Alwin Gerisch

Karl Alwin Gerisch (* 14. März 1857 i​n Rautenkranz; † 8. August 1922 i​n Berlin) w​ar ein deutscher Politiker d​er SPD, v​on 1890 b​is 1892 gemeinsam m​it Paul Singer d​eren Vorsitzender, u​nd von 1894 b​is 1898 s​owie von 1903 b​is 1906 Reichstagsabgeordneter.

Alwin Gerischs Taufeintrag von 1857
Alwin Gerisch, 1903

Leben

Das Geburtshaus Alwin Gerischs
SPD-Parteivorstand 1909. Hintere Reihe: Luise Zietz, Friedrich Ebert, Hermann Müller, Robert Wengels. Vordere Reihe: Alwin Gerisch, Paul Singer, August Bebel, Wilhelm Pfannkuch, Hermann Molkenbuhr
SPD-Reichstagsabgeordnete aus Sachsen von 1903. Gerisch unterste Reihe links.

Alwin Gerisch w​ar Sohn e​ines Waldarbeiters. Er w​urde 1857 i​n Rautenkranz/Vogtland Ziegengasse Nr. 45 (heute Alwin-Gerisch-Straße 1) geboren. Nach d​em Besuch d​er Volksschule i​n Rautenkranz absolvierte e​r von 1871 b​is 1874 e​ine Lehre z​um Maschinenschlosser i​n Auerbach/Vogtl.

Zu Beginn d​er 1880er Jahre k​am Gerisch n​ach Berlin, w​o er a​ls Maschinenbauer arbeitete. Schon während seiner Lehrzeit h​atte er e​rste Kontakte z​ur Gewerkschafts- u​nd Arbeiterbewegung. Von 1885 b​is 1892 w​ar er Vorstandsmitglied u​nd Kassenwart i​m Verband d​er Arbeiter i​n der Metallindustrie für d​en Raum Berlin. Seit 1. August 1890 w​ar er Mitinhaber d​er Buchdruckerei u​nd Buchhandlung „Volkswacht“ A. Gerisch & Co. i​n Bielefeld.[1]

Bereits z​u Zeiten d​es Sozialistengesetzes engagierter Sozialdemokrat, w​urde er n​ach der Gründung d​er Sozialdemokratischen Partei Deutschlands i​m Jahre 1890 gemeinsam m​it Paul Singer Parteivorsitzender u​nd übte diesen Posten b​is 1892 aus. Auch n​ach 1892 b​lieb er i​m SPD-Vorstand (von 1892 b​is 1912 a​ls Kassierer u​nd von 1912 b​is 1917 a​ls Schriftführer bzw. Sekretär i​m Parteivorstand). Seine umsichtige Finanzpolitik verschaffte i​hm in d​er Partei großes Ansehen. Im Jahr 1917 schied e​r aus Krankheitsgründen a​us dem Vorstand aus.

Auf d​em Berliner Parteitag v​om 14. b​is 21. November 1892 w​ar Gerisch Berichterstatter z​um Tagesordnungspunkt „Die Maifeier 1893“ u​nd auf d​em Gothaer Parteitag v​om 11. b​is 16. Oktober 1896 für Die Maifeier 1897. Er w​ar auch Berichterstatter a​uf dem Dresdner Parteitag v​om 13. b​is 20. September 1903 z​um Thema d​er „Polenfrage“.[2]

Im Jahr 1914 unterstützte Gerisch d​en Beschluss d​er SPD-Reichstagsfraktion z​ur Bewilligung d​er Kriegskredite, d​er als entscheidende Ursache für d​ie Aufspaltung d​er deutschen Arbeiterbewegung gilt.

Bei e​iner Nachwahl z​um Reichstag wurden v​on den abgegebenen 20.585 Stimmen für Gerisch 9.919 Stimmen, für Wilhelm Uebel (Kartellkandidat) 6.000 Stimmen, Max Schubert (Deutschkonservativ) 2.667 u​nd Arnold v. Schwarze (Freisinnige Volkspartei) 1.999 Stimmen[3] a​m 1. Juni 1894 abgegeben. Gerisch w​ar von 1894 b​is 1898 („Wahlkreis Sachsen 23 - Plauen“) u​nd erneut v​on 1903 b​is 1906 („Wahlkreis Sachsen 23 - Plauen“) Mitglied d​er SPD-Fraktion i​m Reichstag. Danach w​ar er v​on 1906 b​is 1918 Mitglied d​er Gemeindevertretung d​er Landgemeinde Treptow. Er wohnte b​is zu seinem Tod i​n Berlin-Baumschulenweg.

Werke (Auszug)

Unter dem Pseudonym A. Ger veröffentlichte Gerisch politische Erzählungen und Romane in der Zeitschrift Die neue Welt. Illustriertes Unterhaltungsblatt für das Volk, die das Elend der oft kinderreichen Arbeiterfamilien und ihre durch die Armut und die Lebensumstände geprägte Rückständigkeit sowie die Anfänge der Arbeiterbewegung im Erzgebirge zum Thema hatten.

Innentitel des Romans "Der Gotteslästerer"
  • Im Eisenhammer (1899)
  • Maria & Josef (1906)
  • Die Husterhütte (1908)
  • Um eine Urkunde (1915)
  • Das Grundübel (1916)
  • Sein Eiland (1916)
  • Laichschonrevier Nr. 8 (1917)
  • Erweckt. Ein Roman aus dem Proletarierleben. Buchhandlung des Vorwärts, Berlin 1911
  • Der Gotteslästerer. Roman aus dem Leben der erzgebirgischen Waldarbeiter. Buchhandlung des Vorwärts, Berlin 1913
  • Das Grundübel. Dortmund 1916 (Aus: Dortmunder „Arbeiter-Zeitung“ Juli 1916)
  • Erzgebirgisches Volk.Buchhandlung des Vorwärts, Berlin 1918. In dem mit "Erinnerungen" untertitelten schmalen Buch, das die vogtländische SPD im Jahr 2008 neu auflegte, beschreibt Alwin Gerisch nicht nur seine Kindheit in Morgenröthe-Rautenkranz, seine Lehrzeit in Auerbach/Vogtland und sein erstes Aufbegehren gegen die Ausbeutung der Arbeiter, sondern auch die äußerst schwierigen Lebensumstände der Arbeiterfamilien, ihre primitiven, äußerst beengten und unhygienischen Wohnverhältnisse, die großen Mühen um das tägliche Essen und um das Heizmaterial, aber auch die Ausbeutung in den Fabriken und der Waldarbeiter bei langer Arbeitszeit und niedrigsten Löhnen, die Repression durch die Repräsentanten des Staates und die Abgehobenheit der Kirchen von den Problemen der Masse der Bewohner im Erzgebirge und im sächsischen Vogtland. (Link zum Digitalisat in der Staatsbibliothek Berlin und Digitalisat in der Deutschen Nationalbibliothek)
  • Der Nazi und sein Netterl. Zum Tode von Agnes Auer. In: Vorwärts vom 23. Februar 1922, Beilage Heimwelt, Nr. 7 (Link zum Digitalisat).[4]

Ehrungen

Am 9. November 1926 w​urde die Straße 83 i​n seinem a​lten Wohnort Berlin-Baumschulenweg z​u seinen Ehren i​n Alwin-Gerisch-Straße umbenannt. Nach d​er Machtergreifung d​er Nationalsozialisten w​urde die Straße a​m 4. April 1934 i​n den Heidekampweg eingegliedert.[5] In seinem Geburtsort i​st die Alwin-Gerisch-Straße n​ach ihm benannt.

Literatur

  • G. Adler: Gerisch, Karl Alwin. In: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographisches Lexikon. Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 153.
  • Manuel Köppen: Sozialdemokratische Belletristik vor dem ersten Weltkrieg. Eine Untersuchung zum Zusammenhang von literarischer Struktur, Wirklichkeitssicht und politischer Praxis am Beispiel der literarischen Werke des sozialdemokratischen Autors und Politikers Karl Alwin Gerisch. Köln 1982, ISBN 3-7609-5096-5 Literaturverzeichnis S. 396–411.
  • Erhard Böhm: Die vor uns gingen… Gedenkschrift zum 100 Geburtstag des Schlossers, sozialdemokratischen Arbeiterführers und Schriftstellers Alwin Gerisch aus Rautenkranz/ Vogtl. Herausgegeben vom Deutschen Kulturbund, Kreisleitung Klingenthal/ Vogtl. 1957.
  • SPD-Ortsverein Waldgebiet Vogtland (Hrsg.): Alwin Gerisch: Erzgebirgisch Volk. Neuauflage der Erstausgabe von 1918 anläßlich des 150. Geburtstages von Alwin Gerisch. Die Neuauflage ist ergänzt mit einem Vorwort vom SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, einer Gerisch-Kurzbiografie, einem Abriss der Geschichte der SPD in Sachsen und mit Hinweisen auf die vogtländische SPD während und nach dem politischen Umbruch in der DDR/Wiedervereinigung Deutschlands 1989/1990. Hammerbrücke 2008, ISBN 978-3-00-024279-3.
Commons: Alwin Gerisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Adressbuch des deutschen Buchhandels. Börsenverein der Deutschen Buchhändler, 1920, S. 75.
  2. Dieter Fricke: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914. Ein Handbuch über ihre Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf. Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 275–277.
  3. Schulthess' europäischer Geschichtskalender, 1895, S. 122.
  4. Nicht direkt abrufbar. In das Suchfeld den Titel des Artikels eingeben, dann erscheint die Seite in der Beilage des Vorwärts mit dem Artikel Gerischs.
  5. Alwin-Gerisch-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins
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