Informationsstele der Robert-Havemann-Gesellschaft erinnert vor Ort.[22]
Baudenkmale in der Mohrenstraße
Die hier um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert zahlreich errichteten drei- oder viergeschossigen Gebäude dienten hauptsächlich als Verwaltungssitz für Versicherungen, Banken, Handelshäuser, Verlage oder ähnliche Unternehmen. Trotz starker Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs sind viele Häuser erhalten geblieben oder wieder aufgebaut und Ende des 20. Jahrhunderts renoviert worden. Dazu gehören die folgenden unter Denkmalschutz stehenden Gebäude:
- Mohrenstraße 6 Ecke Glinkastraße 8: Verwaltungsgebäude der Wiener Versicherungsgesellschaft Der Anker, Architekt: Adolf Zabel[23][24]
- Mohrenstraße 20/21 aus dem Jahr 1908: NDPD-Haus und Haus des Deutschen Handwerks von 1908, Architekt: Georg Rathenau[25]
- Mohrenstraße 22/23 Ecke Charlottenstraße 60: Geschäftshaus der Berlinischen Bodengesellschaft von 1907,[24] Architekten: Cremer und Wolffenstein[26]
- Mohrenstraße 37a: Geschäftshaus von 1896 (Damenkonfektion Goldenbaum & Lichtenstein),[24] Architekt: Carl Bauer[27]
- Mohrenstraße 37b Ecke Kronenstraße 38–40: Geschäftshaus Prausenhof von 1913, Architekt: Ludwig Otte[27]
- Mohrenstraße 39–44 Ecke Hausvogteiplatz 8/9: Geschäftshaus Zum Hausvoigt von 1890 (zwei Konfektionsgesellschaften),[24] Architekt: Otto March[28]
- Verwaltungsgebäude der Deutschen Innen- und Außenhandels-Gesellschaft (DIA) (Mohrenstraße 51/52) von 1955[29]
- Mohrenstraße 53–61: Verwaltungsgebäude der Allianz- und Stuttgarter Lebensversicherungsbank AG von 1936, Architekt: Heinrich Rosskotten,[30]
um 1910 hatte die Zürich Versicherungsgesellschaft das Haus Nr. 58/59 neu errichten lassen und im Haus Nr. 62 saß die Preuß. Lebens-Versich. AG[24] - Mohrenstraße 63/64: Verwaltungsgebäude der Allianzversicherung von 1913, Architekt: Bodo Ebhardt[31][24]
- Mohrenstraße 66: Geschäftshaus der Kur- und Neumärkisch. Ritterschafts-Kredit Inst. von 1890,[32] im gleichen Haus befanden sich die Mittelmarkische Ritterschafts-Direktion sowie eine Weingroßhandlung und zahlreiche Wohnungen.[24]
In der Mohrenstraße sind die folgenden weiteren Baudenkmale zu finden:
- Fundamente der Dreifaltigkeitskirche von etwa 1750
- Mohrenkolonnaden von 1787[33]
- U-Bahnhof Mohrenstraße von 1908/1952[34]
- U-Bahnhof Stadtmitte der Linie U2 von 1908[35]
Diskussion um eine Umbenennung
Seit den 1990er-Jahren wird in Berlin im Kontext einer umfassenderen Debatte über möglicherweise historisch belastete Straßennamen auch eine Umbenennung der Mohrenstraße und der gleichnamigen U-Bahn-Station diskutiert.[36]
Verschiedene Aktivisten, z. B. der Afrika-Rat Berlin-Brandenburg, Afrodeutsche und Vertreter von Organisationen wie der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Initiative Schwarzer Menschen und kolonialkritische Gruppen wie der Verein Berlin Postkolonial oder das Netzwerk von über 100 entwicklungspolitischen Vereinen, Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (BER), prangerten in diesem Zusammenhang einen diskriminierenden Hintergrund der Bezeichnung ‚Mohr‘ an. Die Beibehaltung des Namens Mohrenstraße ist nach ihrer Meinung auch Ausdruck einer mangelnden Aufarbeitung von europäischem und deutschem Rassismus und Kolonialismus. Als Alternativen wurden Straßennamen nach der Königin von Saba, Nelson Mandela oder Anton Wilhelm Amo vorgeschlagen. Politische Unterstützung erhielten die Befürworter einer Umbenennung von Vertretern der PDS und der Grünen im Bezirk Mitte. Auch die damalige Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte sich für einen neuen Straßennamen ausgesprochen.[37][38][39] Im Februar 2009 machte die Naturfreundejugend-Berlin auf die Problematik aufmerksam,[40] indem sie einen rosafarbenen Hasen die Straße in Möhrenstraße umbenennen ließ.[41] Etwa 200 Menschen demonstrierten am 22. Februar 2014 für eine Umbenennung in Nelson-Mandela-Straße.[42] Am 23. August 2014, dem Internationalen Tag für die Erinnerung an den Handel mit Versklavten und an seine Abschaffung, feierte ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Gruppen, Decolonize Mitte, das 1. Fest zur Umbenennung der M-Straße.[43] Am 23. August 2015 fand das zweite Fest zur Straßenumbenennung statt.[44][45] 2018 forderten Aktivisten beim fünften Fest die Umbenennung nach Anton Wilhelm Amo, der mit seiner Dissertation Die Rechtsstellung des Mohren in Europa zum ersten schwarzen Akademiker und Philosophen Deutschlands wurde.[46][47]
Im Januar 2015 geriet Dieter Hallervorden im Kontext der Mohrenstraße in die Schlagzeilen. Die BVG hatte von Prominenten Durchsagen der U-Bahnhöfe machen lassen. Hallervorden kündigte hierbei die Mohrenstraße an, was angesichts der im Jahr 2012 medial breit geführten Debatte um das in seinem Theater aufgeführte Blackface-Stück Ich bin nicht Rappaport von Herb Gardner zu Protesten und medialer Berichterstattung führte.[48][49][50][51]
Gegner einer Umbenennung verweisen darauf, dass es sich um einen inzwischen historischen Straßennamen handele, der anstelle eines neutralen Straßennamens weiterhin Anlass zu Diskussionen bieten würde. Die Berliner CDU, die sich gegen eine Umbenennung stellt, hält den Begriff ‚Mohr‘ nicht für rassistisch. Vielmehr gehe das Wort auf ‚Maure‘ zurück, sei also ursprünglich eine wertfreie Benennung für einen muslimischen Nordafrikaner gewesen.[52] CDU-Vertreter werteten die ganze Diskussion um die Umbenennung und von den Befürwortern angeführte Argumente als „abstrus“ und „Unsinn“.[39]
Im Juli 2020 schlug der Versuch der Berliner Verkehrsbetriebe fehl, den U-Bahnhof Mohrenstraße umzubenennen. Er sollte stattdessen den Namen der angrenzenden Glinkastraße tragen.[53][54] Dies wiederum wurde kritisiert, da der russische Komponist Glinka Antisemit gewesen sein soll, woraufhin die BVG den Namen nur noch als „mögliche Alternative“ bezeichnete.[55]
Am 20. August 2020 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte auf Antrag von SPD und Grünen und mit Unterstützung der Linkspartei das Bezirksamt zu ersuchen „die Umbenennung der Mohrenstraße gem. Berliner Straßengesetz […] vorzunehmen und unverzüglich den Vorgang zur Umbenennung zu starten.“ Die BVV schlug in diesem Zusammenhang vor, die Straße neu nach Anton Wilhelm Amo zu benennen. Entsprechend dem Beschluss soll es nur eine Information der Anrainer und keine Beteiligung geben.[56] Auch alternative Umbenennungsvorschläge sollen nicht eingereicht werden.[57]
Am 4. Mai 2021 gab das Bezirksamt Mitte den 1. Oktober 2021 als Datum der Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße bekannt. Als Begründung wird in der Bekanntmachung angegeben: „Nach heutigem Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins.“ Der neue Name werde „seit vielen Jahren von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen/Akteuren vorgeschlagen, um eine historische Persönlichkeit afrikanischer Herkunft zu ehren die eng mit der Geschichte des Straßennamens verbunden ist“.[58] Der Historiker Götz Aly rief daraufhin in seiner Kolumne in der Berliner Zeitung dazu auf, Widerspruch gegen die Umbenennung einzulegen. Ende Juni 2021 thematisierte und kritisierte er in „Meine letzte Kolumne“ die für diesen Widerspruch anfallenden Gebühren von bis zu 741,37 Euro.[59] Die Umbenennung ist aufgrund der dagegen eingelegten Widersprüche bisher nicht in Kraft getreten.[60]
Literatur
- Ulrich van der Heyden: Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin: Recht für Anton Wilhelm Amo. In: Berliner Zeitung, 5. September 2021.
- Ulrich van der Heyden: Die Umbenennung der Berliner ‚Mohrenstraße‘ – eine Blamage. In: Berliner Debatte Initial, 4, 2020, S. 133–144.
- Ulrich van der Heyden: Auf Afrikas Spuren in Berlin. Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten. Tenea Verlag, Berlin 2008.
- Ulrich van der Heyden: Die Mohrenstraße. In: U. van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin 2002, S. 188 f.
Weblinks
- Mohrenstraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
Einzelnachweise
- Philipp Manes: Die deutsche Pelzindustrie und ihre Verbände 1900–1940, Versuch einer Geschichte, Band 4. Berlin 1941. Durchschrift des Originalmanuskripts (→ Inhaltsverzeichnis).
- Joachim Ernst Berger: Kernn aller Fridrichs-Städtschen Begebenheiten, ca. 1730, Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung, Ms Boruss. Quart 124, S. 30.
- Berlin ehrt Karl Marx. In: Vorwärts, 1. September 1929 und Vossische Zeitung, 27. Juli 1933.
- Ursula Madrasch-Groschopp: Die Weltbühne – Porträt einer Zeitschrift, Ullstein Sachbuch, 1985, S. 470 ff.
- Neustes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände, enthaltend: die Beschreibung oder Nachweisung alles Wissenswerthen der Oertlichkeit, mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen der Hauptstadt zu den Provinzen. Herausgegeben durch einen Verein der Ortskunde, unter dem Vorstande des L. Freiherrn von Zedlitz. (Z. N.) [Motto.] Berlin 1834. Gedruckt bei A. W. Eisersdorff. S. 492.
- Hermann Vogt: Die Straßen-Namen Berlins. (PDF) Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 22, Berlin 1885, S. 63.
- Dok. 186 Ramler’s Bericht über Anschaffung von 150 Mohren. Vom 25. November 1714. In: Richard Schück Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern (1647–1721). Zweiter Band, Verlag von Fr. Wilh. Grunow, Leipzig 1889, S. 564–566.
- Mohrenstraße. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1900, Teil 3, S. 423–425.
- Mohrenstraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
- Friedrich Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam und aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten, 1779, S. 152/153
- Plan von Berlin, 1710, Rekonstruktionsversuch
- Zitat in: Brandenburg-Preußens Versklavungshandel und Einbindung in den europäischen Kolonialismus. Beitrag des Instituts für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin, abgefragt am 27. Jli 2021.
- Richard Schück: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern (1647–1721), Verlag von Fr. Wilh. Grunow, Leipzig 1889, Band II, Dok. 64 Instruktion für den Commandeur de Voss zur Schiffahrt nach der guineischen Küste nebst dem von Gröben, 17. Mai 1682.
- Tafel 20 in: Peter Schenk: Kurfürstlich Brandenburgische Militär- und Hoftrachten, Amsterdam 1696–1701, SMB-SPK.
- Paul Carl Leygebe: Das Tabakskollegium Friedrichs I. in Preußen und seiner dritten Gemahlin Königin Sophie Luise in der Drap dór-Kammer des Berliner Schlosses, 1709/1710. Wikimedia Commons
- Ulrich van der Heyden: Auf Afrikas Spuren in Berlin. Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten. Berlin 2008
- Magazin Lernen aus der Geschichte, Ausgabe März 2015: White Myths – Black History: Der Fall der Berliner „Mohrenstraße“ von Christian Kopp. Herausgegeben von der Agentur für Bildung – Geschichte, Politik und Medien e. V., Berlin
- Stieglitz. In: Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Berlin, Charlottenburg und Umgebungen, 1829.
- In den Jahren 1890 und 1900 gab es laut Adressbuch hier keine Gaststätte, dafür werden unter Nr. 49 nur Privatpersonen genannt. Unter Nr. 51 erscheint je ein Gastwirt: Winkelmann (aber nur als Verwalter; 1890) und C. Voigt (1900). (Mohrenstraße 49. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1900, Teil 3, S. 424.)
- Mohrenstraße. In: Berliner Adreßbuch, 1890, Teil 2, S. 325 ff..
- Stelen der Robert-Havemann-Gesellschaft: Presseamt beim Ministerrat der DDR
- Presseamt beim Ministerrat der DDR. berlin.de, aktualisiert am 8. August 2011; abgerufen am 2. November 2016.
- Baudenkmal Mohrenstraße 6 (1911)
- Mohrenstraße 6. In: Berliner Adreßbuch, 1914, Teil 3, S. 609 f. (Eigentümer Der Anker, Gesellschaft für Lebens- und Rentenversicherungen mit dem Direktor P. Schlesinger).
- Baudenkmal Mohrenstraße 20/21 (1908)
- Baudenkmal Mohrenstraße 22/23 (1907)
- Baudenkmal Mohrenstraße 37a/b
- Baudenkmalkomplex Hausvogteiplatz 8/9 und Mohrenstraße (1889–1890)
- Baudenkmal Mohrenstraße 51
- Baudenkmal Mohrenstraße 53–61 (1937–1943)
- Baudenkmal Mohrenstraße 63/64
- Baudenkmal Mohrenstraße 66 (1890–1892)
- Baudenkmal Mohrenkolonnaden (1787)
- Baudenkmal U-Bhf Mohrenstraße
- Baudenkmal U-Bhf Stadtmitte
- Projektgruppe zur Umbenennung der Mohrenstraße (Memento vom 15. November 2012 im Internet Archive)
- Torben Ibs: Das unrühmliche Erbe der Kolonien. In: taz, 13. November 2004.
- Rainer L. Hein: Nicht nur der Mohr soll gehen. In: Die Welt, 13. November 2004.
- Rainer L. Hein, Steffen Pletl: Kulturausschuss will Forum zur Umbenennung der Mohrenstraße. In: Die Welt, 11. Februar 2005.
-
- Möhrchen(-straße) statt Märchenland. (Dokumentation der Pink Rabbit Kampagne) (Memento vom 12. Dezember 2013 im Internet Archive).
- Svenja Bergt: Mit Mohrrüben gegen die Nation. In: taz, 13. Februar 2009.
- Proteste für die Umbenennung der Mohrenstraße. In: Berliner Zeitung, 24. Februar 2014.
- Bündnis zur Umbenennung der Mohrenstraße Decolonize Mitte.
- 2. Fest zur Umbenennung der Berliner „Mohrenstraße“. (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive) Bei: ber-ev.de.
- Stefan Strauß: Aktion gegen Rassismus – Initiative fordert Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin. In: Berliner Zeitung, 23. August 2015.
- Jonas Wahmkow: Protest gegen Straßennamen in Berlin: Warum nicht Anton-W.-Amo-Straße? In: Die Tageszeitung. 17. August 2018 (taz.de [abgerufen am 30. Juli 2019]).
- Zur Inauguraldissertation siehe: Anton Wilhelm Amo argumentiert gegen die Legalität der Sklaverei in Europa (1729). Information des Black Central European Studies Network (BCESN), abgerufen am 21. August 2020.
- Dieter Hallervorden hat Ärger wegen „Mohrenstraße“. In: Der Tagesspiegel, 22. Januar 2015.
- Meiden Sie die Mohrenstraße, Dieter Hallervorden. In: Die Welt, 23. Januar 2015.
- Dieter Hallervorden und das Problem Mohrenstraße. In: B.Z., 23. Januar 2015.
- Dieter Hallervorden provoziert mit der „Mohrenstraße“. In: Stern, 22. Januar 2015.
- Henkel: PDS-Forderungen nach Straßenumbenennungen unangemessen. CDU-Presseerklärung vom 28. Januar 2005.
- Nach Rassismus-Debatte: BVG will U-Bahnhof Mohrenstraße umbenennen. In: Der Tagesspiegel. 3. Juli 2020, abgerufen am 4. Juli 2020.
- Mohrenstraße soll in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt werden. In: B.Z. 21. August 2020, abgerufen am 21. August 2020.
- Umbenennung in Glinkastraße laut BVG noch nicht fix. Abgerufen am 11. September 2020.
- Drucksache – 2586/V der BVV Mitte
- „Berlin schreibt Weltgeschichte“ – Mohrenstraße wird „unverzüglich“ umbenannt. In: Welt Online, 21. August 2020
- Umbenennung von öffentlichem Straßenland. (PDF) In: Amtsblatt für Berlin. 14. Mai 2021, S. 1773, abgerufen am 14. Mai 2021.
- Meine letzte Kolumne. In: Berliner Zeitung, 29. Juni 2021.
- 1134 Widersprüche gegen die Umbenennung der Mohrenstraße. In: Tagesspiegel – LEUTE Mitte. Abgerufen am 29. Dezember 2021.