Mohrenkolonnaden
Die Mohrenkolonnaden sind ein Kulturdenkmal in der zur Umbenennung vorgesehenen Mohrenstraße, das im 18. Jahrhundert als Einzelbauwerk in Alt-Berlin errichtet wurde. Die Kolonnaden schmückten die Brücke über den Festungsgraben. Bei späteren Umgestaltungen des gesamten Bereiches der Friedrichstadt (heute: Ortsteil Mitte von Berlin) blieben sie dadurch erhalten, dass die Baumeister die Säulenreihen als Fassadenvorbau für neue Geschäftsgebäude verwendeten. Nach Kriegsbeschädigungen wurden die Kolonnaden in den 1950er Jahren restauriert und in den 1990er Jahren saniert.
Geschichte
Die Kolonnaden wurden im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. nach einem Entwurf von Carl Gotthard Langhans unter der Leitung des Baumeisters Christian Friedrich Becherer bis zum Jahr 1787 fertiggestellt. Sie standen auf der Brücke, die über den Graben der Festung Berlin führte. Ursprünglich wies Berlin fünf ähnliche repräsentative Brückenbauwerke auf, von denen lediglich die Mohrenkolonnaden am Originalstandort erhalten geblieben sind. Die Königskolonnaden wurden 1911 in den Kleistpark versetzt und ein Teil der Spittelkolonnaden ist ebenfalls erhalten, befindet sich jedoch an anderer als der ursprünglichen Stelle. Nicht erhalten sind die Kolonnaden auf der Mühlendammbrücke sowie die auf der Jägerbrücke,[1] die die Jägerstraße über den Festungsgraben führte.
Mit der Verfüllung des Festungsgrabens und der regen Bautätigkeit wurden die beiden Längsteile der Mohrenkolonnaden (bezeichnet nach ihrer Lage in der entsprechenden Straße) als Vorbauten in zwei gegenüberliegende Gebäude aufgenommen. So befinden sie sich nun auf der Südseite und auf der Nordseite der Mohrenstraße, vor den Häusern Nummer 37 und Nummer 40/41. Die Säulengänge ragen etwas in den Fußweg hinein, die Fahrwege verengen sich an dieser Stelle.
In den Rückwänden der Bögen wurden Anfang des 19. Jahrhunderts Läden (im Volksmund „Krambuden“) eingerichtet. Sie trugen die Adresse Unter den Kolonnaden und waren nummeriert. Einige dieser Läden haben sich auch noch nach der Errichtung der großen Gebäude erhalten.[2] An ihrer Stelle befinden sich inzwischen die Eingänge zu den Gebäuden.
Das Gebäude hinter der Mohrenkolonnade Süd ließ der Lichterfelder Handelsrichter und Rentier Oswald Prause 1912–1914 nach Plänen von Ludwig Otte errichten. Der nach seinem Eigentümer Prausesches Haus (auch: Prausenhof) genannte Bau mit zwei Innenhöfen ist ein Zeugnis der typischen Berliner Gewerbearchitektur vom Beginn des 20. Jahrhunderts.[3] Prause blieb jedoch in seiner Villa in Lichterfelde wohnen.
In den 1920er, 1930er und 1940er Jahren waren hinter den Kolonnaden-Eingängen folgende Einrichtungen zu finden:
Nummer 37 der Textilbetrieb von Graumann & Stern (Damenmäntel), daneben das Prausesche Haus mit einer Waschanstalt; als Verwalter wird der Kaufmann W. Prause genannt, Nummer 37a mehrere Konfektionsbetriebe und Nummer 40 Verkaufskontore, Nummer 41 war die 10. Volksschule der Stadt Berlin, beherbergte aber auch eine Handelsschule und weitere Mieter bzw. Nutzer.[4] Im Jahr 1943 trat die Berlinische Bodengesellschaft als Eigentümerin des Hauses Mohrenstraße 37a auf, in dem weiterhin Konfektionsbetriebe ansässig waren, das Haus 40 war im Besitz der Viktoria-Versicherung, hier befanden sich weitere Kleiderfabriken und Speditionen. Das Haus Nummer 41 beherbergte nunmehr eine Berufsschule für Industriekaufleute II (= weibliche Lehrlinge) der Reichshauptstadt Berlin und weitere Nutzer.[5]
In der Mohrenstraße 36–37 befand sich während der DDR-Zeit das Internationale Pressezentrum, in dem auf einer Pressekonferenz am 9. November 1989 Günter Schabowski neue Reiseregelungen für DDR-Bürger bekanntgab. Seine Äußerungen führten zum Massenansturm auf die Grenze zu West-Berlin und damit letztlich zum Fall der Berliner Mauer.
Der Gebäudekomplex Mohrenstraße 37 wurde nach dem Beschluss zum Umzug der deutschen Regierung nach Berlin (Bonn-Berlin-Gesetz) umgebaut und ist inzwischen Sitz für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.[6] Der Umbau des Komplexes und die Errichtung von Neubauten auf dem Gelände erfolgten durch das Düsseldorfer Architekturbüro Eller und Eller (E + E), das auch den Landtag Nordrhein-Westfalen sowie das Schokoladenmuseum Köln gebaut hat.
Im Gebäude Mohrenstraße 40/41 befinden sich u. a. das Institut für Europäische Ethnologie und das August-Boeckh-Antikezentum der Humboldt-Universität (Stand: August 2021).[7]
Architektur
Der Architekturstil der Kolonnaden wird der Übergangsperiode zwischen Barock und Klassizismus zugerechnet. Sie sind aus Sandstein gefertigt und tempelartig ausgeführt: Doppel-Säulen im dorischen Stil werden von einem Baufeld abgeschlossen, das die antiken Triglyphen der griechischen Tempelbauten simuliert. Das Mittelteil bildet einen Risaliten und wird von einem Portikus bekrönt. Ein kräftiges Dachgesims schließt die sieben offenen Rundbögen ab, in den Bogenscheiteln sind Frauenköpfe eingearbeitet. Die schmückenden Details der Kolonnaden wurden nach Entwürfen von Christian Bernhard Rode in der königlichen Bildhauerwerkstatt von Antoine Tassaert (nach dessen Tod übernommen durch Johann Gottfried Schadow) ausgeführt. In den dreieckigen Giebelfeldern (Tympani) sind die Götter Merkur/Pluto und Merkur/Neptun und über den Rundbögen an den Kolonnadenenden liegende Figuren als Flussgötter dargestellt. Sie symbolisieren die damals bekannten Erdteile: im Norden Europa (Donau) und Afrika (Nil), im Süden Amerika (Rio de la Plata) und Asien (Ganges).[8][9] Dem Portikus jeder Kolonnade sitzt ein Figurenpaar auf, das die lokalen, preußischen Flüsse Spree/Oder (Nordkolonnade) und Havel/Nuthe (Südkolonnaden) symbolisiert.[10] Rosetten schmücken die Felder zwischen den Rundbögen. Die beiden letzten Rundbögen schwingen zur Gebäudefront zurück und schließen direkt an die Hauswände an.
Literatur
- Die Mohrenkolonnaden in Berlin und ihr Architekt. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, Jg. 53 (1933), S. 628.
- Georg Krecker: Die Mohrenkolonnaden in Berlin. In: Deutsch Kunst- und Denkmalpflege, Jg. 36 (1934), S. 30–31.
- Henning Franzmeier: Der Nilus über dem Festungsgraben. In: Marc Loth (Hg.), Pharaonen an der Spree. Ägyptisierende Architektur und Skulptur in Berlin, Bd. 1, Books on Demand, Norderstedt 2012, S. 69–72.
Weblinks und Quellen
- Baudenkmal Mohrenkolonnaden
- Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR. Hauptstadt Berlin-I. Henschelverlag, Berlin 1984, S. 232.
Einzelnachweise
- Architekten-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Ernst und Sohn, Berlin 1877.
- Mohrenstraße 37 > O. Nageler Honighandlung > Laden 1, Unter den Kolonnaden. In: Berliner Adreßbuch, 1920, IV, S. 584.
- Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: Mohrenkolonnaden. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Mitte. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2003, ISBN 3-89542-111-1 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
- Mohrenstraße 37, Mohrenstraße 40, Mohrenstraße 41. In: Berliner Adreßbuch, 1930, T. IV, S. 686 (Die Hausnummer 37b ist nicht ausgewiesen.).
- Mohrenstraße 37a, Mohrenstraße 40, Mohrenstraße 41. In: Berliner Adreßbuch, 1943, T. IV, S. 587.
- Website des BMJV, Impressum
- Website HU-Institut für Europäische Ethnologie
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Berlin. 3. Aufl. Deutscher Kunstverlag, 2006, S. 147.
- Franzmeier, Henning: Der Nilus über dem Festungsgraben. In: Mar Loth (Hrsg.): Pharaonen an der Spree. Ägyptisierende Architektur und Skulptur in Berlin. 1. Auflage. Band 1. Books on Demand, Norderstedt 2012, ISBN 978-3-8482-1242-2, S. 70.
- Franzmeier, Henning: Der Nilus über dem Festungsgraben. In: Marc Loth (Hrsg.): Pharaonen an der Spree. Ägyptisierende Architektur und Skulptur in Berlin. 1. Auflage. Band 1. Books on Demand, Norderstedt 2012, ISBN 978-3-8482-1242-2, S. 70.