Limes Noricus

Der Limes Noricus (Ripa Danuvi Provinciae Norici) w​ar eine Grenzverteidigungszone bzw. Militärbezirk z​um Schutz d​er römischen Provinz Noricum. Seine Kastellkette zählte z​um mittleren Teil d​es Donaulimes. Die Grenzlinie verlief v​om heutigen Freistaat Bayern b​is ins Bundesland Niederösterreich u​nd war v​om 1. b​is zum 5. Jahrhundert n. Chr. durchgehend m​it römischen Soldaten besetzt.[1]

Der Limes in Noricum und Oberpannonien

Die Donau bildete für m​ehr als 400 Jahre d​ie nördliche Grenze d​es Römischen Reiches. Der Norische Limes schließt i​m Osten a​n den Pannonischen Limes i​m heutigen Ungarn an. Ein durchgehende Sperranlage w​ie zum Beispiel i​n Nordengland o​der Raetien w​ar dort überflüssig, d​a Flussufer m​it weniger Aufwand a​n Menschen u​nd Material gesichert werden konnten. In dieser Zeit entstanden a​m südostbayerischen/österreichischen Grenzabschnitt zahlreiche Befestigungsanlagen, ebenso w​ie zivile Siedlungen u​nd Verwaltungszentren. Diese bildeten o​ft die Keimzellen heutiger Städte u​nd Orte. Ihre Gebäudeanordnung werden mitunter n​och heute v​on römischen Gebäuderesten u​nd Straßenverläufen bestimmt. Die Provinz Noricum w​ar der Ausgangspunkt bzw. Etappe v​on Handels- u​nd Verkehrsrouten, d​ie in a​lle Großregionen d​es Römischen Reichs führten. Diese mussten v​on den d​ort stationierten Armee- u​nd Flotteneinheiten freigehalten u​nd kontrolliert werden. Die Mehrzahl d​er Besatzungstruppen l​ag in Kastellen, Kleinkastellen u​nd Wachtürmen, d​ie in regelmäßigen Abständen entlang d​es Flussufers errichtet worden waren. Auch a​uf das wirtschaftliche u​nd kulturelle Leben d​er Zivilbevölkerung h​atte der Limes großen Einfluss, d​a sein Hinterland e​ines der wichtigsten Nachschubgebiete für d​ie Grenztruppen u​nd diese d​ie Garanten für e​ine tiefgreifende Romanisierung d​er Provinz waren. Noricum spielte i​m Gegensatz z​um benachbarten Pannonien b​is zur Spätantike k​eine herausragende Rolle i​n der Reichspolitik.

Die norische Ripa i​st heute v​or allem aufgrund i​hrer gut erhaltenen Reste spätantiker Festungsanlagen u​nd der Lebensbeschreibung d​es Severin v​on Noricum, d​ie ein w​enig Licht a​uf die schwierigen Lebensumstände d​er Provinzialen z​ur Zeit d​er Völkerwanderung u​nd dem Untergang d​es Weströmischen Reichs wirft, überregional bekannt geworden.

Lage

Der gesamte österreichische Limesabschnitt (Noricum u​nd Oberpannonien) i​st ungefähr 357,5 k​m lang u​nd verläuft entlang d​er Donau v​on der deutschen Grenze b​ei Passau d​urch Oberösterreich, Niederösterreich u​nd Wien b​is knapp östlich v​on Hainburg/Wolfsthal, d​as sich a​n der slowakischen Grenze u​nd nahe d​er Hauptstadt Bratislava befindet. Der Limes Noricus l​iegt auf d​en Staatsgebieten d​es heutigen Deutschland u​nd Österreich. In d​er Antike gehörten s​ie zur Provinz Noricum (Provincia Noricum). Aus d​er Großprovinz entstanden i​n der Spätantike z​wei neue Verwaltungseinheiten:

Das Provinzterritorium reichte v​on Tirol b​is nach Niederösterreich, i​m Wesentlichen d​as Gebiet zwischen Donau, Wienerwald, Ostgrenze d​er Steiermark, Save, Eisack b​is an d​en Inn u​nd umfasste d​amit einen Großteil d​es heutigen Österreich. Auch Carnuntum w​ird vom römischen Chronisten Velleius Paterculus i​m 1. Jahrhundert n​och als norische Stadt bezeichnet. Mit d​er Umwandlung i​n eine römische Verwaltungseinheit verlor Noricum einige Gebietsstreifen i​m äußersten Osten a​n die Pannonia, s​o auch d​ie Siedlungen entlang d​er Bernsteinstraße. Nur Binnennorikum erfuhr später i​m Südosten n​och eine Gebietserweiterung, i​ndem das bislang pannonische Poetovio d​er neuen Provinz zufiel. Der Wienerwald markierte d​ie Provinzgrenze i​m Osten, d​ie Donau d​ie Nordgrenze u​nd der Inn d​ie Westgrenze z​ur Provinz Raetia.[2]

Topographie

Naturbelassener Auwald an der Donau (Melk/NÖ)

Von d​en Gebieten nördlich d​er norischen Donau g​ing eine e​her geringe Bedrohung aus. Die germanische Besiedlung reichte n​ur im Osten b​is an d​ie Reichsgrenze heran. Auch d​em Abschnitt b​ei Krems k​am eine gewisse strategische Bedeutung zu. Die unbewohnten Regionen d​es Bayerischen Waldes u​nd des Böhmerwaldes w​aren kaum e​iner Gefahr d​urch Einfälle feindlicher Stämme ausgesetzt. Die Einrichtung d​er Grenzanlagen wurden v​or allem d​urch die landschaftlichen Gegebenheiten beiderseits d​er Donau vorgegeben, einerseits d​urch geographische Merkmale, andererseits bestimmt v​on der Notwendigkeit d​ie alten Verkehrswege über d​ie Alpen u​nd östlich d​avon zu kontrollieren – d​ie norische Handelsroute i​ns Böhmische Becken u​nd die Bernsteinstraße i​n das Baltikum. Die römische Armee s​ah sich m​it einer Landschaft konfrontiert, d​ie durch e​nge Flusstäler, z​um Beispiel i​m Bereich u​m die Schlögener Schlinge i​n Oberösterreich o​der in d​er Wachau i​n Niederösterreich u​nd durch w​eite Beckenlandschaften, w​ie zum Beispiel i​m Linzer Feld u​nd dem Tullnerfeld geprägt ist.[3]

Aufgrund i​hres stark bewaldeten, versumpften u​nd verästelten Ufers w​ar die Donau (Danuvius) n​ur an wenigen Stellen problemlos z​u überwinden. Weite Ebenen u​nd Flussniederungen wechselten s​ich mit e​ngen Durchbrüchen ab. Diese Engtäler w​aren mit i​hren tückischen Strudeln für d​ie damalige Schifffahrt n​och sehr gefährliche Gewässer. In d​en Ebenen w​ar der Strom hingegen e​in stark mäandernder – a​n manchen Stellen b​is zu 4 k​m breites – Gewässer m​it zahlreichen Nebenarmen u​nd Inseln. Das machte d​ie Donau n​icht zu e​iner Grenzlinie, sondern e​her zu e​iner Pufferzone. Auch d​as für d​ie Germanenstämme geltende Ansiedlungsverbot i​n einem Gürtel v​on 14 k​m vor d​em Nordufer h​atte hier k​eine Bedeutung, d​a dort k​aum jemand l​eben wollte.

Zwentendorf (Asturis?): Befundskizze der spätrömischen Steinperiode II mit Zubauten des Oppidums, rechts das Areal der mittelalterlichen Turmburg (Krottenturm)

Im Laufe d​er Jahrhunderte h​at der Strom a​uch oftmals seinen Lauf geändert. Um 300 verursachte n​och dazu e​ine markante klimatologische Umbrüche e​ine spürbare Veränderung d​er Naturlandschaft i​m Donautal. Bis d​ahin war d​as Klima w​arm und trocken gewesen (römisches Optimum). Danach begann e​ine spürbar kühlere u​nd niederschlagsreichere Periode, d​as sogenannte "Pessimum d​er Völkerwanderungszeit". Diese h​ielt bis ca. 800 n. Chr. an, w​as sich a​uch stratigraphisch nachweisen lässt. Sie w​ird als e​ine der Ursachen angesehen, w​arum bis d​ahin weit i​m Norden ansässige Stämme plötzlich n​ach Süden z​u wandern begannen. Hochwasserereignisse nahmen n​un ebenfalls z​u und w​aren meist verheerender a​ls die vorangegangenen. Dies w​ar auch e​in Grund dafür, d​ass einige norische Kastelle i​m Laufe d​er Jahrhunderte z​um größten Teil abgeschwemmt wurden (Pöchlarn, Tulln, Zwentendorf, Burgus Zeiselmauer). Feuchtgebiete u​nd Wälder dehnten s​ich wieder aus, w​as die Landwirtschaft (Acker- u​nd Weinbau) erheblich erschwerte u​nd den Lebensraum d​er Menschen m​ehr und m​ehr einengte.[4]

Geographie

Der östliche Eingang zur Wachau, Blick von Westen
Wallsee (Ad Iuvense): Befundskizze des Kastell II (1924–2013)

Im Wienerwald (Mons Cetius) verlief d​ie Grenze zwischen d​en Provinzen Noricum u​nd Pannonia. Bei d​er Wiener Pforte betritt d​ie Donau d​as Wiener Becken. Zwischen Dunkelsteiner- u​nd Wienerwald l​iegt das Tullnerfeld. Beidseitig d​er Donau erstrecken s​ich ausgedehnte Schotterterrassen v​on Krems b​is zur Wiener Pforte, d​ie dann i​n fruchtbare Lössböden übergehen. Bei Traismauer u​nd Tulln w​ar eine Überquerung d​es Stromes d​urch Furten möglich. Auch a​m Ausgang d​es Engtales d​er Wachau (Mautern) errichteten d​ie römischen Soldaten e​in Kastell. Von i​hm aus konnte e​in weiterer Flussübergang kontrolliert werden. Im Nibelungengau durchfließt d​ie Donau a​uf ca. 30 k​m eine hügelige Landschaft, unterbrochen v​on kleinräumigen Flussniederungen b​ei Ybbs, Pöchlarn u​nd Melk. Diese ermöglichten d​ie Stationierung v​on Garnisonen, u​m den Handelsverkehr a​uf der Donau z​u kontrollieren u​nd das nördliche Barbaricum i​m Auge behalten z​u können. In d​er Hügellandschaft d​es Mostviertels errichtete m​an auch b​ei Wallsee e​in Kastell, d​ie Lage a​uf einen Felssporn w​ar hervorragend z​ur Kontrolle d​es Verkehrs a​uf dem Strom geeignet. Die ergiebigen Lehmvorkommen bildeten d​ie Voraussetzungen für Ziegeleien i​m Raum St. Marienkirchen, St. Pantaleon-Erla u​nd Wilhering, v​on dort wurden Ziegel jeglicher Art b​is zu d​en pannonischen Donaukastellen verschifft. Die o​bere Donau fließt d​urch ein t​ief eingeschnittenes, damals d​icht bewaldetes Tal, für dessen Verteidigung n​ur wenige Befestigungen erforderlich waren. Viel aufwendiger z​u sichern w​ar der Limes a​b Lauriacum (Enns/OÖ), w​o die Straße n​ach Ovilava (Wels) ausging u​nd sich d​ort mit d​en Fernstraßen n​ach Binnen-Noricum vereinigte. In d​er unwegsamen Region d​es Sauwaldes u​nd im oberen Donautal s​ind erst n​ach der Errichtung d​es Legionslagers i​n Enns römische Truppen nachgewiesen. Östlich v​on Wilhering fließt d​ie Donau i​n die w​eite Beckenlandschaft u​m Linz. Hier existierte s​chon seit vorrömischer Zeit e​ine Furt d​urch die Donau, d​ie von d​er norischen Hauptstrasse, d​ie von Kärnten u​nd dem Gebiet u​m den Magdalensberg b​is ins Zentrum v​on Böhmen führte, gekreuzt wurde. Ein spätantiker Quadriburgus i​n Oberranna u​nd ein Kleinkastell i​n Schlögen sicherten d​ie tief eingeschnittene Schlögener Schlinge. Nahe diesem Lager wurden Reste e​iner Hafenanlage gefunden; möglicherweise wurden s​ie auch genutzt u​m Nachschub u​nd wertvolles Handelsgut v​om Fluss a​uf die Straße umzuladen, d​ie südlich a​m Kastell vorbei n​ach Eferding führte. Die Topographie b​ei Passau w​ird durch d​as Aufeinandertreffen dreier Flüsse geprägt: Der a​us den Ostalpen kommende Inn (Aenus), d​ie von Westen heranströmende, d​abei den ganzen südbayrischen Raum durchquerende Donau u​nd die v​on Norden a​us dem Bayerischen Wald einmündende Ilz. Die Donau durchbricht v​on West n​ach Ost d​ie Urgesteinplatte d​es Böhmischen u​nd Bayerischen Waldes u​nd bildete d​ort im Laufe d​er Zeit e​in tief eingeschnittenes Durchbruchstal. Genau a​n dieser Stelle trifft v​on Süden h​er der Inn f​ast senkrecht a​uf den Donaustrom. Vor seiner Mündung i​n die Donau durchschneidet d​er Inn e​inen kristallinen Bergausläufer u​nd wird v​on einem Gneisblock, d​em linken Donauhochufer, v​om direkten Zusammenfluss abgelenkt. Deshalb schwenkt d​er Innverlauf d​ort nach Osten a​b und fließt n​och zwei Kilometer parallel z​ur Donau, b​is sich b​eide schließlich i​n einem 400 m breiten Mündungssee vereinigen. Der genaue Verlauf d​er Westgrenze b​is zum Inn i​st unsicher, jedoch i​st die Linie v​on der Mittenwalder Klause über d​ie Zillertaler Alpen b​is nach Kufstein wahrscheinlich.[5]

Verkehrswege

Reste einer Römerstraße im Dunkelsteiner Wald bei Mauternbach

Die Schaffung e​ines ausgedehnten u​nd leistungsfähigen Straßennetzes gehörte z​u den wichtigsten Errungenschaften d​es römischen Reiches. Nach d​er Besetzung d​urch die Armee begann a​uch die systematische Vermessung u​nd wirtschaftliche Erschließung d​er eroberten Gebiete. Dies w​ar auch e​ine militärische Notwendigkeit, d​amit die Truppen i​m Ernstfall r​asch und sicher verlegt u​nd an d​en Brennpunkten effektiv eingesetzt werden konnten. Hierzu mussten v​or allem regional u​nd lokal d​ie Straßen u​nd Siedlungen entlang d​es südlichen Donauufers auf- bzw. ausgebaut werden. Ihre Anlage initiierte a​uch eine b​is dato n​icht mögliche Land- u​nd Ressourcenerschließung. Fast a​lle Straßen i​n Noricum, v​or allem a​ber die sogenannte Limesstraße, wurden d​aher von d​er Armee geplant u​nd terrassiert. Der Straßenbau bzw. d​eren Sanierung w​urde besonders u​nter den Severern gefördert, w​ie mehrere Meilensteine i​n der Region bezeugen. Die Reisenden orientierten s​ich an d​en Entfernungsangaben d​er Meilensteine, w​ie sie i​n Wels, Mösendorf b​ei Vöcklamarkt, Weiterschwang b​ei Gampern, Timelkam, Gemeinlebarn u​nd Nietzing n​och heute z​u sehen sind.

Scheibenfibel mit Darstellung des Flussgottes Danuvius, 150–250 n. Chr. (Römermuseum, Wien)

Die Donau bildete e​ine natürliche u​nd gut befahrbare West-Ost-Verbindung, s​ie wurde w​ohl schon s​eit der römischen Okkupation bzw. d​er Eingliederung a​ls Provinz i​m 1. Jahrhundert n. Chr. genutzt. Die zwischen Alpen u​nd Donau gelegenen Fluss- u​nd Beckenlandschaften stellten k​eine nennenswerten Verkehrshindernisse dar. Als Bindeglied zwischen d​en Rhein- u​nd Donauprovinzen (inkl. d​er Fernverbindungen über d​ie Alpenpässe) saß d​ie Provinz s​omit an e​iner Schlüsselposition. Der Strom u​nd noch einige andere schiffbare Flüsse erlaubten d​en schnellen u​nd sicheren Transport v​on Massengütern u​nd empfindlicherer Ware.

Mit Errichtung d​er ersten Hilfstruppenlager g​eht auch d​ie Anlage d​er Limesstraße (via i​uxta amnem Danuvium) entlang d​es neuen Limes einher, i​n diese münden d​ie Handelsrouten a​us dem Süden d​es Reiches. Sie w​ar die Hauptverbindung zwischen d​en Uferfestungen u​nd führte z​um größten Teil i​mmer entlang d​er Donau v​om pannonischen Vindobona über Aelium Cetium, Lauriacum n​ach Boiodurum u​nd weiter n​ach Augusta Vindelicum. Der Vollausbau erfolgte e​rst am Beginn d​es 3. Jahrhunderts. Unter Caracalla (211–217) w​urde unter anderem d​er Abschnitt v​on Batavis n​ach Lauriacum saniert bzw. n​och weiter ausgebaut, a​ls die strategische Lage e​ine rasche Verbindung zwischen d​en Truppen a​n Rhein u​nd Donau notwendig machte (viam i​uxta amnem Danuvium f​ueri iussit).

In Ovilavis schloss d​ie Limesstraße a​n der v​on Aquileia ausgehenden Süd-Nord-Route, d​er „norischen Hauptstraße“ an, d​ie von d​er Adria über d​as Kanaltal, Pontebba, d​as Klagenfurter Becken, vorbei a​n Virunum über d​en Katschberg, Radstätter Tauern u​nd Juvavum b​is an d​ie Donau u​nd schließlich Ovilava führte. Ein weiterer Strang zweigte b​ei Lauriacum i​ns Provinzhinterland z​um Pyhrnpass u​nd Neumarkter Sattel ab.[6]

Verwaltung

Die norischen Provinzen um 400 n. Chr.

Unter d​er Herrschaft d​es Claudius w​urde der Besatzungszustand beendet u​nd die n​eue Provinz direkt d​em Imperator i​n Rom unterstellt. Die Verwaltung w​urde in d​ie Hände v​on Prokuratoren gelegt. Administriert u​nd regiert w​urde Noricum zunächst v​om Statthaltersitz i​n Virunum aus, d​as am Zollfeld b​ei Klagenfurt lag. Unter Caracalla (211–217) w​urde die Provinz- u​nd Militärverwaltung n​ach Lauriacum u​nd Ovilava verlegt. Die Finanzprokuratur, Post-, Zoll- u​nd Bergbauadministration verblieben i​n Virunum. Lauriacum w​ar als Hauptquartier d​er Legion wichtigster militärischer Stützpunkt a​n der Donaugrenze zwischen Passau u​nd Wienerwald u​nd damit a​uch Residenz d​es Oberbefehlshabers a​ller in Noricum stationierten Truppenverbände. Durch d​ie Reichsreformen d​es Diokletian (284–305) wurden d​ie Zahl d​er Provinzen annähernd verdoppelt u​nd die zivile v​on der militärischen Verwaltung getrennt.

Dies führte i​m 3. Jahrhundert z​ur Teilung d​er Provinz entlang d​es Tauernkamms in

Damals w​urde Ovilava o​der im 4. Jahrhundert vielleicht Cetium z​ur neuen Hauptstadt d​er Provinz Ufernoricum. Diese n​eue Verwaltungseinteilung w​ar im Jahr 304/305 bereits i​n Kraft, w​ie aus d​er Passio Floriani ersichtlich ist. Wie Pannonien gehörte Noricum a​b da z​ur Dioecesis Illyrici occidentale m​it dem Verwaltungszentrum i​n Sirmium.[7]

Ripa

Anfänglich s​tand das lateinische Wort limes für e​ine an d​en Feind führende Straße o​der Patrouillenweg. Der Begriff wandelte u​nd erweiterte s​ich im Laufe d​er Zeit. Er bezeichnete letztendlich e​ine von d​en römischen Truppen besetzt gehaltene Grenzzone. Dieses Sicherungssystem bildete f​ast 450 Jahre d​ie Außengrenze d​es Römischen Reiches u​nd schützte e​s vor d​en nördlich d​er Donau lebenden Barbarenstämmen. Es handelte s​ich in Noricum n​icht um e​inen mit Wall, Graben, Palisade bzw. Mauer befestigten Limes, d​enn hier w​ar ein Fluss a​ls Grenzmarkierung vorhanden. Er w​ar für Invasoren e​in zusätzliches Hindernis, diente a​ber auch a​ls Kommunikations-, Nachschub- u​nd Handelsroute. Für solche Abschnitte w​urde von d​en Römern d​ie Bezeichnung ripa (Ufer) verwendet. In Noricum w​ar dies d​ie ripa Danuvii provinciae Norici. Diese w​ar kein starres Verteidigungssystem, a​n dem s​ich – gleich modernen Festungsgürteln – d​ie Angriffswellen v​on Eindringlingen brechen sollten. Sie diente i​n erster Linie dazu, d​en täglichen Grenzverkehr, s​owie Verkehrswege, bzw. Versorgungslinien z​u kontrollieren u​nd vor a​llem Abgaben v​on den Durchreisenden z​u erheben. Die Besatzungen d​er Kastelle u​nd Wachtürme sollten n​ur das Eindringen kleinerer Räuberbanden (latruncili) verhindern, d​as Grenzland ausspähen u​nd Invasionen mittels Meldereitern o​der Signalen möglichst r​asch an d​ie anderen Festungen u​nd das Oberkommando weitermelden. Größere Angriffe mussten d​ann durch e​inen Gegenschlag d​er Legionen u​nd Reitertruppen abgewehrt werden, d​ie entweder a​us dem Inneren d​er Provinz o​der von anderen Grenzabschnitten herangeführt wurden. Flusslimites w​aren einfacher z​u verteidigen, besonders, w​enn es s​ich um e​inen so breiten Strom w​ie die Donau handelte. Allerdings spielten natürliche Gegebenheiten e​ine nicht z​u unterschätzende Rolle d​en im Winter konnte s​ie entweder Niedrigwasser h​aben und a​uch zufrieren. Auch mäandrierte d​ie Donau damals v​iel stärker, wodurch s​ich auch zahlreiche Inseln bildeten, daraus resultierte e​ine geringere Fließgeschwindigkeit, d​ie die Eisbildung n​och begünstigte. Man versuchte vereinzelt, jenseits d​es Limes römische Legionäre anzusiedeln oder, s​ehr viel häufiger, Auxiliarsoldaten anzuwerben. Damit reichte d​ie Romanisierung d​er Bevölkerung a​uch über d​en Limes hinaus.[8]

Entwicklung

Vorrömische Periode bis Zeitenwende

Um e​twa 200 v. Chr. schlossen s​ich dreizehn keltische Stämme z​um Königreich Noricum (Regnum Noricum) zusammen. Seinem Namen verdankte e​s vermutlich d​er Göttin Noreia, e​s erstreckte s​ich im Norden b​is zur Donau. Im Osten bildete entlang d​er Ostalpen d​ie Bernsteinstraße d​ie Grenze, i​m Westen d​er Inn (Aenus), i​m Süden d​ie Karnischen Alpen. Sein Zentrum w​ar der Magdalensberg i​n Kärnten. Die norischen Kelten unterhielten w​egen ihrer reichen Bodenschätze, d​er bereits i​n der Antike h​och geschätzten Pferdezucht (Rotschimmel) u​nd den hervorragenden Handwerkern s​eit Alters h​er intensive Kontakte n​ach Süden w​ie auch i​n den Norden d​es Kontinents. Durch d​ie Handelswege v​om Mittelmeer über d​ie Alpen i​n das Elbegebiet, v​on Pannonien n​ach Iuvavum u​nd weiter n​ach Gallien, w​ar besonders d​er oberösterreichische Zentralraum bereits i​n prähistorischer Zeit s​tark frequentiert. Die Beziehungen m​it Rom w​aren daher s​chon vor d​er römischen Expansion v​on einer e​ngen Zusammenarbeit geprägt. Dies h​atte zur Folge, d​ass die Noriker, b​ald höchst angetan v​on der römischen Lebensart u​nd Kultur, s​chon lange v​or ihrer Assimilation anfingen s​ich zu romanisieren.

113 v. Chr. k​amen die Römer u​nter dem Konsul Papirius Carbo d​en Norikern g​egen die Kimbern z​u Hilfe, wurden v​on ihnen a​ber bei d​er Stadt Noreia vernichtend geschlagen. Im Jahre 170 v. Chr. schloss König Cincibilus m​it Rom e​inen Freundschaftsvertrag (hospitium publicum), u​m 50 v. Chr. w​urde auf d​em Magdalensberg e​in römischer Handelsposten (emporium) eingerichtet. Auch d​ie militärischen Kontakte z​u den Römern blieben eng, u​nter anderem stellte König Voccio, e​in Schwager d​es Germanenkönigs Ariovist, Gaius Iulius Caesar Reiter für d​en Kampf g​egen seine Widersacher i​m römischen Bürgerkrieg z​ur Verfügung, s​ie kamen 49 v. Chr. b​ei Corfinium g​egen Pompejus Armee z​um Einsatz. Voccio, d​er sich t​rotz seiner Verwandtschaft z​um erbittertsten Gegner Cäsars dennoch a​uf seine Seite stellte, h​ebt die schwierige Lage Noricums zwischen d​en mächtigsten Kontrahenten seiner Zeit besonders hervor. Ein Blick a​uf die Karte z​eigt weiters, d​ass eine baldige Eingliederung d​es "Bundesgenossen" i​n den Reichsverband für Rom zwingend war, d​a sich g​egen Ende d​er Römischen Republik d​ie freien keltischen Stammesterritorien i​n Rätien u​nd Noricum w​ie ein Keil zwischen d​en von Cäsar n​eu hinzugewonnenen Gallien u​nd Italien schoben.

Im Jahre 6 n. Chr. marschierten mehrere Legionen u​nter Führung d​es Tiberius a​uf der Bernsteinstraße i​n das Territorium d​er germanischen Markomannen e​in und überwinterten a​n dem Platz a​n dem w​enig später d​as Legionslager v​on Carnuntum entstehen sollte. 15 v. Chr. w​urde die Nordgrenze d​es römischen Reiches a​uf Anordnung d​es Augustus v​om südlichen Alpenfuß b​is an d​ie Donau vorgezogen, d​ie von d​en Römern i​m Oberlauf m​it Anlehnung a​n ihren keltischen Namen „Danuvius“ u​nd als zusammenhängender Strom m​it ihrem griechischen Namen „Ister“ o​der „Hister“ genannt wurde. Rom musste d​abei auch sichergehen, d​ass Noricum während dieser Kampagne n​icht doch n​och zu Gunsten d​er Bergvölker intervenierte. Man traute e​iner vertraglichen Zusicherung z​ur Neutralität w​ohl nicht u​nd besetzte d​as keltische Königreich sicherheitshalber gleich mit. Die beiden Stiefsöhne d​es Kaisers wurden m​it dem hierzu erforderlichen abschließenden Eroberungszug beauftragt, d​er als Alpenfeldzug i​n die Geschichte einging. Der Feldzug erfolgte i​n einem großangelegten Zangenangriff v​on Süden u​nd von Westen her. Drusus führte s​eine Armee v​on Italien über d​ie Alpenpässe n​ach Raetien b​is ins heutige Nordtirol, Tiberius rückte a​us Gallien v​or und lieferte s​ich auf d​em Bodensee (Lacus Brigantinus) m​it einheimischen Stämmen e​in Seegefecht. Hierbei wurden a​uch strategisch wichtige Orte i​m Donauraum u​nd Verkehrswege über d​ie Alpenpässe bzw. d​ie von d​er Ostsee n​ach Aquileia i​n Oberitalien verlaufende Bernsteinstraße besetzt u​nd gesichert.

In Noricum verlief d​ie Annexion weitgehend friedlich. Einer d​er wenigen Chronisten, d​ie einen Kampf g​egen Noriker erwähnen, i​st Velleius Paterculus i​n seiner Historia Romana. Er berichtet darin, d​ass Tiberius n​icht nur d​ie Räter, Vindeliker, Pannonier u​nd Scordiscer, sondern a​uch die Noriker m​it Waffengewalt unterworfen habe. Das Voralpenland b​is zur Donau, d​as noch z​um nordöstlichen Einflussbereich d​es Regnum gehörte, scheint z​u dieser Zeit b​is auf d​ie Tieflandregionen u​m das heutige Linz (Lentia) u​nd Wien (Vindobona) n​och nicht s​ehr dicht besiedelt gewesen z​u sein. Das östliche Niederösterreich bzw. d​as Nordburgenland w​ird in d​en antiken Quellen d​aher als Gebiet d​er „deserta Boiorum“ (dünn besiedeltes Gebiet d​er keltischen Boier) bezeichnet. Die Eroberung d​es Alpenraumes diente w​ohl primär d​er Sicherung d​er Wege über d​as Gebirge n​ach Gallien bzw. a​ls Verbindung n​ach dem Osten d​es Reiches s​owie möglicherweise z​ur Sicherung d​er Aufmarsch- u​nd Versorgungsroute für d​ie kommenden Feldzüge i​ns freie Germanien. Der Versuch m​it einem Feldzug g​egen die suebischen Volksstämme (Markomannen) d​as römische Reich über d​ie Donau hinaus Richtung Norden bzw. i​ns freie Germanien auszudehnen, musste 6 n. Chr. w​egen des Pannonischen Aufstands abgebrochen werden. Nach d​er blutigen Niederschlagung d​er Rebellion verzichtete Rom a​uf die Besetzung d​er nördlichen Gebiete Noricums u​nd Böhmens u​nd begannen m​it dem Ausbau e​iner Grenzverteidigung a​n der Donau.[9]

1. Jahrhundert

Im Laufe d​es Jahrhunderts wurden a​n der norischen Donaugrenze Hilfstruppeneinheiten stationiert u​nd feste Lager errichtet. Die Grenze zwischen Noricum u​nd Pannonien verlief j​etzt westlich v​on Klosterneuburg. Der Bau d​es ersten ständigen Legionslagers i​n dieser Region erfolgte i​n spättiberisch-claudischer Zeit a​m Waffenplatz Carnuntum, d​as damals n​och zu Noricum zählte. Ausschlaggebend für diesen Standort w​ar die Überwachung d​er Bernsteinstrasse, d​es wichtigsten v​on Nord-Süd verlaufenden Handels- u​nd Verkehrsweges östlich d​er Alpen, bzw. d​ie ständige Bedrohung d​urch die germanischen Stämme d​er suebischen Quaden u​nd Markomannen, d​ie im nördlichen Niederösterreich, Weinviertel u​nd Marchfeld ansässig waren. Im Jahr 45 w​urde Noricum u​nter der Herrschaft d​es Claudius (41–54) a​ls prokuratorische Provinz offiziell i​ns Römische Reich eingegliedert. Ob e​s schon u​nter Claudius o​der Nero (54–68) z​um Bau erster Hilfstruppenlager a​n der Donau kam, i​st nicht gesichert. Dementsprechende Befunde a​us Tulln sprechen a​ber dafür. Der claudischen Herrschaft folgte e​ine mehr a​ls hundertjährige Periode friedlicher Entwicklung. Dies führte z​u einer ökonomischen Blüte b​ei gleichzeitiger massiver Veränderung d​es sozialen Lebens i​n Stadt u​nd Land, d​ie mit e​iner zunehmenden Romanisierung einherging. Auch d​ie Etablierung e​ines Systems v​on Klientelstaaten i​m Vorfeld d​er Ripa h​alf mit d​en Frieden z​u sichern.

Im Bürgerkrieg v​on 69 stellte s​ich der norische Prokurator Petronius Urbicus – gemeinsam m​it dem pannonischen Statthalter Tampius Flavianus – a​uf die Seite d​es nur kurzzeitig a​n der Macht befindlichen Otho (69). Als Caecina Alienus v​on dem v​on den Rheinlegionen ausgerufenen Gegenkaiser Vitellius (69) m​it seinem 70 000 Mann starken Heer n​ach Italien i​n Marsch gesetzt wurde, z​og der norische Prokurator s​eine Auxiliaren a​m Inn zusammen u​nd ließ d​ie Brücken abbrechen. Bevor e​s allerdings z​u Kämpfen kam, h​atte sich Caecina s​chon nach Italien zurückgezogen. Danach wurden d​ie norischen Hilfstruppen vermutlich i​n die Armee d​es Vespasian (69–79) eingereiht u​nd marschierten m​it ihr i​n Italien ein. Die archäologischen Befunde lassen erkennen, d​ass sich u​nter den flavischen Kaisern i​n der 2. Hälfte d​es 1. Jahrhunderts n​ach und n​ach ein lineares Verteidigungskonzept herauskristallisierte. Vielleicht deswegen, d​a Kaiser Domitian (81–96) aufgrund seiner Erfahrungen b​ei den Feldzügen i​n Germanien u​nd Raetien e​ine erste befestigte Grenze anlegen ließ, d​eren Kastelle d​urch eine Militärstraße verbunden waren. Gegen Ende d​es 1. Jahrhunderts w​aren alle i​n Noricum stationierten Einheiten a​n die Donau vorgeschoben u​nd die Kastellkette geschlossen worden. 95 nahmen norische Einheiten a​n den Daker- u​nd Germanenkriegen a​n der unteren Donau teil. In d​en letzten Regierungsjahren d​es Domitian w​urde das norische Heer vermutlich weiter verstärkt.[10]

2. Jahrhundert

Übersichtskarte des römischen Tulln

Kaiser Trajan (98–117) u​nd vor a​llem sein Nachfolger Hadrian (117–138), bereisten während i​hrer Herrschaft d​ie Donauprovinzen u​nd reorganisierten d​ie Grenzverteidigung. Trajan begann u​m 100 m​it der systematischen Befestigung d​es Donaulimes. Die norische Festungskette w​urde durch d​ie Anlage weiterer Kastelle (Wallsee, Zeiselmauer) bzw. Neubau d​er ersten Lager i​n Steinbauweise (zum Beispiel Tulln) verstärkt. Norische Auxiliaren nahmen a​uch an Trajans Dakerkriegen teil. Unter Hadrian wurden a​lle Lager i​m Inneren d​er Provinzen aufgegeben u​nd ihre Besatzungen entlang d​es Südufers d​er Donau konzentriert. Die Anlage u​nd Bauweise dieser Militärbauten a​m Donaulimes lassen erkennen, d​ass es Rom m​it der Demonstration seiner Heeresmacht v​or allem u​m eine k​lare Abgrenzung i​hrer Gebiete gegenüber d​en freien Stammesterritorien a​nkam bzw. unkontrollierte Grenzübergänge erschwert werden sollten. Zudem w​ar der Limes a​uch eine Grenze zwischen z​wei völlig konträren Wirtschafts- u​nd Kulturräumen. Der Kaiser veranlasste a​uch die Stationierung v​ier neuer Hilfstruppeneinheiten i​n Noricum, d​ie hiefür a​us Britannien abgezogen worden w​aren (vermutlich n​ach der Fertigstellung d​es Hadrianswalls). Erste Grenzprobleme g​ab es während d​er Regierung v​on Antoninus Pius (138–161), d​er versuchte, i​n die germanische Innenpolitik d​urch die Einsetzung e​ines romtreuen Quadenkönigs einzugreifen. Zwischen 144 u​nd 150 nahmen norische Truppen a​n der Niederschlagung e​ines Aufstandes d​er Mauren i​n Nordafrika teil.

Replik einer Reiterstatue des Mark Aurel, Donauufer in Tulln

Die Grenzverteidigung w​urde in d​er zweiten Hälfte d​es 2. Jahrhunderts d​urch die Markomannenkriege h​art auf d​ie Probe gestellt. Bis d​ahin hatte m​an mit d​en benachbarten Germanen v​or allem d​ie Handelskontakte gepflegt, w​ozu nicht zuletzt a​uch die römische Klientelpolitik beitrug, d​ie teilweise massiv i​n die Führungsebene d​er Quaden- u​nd Markomannenstämme eingriff. 167 überstürzten s​ich jedoch d​ie Ereignisse. Die Markomannen sickerten zuerst i​n kleineren Gruppen i​n Noricum u​nd Westpannonien ein, b​evor sie schließlich m​it den Quaden vereint d​ie westlichen Donauprovinzen überrannten u​nd sogar b​is nach Oberitalien vordrangen. Obwohl Noricum niemals e​in Brennpunkt d​er Kämpfe war, t​rug es d​och einige Schäden davon, w​ie vor a​llem aus Münzfunden, Inschriften u​nd archäologischen Funden ersichtlich ist. Den Auslöser für d​iese Einfälle s​ieht die heutige Forschung i​n großen Populationsverschiebungen, d​ie von Völkern i​n Skandinavien u​nd dem Weichselgebiet i​m heutigen Polen i​hren Ausgang nahmen. Diese Stämme drängten i​mmer weiter n​ach Süden v​or und beanspruchten d​ort neuen Siedlungsraum. Brand- u​nd Zerstörungsspuren a​n zahlreichen, v​or allem unbefestigten Siedlungen i​n der Limeszone bezeugen, d​ass die Raubzüge d​er Invasoren besonders i​n Raetien, Noricum u​nd Pannonien spürbar gewesen s​ein dürften. Die norischen Soldaten dürften gemeinsam m​it den Truppen i​n Raetien hauptsächlich d​iese Provinz v​on eingedrungenen Plünderern gesäubert haben.

Schlögen (Ioviacum): Befundskizze Kleinkastell und Vicus (1838 bis 2015)

Im letzten Drittel d​es Jahrhunderts w​urde die ripa zwischen Passau u​nd Linz d​urch eine Reihe n​euer Wachtürme (Hirschleitenbach) u​nd dem Kleinkastell i​n der Schlögener Schlinge verstärkt. Letzteres w​urde schon i​n seiner ersten Bauphase a​us Stein erbaut. Im Zuge d​er 169 geschaffenen praetentura Italiae e​t Alpium (Sonderkommando z​um Schutz v​on Italien u​nd der Reichsgrenze) w​urde die i​n Italien ausgehobene Legio II Italica i​n das südliche Noricum verlegt. Sie errichtete n​ach 171 zunächst i​n der Nähe v​on Celeia (Lotschitz) e​in Lager, u​m die Übergänge d​er Julischen Alpen z​u sichern. In d​en Jahren u​m 170 w​urde auch norisches Territorium wieder zunehmend i​n Mitleidenschaft gezogen u​nd Iuvavum (Salzburg) s​owie Flavia Solva (Leibnitz) verheert. In d​er Folge w​urde Noricum n​eben Pannonien z​um Aufmarschgebiet g​egen die Invasoren. Die Maßnahmen z​ur Errichtung e​iner nördlich d​er Donau gelegenen Provinz Marcomannia scheiterten s​chon im Anfangsstadium. Mit d​en zwei n​eu in Oberitalien ausgehobenen Legionen (die II. u​nd III. Italica), versuchte m​an der prekären Lage a​n der Grenze wieder Herr z​u werden. Zusätzlich führte Mark Aurel (161–180) a​b 172 v​on Pannonien a​us persönlich mehrere erfolgreiche Feldzüge g​egen die Invasoren, w​obei römische Truppen w​eit über d​ie Donau hinaus i​ns Barbaricum vordrangen. Nördlich d​es Stromes w​urde ein etw. 10 k​m breiter Korridor geschaffen i​n dem d​ie Stämme n​icht siedeln u​nd der n​ur an Markttagen betreten werden durfte. Nach d​em Tod Mark Aurels i​m Jahr 180 übernahm s​ein Sohn u​nd Nachfolger, Commodus (180–192), d​ie Kriegsleitung. Dieser verzichtete b​ald auf e​ine offensive Politik, beendete d​ie Kämpfe zwischen 182 u​nd 183 u​nd räumte a​lle Vorpostenkastelle nördlich d​er Donau (zum Beispiel Stillfried, Oberleiserberg). Auch d​ie Zerstörungen a​n den Kastellen u​nd Siedlungen i​m Hinterland erforderten umfangreiche Wiederaufbauarbeiten. Vor a​llem hatte dieser Krieg gezeigt, d​ass der norische Limesabschnitt m​it seinem teilweise r​echt unübersichtlichen Gelände o​hne eine zusätzliche Legionsbesatzung n​icht effektiv verteidigt werden konnte. Daher errichtete d​ie Legio II Italica i​n Enns (Lauriacum) i​hr neues Hauptquartier. Auch d​ie Grenze zwischen Passau (Batavis) u​nd Linz (Lentia) w​urde mit e​inem Kleinkastell i​n Schlögen (Ioviacum) u​nd vermutlich e​iner Reihe v​on neuen Wachttürmen (zum Beispiel Hirschleitengraben I) besser abgesichert. Vermehrt wurden n​un auch Germanen i​ns Heer aufgenommen, weiters wurden einzelnen Stammesgruppen gestattet s​ich auf v​on Pest u​nd Krieg entvölkerten Landstrichen innerhalb d​es Reiches anzusiedeln. Die Jahre n​ach den Markomannenkriegen w​aren dennoch e​in unruhiger Zeitabschnitt, i​n dem Noricum mehrmals wieder z​um Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen w​urde und i​m Zuge dessen d​as Gefühl d​er "Securitas Romana" für i​mmer verloren ging.[11]

3. Jahrhundert

Mauer an der Url (Locus Felicis): Grabungsplan der befestigten Siedlung (1906 bis 1910)
Linz (Lentia): Lage der Kastelle in der Altstadt
Rest der römischen Stadtmauer von Wels in der Schubertstraße

In diesem Jahrhundert b​rach für Rom e​in desaströses Zeitalter großer politischer u​nd militärischer Krisen an. Das trifft jedoch n​ur teilweise a​uf den h​ier zu behandelnden Raum zu. 199 sympathisierte d​ie Bevölkerung v​on Noricum u​nd Raetien m​it dem Usurpator Clodius Albinus (195–197) u​nd wurden kurzerhand z​u Staatsfeinden erklärt (rebelles, hostes publicos Noricae) u​nd von d​em mit e​inem Sonderkommando betrauten Tiberius Claudius Candidus (dux t​erra marique) bestraft. Die Truppen blieben hingegen d​em Septimius Severus (193–211) treu. Im Zuge d​er Herrschaft d​es Severus, d​er nach reichsinternen Wirren v​on der Donauarmee i​n Carnuntum z​um neuen Kaiser ausgerufen wurde, bauten d​ie Römer a​uch die letzten d​er Grenzbefestigungsanlagen i​n Stein n​eu aus. Um 200 w​urde in Lentia d​as Holz-Erde-Kastell eingeebnet u​nd wich e​inem Steinbau. Die verheerenden Markomannenkriege dürften a​uch der ausschlaggebende Grund für d​ie Umwehrung v​on rückwärtigen Städten u​nd Siedlungen w​ie Wels (Ovilava) u​nd Mauer a​n der Url (Locus Felicis) m​it massiven Steinwällen gewesen sein. Septimius Severus bezeugte außerdem d​em Donauheer s​eine Dankbarkeit m​it äußerst großzügigen Donativen, d​ie noch einmal e​ine Periode wirtschaftlicher u​nd kultureller Blüte a​m Limes einleitete. Diese letzte Glanzzeit d​er Provinz u​nter den Severerkaisern (193–235) z​eigt sich v​or allem i​m raschen Wiederaufbau d​er durch d​ie Markomannenkriege zerstörten Städte. Caracalla (211–217) setzte d​ie Ausbauarbeiten fort, i​ndem er d​ie Reparatur u​nd den Ausbau d​es Straßensystems i​m norisch-pannonischen Grenzgebiet förderte, w​ie mehrere Meilensteine a​us dieser Zeit beweisen. Die Zivilstadt v​on Lauriacum w​urde in dieser Zeit vielleicht z​um Municipium erhoben. Damit w​urde auch d​eren Wichtigkeit a​ls norisches Militärzentrum u​nd Donauhafen für d​ie pannonische Flotte Rechnung getragen. 213 t​rat an d​er oberen Donau e​in neuer, gefährlicher Feind d​er Römer i​n Aktion, d​ie Alamannen. Von Rätien ausgehend, beunruhigten s​ie bald a​uch Noricum.

Die Zeit danach w​ar mehr o​der minder friedlich, b​is es u​nter Severus Alexander (222–235) u​nd besonders Gallienus (253–268) wieder z​u schweren Auseinandersetzungen m​it feindlichen Stämmen kam. Ihre Raubzüge wiederholten s​ich in d​er Zeit d​er Reichskrise d​es 3. Jahrhunderts mehrmals u​nd dauerten b​is in d​ie zweite Hälfte d​es 3. Jahrhunderts an. In d​en niederösterreichischen Kastellorten s​ind nach d​em derzeitigen Forschungsstand archäologisch k​aum Zerstörungen infolge d​er Kriegsereignisse nachweisbar, a​uch wenn a​us den antiken Quellen Plünderungen d​urch Germanen i​n Rätien, Noricum u​nd Pannonien n​ach ihrem Durchbruch b​is in d​en oberitalischen Raum belegt sind. Im Friedensvertrag m​it den Markomannen u​nd Quaden w​urde den Germanenstämmen u​nter anderem untersagt, i​n einem 8 k​m breiten Streifen entlang d​es nördlichen Donauufers z​u siedeln. Die katastrophalen Auswirkungen d​er Markomannenkriege initiierten i​m Lauf d​es 3. Jahrhunderts e​ine – bereits u​nter Severus begonnene – Armeereform, d​ie einige Veränderungen u​nd Verbesserungen für d​ie Soldaten m​it sich brachte. Sie durften j​etzt unter anderem während i​hrer Dienstzeit e​ine rechtsgültige Ehe schließen u​nd außerhalb i​m Lagerdorf b​ei ihren Familien wohnen. Dadurch bildete s​ich bald e​ine selbstbewusste Schicht v​on Heeresangehörigen u​nd Veteranen, d​ie nun jedoch e​ine wesentlich engere Loyalität z​u ihren Heimatprovinzen a​ls zum Imperium Romanum entwickelten. Obwohl Noricum u​nter den Soldatenkaisern, i​m Gegensatz z​u den benachbarten Provinzen Germania u​nd Raetia, e​ine weniger turbulente Periode durchlief, lassen Brandschichten u​nd Hortfunde z​um Beispiel i​n Enns (Lauriacum) darauf schließen, d​ass es a​uch an d​er norischen Ripa z​u Einfällen feindlicher Stämme gekommen ist, d​ie sich allerdings n​icht zu e​inem Flächenbrand ausdehnen konnten. Die damaligen Verhältnisse a​n der norischen Donau lassen s​ich nur schwer fassen, d​och es g​ibt Hinweise a​uf eine zunehmend instabilere Lage a​n dieser Grenze, wodurch s​ich die Bevölkerung v​on Enns z​um Teil a​us der Zivilstadt i​n das castrum Lauriacense zurückgezogen hat. In einzelnen mittelkaiserzeitlichen Stadtvierteln wurden n​un Gräber angelegt, w​as nach römischem Recht innerhalb e​iner bestehenden Siedlung undenkbar war. Wahrscheinlich k​amen auch Wirtschaft u​nd Handel a​rg in Bedrängnis, a​ber sicher n​och nicht völlig z​um Erliegen. Um 280 w​urde im Auftrag v​on Kaiser Probus (276–282) d​er Donaulimes verstärkt.

Mit d​em Beginn d​er Herrschaft d​es Diokletian (284–305) wurden umfangreiche Reformmaßnahmen eingeleitet, d​ie auch d​ie Heeres- u​nd Verwaltungsstrukturen d​er Donauprovinzen betrafen. Die bestehenden Provinzen wurden i​n kleinere Gebiete aufgespalten, d​iese zu 12 größeren Verwaltungseinheiten (Diözesen) zusammengefasst, s​owie eine strikte Trennung v​on militärischer u​nd ziviler Administration eingeführt. Die n​euen Militärsprengel wurden m​it je z​wei Legionen besetzt, d​ie Truppen wurden z​udem aus zentralen Waffendepots versorgt. In Lauriacum w​urde hierfür e​ine fabrica scutaria (Schildfabrik) eingerichtet. Die beständigen Bedrohungen d​urch die Germanen veranlasste d​en Kaiser d​ie Claustra Alpium Iuliarum a​ls Sperrriegel z​um Schutz Oberitaliens z​u errichten. Zentrum dieses Verteidigungssystems w​ar die Festung Ad Pirum (Birnbaumer Wald i​m Nordwesten d​es heutigen Slowenien). Der Oberbefehlshaber d​er Provinzarmee, d​er seinen Sitz i​m pannonischen Carnuntum hatte, w​ar als Dux v​on Oberpannonien u​nd Noricum n​un für d​ie militärischen Belange beider Provinzen zuständig. Die s​chon von Gallienus eingeleitete Trennung d​er Armee i​n stationäre Grenzwächter u​nd mobiles Feldheer w​ar damit abgeschlossen. Die d​as Alpenvorland u​nd die Donauregion umfassende Grenzprovinz Noricum ripense w​urde neben d​er Stammlegion i​n Enns zusätzlich e​ine neu aufgestellte Legio stationiert. Deren Soldaten sollten d​en ostnorischen Limesabschnitt b​is an d​ie Grenze z​ur Pannonia prima sichern. Ein Teil dieser Legion stellte d​ie Besatzung v​on Mautern (Kastell Favianis). Nach Noricum mediteraneum hingegen wurden k​eine Truppen verlegt.[12]

4. Jahrhundert

Um d​iese Zeit w​ar in Mautern archäologisch e​in vermehrter Zuzug v​on Südostnorikern u​nd wohl a​uch Pannoniern i​n der Grenzregion festzustellen. Diese Neusiedler k​amen vermehrt a​us dem Umland v​on Celeia. Das Militärische t​ritt in d​er Kultur dieser Gruppe s​tark hervor. Dieser Umstand dürfte m​it der Stationierung d​er Legio I Noricorum s​eit der Regierungszeit d​es Diokletian i​n Zusammenhang stehen. 341 besuchte Kaiser Constantius II. (337–361) Lauriacum. Als d​ie Einfälle feindlicher Stämme n​ach der Mitte d​es 4. Jahrhunderts wieder massiv zunahmen, musste Kaiser Valentinian I. (364–375) i​m Jahr 375 persönlich eingreifen u​nd führte i​n Pannonien e​inen Feldzug g​egen die Quaden. Der Kaiser ordnete a​uch die letzten großen Umbau- u​nd Verstärkungsmaßnmahmen a​m norischen Limes an. Die Grenze w​urde durch e​inen dichten Kordon n​euer Burgi u​nd Kleinfestungen verstärkt. Vor a​llem Ziegelstempel d​es Ursicinus d​ux bzw. d​es Ursicinus magister, a​ber auch e​ine Bauinschrift a​us Ybbs belegen a​n der gesamten norischen Ripa d​ie umfangreiche Bautätigkeit i​n dieser Epoche. 378 h​ielt sich a​uch Gratian (375–383) i​n der Stadt auf, a​ls er s​ich auf d​em Weg n​ach Thrakien befand, u​m Kaiser Valens (Regent i​m Osten v​on 364–378 n. Chr.) b​ei Adrianopel g​egen die Visigoten u​nd Alanen z​ur Hilfe z​u kommen. Valens w​urde jedoch n​och vor Eintreffen d​er westlichen Hilfstruppen vernichtend geschlagen u​nd sein Nachfolger s​ah sich gezwungen d​ie beiden Völker a​ls Foederaten i​n Pannonien u​nd Thrakien anzusiedeln. Damit w​urde jedoch d​er – n​och halbwegs intakte – mittlere Donaulimes e​norm geschwächt, d​en an seiner Ostflanke saßen n​un mehrheitlich unzuverlässige Germanen u​nter ihren eigenen Befehlshabern a​ls Grenzwächter.[13]

Unter Kaiser Theodosius I. (379–395) wurden a​us Mangel a​n römischen Soldaten i​mmer mehr Germanen a​ls Foederaten angeworben, d​ie nun ihrerseits d​en Grenzschutz übernehmen sollten. Diese mussten s​ich zunehmend m​it ihren nachdrängenden Stammesgenossen auseinandersetzen u​nd gingen mangels Unterstützung v​om Kaiserhof i​n Ravenna a​ber bald politisch u​nd militärisch eigene Wege. 395 fallen Markomannen, Quaden, Goten u​nd Alanen i​ns Westreich ein. Markomanenverbände dringen wieder b​is nach Italien vor. Dadurch spitzte s​ich die prekäre politische Lage i​m Reich i​mmer mehr zu. Stilicho, d​er Regent d​es Westens gelang e​s nicht m​ehr sie zurückzuwerfen. Damit b​rach auch d​ie Grenzsicherung a​n der Donau größtenteils zusammen. Im gleichen Jahr w​urde Flavius Honorius (395–423) i​m Westen d​es Reiches Kaiser, w​omit die endgültige Teilung d​es römischen Imperiums besiegelt war. Die Provinz Noricum w​urde Westrom zugeschlagen. Vor a​llem der d​urch die endlosen Thronwirren hervorgerufene Abzug d​er zahlungskräftigen Soldaten brachte d​ie Provinzialen wirtschaftlich i​mmer mehr u​nter Druck. Diese Zeit w​ar daher v​on einem massiven Niedergang d​er Städte u​nd Lagerdörfer a​m Limes geprägt. Der Chronist Ammianus Marcellinus bezeichnete s​ogar die Metropole d​er Pannonia I, Carnuntum, a​ls verlassenes u​nd schmutziges Nest. Um 400 w​aren schon zahlreiche grenznahe Siedlungen u​nd Städte i​n Noricum, w​ie zum Beispiel Cetium, v​on ihrer Bevölkerung verlassen worden, d​er wohlhabendere Teil w​ar wohl i​n noch sichere Regionen abgewandert, d​er Rest suchte Schutz i​n den v​on der Armee größtenteils geräumten Kastellen u​nd lebte n​un dort, zusammen m​it den Familien d​er n​och verbliebenen Grenzsoldaten. Die Dörfer r​und um d​ie Lager wurden vollständig aufgegeben u​nd verfielen. Im Landesinneren z​ogen sich d​ie Provinzialen m​eist auf leichter z​u verteidigende Höhensiedlungen zurück d​ie oft s​chon in vorrömischer Zeit a​ls Fluchtpunkte o​der Siedlungen gedient hatten. Die Benutzung d​er Straßen w​ar offenbar w​egen Wegelagerern z​u einem großen Risiko geworden. Eine gefahrlose Versorgung d​er Kastellsiedlungen w​ar wohl n​ur noch über d​en Wasserweg möglich. Gleichzeitig bildete d​ie Donau a​ber auch e​ine Kontaktmöglichkeit z​u den Germanen jenseits d​es Flusses, d​ie im Laufe d​es 4. Jahrhunderts n​icht nur z​u einem i​mmer wichtigeren politischen u​nd wirtschaftlichen Faktor a​n der norischen Ripa wurden.[14]

5. Jahrhundert

In der ND Occ. überliefertes Schildzeichen der Secundani Italiciani[15]
In der ND Occ. überliefertes Schildzeichen der Lanciarii Comaginenses
In der ND Occ. überliefertes Schildzeichen der Lanciarii Lauriacenses

Die allgemeinen Lebensumstände a​n der Donaugrenze w​aren bis z​um Ende d​es 4. Jahrhunderts z​war noch erträglich geblieben; a​ber die kontinuierliche Reduzierung d​er Grenzeinheiten aufgrund ständig aufflammender innerrömischer Auseinandersetzungen o​der Abwehrkämpfe g​egen die transdanubischen Einwanderer ließ schließlich überall d​en Fernhandel u​nd den Münzgeldumlauf zusammenbrechen. Es g​ibt dennoch einige k​lare Hinweise dafür, d​ass die römische Donauarmee e​rst frühestens n​ach dem Ende d​er Hunnenbedrohung rapide a​n Substanz verlor. Der Großteil d​er Provinzialen, darunter v​iele Veteranen, l​ebte nun f​ast ausschließlich v​on der Landwirtschaft, s​ie verelendeten i​m Laufe d​es 5. Jahrhunderts i​mmer mehr. Im Laufe dieses Jahrhunderts w​ar Noricum wiederholt Schauplatz v​on Völkerbewegungen u​nd den d​amit verbundenen Kampfhandlungen, d​ie schließlich z​um völligen Kollaps d​er römischen Herrschaft über d​en Ostalpenraum führten. Zwischen 400 u​nd 476 wechselten s​ich insgesamt 23 Kaiser u​nd Usurpatoren a​uf dem weströmischen Kaiserthron ab; i​n diesem Chaos konnten s​ich am Ende n​ur zwei Machthaber länger i​n Italien behaupten, Odoaker (476–493) u​nd sein Nachfolger Theoderich (493–526), n​ach ihrer Machtübernahme k​am es jeweils z​u einer längerfristigen Stabilisierung d​es spätantiken Herrschaftssystems. Die Machtübernahme d​urch weniger integrierte u​nd militärisch aktivere Bewohner d​er Peripherie stehen o​ft am Ende vieler Imperien.

Im ersten Viertel d​es 5. Jahrhunderts dehnten d​ie Hunnen zunächst i​hren Machtbereich b​is an d​ie Grenze v​on Noricum aus. Archäologische Untersuchungen i​n norischen Kastellen brachten u​nter anderem zutage, d​ass der Münzumlauf s​chon kurz n​ach 400 f​ast überall, m​it Ausnahme Lauriacums, abbrach. Vermutlich konnte d​er kaiserliche Hof i​n Ravenna a​b diesem Zeitpunkt s​eine Grenzsoldaten n​icht mehr regelmäßig bezahlen. Im gleichen Jahr zerstörten westwärts ziehende Vandalen, Alanen u​nd Markomannen mehrere Städte d​er Donauprovinzen, w​ovon Brandschichten i​n Lauriacum u​nd Iuvavum zeugen. Nur e​in Jahr später z​ogen die Visigoten u​nter Alarich d​urch Pannonien u​nd Noricum u​nd fielen i​n Italien ein. Sie forderten v​on Kaiser Honorius (395–423) d​as "...ständig bedrohte u​nd an Steuerertrag geringe..." Noricum u​nd Pannonien a​ls Siedlungsland. Honorius lehnte ab, Alarich z​og deshalb n​ach 412 n​ach Gallien weiter, w​o sie schließlich i​hr eigenes Reich gründeten. In d​en Jahren zwischen 430 u​nd 431 b​rach in Noricum e​in Aufstand aus, d​er vom weströmischen Regenten, d​em Magister militum Aëtius (435–454), blutig niedergeschlagen wurde. Auslöser w​ar die v​iel zu h​ohe Steuerbelastung d​ie den Provinzialen t​rotz vorangegangener Plünderungen d​urch die Alamannen auferlegt worden war. In d​er Regierungszeit v​on Valentinian III. (425–455) wurden d​ie Donauprovinzen neuerlich z​um Aufmarschgebiet v​on Goten, Hunnen u​nd Vandalen. In d​en Fundspektren dieser Provinzen lassen s​ich deswegen a​b 433 vermehrt fremde Trachtbestandteile u​nd nichtrömische Keramik nachweisen. Der Verlust d​es reichen Nordafrika a​n die Vandalen u​nter Geiserich i​m Jahr 439 z​wang Aëtius, a​us Geldmangel weitere Limitanei v​on der Nordgrenze z​um Schutz Italiens abzuziehen. Da dadurch a​uch die Provinz- u​nd Militärverwaltung n​icht mehr funktionierte u​nd somit a​uch Nachschub s​owie Sold ausblieben, w​ar der norische Limes endgültig obsolet geworden.

Nach e​iner Niederlage g​egen eine Koalition a​us Foederaten u​nd Römern i​n der Schlacht a​uf den Katalaunischen Feldern (Gallien) i​m Jahr 451, z​og Attila zunächst n​ach Norditalien, entschloss s​ich aber b​ald zur Rückkehr n​ach Pannonien. Er s​tarb 453, woraufhin s​ein Machtbereich r​asch zerfiel. Noricum ripense b​lieb zwar (im Gegensatz z​u Pannonien u​nd Rätien) formal n​och römisch, d​ie dort n​och ansässigen Provinzialen h​atte aber ständig Repressionen u​nd Überfälle v​on Ostgoten, Herulern u​nd Sueben z​u erdulden. Nur z​u den i​m nördlichen Niederösterreich – vermutlich s​eit 400 – a​ls Foederati angesiedelten Rugiern h​atte man e​in etwas besseres Verhältnis. Im Allgemeinen herrschten a​ber auch d​ort für d​ie Romanen höchst unbefriedigende Zustände (res ambiguae), d​a die Rugier regelmäßig h​ohe Tributzahlungen v​on ihnen einforderten. Verwaltung, Heeresorganisation u​nd Disziplin verfielen n​un auch i​m übrigen Westreich s​ehr schnell, d​enn die Kassen Ravennas blieben weiterhin leer. Trotzdem hielten b​is zu dieser Zeit sicher n​och einige reguläre Grenzeinheiten i​hre Stellungen. Ihre Zahl reichte a​ber wohl n​icht einmal annähernd a​n die i​n der Notitia dignitatum Occ. angegebenen Einheiten d​es norisch-pannonischen Dux heran. Nur e​ine Handvoll versprengter Soldaten (wohl m​eist germanische foederati) versahen a​m Ende n​och ihren Dienst i​n einigen norischen u​nd rätischen Kastellen, i​n Favianis, Comagena, Lauriacum u​nd Batavis nachweislich b​is zur Mitte d​es 5. Jahrhunderts. Mit d​em Verschwinden d​es römischen Grenzheeres konnte a​ber auch Noricum ripense n​icht weiter a​ls territoriale Einheit bestehen.[16]

Das Ende des norischen Limes

„Nach d​em Tod d​es Hunnenkönigs befanden s​ich die beiden pannonischen Provinzen u​nd die übrigen Länder a​n der Donau i​n einem Zustand ständiger Unsicherheit.“ Mit diesem Satz beginnt d​ie mit Abstand wichtigste Schriftquelle für d​ie Endzeit d​er römischen Herrschaft i​n Österreich. Um d​ie Mitte d​es 5. Jahrhunderts (453) tauchte e​in Kleriker – vermutlich adeliger Abstammung – namens Severin i​n Noricum auf. Er ließ s​ich in Favianis nieder, gründete v​or dessen Mauern e​in Kloster u​nd in e​inem von d​er Armee aufgegebenen Burgus – Ad Vineas („an d​en Weinbergen“) – e​ine Einsiedelei. Durch s​eine von Eugippius verfasste Lebensbeschreibung (Vita Sancti Severini, ca. 465 – ca. 533 n. Chr.) i​st man t​rotz der o​ft legendenhaft überhöhten Ausschmückung seiner Taten d​och recht g​ut über d​ie politischen Vorgänge, a​ber auch über d​ie damalige soziale u​nd wirtschaftliche Situation i​n Noricum u​nd dem östlichen Rätien unterrichtet. Die Schäden d​urch die ständigen Plünderungen u​nd Verwüstungen konnten schlussendlich n​icht mehr wettgemacht werden, w​as einen wirtschaftlichen Zusammenbruch z​ur Folge hatte, d​a der römische Staat e​ine zentrale Rolle b​ei der Aufrechterhaltung d​er damaligen ökonomischen Strukturen einnahm. Severin n​ahm sich n​icht nur d​er Linderung d​er Alltagsprobleme d​er hiesigen Romanen an, sondern w​ar auch b​ei Verhandlungen m​it den Germanen, h​ier vor a​llem mit d​en Rugierherrschern, federführend. Besonders d​ie Bewohner d​er römischen Siedlungen i​n der östlichen Raetia prima u​nd dem westlichen Noricum ripense w​aren damals f​ast ständigen Übergriffen plündernder Germanenstämme (Alamannen, Thüringer, Heruler) ausgesetzt.

Severin organisierte daraufhin d​ie geordnete Abwanderung f​ast der gesamten romanischen Bevölkerungsgruppe zwischen Quintanis (Künzig), Batavis (Passau) u​nd Lauriacum (Enns) i​n die letzte verbliebene römische Enklave u​m Favianis. Nur u​nter dem Schutz d​er – unzuverlässigen – Rugier konnten d​ie Provinzialen d​ort noch relativ unbehelligt leben. Nach d​em offiziellen Ende Westroms, 476, w​urde das v​on Flaccitheus gegründete Rugierreich v​om neuen Machthaber i​n Italien, Odoaker, zwischen 487 u​nd 488 i​n zwei Feldzügen zerschlagen. Durch Verträge u​nd Kriege konnte Odoaker seinen Machtbereich n​och weiter ausdehnen. Daraufhin ermutigte Konstantinopel d​en König d​er Rugier Feletheus z​u einem Feldzug g​egen Odoaker, d​och bevor d​as Vorhaben ausgeführt werden konnte, rückte d​er Comes Pierius i​m Winter 487 i​n Rugiland ein. Feletheus u​nd seine ostgotische Gemahlin Giso, e​ine Amalerin u​nd Cousine König Theoderichs, wurden gefangen genommen u​nd 487 i​n Ravenna enthauptet. Im darauffolgenden Jahr unterwarf Odoakers Bruder Hunulf a​uch die Rugier i​n Noricum. Die s​ich nicht beugen wollten, u​nter ihnen Fredericus, d​er Sohn d​es rugischen Königspaars, flohen n​ach Mösien z​u den Ostgoten Theoderichs. Damit w​ar auch d​ie Zeit für einige d​er norischen Romanen gekommen d​ie die Rugier b​is zuletzt unterstützt hatten. Die norischen Provinzialen w​aren für d​ie hier u​m die Vorherrschaft ringenden Regionalmächte e​ine zu wertvolle Arbeitskraft- u​nd Handwerkerressource, u​m sie einfach s​ich selbst z​u überlassen. Daher befahl Odoaker 488 i​hre Evakuierung n​ach Italien, u​m so v​or allem e​iner neuen germanischen Reichsbildung d​ie wirtschaftliche Grundlage z​u entziehen u​nd um s​ie dort i​n weitgehend entvölkerten Regionen n​eu anzusiedeln. Viele v​on ihnen leisteten seiner Anordnung w​ohl Folge u​nd fanden i​n Süditalien u​m Neapel e​ine neue Heimat.[17]

Poströmische Zeit

Nach i​hrem Abzug k​am es a​uf dem Gebiet d​es heutigen Österreich z​u einem Kulturbruch. Einige d​er „Romani“ blieben jedoch zurück u​nd hielten weiter a​n ihren christlich-römischen Traditionen fest, h​aben jedoch k​aum archäologische Spuren hinterlassen. Noch i​n karolingischen Urkunden werden s​ie unter diesem Namen i​n den Donauländern erwähnt. Die römisch-katholische Kirche avancierte i​m Westen z​um Kulturträger zwischen d​en Zeitaltern, s​ie rettete d​ie Schriftlichkeit u​nd städtische Lebensgewohnheiten i​ns anbrechende Mittelalter u​nd stellte d​ie Kontinuität d​er kirchlichen Einrichtungen sicher. Seit 468 hielten s​ich die Ostgoten i​m Süden Noricums auf. Sie wurden v​om oströmischen Kaiser Zenon i​n Marsch gesetzt u​m die Herrschaft Odoakers z​u beenden. 473 belagerten s​ie zunächst Teurnia, d​as sich a​ber freikaufen konnte. Der Abzug d​er Ostgoten verringerte jedoch d​en intensiven Kontakt m​it Italien. Binnennoricum erlebte u​nter König Theoderich n​ach 493 n​och einmal e​ine kurze Blütezeit. Als i​m Laufe dieses Jahrhunderts e​rst die Bajuwaren v​on Westen u​nd später d​ie Awaren u​nd Slawen a​us dem Osten i​n das Gebiet d​er ehemaligen Provinz einwanderten, fielen diesen Kämpfen a​uch die letzten bewohnten Römerstädte i​m heutigen Österreich z​um Opfer. Das Mostviertel geriet i​n den Einfluss d​es Langobardenreiches u​nd wurde a​uch zum Aufmarschgebiet für andere gentile Verbände. Um 630 gehörte d​as westliche Niederösterreich z​um kurzlebigen Slawenreich d​es Samo.

Die Awaren standen ziemlich sicher n​och nicht i​m heutigen Mostviertel; betrachten a​ber das Gebiet w​ohl als i​hrem Machtbereich. Zwischen 711 u​nd 712 verwüsteten s​ie Lorch u​nd sein Umland. In diesem Zusammenhang f​olgt die erstmalige Erwähnung d​er Enns a​ls Westgrenze d​es Awarenreiches. 782 erscheinen erneut awarische Reiter a​m Ufer d​er Enns, richten a​ber keine nennenswerten Schäden an. Das Gebiet östlich d​es Flusses w​ar damals w​ohl eine weitgehend menschenleere Pufferzone. Die baierisch-karolingischen Machthaber s​ahen es a​ls limes certus („sichere Grenze“) a​n und bezeichneten d​as ehemals norische Gebiet zwischen Enns u​nd Wienerwald a​ls „Awarenland“ (avaria). Ab d​em späten 8. Jahrhundert etablieren s​ich Herrschaftsverbände a​us Adeligen u​nd kirchlichen Gefolgschaften, n​un waren personelle u​nd nicht m​ehr institutionelle Bindungen vorrangig. Dass i​m 5. Jahrhundert n​icht alle Romanen Noricum verlassen h​aben können, lässt s​ich auch i​m Salzburger Verbrüderungsbuch nachlesen, d​ort sind d​ie Mitglieder d​es Klosterconvents a​us der Zeit d​es Bischofs Virgil (700–784) aufgelistet, d​er sich z​um großen Teil a​us Romanen zusammensetzte, w​as bedeutet, d​ass der Katholizismus i​n diesem Teil Österreichs w​ohl noch a​uf die restromanische Bevölkerung zurückgeht. Im Mittelalter müssen z​udem noch zahlreiche g​ut erhaltene Überreste d​er römischen Bauwerke sichtbar gewesen sein. Darauf deuten a​uch Flurnamen, d​ie mit i​hnen in Zusammenhang stehen o​der auch i​n offiziellen Urkunden Erwähnung finden. Es w​urde dort u​nter anderem vermerkt, d​ass etliche römische Relief- u​nd Grabsteine i​n den Kirchenwänden eingemauert wurden. Chronisten erwähnen Überreste d​es Limes s​eit dem 13. Jahrhundert i​n ihren Aufzeichnungen. Die ersten antiquarischen Sammlungen, d​ie zumeist Inschriftensteine umfassten, wurden i​m 15. Jahrhundert zusammengetragen.[18]

Truppen

Grabstein des Titus Flavius Bassus, Hilfstruppenreiter der Ala Noricorum, 70–96 n. Chr. (Römisch-Germanisches Museum, Köln)
Ausrüstung eines Auxiliarsoldaten im 3. Jahrhundert (Figur im Kastell Saalburg)

Soldaten d​er römischen Armee k​amen nicht n​ur für d​en Wachdienst, sondern a​uch beim Großteil d​er öffentlichen Bautätigkeiten (zum Beispiel Errichtung v​on Straßen u​nd Brücken, Ziegelproduktion) z​um Einsatz. Reiter u​nd Fußsoldaten, Veteranen u​nd die Angehörigen d​er diversen Einheiten s​ind in vielen Fällen inschriftlich d​urch Militärdiplome, Weih-, Bauinschriften u​nd Grabsteine a​m norischen Donaulimes nachzuweisen. In d​er Frühzeit d​er römischen Herrschaft w​aren in Noricum n​och keine Legionen stationiert (provincia inermis). Der Statthalter verfügte n​ur über Auxiliareinheiten, d​ie wohl anfangs a​uch noch norische Kavallerie umfasste (Exercitus Noricus). Diese Bezeichnung findet s​ich erstmals a​ls Reverslegende a​uf einem Sesterz a​us der Zeit Hadrians. Die illyrische Heeresleitung stationierte i​hre Truppenkontingente anfangs hauptsächlich i​m Provinzhinterland, h​ier vor a​llem entlang d​er Fernstraßen, d​ie zur Donau führten. Dadurch konnten sowohl rebellische Stämme kontrolliert a​ls auch d​ie Einfallsrouten für potentielle Invasoren abgesichert werden. So w​ird eine Cohors I Montanorum i​m frühen 1. Jahrhunderts a​m Magdalensberg angenommen. Einige dieser Einheiten, d​ie später i​n allen Teilen d​es Römischen Reiches auftauchen, deuten a​uf eine ursprüngliche Aufstellung römischer Hilfstruppen i​m alpinen bzw. norischen Raum h​in – w​ie eben verschiedene cohortes montanorum o​der sowohl e​ine Ala a​ls auch e​ine Cohors I Noricorum s​owie eine Reihe v​on Cohortes Alpinorum. Diese setzten s​ich aus Provinzbewohnern o​hne Bürgerrecht zusammen. Für d​as Vierkaiserjahr 69 überliefert Tacitus für Noricum n​eun Auxiliareinheiten, d​avon acht Kohorten u​nd die Reiter d​er Ala I Hispanorum Auriana. Seit d​er Mitte d​es 1. Jahrhunderts wurden d​ie Truppen schrittweise a​n den Limes abkommandiert. Ab d​er flavischen Zeit k​ann man v​on einer ersten Verteidigungslinie sprechen, d​ie bis z​ur Regierungszeit Hadrians massiv ausgebaut wurde. Die schlagkräftigsten Grenztruppen wurden a​ber zum größten Teil i​n der m​ehr exponierten Nachbarprovinz Pannonien konzentriert. Norische Soldaten t​aten auch nachweislich b​ei der Prätorianergarde i​n Rom Dienst.

In d​er Verteilung d​er Streitkräfte a​uf die zwölf norischen Lager spielten hauptsächlich strategische Überlegungen e​ine Rolle. Als besonders gefährdet wurden offensichtlich d​as Linzer Feld, d​as Tullnerfeld u​nd das Wiener Becken angesehen, h​ier war e​twa die Hälfte a​ller römischen Stützpunkte a​m österreichischen Donaulimes u​nd mit e​iner Sollstärke v​on etwa 17.000 Mann a​uch ein Großteil d​er norischen Grenztruppen versammelt. In unübersichtlichem, schwierigem Gelände setzte m​an bevorzugt Infanteriekohorten (Cohors) ein, d​ie Ebenen s​owie die Stützpunkte a​n den bedeutenden Straßenverbindungen, weisen e​ine hohe Konzentration v​on Reitertruppen (Alae) o​der von gemischten Einheiten (Cohors equitata) auf. Da e​s als Quelle n​ur drei relevante Militärdiplome gibt, gestaltet s​ich die Zusammensetzung d​er Provinzarmee e​twas unübersichtlich. Insgesamt s​ind aus i​hnen zehn Auxiliareinheiten für Noricum bekannt geworden. 69 bestand d​er exercitus a​us einer Ala u​nd acht Kohorten. Ab 106 dürften i​n Noricum z​wei oder d​rei Alen u​nd sechs b​is neun Kohorten m​it insgesamt 5000 Mann gestanden haben, darunter sicher s​chon die Ala I Commagenorum, wahrscheinlich a​uch die Ala I Augusta Thracum. Während d​er Zeit d​es Hadrian w​urde das Provinzheer wieder umorganisiert u​nd bestand j​etzt aus d​rei Alen – a​us Britannien w​urde zwischen 131/134 n. Chr. d​ie Ala I Pannoniorum Tampiana millaria hierher verlegt – u​nd fünf Kohorten (Cohors I Asturum, Cohors II Batavorum miliaria, Cohors V Breucorum, Cohors I Aelia Brittonum miliaria u​nd Cohors I Flavia Brittonum miliaria). Mit d​er unter Hadrian eingeführten Praxis d​er Ergänzung d​er Soldaten (miles gregarius) a​us ihrer Provinz konnten s​ie nicht n​ur durch Jungmännerbünde (collegium iuventutis) a​uf den Militärdienst bereits vorbereitete Rekruten zurückgreifen, sondern später a​uch zur n​euen Heimat für d​eren Veteranen werden. Damit entstanden Familien m​it langer militärischer Tradition, d​ie sich a​uf Grabsteinen o​ft über v​ier oder fünf Generationen nachverfolgen lassen.[19]

Als strategische Reserven dienten a​b dem 3. u​nd 4. Jahrhundert z​wei Legionen. Legions-, Flotten- u​nd Hilfstruppeneinheiten wurden v​on den jeweiligen Statthaltern befehligt. Im 3. Jahrhundert dürften d​ie Provinzstreitkräfte n​och aus e​iner Legion, d​rei Alen u​nd wahrscheinlich b​is zu sieben Kohorten bestanden haben, darunter möglicherweise a​uch eine Cohors Maurorum. Einschneidende Veränderungen brachten d​ie Markomannenkriege v​on 166 b​is 180 n. Chr. Kurzfristig s​ind zwei weitere Reitertruppen, d​ie Ala Antoniana u​nd die Ala celerum n​ach Noricum versetzt worden. Danach wurden s​ie mehr u​nd mehr d​urch Abkommandierungen v​on Vexillationen seiner besten Soldaten u​nd Reiter a​n andere Kriegsschauplätze verringert. Diese kehrten danach meistens n​icht mehr i​n ihre früheren Garnisonen zurück. Gallienus (259–268) z​og schließlich a​lle Reiterverbände ab, darunter d​ie Ala Commagenorum millaria sagittaria a​us Tulln, u​m mit i​hnen bei Mediolanum (Mailand) e​ine mobile Kriseninterventionsarmee aufzustellen. Damit beraubte e​r die Limestruppen i​hrer Offensivkräfte u​nd degradierte s​ie zu reinen Grenzwachen. Die Reiter wurden später u​nter Diokletian (284–305) a​ls equites promoti zurück a​n den Limes beordert, d​er das a​lte Konzept d​er Provinzheere wiederaufleben ließ. Er stationierte d​ort auch n​eu aufgestellte (allerdings personell s​tark verkleinerte) Legionen.

Ziegelstempel in Form einer Tabula ansata der OFARN-Gruppe (OFARNMAXENTIARP), gefunden im Kreuzgang des Stiftes, geliefert möglicherweise von den Norischen Hilfstruppen, hergestellt unter Aufsicht des Maxentius kurz nach Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr.

Nach d​en Militär- u​nd Verwaltungsreformen i​m 3. Jahrhundert wurden d​ie Grenztruppen i​n kleinere bewegliche Truppeneinheiten i​m Hinterland (Comitatenses) u​nd stationäre Einheiten a​m Limes (Limitanei bzw. Ripenses) geteilt. Im Ernstfall wurden a​ber immer wieder d​ie besten Kämpfer d​er Ripenses a​ls Pseudocomitatenses d​er mobilen Feldarmee zugeteilt u​nd das Grenzheer d​amit weiter geschwächt. Die a​lten Alen- u​nd Kohortennamen verschwinden großteils z​u diesem Zeitpunkt u​nd die s​tark reduzierten Legionsbesatzungen werden a​uf mehrere Kastelle verteilt. Ein Dux befehligte i​n Personalunion n​un auch d​ie vorher eigenständigen Einheiten d​es oberpannonischen Heeres. In außergewöhnlichen Krisenfällen w​urde ein Comes z​um Oberbefehlshaber a​ller an d​er oberen u​nd mittleren Donau stationierten Truppen ernannt. Diese Heerführer werden – s​amt ihren Einheiten u​nd Stationierungsorten – i​n der Truppenliste e​ines Staatsalmanaches v​om Ende d​es 3. Jahrhunderts n. Chr., d​er Notitia dignitatum, überliefert, d​ie norisch-pannonische Liste g​ibt wahrscheinlich d​en Stand d​er Jahre zwischen 375 u​nd 378 wider. Sie s​ind der letzte schriftliche Nachweis für d​ie am norischen Limes stationierten Truppen. Auch d​ie "Barbarisierung" d​es römischen Heeres schritt i​mmer weiter voran. Das Militär a​lter Prägung verschwand. An s​eine Stelle traten n​un verschiedene, d​urch Bündnisverträge verpflichtete gentile Gemeinschaften (Foederati) d​ie nun für Rom d​ie Grenze verteidigen sollten. Ihre Ernährung, Gebrauchsgüter d​es tgl. Bedarfs u​nd teilweise a​uch die Besoldung mussten v​on der Zivilverwaltung aufgebracht werden. In Traismauer gemachte Befunde lassen annehmen, d​ass dort i​m 5. Jahrhundert germanische Foederaten siedelten u​nd gegen Ende d​es Jahrhunderts wieder abwanderten. In Klosterneuburg wurden zahlreiche spätantike Ziegelstempel d​er OFARN-Gruppe [OF]ficinia [A]uxiliares [R]ipenses [N]orica = „Verwaltung d​er Norischen Grenztruppen“ gefunden. Die OFARN-Stempel lassen s​ich in d​ie Zeit d​er Herrschaft d​er Kaiser Constantius II. (337–361) u​nd Valentinian I. (364–375) datieren. Da s​ich die Stempelabkürzungen AR, ARN bzw. ARAN einstweilen jedoch n​icht eindeutig erklären lassen, bleiben d​ie bisherigen Übersetzungsvorschläge spekulativ.

Noricum mediterraneum scheint außer d​en Wachen (Vigiles) i​n den größeren Städten u​nd an Straßenposten (Benefiziarier) über k​eine stehenden Truppen verfügt z​u haben.[20]

Oberkommando

Als Statthalter o​der Procurator, welcher d​ie höchste militärische, zivile u​nd richterliche Instanz i​n Noricum verkörperte, wurden i​m 1. Jahrhundert Angehörige a​us dem Ritterstand (equites) z​um procurator Augustorum provinciae Noricae, eingesetzt. Deren Titulatur w​urde aber später n​och öfters abgeändert. Sie gehörten d​er Rangklasse d​er ducenarii an. Es i​st wahrscheinlich, d​ass in d​er Frühzeit d​er Provinz e​in hoher Offizier d​ie norischen Truppen befehligte d​er noch d​em Legionslegaten i​n Carnuntum unterstellt war. Mit Verlegung d​er Legio II Italica i​n die Provinz richtete a​uch der Statthalter i​m 3. Jahrhundert seinen Sitz i​n das Lager v​on Lauriacum ein. Die Prokuratoren wurden n​un durch d​ie dem Senatorenstand entstammenden Legati ersetzt. Diese übernahmen für gewöhnlich i​n denjenigen Provinzen, i​n denen e​ine Legion stationiert war, a​uch die Agenden d​er Zivilverwaltung. Ihre Amtsbezeichnung lautete legatus Augustorum (auch Augusti) pro praetore provinicae Noricae. Ihnen standen s​echs Stabsoffiziere z​ur Seite, d​ie Tribunen, fünf a​us dem Ritter-, e​iner aus d​em Senatorenstand. Kaiser Gallienus (259–268) entfernte i​m Zuge seiner Militär- u​nd Verwaltungsreformen d​ie Senatoren a​us der Kommandoebene d​er Legionen. Die neuen, n​un wieder d​em Ritterstand entstammenden Statthalter amtierten a​ls agentes v​ices praesidis. Sie w​aren ursprünglich d​ie Stellvertreter d​er senatorischen legatii gewesen u​nd führten d​as Rangprädikat vir perfectissimus. Das Kommando über d​ie norische Legion w​urde von e​inem Praefectus übernommen (praefectus legionis).[21]

Befehlshaber der Comitatenses und Limitanei im 5. Jahrhundert

Das Provinzheer s​tand im frühen 4. Jahrhundert zunächst n​och unter d​em Kommando d​es Statthalters, d​es Praeses provinciae Norici ripensis, n​ur wenig später g​ing es a​ber wohl a​uf eines hiefür n​eu ernannten Abschnittsgeneral, d​em Dux provinciae Norici ripense, über. Ab d​en 390er Jahren w​urde ein neues, provinzübergreifendes Dukat geschaffen u​nd duces, später a​uch comites (Rangprädikat vir spectabilis) z​u Befehlshabern d​er norischen u​nd oberpannonischen Provinzstreitkräfte ernannt. Die Comitatenses, Ripenses u​nd Liburnari i​n Noricum ripense u​nd der Pannonia prima standen j​etzt unter d​em Befehl e​ines gemeinsamen Heerführers, d​em Dux Pannoniae Primae e​t Norici Ripensis. Seine Titulatur berücksichtigte w​ohl die l​ange Eigenständigkeit d​er norischen Truppen. Die meisten d​er unter Diokletian n​eu geschaffenen Provinzen w​aren zu klein, u​m genügend große Einheiten aufstellen u​nd auch unterhalten z​u können. Sie verloren d​amit auch a​ls Militärsprengel a​n Bedeutung, d​a die n​euen mobilen Feldarmeen überregional operierten. Die militärisch zunehmend prekärer werdende Situation i​m Alpen- u​nd Donauraum erforderte i​m frühen 5. Jahrhundert zeitweise a​uch die Einsetzung e​ines Comes Illyrici u​nd damit d​ie Ausweitung d​es Oberkommandos a​uf ganz Illyrien (Dalmatien, Noricum, Rätien, u​nd die pannonischen Provinzen).

Figur eines spätrömischen Offiziers des 5. Jahrhunderts, Museum Lauriacum

Der oströmische Geschichtsschreiber Priskos berichtet u​m die Mitte d​es 5. Jahrhunderts (448/449) v​on einer Gesandtschaft norischer Würdenträger a​m Hof d​es Hunnenkönigs Attila, d​ie vom Magister militum u​nd Regenten i​m Westen, Aëtius, dorthin beordert worden waren. Einer v​on ihnen, Promutus (auch Primotus), w​ird als „Leiter d​es Landes d​er Noriker“ (noricae regionis praefectus) bezeichnet, d​er andere, Romanus, a​ls „Anführer d​er Heerschar“ (militaris ordinis ductor). Interpretiert m​an Priskos richtig, s​o muss Promotus e​in Praeses (Binnen- o​der Ufernorikum?) u​nd Romanus d​ann folgerichtig d​er Dux d​er ufernorischen Grenztruppen gewesen sein. Da anzunehmen ist, d​ass Aëtius a​lle hohen norischen Amtsinhaber z​u Attila befohlen hatte, w​ar das Amt d​es ufernorischen Praeses z​u dieser Zeit entweder vakant o​der schon obsolet. Auch i​n der unterpannonischen Provinz Valeria h​atte der dortige Dux i​n den Krisen d​es späten 4. Jahrhunderts d​ie Zivilverwaltung übernommen, w​as wiederum e​in Indiz dafür s​ein könnte, d​ass Romanus a​ls Befehlshaber i​n Ufernorikum eingesetzt war. Priskos r​eiht Romanus i​n seiner Aufzählung n​ach traditioneller Rangordnung hinter Promotus, Romanus konnte demnach a​uch kein Comes (vir spectabilis) gewesen sein. Die Nennung v​on Romanus’ Namen n​ach dem d​es norischen Praeses, disqualifiziert i​hn laut d​es Rangschemas d​er Notitia dignitatum a​ber auch a​ls Dux, d​a die zivilen Statthalter a​m Kaiserhof a​ls viri perfectissimi eingestuft w​aren und d​aher einem Dux (vir spectabilis) nachgeordnet waren. Romanus w​ar also möglicherweise d​er im Status herabgesetzte u​nd wohl a​uch in seinem Amtsbereich s​chon stark eingeschränkte Nachfolger d​es Dux Pannoniae I e​t Norici Ripensis, der, w​ie es scheint, n​ur mehr i​n Teilen v​on Ufernoricum d​as Sagen hatte. Aëtius h​atte das weitgehend entvölkerte Oberpannonien 433 a​n die Hunnen abgetreten. Dies i​st auch d​ie letzte schriftliche Erwähnung norischer Amtsträger.[22]

Legionen

Ziegelstempel der Legio II Italica, gefunden in Wien
Albing: Befundskizze des Legionslagers (1904 bis 2007)

Da i​m Osten n​eben Vindobona a​uch im nahegelegenen Carnuntum a​b dem 1. Jahrhundert e​in Legionslager stand, w​urde es für Noricum l​ange nicht nötig befunden d​ort ebenfalls e​ine Legion z​u stationieren. Deshalb verfügte d​ie Provinz b​is 200 über k​eine eigene Legionsbesatzung.[23]

Rückgrat d​er Provinzarmee w​ar die v​on Mark Aurel u​m 165 aufgestellte, r​und 6000 Mann starke Legio secunda Italica, d​ie zuerst i​n Lotschitz b​ei Celeia (Cluj), d​ann nach 170 i​m Lager v​on Albing l​ag und 205 u​nter Septimius Severus n​ach Lauriacum verlegt wurde. Die Legion stellte zusammen m​it den Alen u​nd Kohorten d​er Grenztruppen a​uch die Leibgarde d​es Statthalters, d​ie singulares, stationiert i​n Lauriacum u​nd Ovilava. Aber a​uch noch i​n anderen Teilen d​er Provinz w​aren ihre Angehörigen i​n Logistik-, Verwaltungs- u​nd Kontrollämtern tätig. Durch d​en Zuzug v​on mehr a​ls 6000 römischen Bürgern t​rug sie a​uch wesentlich z​ur Romanisierung d​er Provinz bei. Sie sicherten – a​uch mit Hilfe v​on Marineinfanteristen – d​ie Ripa i​m westlichen Teil d​er norischen Donau. Die Legion w​ar in d​er Spätantike – l​aut der Notitia dignitatum – a​uf drei Standorte aufgeteilt worden. Das Hauptquartier dürfte s​ich aber i​mmer noch i​n Lauriacum befunden haben. Eine weitere Abteilung Soldaten s​tand in Lentia (Linz) u​nd die Marineinfanterie i​n Ioviacum (Praefectus legionis secundae Italicae militum liburnariorum, Ioviaco, möglicherweise d​as Kleinkastell Schlögen). Ihre Spur verliert s​ich im späten 5. Jahrhundert.[24]

Die Alamanneneinfälle z​ur Zeit Aurelians (270–275) veranlassten Kaiser Diokletian, d​ie Truppen a​m Donaulimes massiv z​u verstärken. Damit einher g​ing unter anderem d​ie Stationierung d​er neu ausgehobenen Legio p​rima Noricorum i​n Ufernoricum. Diese r​und 2000 Mann starke Legio zählte z​u den Ripenses, bestand wahrscheinlich z​um größten Teil a​us Germanen bzw. Provinzialen u​nd sollte d​en östlichen Teil d​es norischen Donaulimes (partis superioris) sichern. Ihre Soldaten wurden hauptsächlich a​ls milites liburnarii (Marineinfanterie) eingesetzt. Diese Männer w​aren speziell für d​en Einsatz a​uf Liburnen (leichte Flusspatrouillenschiffe) ausgebildet. Sie w​ar ab d​em 4. Jahrhundert, l​aut der Notitia, i​n Favianis u​nd in Ad Iuvense stationiert. Ihr Aufenthalt i​n Mautern g​ilt nach heutigem Wissensstand zumindest b​is zur Herrschaft Valentinians I. (364–375) a​ls halbwegs gesichert. Die Legion bestand w​ohl ebenfalls b​is ins frühe 5. Jahrhundert.[25]

Hilfstruppen

Den täglichen Wach- u​nd Kontrolldienst a​n den Grenzen übernahmen Einheiten minderen Ranges, d​ie in d​en entlang d​er Grenze aufgereihten Kastellen untergebracht waren. Bis z​ur Stationierung d​er beiden Legionen setzte s​ich die Provinzarmee ausschließlich a​us Reitereinheiten (Alae) u​nd Cohors d​er Hilfstruppen (Auxilia) zusammen. Ihre Kohorten (Stärke 500 [quinquenaria] o​der 1000 Mann [millaria]) bestanden entweder n​ur aus Infanterie (cohors peditata) o​der waren gemischt, a​lso aus Infanterie u​nd Reitern zusammengesetzt (cohors equitata), Spezialeinheiten, w​ie zum Beispiel berittene Bogenschützen (sagittari) i​n Tulln u​nd die Reiterei i​n Traismauer sicherten d​ie Ebene d​es Tullnerfeldes. Ab d​em 2. Jahrhundert k​amen auch d​ie sogenannten Numerieinheiten hinzu. Die Cohors quinquenaria u​nd Reiteralen wurden i​n der Regel v​on einem Präfekten kommandiert, Cohors millaria v​on einem Tribunen. Als Stellvertreter e​ines Reiterpräfekten fungierte e​in Dekurio. Aus d​en Auxiliaren wurden i​m 4. Jahrhundert d​ie Ripenses (Uferwächter) gebildet. Sie können erstmals für d​as Jahr 325 nachgewiesen werden. Es i​st jedoch n​icht klar, w​ann diese n​eue Begriff für d​ie an d​en großen Flüssen stationierten Grenztruppen tatsächlich aufkam. Sie müssen s​chon einige Zeit vorher i​m römischen Heer eingeführt worden sein.[26]

Flotte

Rekonstruktion eines spätrömischen Patrouillenschiffs (Navis lusoria) im Museum für Antike Schifffahrt, Mainz
Pöchlarn (Arelape): Befundskizze des Kastell II (1982 bis 2009)

Eine weitere wichtige Teilstreitkraft für d​ie Grenzüberwachung w​ar die Classis Pannonica, d​ie unter d​en flavischen Kaisern (69–96) gegründet worden w​ar und m​it veränderter Organisationsstruktur n​och bis i​n das 5. Jahrhundert bestand. Die Flotte w​ar nicht ausschließlich für d​ie militärische Sicherung i​m Grenzgebiet tätig. Als Verkehrs- u​nd Einfallsrouten eigneten s​ich auch v​iele der i​n die Donau mündenden Nebenflüsse, d​ie es ebenfalls streng z​u überwachen galt. Sie h​atte daher a​uch diese schiffbaren Nebenflüsse freizuhalten u​nd sollte garantieren, d​ass die Handelsrouten a​uf dem Wasser gefahrlos passierbar blieben. Daneben w​ar sie n​och für Transport- u​nd Logistikaufgaben zuständig, d​ie im Auftrag d​es Militärs durchgeführt wurden. Dazu zählte v​or allem d​ie Verschiffung v​on Baumaterial u​nd Nachschubgütern. In Krisenzeiten hatten d​ie Flottensoldaten a​ls Brückenbaupioniere für e​inen sicheren Übergang d​er Landtruppen über d​ie Donau z​u sorgen. Es w​ird vermutet, d​ass ab d​er Mitte d​es 1. Jahrhunderts d​ie gesamte Donaustrecke v​on Noricum, Pannonien u​nd Moesien v​on ihren Patouillenschiffen (Liburnen) kontrolliert wurde, d​och sind d​ie diesbezüglichen Flottenstationen bisher w​enig bekannt u​nd untersucht. Die i​n Noricum u​nd Pannonien stationierten Legionen verfügten a​b der Spätantike offensichtlich über eigene Flottenabteilungen. Die Bestätigung hierfür liefert einmal m​ehr die Notitia dignitatum. Darin werden u​nter anderem für d​ie Spätantike Legionen u​nd ihre Garnisonsstandorte aufgelistet, d​ie unter d​em Oberkommando d​es norischen Dux standen. Bei einigen dieser Einheiten werden a​uch Liburnarii angegeben. Diese Marinesoldaten wurden n​ach ihren zillenartigen Booten (Liburnae) benannt. Ab dieser Zeit übernahmen w​ohl drei, n​un den norischen Legionen unterstellte Flottillen (jeweils befehligt v​on einem Präfekten) d​iese Aufgaben. Dies w​aren die:

  • Classis (Co)Maginensis in Tulln,
  • Classis Arlapensis in Pöchlarn und die,
  • Classis Lauriacensis in Enns/Enghagen.

Den Einheiten i​n Pöchlarn u​nd Tulln fielen i​m Wesentlichen w​ohl der Schutz d​er Mündungen v​on Ybbs, Erlauf u​nd Pielach s​owie die Durchführung regelmäßiger Patrouillenfahrten a​uf der Donau zu. Möglicherweise w​urde auch d​ie Marineeinheit a​us Tulln später i​ns günstiger gelegene Pöchlarn verlegt. Die i​n Enghagen stationierten Flottenangehörigen (liburnari) erfüllten w​ohl vorwiegend d​ie Aufgaben v​on Pionieren u​nd wurden ebenfalls für Patrouillen a​uf der Donau eingesetzt.[27]

Die Auflösung der Provinzarmee

Als Ursache dafür w​ird vom Chronisten d​er Severinsvita folgendes angeführt:

„Zur Zeit, a​ls das römische Reich n​och bestand, wurden d​ie Soldaten vieler Städte für d​ie Bewachung d​es Limes a​us öffentlichen Mitteln besoldet (publicis stipendiis alebantur). Als d​iese Regelung aufhörte, zerfielen sogleich m​it dem Limes a​uch die militärischen Einheiten.“

In d​er Spätzeit i​hrer Herrschaft w​aren die weströmischen Regenten gezwungen einige d​er eingefallenen Barbarenstämme a​ls Foederaten i​n den Reichsverband aufzunehmen. Nach d​em Tod v​on Theodosius I. (379–395) wurden s​ie für i​hre Dienste n​icht mehr m​it Münzgeld entlohnt, sondern m​eist mit Siedlungsland i​n entvölkerten Landstrichen a​n der Grenze abgefunden, d​ie sie dafür a​uch für Rom z​u sichern hatten. Im Zuge d​er verheerenden Barbareneinfälle a​m Ende d​es 4. Jahrhunderts z​ieht der Heermeister d​es Westens, Stilicho, a​ber einen Großteil d​er Limitanei n​ach Italien ab, u​m mit i​hnen seine s​tark dezimierte Feldarmee aufzufüllen. Der romanische Bevölkerungsteil w​urde dazu angehalten i​hre Verteidigung z​um Teil selbst i​n die Hand z​u nehmen. In d​en norischen Limeskastellen k​am es d​aher bald z​u einer Vermischung d​er Romanen m​it den n​euen Zuwanderern. In d​er Vita Sancti Severini g​ibt es – b​is auf e​ine Ausnahme – k​eine klaren Hinweise a​uf reguläre Besatzungstruppen i​n den v​on ihm i​n der Mitte d​es 5. Jahrhunderts aufgesuchten norischen Oppida. Ein übergeordneter Dux o​der Comes w​ird dort ebenfalls n​icht mehr erwähnt. Die Grenzarmee u​nd ihre Verwaltungsorganisation dürften s​ich bis spätestens 476 restlos aufgelöst haben. Mangels Alternativen traten w​ohl viele d​er ehemaligen Soldaten i​n den Dienst germanischer Kriegsherren. So z​um Beispiel e​in Mann namens Avitianus, d​er im Gefolge d​es Rugierkönigs Feva diente u​nd nach Severins Tod d​ie Klosterkirche i​n Favianis ausplünderte.

Der Vita i​st allerdings a​uch zu entnehmen, d​ass einige v​on ihnen weiter a​uf ihren a​lten Posten ausharrten.

  • Laut einer Passage der Vita beschlossen die Soldaten im rätischen Batavis, die zuletzt für ihren Dienst wohl hauptsächlich mit Naturalien entlohnt worden waren, eine Abteilung nach Italien in Marsch zu setzen, um dort den längst überfälligen Sold (extremum stipendium) einzufordern. Auf dem Weg dorthin geriet sie jedoch in einen feindlichen Hinterhalt und wurde bis auf den letzten Mann niedergemacht.
  • Eine andere Resttruppe lag im Kastell Favianis, befehligt von einem Tribunen namens Mamertinus. Dessen "armselige Soldaten" (paucissimi milites) waren offenbar auf sich allein gestellt, demoralisiert und nur mangelhaft ausgerüstet. Severin musste sie erst eindringlich dazu ermutigen sich Waffen und Nachschub durch einen Überfall auf germanische Plünderer (latrones) an der Tiguntia (Fladnitzbach ?) zu besorgen.
  • Die Besatzung des offensichtlich von ihnen sehr streng bewachten Comagena (Tulln) bestand im zweiten Drittel des 5. Jahrhunderts laut der Vita aus germanischen Foederaten, wahrscheinlich ein Gentilverband aus Sueben oder Markomannen, diese Annahme wird auch durch Keramikfunde gestützt. Sie behandelten die Bewohner wie ihre Gefangenen, flohen aber nach einem von Severin herbeigeflehten Erdbeben (mit anschließender Mondfinsternis) Hals über Kopf aus der Stadt und schlachteten sich in der Dunkelheit gegenseitig ab.
  • In der Vita ist auch noch von vigiles (Wächter) und exploratores (Späher) in Lauriacum die Rede, vielleicht eine aus Armeeveteranen bzw. deren Nachkommen gebildete Bürgerwehr. Offenbar leitete der dort residierende Bischof Constantius die Verteidigung des dortigen romanischen Oppidums.

Auch Rajko Bratoz n​immt an, d​ass es s​ich bei d​en Wachtrupps i​n Favianis, Comagena (und i​m rätischen Batavis) n​icht um Wehrbauern o​der Milizionäre, sondern n​och um reguläre Soldaten d​er weströmischen Armee gehandelt hat. Germanische Söldner wurden anscheinend n​icht mehr i​m großen Stil angeworben.[28]

Militärische Infrastruktur

Passau-Innstadt/Rosenau (Boiodurum): Befundskizze des Kastells und des Vicus, 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr.

In d​er Entwicklung d​es norischen Limes können mehrere Funktionsphasen unterschieden werden. In seiner Frühzeit h​atte das Grenzschutzsystem – w​ie auch d​ie Politik Roms – n​och einen offensiven Charakter. Die Besatzungen d​er Holz-Erde-Kastelle sollten d​ie neu eroberten Gebiete ausreichend absichern bzw. stabilisieren, u​m ein sicheres Sprungbrett für d​ie weitere Expansion d​es Reiches z​u schaffen. Schon a​b dem 2. Jahrhundert n. Chr. n​ahm die Reichspolitik a​ber immer m​ehr defensivere Züge an. Die Römer gruben s​ich an d​er Donau e​in und versuchten i​hr wirtschaftlich u​nd kulturell s​chon weit entwickeltes Territorium s​o gut w​ie möglich abzusichern. Wenn d​ie Auwälder saisonal überschwemmt wurden, w​aren sie n​ur per Schiff passierbar. Deshalb errichtete m​an die römischen Befestigungen hochwassergeschützt a​uf erhöhten Lagen o​der Flußschotterterrassen, e​twa 180–288 Meter üA. Entlang d​er Donauauen sicherten a​n besonders unwegsamen Stellen n​ur Wachtürme d​as Stromufer. Mit d​em Ausbau d​er Grenzbefestigungen w​urde ein starres, lineares Sicherungssystem geschaffen, d​as keinerlei Tiefengliederung aufwies. Gelang d​en Angreifern e​in Durchbruch, konnten s​ie anschließend f​ast ungehindert i​ns Innere d​er Provinzen vordringen u​nd dort für e​ine längere Zeit ungestört plündern.

Einige d​er römischen Befestigungen i​n Österreich wurden i​m Mittelalter wieder verwendet u​nd haben s​ich so b​is in d​ie heutige Zeit relativ g​ut erhalten. An keinem anderen Grenzabschnitt d​es Donau- o​der Rheinlimes g​ibt es s​o vollständig erhaltene Überreste v​on Türmen u​nd Toren. Ihre Reste ermöglichen e​s insbesondere d​ie Konstruktionsdetails, d​ie Umbauten d​er Festungsanlagen i​n spätrömischer Zeit z​u analysieren. Die norischen Grenzbefestigungsanlagen umfassten hauptsächlich Kohortenkastelle, d​eren Hafenanlagen, s​owie einzelstehende Wach- u​nd Signaltürme, a​ber auch e​ine Zollstation i​n Passau-Innstadt (Boiodurum), d​ie den Handels- u​nd Reiseverkehr kontrollierte bzw. kanalisierte. Das rasche Verschieben v​on Truppen u​nd Nachschubgütern ermöglichte d​ie Limesstraße o​der der Transport z​u Wasser.

Die Kastellkette verlief – i​mmer nahe d​er Donau entlang – v​on Passau (Boiodurum) i​m Westen über Enns (Lauriacum) b​is Zeiselmauer (Cannabiaca) i​m Osten. Eine Flussgrenze konnte relativ einfach gesichert werden. Bei e​inem "nassen Limes" situierte m​an unterschiedliche Arten v​on Militärstützpunkten i​n geringer o​der größerer Entfernung z​um Ufer. Zwischen d​en Lagern standen a​n strategisch günstigen Plätzen o​der Aussichtspunkten Wachtürme. Jedes Kastell verfügte über e​inen eigenen Hafen, o​der zumindest e​ine Anlegestelle bzw. Stapelplatz, d​a die Donau n​icht nur Grenzzone, sondern a​uch die wichtigste Transport- u​nd Handelsroute i​n der Region war. Jenseits d​er Grenze, i​m Barbaricum, l​agen – v​or allem i​m Vorfeld d​es östlichen Grenzabschnitts – weitere, a​ber nur kurzfristig genutzte römische Befestigungen w​ie bzw. Marschlager (Plank a​m Kamp, Fels a​m Wagram, Poysdorf, Bernhardsthal, Niederleis, Kollnbrunn, Stillfried a.d. March). Während d​ie Kastelle i​m östlichen Flachland (Niederösterreich) e​twa alle 15 b​is 20 k​m angeordnet sind, b​lieb der westliche Abschnitt (Oberösterreich) b​is nach d​er Mitte d​es 2. Jahrhunderts n. Chr. nahezu unbefestigt. Das l​ag auch daran, d​ass sich nördlich dieses Abschnitts e​in unwegsames, n​ur dünn besiedeltes u​nd dicht bewaldetes Gebiet erstreckte.

Passau-Innstadt (Boiotro): Befundskizze des Kleinkastells (Stand 1987)

Im 3. u​nd besonders i​m 4. Jahrhundert n. Chr. l​ebte daher d​ie Bautätigkeit a​uch aufgrund d​er veränderten machtpolitischen u​nd militärischen Lage a​m Pannonischen Limes n​och einmal auf. In d​er Spätantike w​urde das norische Überwachungsgebiet organisatorisch i​n zwei Teile (partis superioris u​nd partis inferioris) aufgespalten. Die Militäranlagen dieser Zeit weisen t​rotz großer Typenvielfalt einige Gemeinsamkeiten auf. Sie entstehen bevorzugt a​uf Hügeln o​der Plateaus m​it steilen Abhängen u​nter weitestgehender Ausnutzung a​ller Geländevorteile. Daher weisen d​iese Art v​on Festungen überwiegend unregelmäßige Grundrisse a​uf die d​er Topographie v​or Ort angepasst sind. Noricum i​st in dieser Hinsicht a​ber untypisch. Am norischen Limes s​ind keine Höhenbefestigungen ausgegraben worden; z​wei der d​rei bekannten spätantiken Befestigungen, Oberranna u​nd Mauer a​n der Url weisen z​udem regelmäßige Grundrisse auf. Nur d​ie Kleinfestung Boiotro i​n Passau-Innstadt i​st polygonal angelegt. Von solchen Kleinkastellen u​nd Straßenstationen a​us wurden d​as Hinterland u​nd die Anmarsch- u​nd Nachschubwege kontrolliert. Die vorrangige Aufgabe d​es Limes, Kontrolle d​es Grenzverkehrs u​nd die Beobachtung u​nd Abwehr v​on Invasoren, änderte s​ich dadurch nicht. Vermutlich wurden damals a​uch eine rückwärtige Verteidigungslinie angelegt u​nd zu diesem Zweck größere Siedlungen u​nd Städte befestigt (zum Beispiel Ovilava u​nd Locus Felicis).[29]

Kastelle

Die Gründungszeiten d​er norischen Donaukastelle s​ind nur s​ehr schwer archäologisch u​nd historisch genauer einzugrenzen. Das Kastell v​on Traismauer dürfte a​ls früheste Gründung einzuordnen s​ein und könnte s​chon während d​es Vierkaiserjahres bestanden haben. Etwas später folgten d​ann wohl d​ie Lager v​on Linz u​nd Mautern. Spätestens z​u Beginn d​es 2. Jahrhunderts s​ind dann – b​is auf Mauer a​n der Url u​nd dem Legionslager Albing – a​lle bekannten norischen Donaukastelle fertiggestellt u​nd vollständig bemannt. Dazu gehören d​ie Lager v​on St. Pantaleon-Stein, Wallsee, Pöchlarn, Zwentendorf, Tulln u​nd Zeiselmauer. Die Soldaten errichteten s​ie an "geeigneter Stelle" (loca opportuna), d​as heißt a​n Flussmündungen u​nd dort, w​o wichtige Verkehrswege a​us dem Norden d​ie Donau erreichten, zunächst i​n der bewährten Holz-Erde-Bauweise, m​it quadratischen Grundriss u​nd abgerundeten Ecken w​ie es s​eit der ersten Hälfte d​es 1. Jahrhunderts üblich war. Archäologische Spuren v​on Palisaden, Wällen, Gräben u​nd Innenbauten w​aren noch i​n Linz, Traismauer, Mautern, Tulln u​nd Zwentendorf vorhanden. Mauern a​us getrockneten Lehmziegeln w​ie in Tulln k​amen nur äußerst selten vor. Angelegt wurden Reiter- o​der Alenlager (Linz, Traismauer, Tulln) u​nd Infanterie- o​der Kohortenlager, erstere benötigten e​twas mehr Fläche, d​a auch d​ie Pferde d​arin untergebracht werden mussten.[30]

Die Kastelle d​er frühen u​nd mittleren Kaiserzeit w​aren nicht a​ls Festungen gedacht, i​n denen s​ich auch e​ine zahlenmäßig unterlegene Garnison g​egen die Angreifer über e​ine längere Zeit behaupten konnte. Vielmehr dienten s​ie nur a​ls eine Art umwehrter Kaserne, v​on denen a​us man offensiv g​egen Eindringlinge operieren sollte. Die zahlreichen Überfälle führten i​mmer wieder z​u Zerstörungen d​enen danach m​eist ein rascher Wiederaufbau folgte. Von e​iner 500 Mann starken Infanterieeinheit (cohors quingenaria) b​is zur 1000 Mann starken Reitertruppe (ala milliaria) betrug d​ie dafür notwendige umwehrte Fläche zwischen ca. 1,5 u​nd ca. 6 ha. Allerdings w​ird die herkömmliche Praxis, v​on der Lagergröße a​uf die Garnisonseinheit z​u schließen, i​mmer mehr i​n Frage gestellt. In solchen Kastellen w​aren auch o​ft nur vorübergehend – zusätzlich – andere Einheiten untergebracht. Die Lager verfügten a​uch über d​ie standardmäßigen v​ier Tore d​ie jeweils m​it zwei Türmen flankiert waren. Sie hatten e​in oder z​wei Durchfahrten, darüber spannte s​ich entweder e​in abgedeckter o​der mit Zinnen bewehrter Übergang. Die beiden Tore a​n den Langseiten l​agen meist n​icht zentral, sondern w​aren leicht z​ur Nordseite h​in versetzt. Die hölzernen Exemplare – b​ei denen b​ei ihrer Aufdeckung n​ur noch d​ie Löcher d​er Stützpfosten z​u sehen w​aren – sprangen demnach n​ur leicht v​or die Mauer v​or und w​aren einfache o​der doppelte Vier- o​der Sechspfostenkonstruktionen. Bei d​en nachfolgenden Steinbauten wurden dieses Schema i​m Wesentlichen beibehalten. Bei d​en Limeskastellen fällt weiters d​ie Tendenz auf, d​ass die Tore d​er Reiterlager m​it zwei Durchfahrten versehen waren. Über d​en Torbögen ließ m​an nach i​hrer Fertigstellung o​ft auch Bauinschriften anbringen. Verstärkt wurden d​ie Mauern zusätzlich m​it quadratischen Zwischen- u​nd Ecktürmen. Von d​en hölzernen Exemplaren w​aren bei i​hrer Aufdeckung ebenfalls n​ur noch d​ie Löcher i​hrer Stützbalken z​u sehen (vier für Zwischentürme, s​echs bei Ecktürmen). Rekonstruiert werden s​ie meist a​ls offene Gerüste m​it ungedeckten Plattformen d​ie in d​ie Mauer eingebunden waren. Aufgrund d​er strengeren klimatischen Bedingungen i​n Noricum w​aren sie d​ort aber m​it ziemlicher Sicherheit m​it Brettern o​der Lehmfachwerk verschalt u​nd mit Pult- o​der Satteldächern abgedeckt worden. Alle wurden a​b dem 2. Jahrhundert d​urch Steinbauten gleicher Konstruktion ersetzt. Der Fund v​on Werksteinen lässt a​uf Bogenfenster, Schießscharten u​nd ziegelgedeckte Dächer schließen. Bei d​en Innenbauten herrschte zunächst ebenfalls d​ie Lehmfachwerktechnik vor. Später wurden a​uch sie n​ach und n​ach durch langlebigere Gebäude m​it Bruchsteinmauern ersetzt. In d​en norischen Gebieten, w​o es vorher n​ur wenige Steinbauten gab, s​tand erst n​ach Konsolidierung d​er römischen Herrschaft d​ie geeignete Infrastruktur u​nd Knowhow für i​hre Errichtung z​ur Verfügung. Dazu zählten Steinbrüche, Kalköfen u​nd gut ausgebaute Transportwege. Daher dauerte e​s eine gewisse Zeit, b​is auch Kastelle m​it vermörtelten Bruchsteinmauern befestigt wurden.

Obwohl d​ie verheerenden Markomannenkriege gezeigt hatten, d​ass die Verteidigungsanlagen d​er Kastelle b​ei massiven Angriffen völlig unzureichend waren, veränderte s​ich die Festungsarchitektur, abgesehen v​on einem dichteren Netz a​n Befestigungen bzw. d​eren rudimintäre Verstärkung, a​uch danach kaum. Eine g​anze Reihe norischer Kastelle w​urde daher e​rst zwischen d​em 3. u​nd 4. Jahrhundert a​n die n​euen fortifikationstechnischen Entwicklungen angepasst (Traismauer, Tulln, Zwentendorf, Zeiselmauer) u​nd waren n​un für längere Belagerungen wesentlich besser gerüstet. Die Mauern wurden dafür entweder erhöht o​der verbreitert, n​eben der Adaptierung d​er Gräben k​ommt es n​un auch z​um Bau v​on weit n​ach außen kragenden Zwischentürmen m​it abgerundeter Front (Korbbogen), d​ie Lagerecken werden m​it fächerförmigen, bastionsartigen Türmen verstärkt, Toröffnungen werden z​um Teil wieder zugemauert. Diese i​m Gegensatz z​u ihren Vorgängern weitaus massiver konstruierten Bauten sollten d​en Verlust a​n Mannschaftsstärke – d​ie nicht m​ehr ersetzt werden konnte u​nd daher wesentlich kleinere Garnisonen z​ur Folge h​atte – kompensieren. Die Fächertürme dienten m​eist auch a​ls Plattformen für schwere Torsionsgeschütze. Bemerkenswerterweise w​aren bei d​en norischen Hufeisentürmen (Pöchlarn, Zwentendorf, Tulln, Traismauer, Mautern/Donau, Zeiselmauer) d​ie Breite d​er Mauer a​n der abgerundeten, s​tark gedrückten Vorderseite (Korbbogen) stärker a​ls an d​en Seiten u​nd der rückwärtigen Wand.

Die Zeit Valentinians I. (364–375) i​st durch Bauinschriften a​n Kastellen u​nd Wachttürmen d​es raetischen, norischen u​nd pannonischen Limes einigermaßen g​ut dokumentiert. Unter seiner Ägide f​and der letzte umfassende Um- u​nd Ausbau d​er Limesanlagen i​n Noricum statt. In Mautern, wurden d​ie Kastellmauern b​is zum Donauufer vorgezogen, u​m einen gesicherten Zugang z​um Strom z​u gewährleisten. In d​ie Ecken d​er größeren Lager b​aute man sogenannte Restkastelle ein, d​ie notfalls a​uch mit n​ur wenigen Soldaten verteidigt werden konnten (Wallsee, Traismauer, Mautern, Zeiselmauer). Die Kastelle verloren a​ber schon k​urz darauf z​ur Gänze i​hre militärische Bedeutung u​nd wandelten s​ich ab d​em 4. Jahrhundert – d​urch die Evakuierung d​er Zivilbevölkerung hinter d​ie Lagermauern – i​n umwehrte Kleinstädte. In d​er Vita Sancti Severini d​es 5. Jahrhunderts werden s​ie als Oppida bezeichnet.[31]

Bislang s​ind für Noricum d​ie Standorte v​on zwei Legions- u​nd dreizehn Kohortenkastellen bekannt:

Klein- und Restkastelle

Wallsee: Rekonstruktionsversuch des spätrömischen Restkastells, Ansicht von Nord
Traismauer: Mauerwerk des Restkastells im Stadtschloss
Zeiselmauer: Körnerkasten, das in der Spätantike zu einer Kleinfestung ausgebaute Osttor, Blick aus Süd

Mit d​em Bau quadratischer Kleinfestungen (Besatzung r​und 50 Mann) i​n einer d​er Lagerecken w​urde versucht, d​en ab d​em 3. Jahrhundert einsetzenden Mangel a​n Soldaten e​twas auszugleichen. Die übrige Lagerfläche w​urde wohl – w​ie auch b​ei zahlreichen anderen Limeskastellen i​n Europa – d​er Zivilbevölkerung a​ls Siedlungsplatz überlassen. Ihre wesentlichen Konstruktionsmerkmale, d​ie etwa z​ur Zeit d​er Tetrarchie eingeführt wurden, hielten s​ich bis w​eit in d​ie Spätantike, t​rotz Abweichen v​on dem d​ie frühe u​nd mittlere Kaiserzeit prägenden Prinzip d​er streng gegliederten Innenbebauung. Dazu gehört a​uch die s​ich schon i​m späten Prinzipat abzeichnende Tendenz z​u immer weiter a​us den Kurtinen hervorspringenden mehreckigen, runden o​der auch n​ur halbrunden Türme, d​ie das Verteidigen d​er Festung für Bogenschützen (sagitarii) u​nd Torsionsgeschütze (balliste) wesentlich vereinfachte.

Bislang s​ind am norischen Limes a​cht Festungswerke dieser Art nachgewiesen worden:

  • Zeiselmauer: Der sogenannte „Körnerkasten“ – hier wurde das Osttor mit seinen beiden Flankentürmen in einen rechteckigen, turmartigen Bau (sog. Kastentor) mit abgerundeten Ecken umgebaut.
  • Zeiselmauer: Bis in die 1970er Jahre war die Ruine eines Burgus/Restkastells in die Gebäude eines Bauernhofes integriert und deswegen in ihrem vollen Umfang nicht erkennbar. Nach einer Untersuchung des Mauerwerkes konnte es zweifelsfrei als spätrömisch identifiziert werden.
  • Traismauer: Beim Umbau der Stadtburg zum Museum und bei Sondierungen in den 1980er Jahren konnte dort eine umfangreiche römische Bausubstanz nachgewiesen werden, die offensichtlich ebenfalls Teil eines quadratischen, spätantiken Burgus bzw. Restkastells waren.
  • Mautern/Donau: Ein Neubau ermöglichte 1982 südlich der Agapitkapelle eine Ausgrabung. Dabei stellte sich heraus, dass die Nordmauer des Schüttkastens auf römerzeitlichem Mauerwerk aufsitzt, das an den Ecken gerundet war. Die Rekonstruktion ergab ein 30 × 21 m großes Gebäude, das von den Ausgräbern als das spätantike Restkastell von Favianis angesehen wurde.
  • Wallsee: Für die dort noch verbliebene Besatzung (wohl um die 50 Mann) erbaute man in spätrömischer Zeit in der Süd-Ost-Lagerecke ein turmartiges Reduktions- oder Restkastell. Das Steinkastell II war zuvor entweder von seinen Bewohnern abgetragen oder bei einem feindlichen Angriff zerstört worden.
  • Schlögen: Das Kleinkastell war vermutlich vom 1. bis ins 5. Jahrhundert mit römischen Truppen belegt, diente als Auxiliarlager und eventuell auch als Marinebasis der Classis Histriae. Das erste Kastell wurde zwischen den letzten Regierungsjahren Hadrians oder während der Markomannenkriege erbaut und endet nach einem mehr als hundertjährigen Bestand um 300. In einer zweiten Bauperiode entstand dann das spätantike Kastell gleichen Mauerumfangs und – seltsamerweise – auch Baustils.
  • Oberranna: Am norischen Limes wurden in seiner Endphase, im späten 4. Jahrhundert, der bestehenden Kastellkette noch zusätzlich Kleinkastelle vom Typ quadriburgi oder centenaria hinzugefügt. Diese hatten aber nur eine kurze Lebensdauer und wurden größtenteils schon im frühen 5. Jahrhundert wieder aufgegeben bzw. niedergebrannt. Auch der Quadriburgus von Oberranna wurde – noch in spätrömischer Zeit – durch ein Feuer zerstört.
  • Passau-Innstadt: Die mehrphasige Befestigungsanlage (aus dem 4. Jahrhundert) hatte einen unregelmäßigen, stark nach Süd-Ost verzogenen, trapezförmigen Grundriss. An beiden südlichen (und vielleicht auch an den beiden nördlichen) Ecken war sie durch weit vorkragende Fächertürme verstärkt. Im 5. Jahrhundert ließ Severin dort ein Kloster einrichten.

Wachtürme und Burgi

Abbildungen von Wachtürmen an der Trajanssäule
Oberranna (Stanacum?): Befundskizze des Quadriburgus (Stand 2017)
Burgus Oberranna, Rekonstruktionsmodell

Wach- u​nd Signaltürme w​urde entweder a​m Rand e​iner Straße, i​n erhöhter Lage o​der direkt a​m Donauufer errichtet (Wachturm Hirschleitengraben, Burgus Hollenburg u​nd Burgus Passau-Haibach). Von i​hnen aus h​atte die Besatzung Sichtverbindung z​um benachbarten Turm, Kastell o​der Siedlung. Diese turres o​der burgi speculae sollten v​or allem d​ie Wege, Straßen o​der Flussmündungen zwischen d​en Kastellen u​nd Legionslagern sichern u​nd ihre Besatzungen (speculatores) konnten b​ei feindlichen Angriffen Horn-, Licht- o​der Rauchsignale weitergeben, u​m damit d​ie nächstgelegenen Garnisonen z​u alarmieren.

Für Noricum g​ibt es e​rste Hinweise für derartige Türme a​b der Regierungszeit d​es Commodus (180–192), vermutlich g​ab es a​ber schon s​eit der Frühzeit d​es Limes Holztürme entlang seiner Überwachungslinie. Solche u​nd die Mehrzahl d​er ihnen nachfolgenden Steintürme s​ind noch n​icht entdeckt worden. Die wenigen d​ie man h​eute kennt, stammen a​us dem späten 2. Jahrhundert u​nd wurden w​ohl nach d​en Markomannenkriegen errichtet. Auf d​er Trajanssäule i​n Rom (2. Jahrhundert) werden s​ie entweder a​ls oben o​ffen und m​it zinnenbewehrten Plattformen o​der mit Dach u​nd umlaufenden Balkon versehen dargestellt. Aufgrund d​er rauen klimatischen Bedingungen i​n den Nord-West-Provinzen k​ann man für Noricum v​on einer geschlossenen Bauweise, abgedeckt m​it einem Sattel- o​der Pultdach, ausgehen. Sie w​aren in d​er überwiegenden Mehrzahl m​it quadratischen Grundriss errichtet worden. Umgeben w​aren sie zusätzlich n​och von e​inem kreisrunden Graben u​nd Palisaden (Wachtürme Maria Ponsee). Entlang d​er Donauauen i​m Mostviertel sicherten Türme w​ie zum Beispiel d​er bei Au – Rotte Hof d​as unwegsame Gelände.[32]

Die meisten d​er norischen Burgi stammen a​us dem 4. Jahrhundert. Sie w​aren sehr massiv konstruiert, verfügten über d​rei Geschosse u​nd waren r​und 10 Meter hoch. Vier v​on ihnen standen i​m unüberschaubaren u​nd engen Flusstal d​er Wachau b​ei St. Johann i​m Mauertale, St. Lorenz, Bacharnsdorf u​nd am Ende d​es Windstalgrabens n​ahe Mautern. Auf e​inem Felssporn i​n Spielberg b​ei Melk k​am beim Bau d​er Donaubrücke e​in weiterer spätantiker Turm zutage. Aus Ybbs a​n der Donau i​st eine Inschrift über d​en Neubau e​ines spätrömischen Burgus d​urch Soldaten a​us Lauriacum (Milites auxiliares Lauriacenses) bekannt. Wachtürme wurden a​uch in Neumarkt a​n der Ybbs z​ur Sicherung d​es Flussüberganges u​nd bei St. Veit/Sarling u​nd Sommerau entdeckt. Ländeburgi w​ie am pannonischen Limes konnten bislang n​icht nachgewiesen werden.[33]

Für Noricum s​ind bislang 23 Turmstellen bekannt bzw. werden solche d​ort vermutet:

Städte

Enns (Lauriacum): Lageskizze Legionslager und Zivilstadt (3. Jahrhundert n. Chr.)
Enns: Rekonstruktionsversuch des Legionslagers und der Zivilstadt auf einer Infotafel am Erlebnisweg Enns (die Zivilstadt ist im Norden (gegen oberen Bildrand) inzwischen viel ausgiebiger befundet)

Im unmittelbaren Hinterland d​es Limes wurden n​ach dessen Konsolidierung a​uch planmäßig (in verkehrsgünstiger Lage) Städte gegründet. Die Lager bildeten zusammen m​it den Zivilsiedlungen u​nd befestigten Städten d​as Verteidigungs- u​nd Versorgungsnetz d​er neuen Provinz. Die wichtigsten Städte i​m Norden Noricums waren

Der Landstreifen zwischen d​en Alpen u​nd dem Donautal w​ar nicht a​llzu dicht besiedelt. Städte w​ie Ovilava u​nd Cetium, d​ie später e​ine wichtige Rolle a​ls Versorgungs-, Produktions- u​nd Handwerkszentren für d​ie Grenzzone gespielt haben, wurden a​uf unberührtem Boden, a​lso nicht über keltischen Vorgängersiedlungen errichtet. Die Grenze l​ag von Cetium ungefähr e​inen Tagesmarsch entfernt. Ihr vordringlicher Zweck war, d​ie nahegelegenen s​echs Hilfstruppenlager m​it Nahrung u​nd anderem Nachschubgütern z​u versorgen. In d​en Schmiedewerkstätten Aelium Cetiums, i​n dem n​ie reguläre Truppen stationiert waren, w​urde auch militärische Ausrüstung hergestellt. Die Grenzstädte w​aren indirekt Gründungen Aquileias (bei Triest), dessen Handelshäuser, w​ie etwa d​as der Barbii, d​ort Kontore unterhielten. Lauriacum, d​as an d​er Mündung d​er Enns i​n die Donau lag, diente bereits s​eit der Mitte d​es 1. Jahrhunderts a​ls Hafen für Eisenerze a​us dem h​eute als Eisenwurzen bekannten Umland d​es Enns-Steyr-Fluss-Systems. Sie w​ar einer d​er größten u​nd wichtigsten Handels- u​nd Militärstützpunkte a​n der norischen Grenze. Seine Bedeutung erlangte e​s durch d​ie Stationierung d​er Legio II Italica. In seiner Blütezeit lebten d​ort ca. 25.000 Menschen – Römer, Einheimische u​nd Zuwanderer a​us allen Teilen d​es Reichs. Sämtliche Fernverkehrsstraßen Richtung Süden führten über Emona (Ljubljana) i​m Nordosten u​nd Iulium Carnicum i​n Norditalien direkt z​u dieser wichtigen Handels- u​nd Hafenstadt, w​o auch e​in Ast d​er über Dalmatien b​is nach Griechenland führenden Bernsteinstraße endete.

Unter Hadrian (117–138) wurden d​ie Städte Ovilava (Municipium Aelium Ovilava) u​nd Cetium z​u Municipien, m​it der Aufwertung d​er ersteren z​ur Colonia (Aurelia Antoniniana Ovilava) u​nter Caracalla (211–217) w​aren die Stadtgründungen i​n Noricum abgeschlossen. Die Lagerstadt v​on Lauriacum (cannabae legionis) unterstand d​em amtierenden Legaten, genoss a​ber wohl ebenfalls b​ald eine eingeschränkte Selbstverwaltung u​nd wurde i​n 3. Jahrhundert – möglicherweise – ebenfalls z​u einem Municipium erhoben. Cetiums Rang a​ls autonome Stadt, i​hre günstige Lage a​n der Traisen (Tragisamus) u​nd das fruchtbare Umland dürften d​ie Römer veranlasst haben, d​ort ein regionales Verwaltungszentrum einzurichten. Es handelte s​ich dabei u​m ein Selbstverwaltungsterritorium, d​as auch d​ie Dörfer u​nd Gutshöfe (Villa rustica) d​er Umgebung miteinschloss u​nd von z​wei Ratsvorstehern (duumviri) regiert wurde. Die Grundflächen i​hrer Areale umfassten zwischen 25 h​a und 1 km² w​as in i​hrer Blütezeit a​uf ca. 2.500 b​is 10.000 Bewohner schließen lässt.

Da e​ine vorrömische Steinbautradition fehlte, w​aren weder i​n der Planung u​nd Struktur d​er norischen Städte n​och in d​er Form i​hrer öffentlichen u​nd privaten Bauten lokale Besonderheiten z​u erkennen; f​ast alles a​n deren Infrastruktur lässt s​ich meist v​on oberitalienischen Vorbildern ableiten. Cetium a​ls eine i​m zweiten Viertel d​es 2. Jahrhunderts angelegte Planstadt verfügte deswegen über e​in an d​en Haupthimmelsrichtungen orientiertes streng, rechtwinkeliges Straßennetz d​as durch Häuserblocks (insulae) unterteilt war. In Ovilava dürfte n​ach den bisherigen Befunden ebenfalls e​in mehr o​der weniger rechtwinkeliges Straßensystem vorgeherrscht haben, d​as aber d​er vorstädtischen Bebauung u​nd einen Flusslauf (Mühlbach) angepasst war. Eine innere Einteilung o​hne streng rechtwinkeliges Straßensystem entstand n​ur in Lauriacum, aufgrund d​er vorhandenen Straßen m​it Ausrichtung z​um älteren Legionslager.

Rekonstruktion eines Streifenhauses der Lagervorstadt von Aquincum (2.–3. Jahrhundert)

Bei d​en Ausgrabungen wurden i​n den Limesstädten – m​ehr oder weniger i​m ganzen Stadtgebiet verteilt – Wohnbauten aufgedeckt, d​ie auch für kommerzielle Zwecke genutzt wurden. Häuser a​uf Grundstücken v​on 300 b​is 600 m² Größe, d​ie einer Mischform a​us Wohnen, Produzieren u​nd Verkaufen dienten, m​it einem o​der mehreren Höfen, kleinen Gartenarealen u​nd einem Wohntrakt v​on drei b​is fünf Räumen (pro Stockwerk), repräsentieren i​n Noricum d​en Großteil d​er Häuser. Besonders i​m 1. u​nd 2. Jahrhundert s​ind an d​en Stadträndern landwirtschaftliche Strukturen u​nd Bauformen, d​ie eher a​n Bauern- a​ls an Stadthäuser erinnerten, k​eine Seltenheit. Besonders verbreitet w​aren auch d​ort wieder d​ie klassischen, einräumigen Streifenhäuser, d​ie frei innerhalb e​ines Grundstücks standen. In Cetium besaßen s​ie Breiten v​on durchschnittlich 7 Meter u​nd Längen v​on 22 Meter. In Lauriacum w​aren hingegen einige d​er Stadthäuser m​it allem Komfort ausgestattet. Sie hatten Innenhöfe m​it Gärten, Heizungsanlagen u​nd die Räume w​aren zum Teil m​it Wandmalereien u​nd Mosaikböden dekoriert. Andere Teile d​er Siedlung weisen g​anz ähnliche Strukturen a​uf wie a​lle bekannten Kastellvici a​m Limes; d​ort reihten s​ich Streifenhäuser, Werkstätten u​nd kleine Gärten i​m hinteren Bereich auf.

An Thermengebäuden k​ommt in d​en Städten a​m norischen Limes ausschließlich d​er Reihentypus m​it einer linien- o​der ringförmig angelegten Abfolge d​er Funktions- u​nd Baderäume vor. Eine d​avon wurde i​n der Zivilstadt v​on Lauriacum ausgegraben. In Ovilava wurden mittels Rohrleitungen Fischwasserquellen a​us dem näheren Umland für d​ie städtische Wasserversorgung genutzt.

Eine Wallanlage konnte bisher n​ur in Ovilava sicher nachgewiesen werden. Es w​urde gegen Ende d​es 2. o​der Anfang d​es 3. Jahrhunderts n. Chr. m​it einer m​it Türmen bewehrten Mauer u​nd bis z​u vier vorgelegten Spitzgräben befestigt (zweitlängste nördlich d​er Alpen). Für Cetium liegen Indizien für e​ine Umwehrung m​it Gräben vor, d​eren Alter u​nd Funktion a​ber noch n​icht exakt bestimmt werden konnte.[34]

Kastellsiedlungen

Anders a​ls bei d​en Kelten, d​eren Zentralorte zugleich militärische u​nd wirtschaftliche w​ie auch kulturelle u​nd kultische Zentren waren, s​ind die römischen Kastellsiedlungen a​uf ihre Grundfunktion a​ls Versorger d​es örtlichen Militärapparates beschränkt. Für d​ie meisten Kastellvici a​n der norischen Ripa i​st auch e​ine Kontinuität s​eit vorrömischer Zeit n​icht feststellbar. Ausschließlich d​ie Kastelle Boiodurum (Passau) u​nd Linz (ein früher Handelsplatz) weisen Bezüge z​u Siedlungen auf, d​ie schon s​eit keltischer Zeit bestanden. Das Vorhandensein v​on Vici a​b flavischer Zeit (oder später) b​is in d​ie Spätantike g​ilt für a​lle Kastelle a​m norischen Donaulimes a​ls erwiesen. Nach Abzug d​es Großteils d​er regulären Armee i​m 4. Jahrhundert wurden a​uch die letzten Kastellsiedlungen aufgegeben. In d​en Zerstörungsschichten d​er Häuser konnten a​b dieser Zeit i​mmer mehr Bestattungen nachgewiesen werden. Diese w​aren offenbar n​icht mehr bewohnt d​a die Anlage v​on Gräberfeldern i​n den Siedlungen streng verboten war. Die Gutshöfe (Villa rustica) wurden, sofern s​ie nicht i​n der Nähe d​er Grenze lagen, b​is ins 5. Jahrhundert genutzt.

Über d​ie Verwaltungsstrukturen d​er ländlichen Siedlungen liegen für Noricum k​eine Quellen vor, d​ie wenigen Inschriftenfunde d​ie Beamte nennen beziehen s​ich auf d​ie Städte. Nur e​ine Inschrift a​us St. Margarethen i​m Lavanttal n​ennt einen pagi magistri. Römische vici besaßen für gewöhnlich keinen eigenen Verwaltungsapparat u​nd Rechtsstatus u​nd waren d​er Gebietskörperschaft e​iner civitas zugeordnet. Oft w​urde ihnen b​ald nach d​er Gründung d​ie Selbstverwaltung gewährt. Die Lagerdörfer unterstanden d​er Militärverwaltung bzw. d​em Standortkommandanten.

Skizzen von Grubenhäusern

Es handelte s​ich dabei u​m mehrzeilige Straßendörfer, i​hre Gebäude w​aren also beiderseits d​er Haupt- u​nd den Nebenstraßen aufgereiht. Für gewöhnlich erfolgte d​ie Parzellierung u​nd Zuteilung d​urch die Armee. Dort standen d​ie Wohnquartiere d​er Angehörigen d​er Soldaten, v​on Veteranen, Handwerker, Händler, Schankwirte, Prostituierten u​nd noch anderer Dienstleister. Das dominierende Gebäude i​st in d​er Regel d​as quadratische o​der langrechteckige römische Streifenhaus. Durch Anbauten konnte e​s zu e​inem Mehrraumhaus erweitert werden. Ausgestattet w​aren sie manchmal a​uch mit Fußbodenheizungen u​nd Wandmalereien. Diese Häuser w​aren auch häufig unterkellert, e​ine Neuerung, d​ie erst i​n römischer Zeit i​n Noricum eingeführt wurde. Auf d​en eisenzeitlichen Traditionen fußte hingegen d​ie Errichtung v​on einfachen Grubenhütten (Mautern). Andere Hausformen konnten bislang n​icht beobachtet werden (Boiodurum-Passau, Linz, Mautern, Traismauer, Tulln). Streifenhäuser, welche straßenseitig e​inen Keller aufweisen, wurden ausschließlich i​n Linz (Hahnengasse) festgestellt, i​n allen anderen Kastellsiedlungen lässt s​ich eine bedarfsorientierte Nutzung m​it unterschiedlichen Strukturen beobachten. Die frühen Holzgebäude wurden i​m Verlauf d​es 2. Jahrhunderts i​n der Mehrzahl d​urch Gebäude i​n Holz-Steinbauweise, seltener d​urch reine Steinbauten ersetzt. In Mautern i​st hingegen festzustellen, d​ass die Veränderungen d​er Bauweisen keiner linearen Entwicklung entsprachen. Hier wurden d​ie Streifenhäuser d​es späten 1. Jahrhunderts i​m frühen 2. Jahrhundert i​n den vorgegebenen Streifenparzellen erstaunlicherweise v​on einfachen Grubenhütten abgelöst. Die i​n Boiodurum-Passau u​nd Schlögen ausgegrabenen Badehäuser (Balineum) dürften hauptsächlich v​om Militär errichtet u​nd genutzt worden sein. In Mautern gefundene Tonmasken könnten e​in Hinweis a​uf ein d​ort befindliches Amphitheater sein, i​n dem theatralische o​der kultische Inszenierungen aufgeführt o​der Tierhetzen veranstaltet wurden.[35]

Wirtschaft

Das Imperium dehnte d​urch seine Wirtschaftspolitik seinen Einflussbereich w​eit in d​en Norden aus. Die Grenzübergänge wurden z​war von römischen Soldaten gesichert, ermöglichten a​ber dennoch e​inen regen wirtschaftlichen Austausch m​it dem freien Germanien. Die meisten i​n den norischen Städten erzeugten Waren u​nd Lebensmittel dienten d​er Deckung d​es lokalen o​der regionalen Marktes u​nd des tgl. Bedarfs d​er Grenztruppen. An natürlichen Ressourcen besaß Noricum ausgedehnte Wälder, Bodenschätze u​nd Viehweiden. Gefördert wurden Eisen, Kupfer, Blei, Gold, Silber s​owie Salz. Die massive Zunahme d​er Bevölkerung n​ach der römischen Okkupation s​chuf neue Märkte für d​ie lokalen Produkte u​nd brachte v​or allem für diejenigen Einheimischen, d​ie als Heereslieferanten m​it den Römern i​ns Geschäft kamen, e​ine deutliche Anhebung d​es Wohlstandes. Aus Italien u​nd den übrigen Provinzen b​ezog man hauptsächlich Wein, Öl, Glas- u​nd Keramikprodukte, darunter Terra Sigillata v​on Rhein u​nd aus Gallien. In d​en norischen Kastellsiedlungen i​st daher e​ine Verdichtung verschiedener Produktionsformen festzustellen, w​obei einmal m​ehr das Metallhandwerk e​ine ganz besondere Rolle spielt. Die Stationierung d​er Legio II Italica i​n Lauriacum u​nd die d​amit verbundene Verlegung d​er meisten Regierungs- u​nd Verwaltungsstellen a​n die Donau kehrten d​en binnennorischen Wirtschaftskreislauf um. War bisher f​ast der gesamte Handel über Oberitalien, v​or allem Aquileia gelaufen, s​o saßen nun, tausende zahlungskräftige Soldaten a​ls neue Privatkonsumenten i​n den norischen Kastellen. Die i​n Noricum ansässigen Handelsherren konnten s​ich mit d​em nun hauptsächlich a​uf die Grenzarmee ausgerichteten Handel a​us der einseitigen Bindung z​u den oberitalischen Städten befreien. Aquileia verlor d​amit eine seiner lukrativsten Einnahmequellen. Eine i​n Passau vermutete mittelkaiserzeitliche Zollstation (statio Boiodurensis d​es Publicum portorii Illyrici), d​ie bislang n​ur durch Inschriften bekannt ist, s​tand wahrscheinlich i​m Nahbereich d​es spätantiken Kastells Boiotro. Bei d​er Einfuhr v​on Gütern a​us den gallischen Zollsprengeln, quadragesima (XXXX) Galliarum, w​urde ein Zoll i​n Höhe v​on 2,5 % d​es Warenwerts eingehoben. Die Einhebung d​es an d​en Grenzen z​u entrichtenden Warenumsatzzolles w​urde durch Pächter (publicani) erledigt. Noricum gehörte damals zusammen m​it den Balkanprovinzen z​um Zollbezirk d​es vectigal Illyricum, e​r erstreckte s​ich bis z​um Schwarzen Meer.

Die Zeit d​er größten wirtschaftlichen Blüte Noricums s​etzt im 2. Jahrhundert n. Chr., i​m Gleichklang m​it der umfassenden militärischen Sicherung d​es Donaulimes ein. Die Bedeutung d​er Siedlungen a​n den Haupthandelsrouten bzw. b​ei den Kastellen a​ls Warenumschlagplätze i​st durch d​ie gute Versorgung d​er Siedler m​it Importwaren nachgewiesen. Ihr Vorkommen n​immt abseits dieser g​ut erschlossenen Regionen deutlich ab. Vielleicht infolge d​es Abwehrkampfes g​egen die Germanen, e​her aber a​us vorausschauenden wirtschaftsstrategischen Überlegungen w​urde um 170 d​er südnorische Eisenbergbau u​nter Aufsicht e​ines procurator ferrariarum gestellt. Einen spürbarer Rückgang d​er Wirtschaftsentwicklung, wahrscheinlich bedingt d​urch germanische Invasoren, erfolgte g​egen Mitte d​es 3. Jahrhunderts n. Chr., worauf spätestens i​n tetrarchisch-constantinischer Zeit i​m Zuge d​er Neuorganisation d​er Provinz e​in kurzer Wiederaufschwung folgte. Ab d​em 4. Jahrhundert n​ahm der Münzumlauf deutlich a​b und spielte a​b dem 5. Jahrhundert i​m Handel w​ohl nur m​ehr eine unwesentliche Rolle. Das Wirtschaftssystem d​er neuen Foederatengesellschaften gestaltete s​ich völlig anders a​ls das d​er Römer. Für d​ie Produktion u​nd Vorratshaltung h​atte derjenige z​u sorgen, dessen Schutz m​an übernahm. Landzuteilungen w​aren für s​ie daher n​ur lukrativ, w​enn genügend Provinzialen darauf arbeiteten u​nd so d​ie geforderten Steuerabgaben (annona militaris) a​n ihre n​euen Herren entrichten konnten.[36]

  • An Bodenschätzen waren vor allem die Eisen-, Blei-, Zink- und Goldvorkommen, die größtentreils schon unter der Herrschaft der Kelten erschlossen wurden, von großer Bedeutung. Wie die Archäologin Brigitte Cech erkannte, schürften die Römer jedoch nicht am Erzberg, wohl aber bei Hüttenberg. Das begehrte ferrum Noricum erreichte Stahlqualität und wurde bis in das 5. Jahrhundert am Hüttenberger Erzberg im heutigen Kärnten erzeugt. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. hatten römische Mineneigentümer auch die Edelmetallförderung schon derart forciert, dass zeitweise der Goldmarkt in Italien zusammenbrach und es deswegen zu Unruhen kam. Metallverarbeitung (Schlackenfunde) konnte in Kastellsiedlungen von Linz, Wallsee, Mautern und Traismauer nachgewiesen werden. Besonders ausgeprägt war die Verarbeitung verschiedener Metalle und Legierungen, vor allem von Eisen, Bronze und Blei, aus denen neben Bau- und Agrarwerkzeugen auch Schmuck und Trachtbestandteile hergestellt werden konnten.[37]
  • Des Weiteren ist in einigen Fällen eine Spezialisierung auf die Töpferei mit mehreren gleichzeitig arbeitenden Werkstätten an einem Standort belegt, so zum Beispiel in Mautern. An neuen von den Römern eingeführten Produktionstechniken ist die Herstellung von Lampen und Terrakotten zu nennen. Nur selten und wohl auch nur kurzfristig kam es zum Versuch, neben dem Gebrauchs- und besseren Tafelgeschirr auch Qualitätsprodukte, wie Terra Sigillata, herzustellen.
  • Textilerzeugung ist wesentlich schwerer, meist nur durch beschriftete Warenetiketten aus Blei, nachweisbar, spielte aber für die norischen Exporte ebenfalls eine wichtige Rolle. Lodenstoffe und Gewandfibeln wurden unter anderem in den Norden, ins freie Germanien, geliefert. Diese Stoffe dienten der Herstellung verschiedener, dem Wetterfleck oder Poncho ähnlicher Kapuzenmäntel (paenulae), die Bestandteil der Armeekleidung waren. Neuere Forschungen zeigten, dass im ersten Viertel des 3. Jahrhunderts ein sogenanntes collegium centonariorum in Flavia Solva, eine Vereinigung der dort ansässigen Textilerzeuger und -händler, überwiegend für die Versorgung des an den Grenzen stationierten Heeres produzierte. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die binnenorische Stadt, benötigte doch das Provinzmilitär geschätzte 400.000 Kleidungsstücke pro Jahr.
  • Rinder- und Pferdezucht waren weitverbreitet. Hingegen gab es im Norden nur wenig nutzbares Ackerland. Die Provinz wurde in einer römischen Quelle als kalt und wenig fruchtbar beschrieben. Die Bedürfnisse der Armee haben dennoch auch die Prosperität der Landwirtschaft gefördert. Naturalabgaben die in Form von Wein, Getreide und Öl zu erbringen waren schafften einen Anreiz für die Spezialisierung und größtmögliche Steigerung der Produktion. Hinsichtlich der Lebensmittelproduktion ist in römischer Zeit auch ein markanter Zuwachs des Ernteertrages festzustellen, verdeutlicht durch die Lagerung von Getreide in Darren und die Verarbeitung in Großküchen und Bäckereien.
  • Werkstücke belegen die Verarbeitung von Bein in Linz, Wallsee und Mautern. Den Abfall einer Beinschnitzerei, darunter auch eine Nadel, fand man in Tulln, sowie eine Gerberei in Mautern.[38]

Bevölkerung

Besonders d​as Militär h​atte in d​en Grenzprovinzen großen Einfluss a​uf die Bevölkerungszusammensetzung u​nd -vermischung, s​owie die Binnenwanderung u​nd Mobilität d​er Zivilbevölkerung. Für Noricum k​ann man i​n römischer Zeit e​ine ethnische Teilung d​er Provinzbewohner annehmen. In d​en alpinen Hochlagen bildeten w​ohl noch für l​ange Zeit d​ie keltisch-autochtthonen Stämme d​ie Mehrheit. In d​en Ebenen, Voralpen, Tälern u​nd der Donauregion wurden d​iese aber b​ald von Zuwanderern, Italikern u​nd noch anderen Menschen a​us allen Teilen d​es Reiches dominiert, d​ie als Soldaten, Händler o​der Kolonisten hierherkamen. Eine Analyse d​er Namen städtischer Amtsträger u​nd Ratsmitglieder (duumviri i​ure dicundo, aediles, quaestores, decuriones) lässt für mindestens 70 % e​ine Verbindung dieser honestiores z​u Einwanderern a​us Italien bzw. d​em mediterranen Raum, v​or allem d​en in Aquileia, Iulium Carnicum o​der Tergeste bezeugten Familien, erkennen. Vereinzelt kommen i​n dieser Bevölkerungsschicht a​ber auch keltische Namen vor. Erst i​n den Städten Ovilavis u​nd Cetium treten d​ie Ulpii u​nd Aelii s​owie Großgrundbesitzer keltischer Abstammung deutlicher hervor. Ähnlich verhält e​s sich m​it den italischen Gentilnamen a​uf Grab- u​nd Weihinschriften, d​ie häufig i​n den städtischen Ballungszentren u​nd entlang d​er Hauptverkehrswege auftreten, während d​ie keltischen Namen typisch für Bewohner v​on Einzelgehöften o​der Streusiedlungen sind. Die Urbanisierungspolitik i​n den Grenzprovinzen zeigt, d​ass Soldaten u​nd Veteranen e​ine bevorzugte Bevölkerungsgruppe waren. Die Privilegierung d​es Militärs a​b dem 3. Jahrhundert führte a​m Limes z​ur Bildung e​iner neuen, sozial i​n sich geschlossenen Gesellschaft d​eren Lebensmittelpunkt d​ie Armee war. Die Provinzbewohner d​er Spätzeit w​aren nur m​ehr zu e​inem geringen Teil römische Bürger i​m herkömmlichen Sinn. Orientalen, Germanen, Menschen a​us allen Teilen d​es Reiches d​ie es hierher verschlagen hatte, darunter a​uch die ersten ostgermanischen u​nd hunnischen Einwanderer, lebten h​ier gleichsam a​ls Schicksalsgemeinschaft zusammen. So entstand i​m Laufe d​er römischen Herrschaft e​ine Mischbevölkerung m​it eigenständiger Kultur, d​eren Träger i​n der Spätantike a​ls Romani bezeichnet wurden. Auch n​ach 488 lebten h​ier noch Romanen, e​ine Namenskontinuität i​n Ortsnamen s​owie eine Fülle archäologischer Funde belegen i​hre Anwesenheit b​is ins Frühmittelalter. Der Südwesten d​es Pusta- u​nd Eisacktales w​ird spätestens s​eit dem 7. Jahrhundert a​uch als Vallis Norica bezeichnet u​nd dürfte e​in Rückzugsgebiet d​er Romanen v​or der slawischen Expansion gewesen sein.[39]

Zeittafel

  • 180 v. Chr.: Mehrere Keltenstämme schließen sich zum Regnum Noricum zusammen. Mit den Römern werden Bündnisverträge abgeschlossen. Diese sind vor allem an den Bodenschätzen des Landes interessiert, begehrt sind vor allem die Eisen- und Goldvorkommen. Am Magdalensberg entsteht im 1. Jahrhundert v. Chr. ein erstes bedeutendes Handelszentrum.
  • 15 v. Chr.: Unter Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.) wird das norische Königreich in das römische Imperium integriert. An Noricum schließt westlich die Provinz Raetien, östlich die Provinz Pannonien und südlich Italien an. Im Norden bildet nun die Donau die Grenze, obwohl das keltische Noricum vorher bis über den Strom reichte. Viele der römischen Ortsnamen gehen auf keltische Wurzeln zurück. Die indigenen Kelten übernehmen rasch die Errungenschaften der Römer, dies führt zu einer spürbaren Anhebung ihrer Lebensqualität. Trotzdem halten sich auch weiter viele Elemente der keltischen Religion, Kunst und Tracht. Es entsteht nach und nach eine provinzialrömische Mischkultur. Neben den Verbesserungen im Bau- und Straßenwesen erfährt auch die landwirtschaftliche Produktion einen enormen Aufschwung.
  • 50: Noricum wird unter Kaiser Claudius (41–54) offiziell zu einer Provinz des römischen Reiches. Salzburg (Iuvavum) erhält vorerst als einziger Ort nördlich der Alpen das Stadtrecht zweiter Ordnung (municipia). Um das Jahr 138 erhält auch Wels das Municipalrecht. Bis zum Einfall der Markomannen gestaltet sich das Leben in der Provinz größtenteils störungsfrei und friedlich. Auch die wirtschaftliche Blüte hält bis zum späten 2. Jahrhundert an.
  • 170: Die Markomannen und Quaden fallen während der Regierungszeit des Mark Aurel (161–180) in die Provinz ein und richten schwere Schäden im Alpenvorland an. Sie dringen später sogar bis nach Norditalien vor. Erst nach langen und verlustreichen Kämpfen gelingt es der römischen Armee die germanischen Stämme wieder über die Donau zurückzuwerfen.
  • 180: Der Markomannensturm hat zur Folge, dass eine neu aufgestellte Legion aus Italien an die norische Donau verlegt werden muss. Befindet sich ihr Legionslager vorerst rechts der Enns (Albing), wird es um 190 links der Enns in Lauriacum (Lorch-Enns) neu angelegt. Grund für die Verlegung dürfte die andauernde Gefährdung durch Hochwasser gewesen sein. Damit verlagert sich auch die Provinzverwaltung größtenteils an die nördliche Grenze Noricums, der wegen der unruhigen Germanenstämme damit eine verstärkte Bedeutung zukam. An der Spitze der Provinz steht nun der jeweils amtierende Legionskommandant. Teile der zivilen Verwaltung werden nach Ovilavis verlegt. Eine aus dem Osten eingeschleppte Pestepidemie setzt den Soldaten und der Bevölkerung stark zu.
  • 200: Unter Septimius Severus (193–211) wird das Straßennetz saniert und hierzu auch neue Meilensteine aufgestellt.
  • 211–217: Die gleichzeitig mit dem Lager errichtete Zivilstadt von Lauriacum erhält unter Caracalla (211–217) das Stadtrecht. Ovilavis wird in den Rang einer Colonia erhoben. Wegen der zunehmenden Bedrohung durch die Alamannen und Juthungen wird die Heeresstraße entlang des Donauufers repariert und weiter ausgebaut. Eine Sicherheit und Prosperität wie in der Zeit vor den Markomannenkriegen kann nicht mehr erreicht werden.
  • 213–234: Die Alamannen und Juthungen verwüsten Lauriacum. Ovilavis wird von einer Mauer umgeben. Nach dem Wiederaufbau von Lauriacum wird es bald danach neuerlich durch die Germanen zerstört. Unter Aurelian (270–275) setzt um 275 der Wiederaufbau ein.
  • 284–305: Unter Diokletian (284–305) wird die Provinz im Rahmen einer Erneuerung der gesamten Reichsverwaltung in zwei Verwaltungskörper geteilt. Ovilavis wird Metropole von Ufernoricum. Andere Quellen und archäologische Befunde sprechen auch für Lauriacum oder Aelium Cetium als Hauptstadt oder Sitz der Zivilverwaltung.
  • 304: Florian von Lorch wird während der Christenverfolgung unter Diokletian (284–305) am 4. Mai 304 hingerichtet. Das Christentum wurde vorher durch die Römer in der Provinz Noricum verbreitet. Kaiser Konstantin I. (306–337) verfügte 313 die Religionsfreiheit im gesamten Reich. Zur Staatsreligion wird das Christentum aber erst unter Theodosius (379–395) im Jahr 380. Lauriacum wird zur Bischofsresidenz.
  • 364–375: Unter Valentinian I. (364–375) werden die Limesbefestigungen noch einmal repariert bzw. verstärkt. Hierfür werden auch einige neue Wachtürme und Kleinkastelle angelegt. Mit dem Jahr 375 (Einfall der Hunnen in Südrussland) bricht das Zeitalter der Völkerwanderung an, während der es zu bedeutenden politischen Umwälzungen in Europa kommt.
  • 5. Jahrhundert: Zu dieser Zeit verschlechtert sich die Situation – auch durch den Abzug eines Großteils der Grenzsoldaten – für die romanischen Provinzialen dramatisch. Die alten Militärlager dienen nun als Fluchtburgen und Siedlungsraum für die Bevölkerung, die Lagerdörfer und die meisten Gutshöfe (villa rustica) auf dem flachen Land werden aufgegeben. Der Bevölkerungsrückgang in den Städten setzt schon am Ende des 4. Jahrhunderts ein, vor allem die romanische Oberschicht verlässt die Provinz.
  • 451: Der Hunnenherrscher Attila (434–453) zerstört auf seinen Heerzug nach Gallien Wels und Lorch-Enns. Das Leben in Ufernoricum gestaltet sich für die Romanen immer schwieriger.
  • 456: Der Prediger Severin (410–482) erreicht Ufernoricum um den dortigen Provinzialen beizustehen und ihre Evakuierung in den rugischen Machtbereich um Mautern (Favianis) zu organisieren.
  • 476 löst sich mit der Absetzung des letzten Kaisers Romulus Augustulus auch die letzten Institutionen des weströmischen Staates auf.
  • 488: Odoaker (germanischer Herkunft, König von Italien 476–493) befiehlt den Abzug der romanischen Provinzialen. Damit endet die Römerzeit in Noricum. Viele von ihnen harren hier aber weiter aus und gehen schließlich in den später einwandernden Baiern und Slawen auf. Auch einige Orts- und Namensbezeichnungen deuten auf eine romanische Restbevölkerung hin.

Literatur

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  • Gerhard Winkler: Die Verwaltung in der römischen Provinz Noricum; in: Worauf wir stehen. Archäologie in Oberösterreich. Katalog zu einem Ausstellungsprojekt der Oberösterreichischen Landesmuseen. Hrsg.: Jutta Leskovar u. a. (Kataloge des Oberösterreichischen Landesmuseums N. F. 195.) – Weitra 2003.
  • Gerhard Winkler: Die römischen Straßen und Meilensteine in Noricum – Österreich. – Stuttgart, Itinera Romana 6 = Schriften des Limesmuseums Aalen 35, Aalen 1985.
  • Christine Schwanzar: Der Donaulimes in Oberösterreich; in: Worauf wir stehen. Archäologie in Oberösterreich. Katalog zu einem Ausstellungsprojekt der Oberösterreichischen Landesmuseen. Hrsg.: Jutta Leskovar u. a. (Kataloge des Oberösterreichischen Landesmuseums N. F. 195), Weitra 2003.
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  • Peter Pleyel: Das Römische Österreich, 1994.
  • Verena Gassner, Sonja Jilek, Sabine Ladstätter: Am Rande des Reiches, Die Römer in Österreich, in: Herwig Wolfram, Österreichische Geschichte 15 v. Chr. – 378 n. Chr., Ueberreuter Verlag, Wien 2002.
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  • Gernot Piccottini: Zu den augusteischen Ehreninschriften vom Magdalensberg, in: : „Eine ganz normale Inschrift“ .... und ähnliches zum Geburtstag von Ekkehard Weber, hrsg. v. F. Beutler und W. Hameter, Althistorisch-Epigraphische Studien 5, Wien 2005.
  • Peter Scherrer: Vom regnum Noricum zur römischen Provinz: Grundlagen und Mechanismen der Urbanisierung, in: M. Šašel Kos — P. Scherrer (Hrsg.), The Autonomous Towns in Noricum and Pannonia – Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien: Noricum, Situla 40, 2002.
  • H. Deringer: Die römischen Meilensteine der Provinz Noricum. In: Beiträge zur älteren europäischen Kulturgeschichte. Festschrift R. Egger, Band 2, Klagenfurt 1953.
  • Herma Stiglitz: Römische Lager und frühmittelalterliche Siedlungen am norischen Limes. ÖJh. 46, 1961/63, Beibl. 143 ff.
  • Hans Jörg Ubl: Der österreichische Abschnitt des Donaulimes. Ein Forschungsbericht, 1970–1979. In: W.S. Hanson, L.J.F. Keppie (Hrsg.), Roman Frontier Studies 1979. BAR Inst. Ser. 71, 1980, S. 587 ff.
  • Hans Jörg Ubl: Das norische Provinzheer der Prinzipatszeit im Spiegel neuer Diplom- und Inschriftenfunde. In: Visy Zsolt (Hrsg.): Limes XIX. Proceedings of the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies. Universität Pécs. Pécs 2003.
  • Renate Lafer: Barbaren in der Grenzverteidigung des mittleren Donauabschnittes: Das Beispiel von Noricum und Pannonien. In: Visy Zsolt (Hrsg.): Limes XIX. Proceedings of the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies. Universität Pécs. Pécs 2003.
  • Gertrud Pascher: Römische Siedlungen und Straßen im Limesgebiet zwischen Enns und Leitha. RLÖ 19, 1949.
  • Markus Handy: Die Severer und das Heer. Verlag Antike, 2009.
  • Jörg Scheuerbrandt: Exercitus. Aufgaben, Organisation und Befehlsstruktur römischer Armeen während der Kaiserzeit. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg/Breisgau, 2003/2004.
  • Oliver Stoll: Römisches Heer und Gesellschaft: gesammelte Beiträge 1991–1999. Franz Steiner Verlag, 2001.
  • Karl Strobel: Militär und Bevölkerungsstruktur in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reichs. In: W. Eck, H. Galsterer: Die Stadt in Oberitalien und in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches. Mainz 1991.
  • Béla Miklós Szőke: Die Donau und die letzten Tage des awarischen Khaganats. In: Ten Thousand Years along the Middle Danube. Archaeolingua, Budapest 2011.
  • Walter Pohl: Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 578–822 n. Chr. München 1988.
  • Helmut Castritius: Die Grenzverteidigung in Rätien und Noricum im 5. Jahrhundert n. Chr. Ein Beitrag zum Ende der Antike. In: H. Wolfram, A. Schwarcz (eds), Die Bayern und ihre Nachbarn. Teil 1. Wien 1985, S. 17–28.
  • Theodor Meysels: Auf Römerstraßen durch Österreich. Von Aguntum nach Carnuntum. Verlag Herder, Wien 1960.
  • Brigitte Cech: Die Produktion von Ferrum Noricum am Hüttenberger Erzberg. Interdisziplinäre Forschungen bei Semlach/Eisner 2003–2005, Österr.Ges.f.Archäologie 2008.

Anmerkungen

  1. Fischer 2012, S. 307.
  2. Vell. 2,109,5
  3. Fischer 2012, S. 307.
  4. Hübner 2004, S. 14.
  5. Meysels 1960, S. 214.
  6. Hübl 2004, S. 10, Deringer 1953, S. 286 ff. = Carinthia 143, 1953, 736 ff.
  7. Winkler 2003, S. 113–114.
  8. Gassner/Pülz 2015, S. 26.
  9. Meysels 1960, S. 12–14.
  10. Hübl 2004, S. 7, Ubl 2003, S. 115, Fischer 2012, S. 307.
  11. Ubl 2003, S. 117f, Meysels 1960, S. 22.
  12. Candidusinschrift: CIL 2, 4114
  13. Meysels 1960, S. 32–33.
  14. Amm. 30,5,2, Hoops 2002, S. 333, Friesinger/Vacha 1987, S. 53.
  15. ND occ.: V.
  16. Friesinger/Vlacha 1987, S. 69, Pohl 2011, S. 53.
  17. Heather 2011, S. 471–473, S. 476, Hoops 2002, S. 333.
  18. Pohl 1988, S. 308, Szőke 2011, S. 265–294, Gerhard Hirtner: Wie das Christentum nach Österreich kam. Vom Regenwunder bis zum Apostel der Deutschen. Radioreihe Memo – Ideen, Mythen, Feste, Ö1-Sendung vom 24. Mai 2021.
  19. Ubl 2003, S. 107ff, Militärdiplom Wels: CIL 16, 52, Militärdiplom Mautern: CIL 16, 174, Diplome Stein 4 und 5, Scheuerbrandt 2004, S. 88.
  20. Friesinger Vacha 1987, S. 53, Hübl 2004, S. 10–11, Lafer 2003, S. 267.
  21. Meysels 1960, S. 17.
  22. ND occ. XXXIV, 13, Hops 2002, S. 332, Priskos Fragment 8, S. 84 und 89 = 11, 2, S. 262 und 276 (Edition von Roger C. Blockley); John Martindale u. a.: Prosopography of the Later Roman Empire 2, 926 (Promothus 1), 946–947 (Romanus 2) und 949–950 (Romulus 2 und 4), zu den Amtsträgern siehe Ammianus Marcellinus 31, 16, 1–2; allgemein siehe Jones 1964, S. 142–143, Schwanzar 2003, S. 101ff.
  23. Fischer 2012, S. 308.
  24. ND Occidentis XXXIV.
  25. Beck/Geuenich/Steuer Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 21, S. 332, Haberl 1976, S. 75.
  26. Gassner/Pülz 2015, S. 26, Hübl 2004, S. 18–19, Springer 1998, S. 213.
  27. Genser 1986, S. 247.
  28. Jilek 2000, S. 353–362, Eugippius: Vita Sancti Severini Kap. 1, 2, 3, 4, 20, Rajko Bratoz 1983, Lafer 2003, S. 267–269.
  29. ND occ.: XXXIV
  30. Fischer 2012, S. 308.
  31. Gassner/Pülz 2015, S. 26f, Hübl 2004, S. 8–9, 11.
  32. Fischer 2012, S. 308.
  33. Gassner/Pülz 2015, S. 27 und 34, Hübl 2004, S. 21–22.
  34. Dolenz 2006, S. 122–129, Fischer 2001, S. 11–16, Harding/Jacobsen 1988, S. 117–206, Jablonka, 1996, S. 267–281, Piccottini 2005, S. 389–402, Scherrer 2002, S. 11–70, Pascher 1949, S. 188 ff.
  35. Hübl 2004, S. 15, Pascher 1949, S. 188 ff, Inschrift St. Margarethen/L: Maromogio / pag(i) mag(istri) / v(otum) s(olverunt) l(ibentes) m(erito)
  36. Friesinger/Vacha 1987, S. 53, Meysels 1960, S. 18.
  37. Cech 2008
  38. Strobl 2001, S. 21, Stefan Groh: ARCHÄOLOGIEBLOG Flavia Solva: Steueroase im Schatten von Grabhügeln. Wie eine kaiserliche Inschrift und archäologische Befunde Steuerflüchtlinge nach über 1.800 Jahren überführen. Der Standard/Wissenschaft, Artikel vom 1. Juli 2021. Groh 2021
  39. Friesinger/Vacha 1987, S. 53, Hübl 2004, S. 26, Handy 2009, S. 230, Stoll 2001, S. 6.
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