Malu Dreyer
Marie-Luise „Malu“ Dreyer[1][2] (* 6. Februar 1961 in Neustadt an der Weinstraße) ist eine deutsche Politikerin (SPD). Sie ist seit dem 16. Januar 2013 Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.
Nachdem sie von 2013 bis 2016 in einer rot-grünen Koalition regierte, steht sie seit dem 18. Mai 2016 an der Spitze des ersten rot-gelb-grünen Regierungskabinetts des Landes (Bündnis aus SPD, FDP und Grünen, bekannt als „Ampelkoalition“). Der Landesregierung von Rheinland-Pfalz hatte sie zuvor bereits ab März 2002 als Ministerin für Soziales, Arbeit und Familie angehört. Dreyer ist auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder und Vorsitzende des Verwaltungsrats des ZDF. Des Weiteren ist sie Mitglied des Senats der Max-Planck-Gesellschaft.
Sie war vom 1. November 2016 bis zum 31. Oktober 2017 Präsidentin des Bundesrates.
Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles führte sie von Juni 2019 bis Dezember 2019 die SPD kommissarisch, bis die neuen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gewählt wurden.[3] Von Dezember 2017 bis Dezember 2019 war sie stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei.
Werdegang
Herkunft, Studium und berufliche Laufbahn (1961 bis 2002)
Dreyer wurde als zweites von drei Kindern einer Erzieherin und eines Schulleiters geboren.[4] Nach einem Auslandsschuljahr im kalifornischen Claremont 1977[5] und dem Abitur 1980 am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße begann sie ein Studium der Anglistik und katholischen Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im Jahr darauf wechselte sie zur Rechtswissenschaft. Sie absolvierte sowohl 1987 die Erste als auch drei Jahre später die Zweite Juristische Staatsprüfung mit einem Prädikatsexamen.[4]
Ab 1989 arbeitete Dreyer an der Mainzer Universität als Wissenschaftliche Assistentin von Hans-Joachim Pflug. 1991 wurde sie zur Richterin auf Probe ernannt und erhielt einen Dienstleistungsauftrag als Staatsanwältin in Bad Kreuznach.[5]
SPD-Politikerin seit 1995
Dreyer ist seit 1995 Mitglied der SPD.[6] Von 1995 bis 1997 war sie hauptamtliche Bürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach. Ab 1997 leitete sie als Dezernentin den Bereich Soziales, Jugend und Wohnen der Landeshauptstadt Mainz.
Ministerin in der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung (2002 bis 2013)
Am 15. März 2002 berief sie der damalige Ministerpräsident Kurt Beck als Nachfolgerin von Florian Gerster in sein Kabinett. Dreyer war dann bis Januar 2013 rheinland-pfälzische Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie. Im Zuge der sogenannten „Rodalben-Affäre“ wurde sie heftig durch die Opposition im Landtag Rheinland-Pfalz kritisiert; in der südwestpfälzischen Stadt war im November 2003 eine Erzieherin von zwei 16- und einem 17-jährigen Bewohnern eines Jugendheims erstochen worden. Die Opposition warf der Sozialministerin schwere Versäumnisse bei der Planung und Umsetzung des Projekts „Heimunterbringung statt Untersuchungshaft“ vor und forderte 2004 ihren Rücktritt.[7]
Von 2005 bis 2013 war Dreyer Vorsitzende der SPD Trier. Bei der für die SPD äußerst erfolgreichen Landtagswahl vom 26. März 2006 trat Dreyer als Nachfolgerin des ausscheidenden Landtagspräsidenten Christoph Grimm als Kandidatin für den Wahlkreis Trier an; sie setzte sich dabei unter anderem gegen den CDU-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Christoph Böhr durch, der nach der Wahl sämtliche Parteiämter niederlegte. Bei der Landtagswahl 2011 gewann sie mit 40,6 Prozent der Erststimmen erneut das Direktmandat im Wahlkreis Trier.[8] Bei der Landtagswahl 2016 konnte sie ihren Erststimmenanteil auf 49,6 Prozent der Stimmen steigern und den Wahlkreis so erneut direkt gewinnen. Nachdem sie zu Beginn der Legislaturperiode zur Ministerpräsidentin gewähl wurde, legte sie jedoch ihr Landtagsmandat nieder. Für sie rückte Sven Teuber in den Landtag nach. Bei der Landtagswahl 2021 konnte sie ihren Wahlkreis mit 47,7 Prozent der Stimmen gewinnen. Nachdem sie wiederum nach ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin ihr Landtagsmandat niedergelegt hatte, rückte erneut Teuber für sie nach.
Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz (2013 bis heute)
Nachdem Kurt Beck am 28. September 2012 seinen Rücktritt als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz für Anfang 2013 angekündigt hatte,[9][10][11] wurde Dreyer am 16. Januar 2013 vom Landtag mit 60 der insgesamt 100 Stimmen zur Regierungschefin gewählt. Damit ist sie die erste Frau, die das Land Rheinland-Pfalz regiert. Zum Zeitpunkt ihrer Wahl gab es drei weitere Ministerpräsidentinnen in Deutschland (Hannelore Kraft, Annegret Kramp-Karrenbauer und Christine Lieberknecht).[12] Dreyer übernahm von Kurt Beck zudem den Vorsitz der Rundfunkkommission der Länder.[13]
Als Anerkennung ihres Engagements für die Pflege und besonders für die Errichtung der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz erhielt sie am 13. März 2015 den Deutschen Pflegepreis, der jährlich vom Deutschen Pflegerat verliehen wird.[14]
Bei der Landtagswahl am 13. März 2016 trat sie erstmals als Spitzenkandidatin der SPD an. Die SPD konnte dabei mit einem Endergebnis von 36,2 Prozent der Stimmen die Wahl für sich entscheiden, nachdem sie die letzten zwei Jahre vor der Wahl in den meisten Umfragen zum Teil sehr deutlich hinter der CDU gelegen hatte. Einen maßgeblichen Anteil am guten Abschneiden der SPD sahen Medien in der großen Beliebtheit von Malu Dreyer.[15]
Demgegenüber sackte die CDU mit einem Endergebnis von 31,8 Prozent der Stimmen auf einen historischen Tiefstand ab. Die CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner unterlag damit zum zweiten Mal als CDU-Spitzenkandidatin bei einer Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.
Am 18. Mai 2016 wurde sie mit allen 52 Stimmen der SPD-FDP-Grüne-Koalition zur Ministerpräsidentin wiedergewählt.[16] Am 8. Juni 2016 gab Dreyer bekannt, dass sie wegen der Doppelbelastung ihr Landtagsmandat am 1. August 2016 niederlegt.[17] Einen Misstrauensantrag der CDU-Opposition überstand Dreyer in einer Abstimmung am 14. Juli 2016 mit allen 52 Stimmen ihrer Koalition.[18]
Am 14. Oktober 2016 wurde sie in der Nachfolge von Stanislaw Tillich zur Bundesratspräsidentin gewählt. Sie trat dieses Amt am 1. November 2016 an. Sie gab das Amt turnusgemäß am 1. November 2017 an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller weiter.
Am 30. Juni 2017 wurde Dreyer als Nachfolgerin von Kurt Beck zur Vorsitzenden des Verwaltungsrates des ZDF gewählt.[19] Auf dem SPD-Parteitag am 7. Dezember 2017 wurde Dreyer zu einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Partei gewählt.[20]
Bei einem Parteitag am 5. Dezember 2020 wurde Dreyer mit 99,7 % erneut zur Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 14. März 2021 gewählt. In ihrer Parteitagsrede ging sie insbesondere auf den Klimaschutz ein. Dieser sei „nicht das Thema einer Partei, sondern das Thema von uns allen.“[21] Die Wahl gewann die SPD mit 35,7 % der Stimmen. Erneut hatte die SPD zuvor in den meisten Umfragen deutlich hinter der CDU gelegen, die jedoch mit 27,7 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut auf einen Tiefstand absackte.
Am 18. Mai 2021 wurde sie mit allen 55 Stimmen der SPD-Grüne-FDP-Koalition zur Ministerpräsidentin wiedergewählt.[22]
Kabinette
- Kabinett Beck III (März 2002 – Mai 2006): Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit
- Kabinett Beck IV (Mai 2006 – Mai 2011): Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familien und Frauen
- Kabinett Beck V (Mai 2011 – Januar 2013): Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie
- Kabinett Dreyer I (Januar 2013 – Mai 2016): Ministerpräsidentin
- Kabinett Dreyer II (Mai 2016 – Mai 2021): Ministerpräsidentin
- Kabinett Dreyer III (seit dem 18. Mai 2021): Ministerpräsidentin
Privates
Malu Dreyer ist seit Juli 2004 mit Klaus Jensen verheiratet, der zuvor Staatssekretär in Rheinland-Pfalz und von 2007 bis 2015 Oberbürgermeister von Trier war.[23] Die bekennende Katholikin lebt mit ihrem Ehemann im Schammatdorf,[24] einem inklusiven und generationenübergreifenden Wohnprojekt nahe der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wählte Malu Dreyer im November 2016 und erneut im April 2021 als eine von 45 Einzelpersönlichkeiten unter den Mitgliedern.[25]
Im Jahr 1995 wurde bei Dreyer Multiple Sklerose[26][27] diagnostiziert, weshalb sie bei längeren Wegstrecken auf einen Rollstuhl angewiesen ist.[28] Sie ist unter anderem Schirmherrin des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der DMSG[29] und von TAG Trier, einem örtlichen Projekt für Multiple-Sklerose-Betroffene.
Ehrungen
- 2015: Deutscher Pflegepreis[30]
- 2018: Heinrich-Albertz-Friedenspreis[31]
- 2019: August-Bebel-Preis der August-Bebel-Stiftung[32]
Werke
- Die Zukunft ist meine Freundin: Wie eine menschliche und ehrliche Politik gelingt, Malu Dreyer und Hajo Schumacher. Bastei Lübbe (Quadriga), Köln 2015, ISBN 978-3-86995-083-9.
Dokumentationen
- Malu Dreyer – Eine von hier, SWR Fernsehen (Ein Film von Sabine Harder)
Weblinks
Einzelnachweise
- Glücksmomente jenseits des Stress. In: volksfreund.de. Abgerufen am 3. Oktober 2012.
- Malu Dreyer im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Nach Nahles-Rückzug SPD-Führungstrio wird nicht für Vorsitz kandidieren. 3. Juni 2019, abgerufen am 3. Juni 2019.
- Malu Dreyer – Eine starke Frau wird Landesmutter. In: rhein-zeitung.de. Abgerufen am 3. Oktober 2012.
- Lebenslauf der Ministerpräsidentin. Website der Landesregierung, mit Anhang Lebenslauf Malu Dreyer (PDF) rlp.de
- malu-dreyer.de. Abgerufen am 14. April 2021.
- Thomas Struk: CDU fordert Rücktritt der Sozialministerin. In: General-Anzeiger (Bonn), 2. Juni 2005, S. 5
- Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz (Memento vom 16. Januar 2014 im Internet Archive), abgerufen am 28. März 2011
- Beck zieht den letzten Trumpf. In: Stuttgarter Zeitung, abgerufen am 28. September 2012
- Regierungschef Beck geht nach 18 Jahren. (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive) In: Berliner Morgenpost, abgerufen am 28. September 2012
- Dreyer plant als Ministerpräsidentin über 2016 hinaus, swr.de, abgerufen am 1. Oktober 2012
- Wechsel an der Regierungsspitze in Rheinland-Pfalz, Dreyer zur neuen Ministerpräsidentin gewählt, swr.de, abgerufen am 16. Januar 2013
- Vorsitz der Rundfunkkommission der Länder bleibt bei Rheinland-Pfalz. Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V., 1. Februar 2013; abgerufen am 25. Juni 2013
- Pressemitteilung. (Memento vom 27. Januar 2016 im Internet Archive) DPO, 13. März 2015
- Wahlanalysen: Wie die SPD Rheinland-Pfalz verteidigt. In: Spiegel Online. Abgerufen am 30. März 2016.
- swr.de
- swr.de
- Misstrauensvotum gegen Dreyer in Rheinland-Pfalz gescheitert - Warum Klöckner trotzdem profitiert. focus.de, abgerufen am 14. Juni 2016.
- Malu Dreyer neue Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates. Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, abgerufen am 31. August 2017.
- Malu Dreyer stellt sich gegen die große Koalition - und wird belohnt. In: Welt Online. 7. Dezember 2017, abgerufen am 8. Dezember 2017.
- Dreyer mit großer Mehrheit zur SPD-Spitzenkandidatin gewählt. In: SWR Aktuell. Abgerufen am 11. Januar 2021.
- Malu Dreyer zur Ministerpräsidentin wiedergewählt. faz.net, abgerufen am 18. Mai 2021.
- Beck erster Gratulant. In: volksfreund.de. Abgerufen am 3. Oktober 2012.
- Im Trierer Schammatdorf lebt das Miteinander – Malu Dreyer mittendrin, In: rhein-zeitung.de, abgerufen am 19. Oktober 2014.
- ZdK wählt Einzelpersönlichkeiten. zdk.de; abgerufen am 24. Februar 2017.
ZdK-Wahl: Diese 27 Kandidaten wurden ins Katholikenkomitee gewählt. Zentralkomitee der deutschen Katholiken. 20. April 2021. Abgerufen am 21. April 2021. - Malu Dreyer: Kandidatin der Herzen. In: faz.net. Abgerufen am 3. Oktober 2012.
- Glauben und Wissen, 11/2013, S. 74–79, Interview mit Malu Dreyer
- „Malu Dreyer trotzt ihrer Krankheit“ (Memento vom 6. August 2013 im Internet Archive), rp-online.de, 2. Oktober 2012.
- Malu Dreyer auf dmsg-rlp.de
- Malu Dreyer erhält den Deutschen Pflegepreis
- Dreyer bekommt Friedenspreis der Arbeiterwohlfahrt. Süddeutsche Zeitung, 21. November 2018, abgerufen am 14. August 2020.
- Malu Dreyer erhält August-Bebel-Preis. SPD Rheinland-Pfalz; abgerufen am 28. September 2019